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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Die Läufer. Stelzvögel. Jbisse. Löffelreiher.
geschickt mit der Schnabelspitze, warfen sie in die Luft und fingen sie stets sicher wieder auf. Kerb-
thieren gingen sie eifrig nach, und Heuschrecken waren auch ihre Lieblingsspeife.

Vom ersten Tage ihrer Gefangennahme an betrugen sich diese Jungen still, ernst und verständig;
im Verlaufe der Zeit wurden sie, ohne daß wir uns viel mit ihnen beschäftigten, zahm und zutrau-
lich, kamen auf den Ruf herbei und folgten uns schließlich durch alle Zimmer des Hauses. Wenn
man ihnen die Hand entgegenstreckte, eilten sie sofort herbei, um sie zu untersuchen; dabei pflegten sie
sich dann wieder zitternd zu bewegen. Jhr Gang war langsam und gemessen; doch führten sie, ehe
sie noch recht fliegen konnten, zuweilen hohe und geschickte Sprünge aus, in der Absicht, ihre Bewegung
zu beschleunigen. Auf den Fersen saßen sie stundenlang. Da sie anfangs jeden Abend in einen
Kasten gesperrt wurden, gingen sie später beim Anbruch der Nacht lieber selbst hinein, als daß
sie sich treiben ließen, obgleich ihnen Das beschwerlich fiel. Am Morgen kamen sie mit freudigem
Geschrei hervor und durchmaßen den ganzen Hofraum. Jm Oktober hatten sie fliegen gelernt und
erhoben sich jetzt erst bis auf die niedrige Hofmauer, später bis auf das Dach; schließlich entfernten sie
sich auf zwei oder dreihundert Schritte von unserm Gehöfte, kehrten aber stets nach kurzer Zeit wieder
zurück und verließen von nun an den Hof nicht mehr, sondern besuchten höchstens den benachbarten
Garten. Wenn es gegen Mittag heiß wurde, verfügten sie sich in die schattigen Zimmer, setzten sich
auf die Fersen nieder und hockten oft mit ernstem Gesichte in einem Kreise, als ob sie eine Berathung
halten wollten. Zuweilen stellten sich auch zwei von ihnen einander gegenüber, sträubten alle Kopf-
federn, schrieen unter beständigem Kopfnicken und Schütteln, oft auch Flügelschlägen, jetzt wie
"Kek, kek, kek", und schienen sich gegenseitig zu begrüßen. Vor unserer Mittagsmahlzeit besuchten sie
regelmäßig die Küche und baten und bettelten den Koch solange, bis er ihnen Etwas zuwarf. Der
Glückliche, welcher es erhaschte, wurde von den anderen verfolgt, bis er seine Beute in Sicherheit
gebracht, d. h. sie hinabgeschlungen hatte. Sobald sie Teller in unser Eßzimmer bringen sahen, ver-
sammelte sich die ganze Gesellschaft daselbst; während wir aßen, saßen sie wartend nebenan, wenn wir
aber den Blick nach ihnen wandten, hüpften sie bald auf die Kiste, bald auf den einzigen Stuhl, welchen
wir besaßen und nahmen uns die Brotstücke aus den Händen oder von dem Teller weg. Eine höchst
sonderbare Gewohnheit von ihnen war, sich gern auf etwas Weiches zu legen. Kam eines der aus
Lederriemen geflochtenen federnden Bettgestelle, wie sie im Sudahn üblich sind, auf den Hof, so lagen
die Jbisse gewiß in kurzer Zeit darauf, und zwar platt auf dem Bauche, die Ständer nach hinten
ausgestreckt. Sie schienen sich dabei äußerst behaglich zu fühlen und standen nicht auf, wenn sich
Jemand von uns näherte. Auf einem weichen, mit Baumwolle ausgestopften Kissen sahen wir
einmal ihrer drei neben einander liegen.

Mit allen übrigen Vögeln, welche auf dem Hofe lebten, hielten sie gute Freundschaft, wurden
wenigstens ihrerseits niemals zu Angreifern; unter sich zankten sie sich nie, waren vielmehr stets
zusammen, entfernten sich selten weit von einander und schliefen nachts einer dicht neben dem anderen.
Als wir eines Tages einen flügellahm geschossenen älteren Vogel ihrer Art in den Hof brachten, eilten
sie freudig auf denselben zu, nahmen ihn förmlich in ihre Gesellschaft auf und wußten ihm bald alle
Furcht zu benehmen, sodaß er nach kurzer Frist ebenso zutraulich war wie sie. Große Hitze schien
ihnen sehr unangenehm zu sein: sie saßen dann in irgend einem schattigen Winkel oder im Zimmer
und sperrten tief athmend die Schnäbel auf. Jm Wasser beschäftigten sie sich, wie schon bemerkt, gern
und viel, badeten sich übrigens seltener als man glauben möchte; wenn es jedoch geschah, näßten sie
sich das Gefieder so vollständig ein, daß sie kaum mehr fliegen konnten.

Jbisse, welche ich später, unter Anderem im Thiergarten zu Köln, beobachtete, lebten ebenfalls in
ziemlichem Frieden mit allen Vögeln, welche dasselbe Gehege mit ihnen theilten, maßten sich aber doch
gegen schwächere eine gewisse Oberherrschaft an und schienen ein Vergnügen daran zu finden, diejenigen,
welche es sich gefallen ließen, zu necken. Namentlich mit den Flammings machten sie sich fortwährend
zu schaffen, und zwar in der sonderbarsten Weise. Sie schlichen, wenn die Stelzschwäne zusammenstanden
oder, den Kopf in den Federn verborgen, schliefen, leise heran und knabberten mit der Schnabelspitze an

Die Läufer. Stelzvögel. Jbiſſe. Löffelreiher.
geſchickt mit der Schnabelſpitze, warfen ſie in die Luft und fingen ſie ſtets ſicher wieder auf. Kerb-
thieren gingen ſie eifrig nach, und Heuſchrecken waren auch ihre Lieblingsſpeife.

Vom erſten Tage ihrer Gefangennahme an betrugen ſich dieſe Jungen ſtill, ernſt und verſtändig;
im Verlaufe der Zeit wurden ſie, ohne daß wir uns viel mit ihnen beſchäftigten, zahm und zutrau-
lich, kamen auf den Ruf herbei und folgten uns ſchließlich durch alle Zimmer des Hauſes. Wenn
man ihnen die Hand entgegenſtreckte, eilten ſie ſofort herbei, um ſie zu unterſuchen; dabei pflegten ſie
ſich dann wieder zitternd zu bewegen. Jhr Gang war langſam und gemeſſen; doch führten ſie, ehe
ſie noch recht fliegen konnten, zuweilen hohe und geſchickte Sprünge aus, in der Abſicht, ihre Bewegung
zu beſchleunigen. Auf den Ferſen ſaßen ſie ſtundenlang. Da ſie anfangs jeden Abend in einen
Kaſten geſperrt wurden, gingen ſie ſpäter beim Anbruch der Nacht lieber ſelbſt hinein, als daß
ſie ſich treiben ließen, obgleich ihnen Das beſchwerlich fiel. Am Morgen kamen ſie mit freudigem
Geſchrei hervor und durchmaßen den ganzen Hofraum. Jm Oktober hatten ſie fliegen gelernt und
erhoben ſich jetzt erſt bis auf die niedrige Hofmauer, ſpäter bis auf das Dach; ſchließlich entfernten ſie
ſich auf zwei oder dreihundert Schritte von unſerm Gehöfte, kehrten aber ſtets nach kurzer Zeit wieder
zurück und verließen von nun an den Hof nicht mehr, ſondern beſuchten höchſtens den benachbarten
Garten. Wenn es gegen Mittag heiß wurde, verfügten ſie ſich in die ſchattigen Zimmer, ſetzten ſich
auf die Ferſen nieder und hockten oft mit ernſtem Geſichte in einem Kreiſe, als ob ſie eine Berathung
halten wollten. Zuweilen ſtellten ſich auch zwei von ihnen einander gegenüber, ſträubten alle Kopf-
federn, ſchrieen unter beſtändigem Kopfnicken und Schütteln, oft auch Flügelſchlägen, jetzt wie
„Kek, kek, kek“, und ſchienen ſich gegenſeitig zu begrüßen. Vor unſerer Mittagsmahlzeit beſuchten ſie
regelmäßig die Küche und baten und bettelten den Koch ſolange, bis er ihnen Etwas zuwarf. Der
Glückliche, welcher es erhaſchte, wurde von den anderen verfolgt, bis er ſeine Beute in Sicherheit
gebracht, d. h. ſie hinabgeſchlungen hatte. Sobald ſie Teller in unſer Eßzimmer bringen ſahen, ver-
ſammelte ſich die ganze Geſellſchaft daſelbſt; während wir aßen, ſaßen ſie wartend nebenan, wenn wir
aber den Blick nach ihnen wandten, hüpften ſie bald auf die Kiſte, bald auf den einzigen Stuhl, welchen
wir beſaßen und nahmen uns die Brotſtücke aus den Händen oder von dem Teller weg. Eine höchſt
ſonderbare Gewohnheit von ihnen war, ſich gern auf etwas Weiches zu legen. Kam eines der aus
Lederriemen geflochtenen federnden Bettgeſtelle, wie ſie im Sudahn üblich ſind, auf den Hof, ſo lagen
die Jbiſſe gewiß in kurzer Zeit darauf, und zwar platt auf dem Bauche, die Ständer nach hinten
ausgeſtreckt. Sie ſchienen ſich dabei äußerſt behaglich zu fühlen und ſtanden nicht auf, wenn ſich
Jemand von uns näherte. Auf einem weichen, mit Baumwolle ausgeſtopften Kiſſen ſahen wir
einmal ihrer drei neben einander liegen.

Mit allen übrigen Vögeln, welche auf dem Hofe lebten, hielten ſie gute Freundſchaft, wurden
wenigſtens ihrerſeits niemals zu Angreifern; unter ſich zankten ſie ſich nie, waren vielmehr ſtets
zuſammen, entfernten ſich ſelten weit von einander und ſchliefen nachts einer dicht neben dem anderen.
Als wir eines Tages einen flügellahm geſchoſſenen älteren Vogel ihrer Art in den Hof brachten, eilten
ſie freudig auf denſelben zu, nahmen ihn förmlich in ihre Geſellſchaft auf und wußten ihm bald alle
Furcht zu benehmen, ſodaß er nach kurzer Friſt ebenſo zutraulich war wie ſie. Große Hitze ſchien
ihnen ſehr unangenehm zu ſein: ſie ſaßen dann in irgend einem ſchattigen Winkel oder im Zimmer
und ſperrten tief athmend die Schnäbel auf. Jm Waſſer beſchäftigten ſie ſich, wie ſchon bemerkt, gern
und viel, badeten ſich übrigens ſeltener als man glauben möchte; wenn es jedoch geſchah, näßten ſie
ſich das Gefieder ſo vollſtändig ein, daß ſie kaum mehr fliegen konnten.

Jbiſſe, welche ich ſpäter, unter Anderem im Thiergarten zu Köln, beobachtete, lebten ebenfalls in
ziemlichem Frieden mit allen Vögeln, welche daſſelbe Gehege mit ihnen theilten, maßten ſich aber doch
gegen ſchwächere eine gewiſſe Oberherrſchaft an und ſchienen ein Vergnügen daran zu finden, diejenigen,
welche es ſich gefallen ließen, zu necken. Namentlich mit den Flammings machten ſie ſich fortwährend
zu ſchaffen, und zwar in der ſonderbarſten Weiſe. Sie ſchlichen, wenn die Stelzſchwäne zuſammenſtanden
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[662/0702] Die Läufer. Stelzvögel. Jbiſſe. Löffelreiher. geſchickt mit der Schnabelſpitze, warfen ſie in die Luft und fingen ſie ſtets ſicher wieder auf. Kerb- thieren gingen ſie eifrig nach, und Heuſchrecken waren auch ihre Lieblingsſpeife. Vom erſten Tage ihrer Gefangennahme an betrugen ſich dieſe Jungen ſtill, ernſt und verſtändig; im Verlaufe der Zeit wurden ſie, ohne daß wir uns viel mit ihnen beſchäftigten, zahm und zutrau- lich, kamen auf den Ruf herbei und folgten uns ſchließlich durch alle Zimmer des Hauſes. Wenn man ihnen die Hand entgegenſtreckte, eilten ſie ſofort herbei, um ſie zu unterſuchen; dabei pflegten ſie ſich dann wieder zitternd zu bewegen. Jhr Gang war langſam und gemeſſen; doch führten ſie, ehe ſie noch recht fliegen konnten, zuweilen hohe und geſchickte Sprünge aus, in der Abſicht, ihre Bewegung zu beſchleunigen. Auf den Ferſen ſaßen ſie ſtundenlang. Da ſie anfangs jeden Abend in einen Kaſten geſperrt wurden, gingen ſie ſpäter beim Anbruch der Nacht lieber ſelbſt hinein, als daß ſie ſich treiben ließen, obgleich ihnen Das beſchwerlich fiel. Am Morgen kamen ſie mit freudigem Geſchrei hervor und durchmaßen den ganzen Hofraum. Jm Oktober hatten ſie fliegen gelernt und erhoben ſich jetzt erſt bis auf die niedrige Hofmauer, ſpäter bis auf das Dach; ſchließlich entfernten ſie ſich auf zwei oder dreihundert Schritte von unſerm Gehöfte, kehrten aber ſtets nach kurzer Zeit wieder zurück und verließen von nun an den Hof nicht mehr, ſondern beſuchten höchſtens den benachbarten Garten. Wenn es gegen Mittag heiß wurde, verfügten ſie ſich in die ſchattigen Zimmer, ſetzten ſich auf die Ferſen nieder und hockten oft mit ernſtem Geſichte in einem Kreiſe, als ob ſie eine Berathung halten wollten. Zuweilen ſtellten ſich auch zwei von ihnen einander gegenüber, ſträubten alle Kopf- federn, ſchrieen unter beſtändigem Kopfnicken und Schütteln, oft auch Flügelſchlägen, jetzt wie „Kek, kek, kek“, und ſchienen ſich gegenſeitig zu begrüßen. Vor unſerer Mittagsmahlzeit beſuchten ſie regelmäßig die Küche und baten und bettelten den Koch ſolange, bis er ihnen Etwas zuwarf. Der Glückliche, welcher es erhaſchte, wurde von den anderen verfolgt, bis er ſeine Beute in Sicherheit gebracht, d. h. ſie hinabgeſchlungen hatte. Sobald ſie Teller in unſer Eßzimmer bringen ſahen, ver- ſammelte ſich die ganze Geſellſchaft daſelbſt; während wir aßen, ſaßen ſie wartend nebenan, wenn wir aber den Blick nach ihnen wandten, hüpften ſie bald auf die Kiſte, bald auf den einzigen Stuhl, welchen wir beſaßen und nahmen uns die Brotſtücke aus den Händen oder von dem Teller weg. Eine höchſt ſonderbare Gewohnheit von ihnen war, ſich gern auf etwas Weiches zu legen. Kam eines der aus Lederriemen geflochtenen federnden Bettgeſtelle, wie ſie im Sudahn üblich ſind, auf den Hof, ſo lagen die Jbiſſe gewiß in kurzer Zeit darauf, und zwar platt auf dem Bauche, die Ständer nach hinten ausgeſtreckt. Sie ſchienen ſich dabei äußerſt behaglich zu fühlen und ſtanden nicht auf, wenn ſich Jemand von uns näherte. Auf einem weichen, mit Baumwolle ausgeſtopften Kiſſen ſahen wir einmal ihrer drei neben einander liegen. Mit allen übrigen Vögeln, welche auf dem Hofe lebten, hielten ſie gute Freundſchaft, wurden wenigſtens ihrerſeits niemals zu Angreifern; unter ſich zankten ſie ſich nie, waren vielmehr ſtets zuſammen, entfernten ſich ſelten weit von einander und ſchliefen nachts einer dicht neben dem anderen. Als wir eines Tages einen flügellahm geſchoſſenen älteren Vogel ihrer Art in den Hof brachten, eilten ſie freudig auf denſelben zu, nahmen ihn förmlich in ihre Geſellſchaft auf und wußten ihm bald alle Furcht zu benehmen, ſodaß er nach kurzer Friſt ebenſo zutraulich war wie ſie. Große Hitze ſchien ihnen ſehr unangenehm zu ſein: ſie ſaßen dann in irgend einem ſchattigen Winkel oder im Zimmer und ſperrten tief athmend die Schnäbel auf. Jm Waſſer beſchäftigten ſie ſich, wie ſchon bemerkt, gern und viel, badeten ſich übrigens ſeltener als man glauben möchte; wenn es jedoch geſchah, näßten ſie ſich das Gefieder ſo vollſtändig ein, daß ſie kaum mehr fliegen konnten. Jbiſſe, welche ich ſpäter, unter Anderem im Thiergarten zu Köln, beobachtete, lebten ebenfalls in ziemlichem Frieden mit allen Vögeln, welche daſſelbe Gehege mit ihnen theilten, maßten ſich aber doch gegen ſchwächere eine gewiſſe Oberherrſchaft an und ſchienen ein Vergnügen daran zu finden, diejenigen, welche es ſich gefallen ließen, zu necken. Namentlich mit den Flammings machten ſie ſich fortwährend zu ſchaffen, und zwar in der ſonderbarſten Weiſe. Sie ſchlichen, wenn die Stelzſchwäne zuſammenſtanden oder, den Kopf in den Federn verborgen, ſchliefen, leiſe heran und knabberten mit der Schnabelſpitze an

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 662. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/702>, abgerufen am 22.11.2024.