Durch Vermittlung des Thiergartens zu Pest kann man jetzt in jedem Frühjahre lebende Sichler zu sehr geringen Preisen erhalten. Die Jungen werden kurz vor dem Ausfliegen aus dem Neste gehoben und mit Weißbrot und etwas Fleisch groß gefüttert, lernen bald selbständig fressen, werden nach kurzer Zeit überraschend zahm, können wahrscheinlich auch ebensogut wie andere Arten der Familie zum Aus- und Einfliegen gewöhnt werden. Mit niederem Geflügel vertragen sie sich sehr gut; dem stärkeren weichen sie aus, und sie ihrerseits denken nicht daran, schwächere Vögel zu belästigen.
Jn Niederungarn wird den Jungen wie den Alten nachgestellt, weil man das schmackhafte Fleisch gern für die Küche benutzt.
Nacktheit des Gesichtes ist wohl das Hauptmerkmal des Scharlachibis (Ibis rubra), welchen man neuerdings zum Vertreter einer besonderen Sippe erhoben hat; denn im übrigen ähnelt dieser Vogel dem Sichler bis auf die unbedeutenden Verschiedenheiten in Flügel- und Schwanzbau: so ist z. B. nicht die zweite, sondern die dritte Schwinge die längste. Das Gefieder des alten Vogels ist gleichmäßig lebhaft scharlachroth; nur die Außenfahnen und die Spitzen der Jnnenfahnen der Schwungfedern sind schwarzbraun. Das Auge ist gelb, der Schnabel an der Spitze bräunlich, an der Wurzel, wie die nackte Stirn, Kehle und Zügelgegend fleischroth, der Fuß etwas lichter, also fleischgelb. Die Länge beträgt 24, die Fittiglänge 10, die Schwanzlänge 3 Zoll. Beim jungen Vogel ist das Gefieder auf dem Rücken blaßbraun, das der Unterseite weißlich; das nackte Gesicht und die Beine sehen fleischfarben aus; der Schnabel ist gelblich. Nach der ersten Mauser wird die Farbe lichter, graulicher, mit der zweiten stellen sich blaßrosenrothe Federn ein, welche mit jeder Mauser eine dunklere Färbung bekommen, bis sie ins prachtvolle Scharlachroth der alten Vögel übergehen.
Mittelamerika und der Norden von Südamerika bis zum Amazonenstrome sind die Heimat des Scharlachibis; von hier verfliegt er sich zuweilen, immer aber sehr selten, nach dem Süden der Ver- einigten Staaten: Audubon versichert, daß er nur drei dieser Vögel in der Freiheit gesehen habe. Auf den Antillen kommt er an geeigneten Orten überall vor, gewöhnlich in sehr großen Scharen; in Guyana ist er häufig. Die Arabienküste, sagt Schomburgk, besteht aus angeschwemmtem Lande, welches in seiner Zersetzung einen höchst fruchtbaren, üppig mit verschiedenen Pflanzen bewachsenen Boden bildet; diese Pflanzen verleihen der flachen Küste einen wahrhaft zauberischen Reiz. Derselbe wird durch zahlreiche, bunt gemischte Herden des Scharlachibis, der Edelreiher, des rosenrothen Löfflers, des schönen stolzen Flammings, sowie einer Menge anderer Wasservögel gehoben; sie bilden den reizendsten Saum zu dem sich dahinter entfaltenden reichen Teppiche. Beim Eintritt der Nacht fliegen die zahllosen wilden Herden unter wüstem, wilden Geschrei, aber nach Arten gesondert, den grün- belaubten Gebüschen der Küste zu, um dort die Ebbe oder den Morgen abzuwarten .... Wenn sich einzelne Gesellschaften erheben, besonders beim Anbruche des Tages, um ihrem Nahrungsorte zuzufliegen, dann ordnen sich die Jbisse in regelmäßigen Querreihen neben einander und gewähren einen herrlichen Anblick. An dem Küstensaume oder in den Mündungen der Flüsse haben sie ihre bestimmten Gebiete, in denen sie auf- und niederstreichen oder im Schilfe nisten. Von den ersteren trägt dann jede einzelne gewöhnlich viele Nester, und dieselben scheinen mehrere Jahre benutzt zu werden. Mit den kleinen weißen Silberreihern leben sie während der Brutzeit in beständigem Streite, da sie diese oft aus ihren Nestern vertreiben und letztere in Besitz nehmen. Sagra gibt an, daß der Scharlachibis im Dezember und Januar drei oder vier grünliche Eier legt, und Schomburgk berichtet, daß die Alten den Jungen das Futter nach Art der Pelekane, also im Schnabel zutragen, am Neste angekommen, den Schnabel aufsperren und die Jungen einladen, sich die vorgewürzte Azung mit ihrem Schnabel herauszuholen .... Als auffallend hebt derselbe Forscher noch hervor, daß die
Brehm, Thierleben. IV. 42
Sichler. Scharlachibis.
Durch Vermittlung des Thiergartens zu Peſt kann man jetzt in jedem Frühjahre lebende Sichler zu ſehr geringen Preiſen erhalten. Die Jungen werden kurz vor dem Ausfliegen aus dem Neſte gehoben und mit Weißbrot und etwas Fleiſch groß gefüttert, lernen bald ſelbſtändig freſſen, werden nach kurzer Zeit überraſchend zahm, können wahrſcheinlich auch ebenſogut wie andere Arten der Familie zum Aus- und Einfliegen gewöhnt werden. Mit niederem Geflügel vertragen ſie ſich ſehr gut; dem ſtärkeren weichen ſie aus, und ſie ihrerſeits denken nicht daran, ſchwächere Vögel zu beläſtigen.
Jn Niederungarn wird den Jungen wie den Alten nachgeſtellt, weil man das ſchmackhafte Fleiſch gern für die Küche benutzt.
Nacktheit des Geſichtes iſt wohl das Hauptmerkmal des Scharlachibis (Ibis rubra), welchen man neuerdings zum Vertreter einer beſonderen Sippe erhoben hat; denn im übrigen ähnelt dieſer Vogel dem Sichler bis auf die unbedeutenden Verſchiedenheiten in Flügel- und Schwanzbau: ſo iſt z. B. nicht die zweite, ſondern die dritte Schwinge die längſte. Das Gefieder des alten Vogels iſt gleichmäßig lebhaft ſcharlachroth; nur die Außenfahnen und die Spitzen der Jnnenfahnen der Schwungfedern ſind ſchwarzbraun. Das Auge iſt gelb, der Schnabel an der Spitze bräunlich, an der Wurzel, wie die nackte Stirn, Kehle und Zügelgegend fleiſchroth, der Fuß etwas lichter, alſo fleiſchgelb. Die Länge beträgt 24, die Fittiglänge 10, die Schwanzlänge 3 Zoll. Beim jungen Vogel iſt das Gefieder auf dem Rücken blaßbraun, das der Unterſeite weißlich; das nackte Geſicht und die Beine ſehen fleiſchfarben aus; der Schnabel iſt gelblich. Nach der erſten Mauſer wird die Farbe lichter, graulicher, mit der zweiten ſtellen ſich blaßroſenrothe Federn ein, welche mit jeder Mauſer eine dunklere Färbung bekommen, bis ſie ins prachtvolle Scharlachroth der alten Vögel übergehen.
Mittelamerika und der Norden von Südamerika bis zum Amazonenſtrome ſind die Heimat des Scharlachibis; von hier verfliegt er ſich zuweilen, immer aber ſehr ſelten, nach dem Süden der Ver- einigten Staaten: Audubon verſichert, daß er nur drei dieſer Vögel in der Freiheit geſehen habe. Auf den Antillen kommt er an geeigneten Orten überall vor, gewöhnlich in ſehr großen Scharen; in Guyana iſt er häufig. Die Arabienküſte, ſagt Schomburgk, beſteht aus angeſchwemmtem Lande, welches in ſeiner Zerſetzung einen höchſt fruchtbaren, üppig mit verſchiedenen Pflanzen bewachſenen Boden bildet; dieſe Pflanzen verleihen der flachen Küſte einen wahrhaft zauberiſchen Reiz. Derſelbe wird durch zahlreiche, bunt gemiſchte Herden des Scharlachibis, der Edelreiher, des roſenrothen Löfflers, des ſchönen ſtolzen Flammings, ſowie einer Menge anderer Waſſervögel gehoben; ſie bilden den reizendſten Saum zu dem ſich dahinter entfaltenden reichen Teppiche. Beim Eintritt der Nacht fliegen die zahlloſen wilden Herden unter wüſtem, wilden Geſchrei, aber nach Arten geſondert, den grün- belaubten Gebüſchen der Küſte zu, um dort die Ebbe oder den Morgen abzuwarten .... Wenn ſich einzelne Geſellſchaften erheben, beſonders beim Anbruche des Tages, um ihrem Nahrungsorte zuzufliegen, dann ordnen ſich die Jbiſſe in regelmäßigen Querreihen neben einander und gewähren einen herrlichen Anblick. An dem Küſtenſaume oder in den Mündungen der Flüſſe haben ſie ihre beſtimmten Gebiete, in denen ſie auf- und niederſtreichen oder im Schilfe niſten. Von den erſteren trägt dann jede einzelne gewöhnlich viele Neſter, und dieſelben ſcheinen mehrere Jahre benutzt zu werden. Mit den kleinen weißen Silberreihern leben ſie während der Brutzeit in beſtändigem Streite, da ſie dieſe oft aus ihren Neſtern vertreiben und letztere in Beſitz nehmen. Sagra gibt an, daß der Scharlachibis im Dezember und Januar drei oder vier grünliche Eier legt, und Schomburgk berichtet, daß die Alten den Jungen das Futter nach Art der Pelekane, alſo im Schnabel zutragen, am Neſte angekommen, den Schnabel aufſperren und die Jungen einladen, ſich die vorgewürzte Azung mit ihrem Schnabel herauszuholen .... Als auffallend hebt derſelbe Forſcher noch hervor, daß die
Brehm, Thierleben. IV. 42
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Sichler. Scharlachibis.
Durch Vermittlung des Thiergartens zu Peſt kann man jetzt in jedem Frühjahre lebende Sichler
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gehoben und mit Weißbrot und etwas Fleiſch groß gefüttert, lernen bald ſelbſtändig freſſen,
werden nach kurzer Zeit überraſchend zahm, können wahrſcheinlich auch ebenſogut wie andere Arten
der Familie zum Aus- und Einfliegen gewöhnt werden. Mit niederem Geflügel vertragen ſie ſich
ſehr gut; dem ſtärkeren weichen ſie aus, und ſie ihrerſeits denken nicht daran, ſchwächere Vögel zu
beläſtigen.
Jn Niederungarn wird den Jungen wie den Alten nachgeſtellt, weil man das ſchmackhafte
Fleiſch gern für die Küche benutzt.
Nacktheit des Geſichtes iſt wohl das Hauptmerkmal des Scharlachibis (Ibis rubra), welchen
man neuerdings zum Vertreter einer beſonderen Sippe erhoben hat; denn im übrigen ähnelt
dieſer Vogel dem Sichler bis auf die unbedeutenden Verſchiedenheiten in Flügel- und Schwanzbau:
ſo iſt z. B. nicht die zweite, ſondern die dritte Schwinge die längſte. Das Gefieder des alten Vogels
iſt gleichmäßig lebhaft ſcharlachroth; nur die Außenfahnen und die Spitzen der Jnnenfahnen der
Schwungfedern ſind ſchwarzbraun. Das Auge iſt gelb, der Schnabel an der Spitze bräunlich, an der
Wurzel, wie die nackte Stirn, Kehle und Zügelgegend fleiſchroth, der Fuß etwas lichter, alſo fleiſchgelb.
Die Länge beträgt 24, die Fittiglänge 10, die Schwanzlänge 3 Zoll. Beim jungen Vogel iſt das
Gefieder auf dem Rücken blaßbraun, das der Unterſeite weißlich; das nackte Geſicht und die Beine
ſehen fleiſchfarben aus; der Schnabel iſt gelblich. Nach der erſten Mauſer wird die Farbe lichter,
graulicher, mit der zweiten ſtellen ſich blaßroſenrothe Federn ein, welche mit jeder Mauſer eine dunklere
Färbung bekommen, bis ſie ins prachtvolle Scharlachroth der alten Vögel übergehen.
Mittelamerika und der Norden von Südamerika bis zum Amazonenſtrome ſind die Heimat des
Scharlachibis; von hier verfliegt er ſich zuweilen, immer aber ſehr ſelten, nach dem Süden der Ver-
einigten Staaten: Audubon verſichert, daß er nur drei dieſer Vögel in der Freiheit geſehen habe.
Auf den Antillen kommt er an geeigneten Orten überall vor, gewöhnlich in ſehr großen Scharen; in
Guyana iſt er häufig. Die Arabienküſte, ſagt Schomburgk, beſteht aus angeſchwemmtem Lande,
welches in ſeiner Zerſetzung einen höchſt fruchtbaren, üppig mit verſchiedenen Pflanzen bewachſenen
Boden bildet; dieſe Pflanzen verleihen der flachen Küſte einen wahrhaft zauberiſchen Reiz. Derſelbe
wird durch zahlreiche, bunt gemiſchte Herden des Scharlachibis, der Edelreiher, des roſenrothen Löfflers,
des ſchönen ſtolzen Flammings, ſowie einer Menge anderer Waſſervögel gehoben; ſie bilden den
reizendſten Saum zu dem ſich dahinter entfaltenden reichen Teppiche. Beim Eintritt der Nacht fliegen
die zahlloſen wilden Herden unter wüſtem, wilden Geſchrei, aber nach Arten geſondert, den grün-
belaubten Gebüſchen der Küſte zu, um dort die Ebbe oder den Morgen abzuwarten .... Wenn
ſich einzelne Geſellſchaften erheben, beſonders beim Anbruche des Tages, um ihrem Nahrungsorte
zuzufliegen, dann ordnen ſich die Jbiſſe in regelmäßigen Querreihen neben einander und gewähren
einen herrlichen Anblick. An dem Küſtenſaume oder in den Mündungen der Flüſſe haben ſie
ihre beſtimmten Gebiete, in denen ſie auf- und niederſtreichen oder im Schilfe niſten. Von den erſteren
trägt dann jede einzelne gewöhnlich viele Neſter, und dieſelben ſcheinen mehrere Jahre benutzt zu werden.
Mit den kleinen weißen Silberreihern leben ſie während der Brutzeit in beſtändigem Streite, da ſie
dieſe oft aus ihren Neſtern vertreiben und letztere in Beſitz nehmen. Sagra gibt an, daß der
Scharlachibis im Dezember und Januar drei oder vier grünliche Eier legt, und Schomburgk
berichtet, daß die Alten den Jungen das Futter nach Art der Pelekane, alſo im Schnabel zutragen, am
Neſte angekommen, den Schnabel aufſperren und die Jungen einladen, ſich die vorgewürzte Azung mit
ihrem Schnabel herauszuholen .... Als auffallend hebt derſelbe Forſcher noch hervor, daß die
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 657. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/697>, abgerufen am 22.11.2024.
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