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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Löffler.
fand ihn in den Theilen Sibiriens, welche er besuchte und stellte fest, daß er im ganzen südlichen
Sibirien mit Ausnahme der mittleren, hochgelegenen Gebiete gefunden wurde; Swinhoe lernte
ihn als Wintergast Südchinas und Jerdon als einen regelmäßigen Bewohner Jndiens kennen; ich
traf ihn häufig an den Seen Egyptens und südlich bis Derr in Rubien. Einzelne haben sich weit
nach Norden verflogen und ältere Naturforscher zu der Ansicht verleitet, daß die Art eigentlich dem
Norden angehöre, während wir jetzt annehmen müssen, daß das regelmäßige Vorkommen unseres
Vogels in Holland als in jeder Hinsicht auffallend erscheinen muß.

Jn Jndien oder Südasien überhaupt und in Egypten gehört der Löffler wahrscheinlich unter die
Standvögel; in nördlicheren Ländern erscheint er mit den Störchen, also im März und April, und
verläßt das Land im August und September wieder. Er wandert bei Tage, nach Art der Jbisse in
einer langen Querreihe, scheint aber nicht besonders zu eilen, sondern sich während der Reise aller-
orten aufzuhalten, wo er Nahrung findet. Jn Griechenland trifft er mit den übrigen Reihern nach
der Tag- und Nachtgleiche ein, hält sich kurze Zeit in den Sümpfen auf und reist dann weiter,
benutzt aber im Herbste einen anderen Weg als im Frühlinge. Jm Brutlande wie in der Fremde
zieht er Strandseen und Sümpfe dem Meere entschieden vor, ist also keineswegs ein Seevogel, wie
man oft angenommen hat, sondern ähnelt auch hinsichtlich seines Aufenthaltes den Jbissen. Da, wo
das Meer seicht und schlammig ist, fehlt er freilich nicht, und sein prachtvoller amerikanischer Ver-
wandter hält sich gerade an Flußmündungen besonders häufig auf: die Meeresküste zeigt hier aber
auch ein ganz eigenthümliches Gepräge und ähnelt streng genommen einem großen Sumpfe. Ufer-
stellen und Brüche, welche mit höheren Pflanzen bestanden sind, vermeidet er unter allen Umständen:
sein eigentliches Weidegebiet sind die schlammigen Uferränder der Gewässer. Hier schreitet er, meist
watend, mit gemessenen Schritten dahin, solange er Nahrung sucht, mit tief herabgebeugtem Oberkörper,
den Schnabel beständig seitlich hin- und herschwingend und so, in ähnlicher Weise wie der Säbel-
schnäbler, Wasser und Schlamm durchsuchend. Selten sieht man ihn mit gerade ausgestrecktem Halse
stehen; wenn er arbeitet, biegt er denselben vielmehr so tief herab, daß der Kopf fast auf den
Schultern ruht und der Hals vorn weit hervortritt; nur beim Sichern streckt er den Hals gerade
empor. Der Gang ist ernst und gemessen, jedoch zierlicher als der des Storches, der Flug sehr leicht
und schön, oft schwebend und kreisend. Von dem fliegenden Reiher unterscheidet sich der Löffler
dadurch, daß er den Hals stets gerade auszustrecken pflegt, vom fliegenden Storche dadurch, daß er
öfter und schneller mit den Flügeln schlägt. Die Stimme hört man sehr selten, bei Gefangenen fast
nie; sie ist auch nur ein einfacher, quakender Laut, welchen man schwer durch Silben wiedergeben
kann, und wird blos auf geringe Entfernung hin vernommen. Unter den Sinnen steht das Auge
obenan; das Gehör ist gut; das Gefühl scheint aber ebenfalls wohl entwickelt und der Schnabel in
ziemlich hohem Grade tastfähig zu sein.

Jn seinem Wesen und Gebahren kommt der Löffler am meisten mit den Jbissen überein; mit
Störchen und Reihern zeigt er keine Verwandtschaft. Er gehört zu den vorsichtigen und klugen Vögeln,
welche sich in die Verhältnisse zu fügen wissen und jedes Ereigniß bald nach seinem Werthe abzuschätzen
lernen, zeigt sich da verhältnißmäßig zutraulich, wo er Nichts zu fürchten hat, äußerst scheu hingegen
an allen Orten, wo dem Sumpfgeflügel überhaupt nachgestellt wird. Unter sich leben diese Vögel im
hohen Grade gesellig und friedlich. Mit wahrem Vergnügen habe ich gesehen, wie sich zwei Löffler
gegenseitig Liebesdienste erwiesen, indem der eine dem anderen das Gefieder des Halses mit dem
Schnabel putzte und ordnete, selbstverständlich nur diejenigen Stellen, welche mit dem eigenen
Schnabel nicht bearbeitet werden können. Ein anmuthigeres Bild, als es diejenigen gewähren,
welche sich in dieser Weise unterstützen, kann man sich kaum denken. Sie stehen viele Minuten lang
dicht neben einander, und der Dienst erscheint gewissermaßen als eine Liebkosung, welche der eine dem
anderen spendet. Streit und Zank unter einer Herde Löffelreiher kommt wohl niemals vor. Es
kann geschehen, daß auch unter ihnen der Neid sich regt, und der Hungrige demjenigen, welcher eben
Nahrung erbeutete, eine Strecke weit nachläuft; diese Verfolgung nimmt aber nie das Gepräge einer

Löffler.
fand ihn in den Theilen Sibiriens, welche er beſuchte und ſtellte feſt, daß er im ganzen ſüdlichen
Sibirien mit Ausnahme der mittleren, hochgelegenen Gebiete gefunden wurde; Swinhoe lernte
ihn als Wintergaſt Südchinas und Jerdon als einen regelmäßigen Bewohner Jndiens kennen; ich
traf ihn häufig an den Seen Egyptens und ſüdlich bis Derr in Rubien. Einzelne haben ſich weit
nach Norden verflogen und ältere Naturforſcher zu der Anſicht verleitet, daß die Art eigentlich dem
Norden angehöre, während wir jetzt annehmen müſſen, daß das regelmäßige Vorkommen unſeres
Vogels in Holland als in jeder Hinſicht auffallend erſcheinen muß.

Jn Jndien oder Südaſien überhaupt und in Egypten gehört der Löffler wahrſcheinlich unter die
Standvögel; in nördlicheren Ländern erſcheint er mit den Störchen, alſo im März und April, und
verläßt das Land im Auguſt und September wieder. Er wandert bei Tage, nach Art der Jbiſſe in
einer langen Querreihe, ſcheint aber nicht beſonders zu eilen, ſondern ſich während der Reiſe aller-
orten aufzuhalten, wo er Nahrung findet. Jn Griechenland trifft er mit den übrigen Reihern nach
der Tag- und Nachtgleiche ein, hält ſich kurze Zeit in den Sümpfen auf und reiſt dann weiter,
benutzt aber im Herbſte einen anderen Weg als im Frühlinge. Jm Brutlande wie in der Fremde
zieht er Strandſeen und Sümpfe dem Meere entſchieden vor, iſt alſo keineswegs ein Seevogel, wie
man oft angenommen hat, ſondern ähnelt auch hinſichtlich ſeines Aufenthaltes den Jbiſſen. Da, wo
das Meer ſeicht und ſchlammig iſt, fehlt er freilich nicht, und ſein prachtvoller amerikaniſcher Ver-
wandter hält ſich gerade an Flußmündungen beſonders häufig auf: die Meeresküſte zeigt hier aber
auch ein ganz eigenthümliches Gepräge und ähnelt ſtreng genommen einem großen Sumpfe. Ufer-
ſtellen und Brüche, welche mit höheren Pflanzen beſtanden ſind, vermeidet er unter allen Umſtänden:
ſein eigentliches Weidegebiet ſind die ſchlammigen Uferränder der Gewäſſer. Hier ſchreitet er, meiſt
watend, mit gemeſſenen Schritten dahin, ſolange er Nahrung ſucht, mit tief herabgebeugtem Oberkörper,
den Schnabel beſtändig ſeitlich hin- und herſchwingend und ſo, in ähnlicher Weiſe wie der Säbel-
ſchnäbler, Waſſer und Schlamm durchſuchend. Selten ſieht man ihn mit gerade ausgeſtrecktem Halſe
ſtehen; wenn er arbeitet, biegt er denſelben vielmehr ſo tief herab, daß der Kopf faſt auf den
Schultern ruht und der Hals vorn weit hervortritt; nur beim Sichern ſtreckt er den Hals gerade
empor. Der Gang iſt ernſt und gemeſſen, jedoch zierlicher als der des Storches, der Flug ſehr leicht
und ſchön, oft ſchwebend und kreiſend. Von dem fliegenden Reiher unterſcheidet ſich der Löffler
dadurch, daß er den Hals ſtets gerade auszuſtrecken pflegt, vom fliegenden Storche dadurch, daß er
öfter und ſchneller mit den Flügeln ſchlägt. Die Stimme hört man ſehr ſelten, bei Gefangenen faſt
nie; ſie iſt auch nur ein einfacher, quakender Laut, welchen man ſchwer durch Silben wiedergeben
kann, und wird blos auf geringe Entfernung hin vernommen. Unter den Sinnen ſteht das Auge
obenan; das Gehör iſt gut; das Gefühl ſcheint aber ebenfalls wohl entwickelt und der Schnabel in
ziemlich hohem Grade taſtfähig zu ſein.

Jn ſeinem Weſen und Gebahren kommt der Löffler am meiſten mit den Jbiſſen überein; mit
Störchen und Reihern zeigt er keine Verwandtſchaft. Er gehört zu den vorſichtigen und klugen Vögeln,
welche ſich in die Verhältniſſe zu fügen wiſſen und jedes Ereigniß bald nach ſeinem Werthe abzuſchätzen
lernen, zeigt ſich da verhältnißmäßig zutraulich, wo er Nichts zu fürchten hat, äußerſt ſcheu hingegen
an allen Orten, wo dem Sumpfgeflügel überhaupt nachgeſtellt wird. Unter ſich leben dieſe Vögel im
hohen Grade geſellig und friedlich. Mit wahrem Vergnügen habe ich geſehen, wie ſich zwei Löffler
gegenſeitig Liebesdienſte erwieſen, indem der eine dem anderen das Gefieder des Halſes mit dem
Schnabel putzte und ordnete, ſelbſtverſtändlich nur diejenigen Stellen, welche mit dem eigenen
Schnabel nicht bearbeitet werden können. Ein anmuthigeres Bild, als es diejenigen gewähren,
welche ſich in dieſer Weiſe unterſtützen, kann man ſich kaum denken. Sie ſtehen viele Minuten lang
dicht neben einander, und der Dienſt erſcheint gewiſſermaßen als eine Liebkoſung, welche der eine dem
anderen ſpendet. Streit und Zank unter einer Herde Löffelreiher kommt wohl niemals vor. Es
kann geſchehen, daß auch unter ihnen der Neid ſich regt, und der Hungrige demjenigen, welcher eben
Nahrung erbeutete, eine Strecke weit nachläuft; dieſe Verfolgung nimmt aber nie das Gepräge einer

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[665/0705] Löffler. fand ihn in den Theilen Sibiriens, welche er beſuchte und ſtellte feſt, daß er im ganzen ſüdlichen Sibirien mit Ausnahme der mittleren, hochgelegenen Gebiete gefunden wurde; Swinhoe lernte ihn als Wintergaſt Südchinas und Jerdon als einen regelmäßigen Bewohner Jndiens kennen; ich traf ihn häufig an den Seen Egyptens und ſüdlich bis Derr in Rubien. Einzelne haben ſich weit nach Norden verflogen und ältere Naturforſcher zu der Anſicht verleitet, daß die Art eigentlich dem Norden angehöre, während wir jetzt annehmen müſſen, daß das regelmäßige Vorkommen unſeres Vogels in Holland als in jeder Hinſicht auffallend erſcheinen muß. Jn Jndien oder Südaſien überhaupt und in Egypten gehört der Löffler wahrſcheinlich unter die Standvögel; in nördlicheren Ländern erſcheint er mit den Störchen, alſo im März und April, und verläßt das Land im Auguſt und September wieder. Er wandert bei Tage, nach Art der Jbiſſe in einer langen Querreihe, ſcheint aber nicht beſonders zu eilen, ſondern ſich während der Reiſe aller- orten aufzuhalten, wo er Nahrung findet. Jn Griechenland trifft er mit den übrigen Reihern nach der Tag- und Nachtgleiche ein, hält ſich kurze Zeit in den Sümpfen auf und reiſt dann weiter, benutzt aber im Herbſte einen anderen Weg als im Frühlinge. Jm Brutlande wie in der Fremde zieht er Strandſeen und Sümpfe dem Meere entſchieden vor, iſt alſo keineswegs ein Seevogel, wie man oft angenommen hat, ſondern ähnelt auch hinſichtlich ſeines Aufenthaltes den Jbiſſen. Da, wo das Meer ſeicht und ſchlammig iſt, fehlt er freilich nicht, und ſein prachtvoller amerikaniſcher Ver- wandter hält ſich gerade an Flußmündungen beſonders häufig auf: die Meeresküſte zeigt hier aber auch ein ganz eigenthümliches Gepräge und ähnelt ſtreng genommen einem großen Sumpfe. Ufer- ſtellen und Brüche, welche mit höheren Pflanzen beſtanden ſind, vermeidet er unter allen Umſtänden: ſein eigentliches Weidegebiet ſind die ſchlammigen Uferränder der Gewäſſer. Hier ſchreitet er, meiſt watend, mit gemeſſenen Schritten dahin, ſolange er Nahrung ſucht, mit tief herabgebeugtem Oberkörper, den Schnabel beſtändig ſeitlich hin- und herſchwingend und ſo, in ähnlicher Weiſe wie der Säbel- ſchnäbler, Waſſer und Schlamm durchſuchend. Selten ſieht man ihn mit gerade ausgeſtrecktem Halſe ſtehen; wenn er arbeitet, biegt er denſelben vielmehr ſo tief herab, daß der Kopf faſt auf den Schultern ruht und der Hals vorn weit hervortritt; nur beim Sichern ſtreckt er den Hals gerade empor. Der Gang iſt ernſt und gemeſſen, jedoch zierlicher als der des Storches, der Flug ſehr leicht und ſchön, oft ſchwebend und kreiſend. Von dem fliegenden Reiher unterſcheidet ſich der Löffler dadurch, daß er den Hals ſtets gerade auszuſtrecken pflegt, vom fliegenden Storche dadurch, daß er öfter und ſchneller mit den Flügeln ſchlägt. Die Stimme hört man ſehr ſelten, bei Gefangenen faſt nie; ſie iſt auch nur ein einfacher, quakender Laut, welchen man ſchwer durch Silben wiedergeben kann, und wird blos auf geringe Entfernung hin vernommen. Unter den Sinnen ſteht das Auge obenan; das Gehör iſt gut; das Gefühl ſcheint aber ebenfalls wohl entwickelt und der Schnabel in ziemlich hohem Grade taſtfähig zu ſein. Jn ſeinem Weſen und Gebahren kommt der Löffler am meiſten mit den Jbiſſen überein; mit Störchen und Reihern zeigt er keine Verwandtſchaft. Er gehört zu den vorſichtigen und klugen Vögeln, welche ſich in die Verhältniſſe zu fügen wiſſen und jedes Ereigniß bald nach ſeinem Werthe abzuſchätzen lernen, zeigt ſich da verhältnißmäßig zutraulich, wo er Nichts zu fürchten hat, äußerſt ſcheu hingegen an allen Orten, wo dem Sumpfgeflügel überhaupt nachgeſtellt wird. Unter ſich leben dieſe Vögel im hohen Grade geſellig und friedlich. Mit wahrem Vergnügen habe ich geſehen, wie ſich zwei Löffler gegenſeitig Liebesdienſte erwieſen, indem der eine dem anderen das Gefieder des Halſes mit dem Schnabel putzte und ordnete, ſelbſtverſtändlich nur diejenigen Stellen, welche mit dem eigenen Schnabel nicht bearbeitet werden können. Ein anmuthigeres Bild, als es diejenigen gewähren, welche ſich in dieſer Weiſe unterſtützen, kann man ſich kaum denken. Sie ſtehen viele Minuten lang dicht neben einander, und der Dienſt erſcheint gewiſſermaßen als eine Liebkoſung, welche der eine dem anderen ſpendet. Streit und Zank unter einer Herde Löffelreiher kommt wohl niemals vor. Es kann geſchehen, daß auch unter ihnen der Neid ſich regt, und der Hungrige demjenigen, welcher eben Nahrung erbeutete, eine Strecke weit nachläuft; dieſe Verfolgung nimmt aber nie das Gepräge einer

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 665. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/705>, abgerufen am 22.11.2024.