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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Spechtbaumhacker.
Vorbilder der Spechte zu erkennen, daß es mir nicht thunlich erscheint, die letzteren in einer besondern
Ordnung zu vereinigen, wie ich es sonst ohne Bedenken thun würde.

Die Spechtvögel (Picidae) kennzeichnen sich durch folgende Merkmale. Der Leib ist gestreckt,
der Schnabel stark, meist gerade, kegelförmig oder meiselartig, auf dem Rücken scharfkantig und an der
Spitze senkrecht zugeschärft; die Füße sind kurz, stark und einwärts gebogen; die Zehen lang und
paarig gestellt, das vordere Paar bis zur Hälste des ersten Gliedes verwachsen. Zu der eigentlichen
Hinterzehe, welche die kleinste von allen ist, hat sich die äußere Vorderzehe, die längste des Fußes,
gesellt; es kommt aber auch vor, daß die Hinterzehe verkümmert oder gänzlich fehlt, sodaß der Fuß
dann nur drei Zehen zeigt. Alle Zehen sind mit sehr großen, starken, scharfen, halbmondförmigen
Nägeln bewehrt. Die Flügel sind mittellang und etwas abgerundet; die Handschwingen, zehn an der
Zahl, sind schmal und spitz, die Armschwingen, neun bis zwölf an der Zahl, etwas breiter, aber
gewöhnlich nicht viel kürzer als die erstgenannten. Unter diesen ist die erste Schwinge sehr klein, die
zweite mittellang, die dritte oder die vierte aber die längste. Sehr ausgezeichnet ist der Schwanz. Er
besteht aus zehn großen und zwei kleinen Seitenfedern, welche aber nicht unter, sondern über den
ersten liegen; die beiden mittleren Schwanzfedern sind die längsten und stärksten. Jhre Schäfte
nehmen nach der Spitze zu an Stärke ab, sind sehr biegsam und besitzen eine bedeutende Schnellkraft.
Während die Fasern ihrer Fahnen in der Wurzelhälfte der Feder dicht neben einander stehen und ver-
bunden sind, werden sie gegen die Spitze hin frei, nehmen an Stärke zu, ändern ihre frühere Richtung
und wenden sich beiderseits nach unten, sodaß die Feder einem Dache ähnlich wird, als dessen Firste
der Schaft anzusehen ist. Unter diesem Dache liegt die genau ebenso gebaute zweite Mittelfeder und
unter ihr die dritte. Die vierte Feder jeder Seite ähnelt noch der dritten, die fünfte äußerste ist wie
gewöhnlich gebildet und die sechste außer durch ihre Lage, auch noch durch ihre besondere Härte auf-
fallend. Das Gefieder ist derb und dicht, die Federn des Kopfes sind zahlreich, klein und länglich
gestaltet, die des Rumpfes minder dicht gestellt, breit und kurz. Sehr häufig sind die Kopffedern zu
einer Holle verlängert. Die Färbung zeigt bei aller Manchfaltigkeit doch eine große Ueberein-
stimmung; so ist namentlich die Kopfgegend durch ein prachtvolles Roth geziert, und die Geschlechter
unterscheiden sich hauptsächlich durch diese Eigenthümlichkeit. Mehr als bei irgend einer andern Gruppe
ist es zulässig, die Spechte nach der Farbenvertheilung zu ordnen, und deshalb ist es schon von Alters
her üblich geworden, von Schwarz-, Grün-, Buntspechten u. s. w. zu sprechen.

Ebenso eigenthümlich wie das Aeußere ist der innere Leibesbau unserer Vögel. Das Knochen-
gerüst ist zierlich gebaut. Die Kopf- und Rumpftheile und der Ober- und Vorderarm sind luft-
führend. Das Schulterblatt ist kurz, am Ende lappenförmig erweitert, das Gabelbein sehr schwach,
das Schlüsselbein sehr stark, das Brustbein zeigt einen niederen Kamm. Die Wirbelsäule besteht aus
zwölf Hals-, sieben bis acht Brust- und acht Schwanzwirbeln, deren letzterer besonders groß, stark,
sehr breit an der Hinterfläche und mit langen, starken Dornfortsätzen versehen ist. Unter den weichen
Theilen ist die Zunge der merkwürdigste. Sie ist klein, hornig, sehr lang gezogen und an jeder Seite
mit fünf bis sechs kurzen, steifen Stacheln oder Borsten besetzt, welche wie Widerhaken an einer Pfeil-
spitze erscheinen. "Diese kleine Zunge", sagt Burmeister, "sitzt an einem langen, geraden, griffel-
förmigen Zungenbein von der Länge des Schnabels, von welchem nach hinten noch zwei doppelt so
lange, zweigliederige Zungenbeinhörner ausgehen. Das Zungenbein steckt in einer höchst elastischen,
warzenreichen Scheide, welche eingezogen wie eine Sprungfeder aussieht, im Munde liegt und sich
gerade ausdehnt, wenn das Werkzeug vorgestreckt wird. Jn der Ruhe biegen sich die Zungenbein-
hörner um den Hinterkopf zur Stirn hinauf, liegen hier unter der Haut und reichen mit ihren Spitzen
sogar bis in die hornige Scheide des Schnabels weit über die Nasenlöcher hinaus, indem sich daselbst
(am rechten Nasenloche) ein eigener Kanal zu ihrer Aufnahme befindet. Sie steigen von hier, wenn
der Specht die Zunge ausstreckt, in die elastische Scheide des Zungenbeinkörpers hinab und schieben so
die Zunge vor sich her, mehrere Zoll weit aus dem Schnabel heraus." Mit dieser eigenthümlichen
Zungenbildung ist eine ungewöhnliche Entwickelung eines Schleimdrüsenpaares verbunden. Diese

Spechtbaumhacker.
Vorbilder der Spechte zu erkennen, daß es mir nicht thunlich erſcheint, die letzteren in einer beſondern
Ordnung zu vereinigen, wie ich es ſonſt ohne Bedenken thun würde.

Die Spechtvögel (Picidae) kennzeichnen ſich durch folgende Merkmale. Der Leib iſt geſtreckt,
der Schnabel ſtark, meiſt gerade, kegelförmig oder meiſelartig, auf dem Rücken ſcharfkantig und an der
Spitze ſenkrecht zugeſchärft; die Füße ſind kurz, ſtark und einwärts gebogen; die Zehen lang und
paarig geſtellt, das vordere Paar bis zur Hälſte des erſten Gliedes verwachſen. Zu der eigentlichen
Hinterzehe, welche die kleinſte von allen iſt, hat ſich die äußere Vorderzehe, die längſte des Fußes,
geſellt; es kommt aber auch vor, daß die Hinterzehe verkümmert oder gänzlich fehlt, ſodaß der Fuß
dann nur drei Zehen zeigt. Alle Zehen ſind mit ſehr großen, ſtarken, ſcharfen, halbmondförmigen
Nägeln bewehrt. Die Flügel ſind mittellang und etwas abgerundet; die Handſchwingen, zehn an der
Zahl, ſind ſchmal und ſpitz, die Armſchwingen, neun bis zwölf an der Zahl, etwas breiter, aber
gewöhnlich nicht viel kürzer als die erſtgenannten. Unter dieſen iſt die erſte Schwinge ſehr klein, die
zweite mittellang, die dritte oder die vierte aber die längſte. Sehr ausgezeichnet iſt der Schwanz. Er
beſteht aus zehn großen und zwei kleinen Seitenfedern, welche aber nicht unter, ſondern über den
erſten liegen; die beiden mittleren Schwanzfedern ſind die längſten und ſtärkſten. Jhre Schäfte
nehmen nach der Spitze zu an Stärke ab, ſind ſehr biegſam und beſitzen eine bedeutende Schnellkraft.
Während die Faſern ihrer Fahnen in der Wurzelhälfte der Feder dicht neben einander ſtehen und ver-
bunden ſind, werden ſie gegen die Spitze hin frei, nehmen an Stärke zu, ändern ihre frühere Richtung
und wenden ſich beiderſeits nach unten, ſodaß die Feder einem Dache ähnlich wird, als deſſen Firſte
der Schaft anzuſehen iſt. Unter dieſem Dache liegt die genau ebenſo gebaute zweite Mittelfeder und
unter ihr die dritte. Die vierte Feder jeder Seite ähnelt noch der dritten, die fünfte äußerſte iſt wie
gewöhnlich gebildet und die ſechste außer durch ihre Lage, auch noch durch ihre beſondere Härte auf-
fallend. Das Gefieder iſt derb und dicht, die Federn des Kopfes ſind zahlreich, klein und länglich
geſtaltet, die des Rumpfes minder dicht geſtellt, breit und kurz. Sehr häufig ſind die Kopffedern zu
einer Holle verlängert. Die Färbung zeigt bei aller Manchfaltigkeit doch eine große Ueberein-
ſtimmung; ſo iſt namentlich die Kopfgegend durch ein prachtvolles Roth geziert, und die Geſchlechter
unterſcheiden ſich hauptſächlich durch dieſe Eigenthümlichkeit. Mehr als bei irgend einer andern Gruppe
iſt es zuläſſig, die Spechte nach der Farbenvertheilung zu ordnen, und deshalb iſt es ſchon von Alters
her üblich geworden, von Schwarz-, Grün-, Buntſpechten u. ſ. w. zu ſprechen.

Ebenſo eigenthümlich wie das Aeußere iſt der innere Leibesbau unſerer Vögel. Das Knochen-
gerüſt iſt zierlich gebaut. Die Kopf- und Rumpftheile und der Ober- und Vorderarm ſind luft-
führend. Das Schulterblatt iſt kurz, am Ende lappenförmig erweitert, das Gabelbein ſehr ſchwach,
das Schlüſſelbein ſehr ſtark, das Bruſtbein zeigt einen niederen Kamm. Die Wirbelſäule beſteht aus
zwölf Hals-, ſieben bis acht Bruſt- und acht Schwanzwirbeln, deren letzterer beſonders groß, ſtark,
ſehr breit an der Hinterfläche und mit langen, ſtarken Dornfortſätzen verſehen iſt. Unter den weichen
Theilen iſt die Zunge der merkwürdigſte. Sie iſt klein, hornig, ſehr lang gezogen und an jeder Seite
mit fünf bis ſechs kurzen, ſteifen Stacheln oder Borſten beſetzt, welche wie Widerhaken an einer Pfeil-
ſpitze erſcheinen. „Dieſe kleine Zunge“, ſagt Burmeiſter, „ſitzt an einem langen, geraden, griffel-
förmigen Zungenbein von der Länge des Schnabels, von welchem nach hinten noch zwei doppelt ſo
lange, zweigliederige Zungenbeinhörner ausgehen. Das Zungenbein ſteckt in einer höchſt elaſtiſchen,
warzenreichen Scheide, welche eingezogen wie eine Sprungfeder ausſieht, im Munde liegt und ſich
gerade ausdehnt, wenn das Werkzeug vorgeſtreckt wird. Jn der Ruhe biegen ſich die Zungenbein-
hörner um den Hinterkopf zur Stirn hinauf, liegen hier unter der Haut und reichen mit ihren Spitzen
ſogar bis in die hornige Scheide des Schnabels weit über die Naſenlöcher hinaus, indem ſich daſelbſt
(am rechten Naſenloche) ein eigener Kanal zu ihrer Aufnahme befindet. Sie ſteigen von hier, wenn
der Specht die Zunge ausſtreckt, in die elaſtiſche Scheide des Zungenbeinkörpers hinab und ſchieben ſo
die Zunge vor ſich her, mehrere Zoll weit aus dem Schnabel heraus.“ Mit dieſer eigenthümlichen
Zungenbildung iſt eine ungewöhnliche Entwickelung eines Schleimdrüſenpaares verbunden. Dieſe

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[57/0069] Spechtbaumhacker. Vorbilder der Spechte zu erkennen, daß es mir nicht thunlich erſcheint, die letzteren in einer beſondern Ordnung zu vereinigen, wie ich es ſonſt ohne Bedenken thun würde. Die Spechtvögel (Picidae) kennzeichnen ſich durch folgende Merkmale. Der Leib iſt geſtreckt, der Schnabel ſtark, meiſt gerade, kegelförmig oder meiſelartig, auf dem Rücken ſcharfkantig und an der Spitze ſenkrecht zugeſchärft; die Füße ſind kurz, ſtark und einwärts gebogen; die Zehen lang und paarig geſtellt, das vordere Paar bis zur Hälſte des erſten Gliedes verwachſen. Zu der eigentlichen Hinterzehe, welche die kleinſte von allen iſt, hat ſich die äußere Vorderzehe, die längſte des Fußes, geſellt; es kommt aber auch vor, daß die Hinterzehe verkümmert oder gänzlich fehlt, ſodaß der Fuß dann nur drei Zehen zeigt. Alle Zehen ſind mit ſehr großen, ſtarken, ſcharfen, halbmondförmigen Nägeln bewehrt. Die Flügel ſind mittellang und etwas abgerundet; die Handſchwingen, zehn an der Zahl, ſind ſchmal und ſpitz, die Armſchwingen, neun bis zwölf an der Zahl, etwas breiter, aber gewöhnlich nicht viel kürzer als die erſtgenannten. Unter dieſen iſt die erſte Schwinge ſehr klein, die zweite mittellang, die dritte oder die vierte aber die längſte. Sehr ausgezeichnet iſt der Schwanz. Er beſteht aus zehn großen und zwei kleinen Seitenfedern, welche aber nicht unter, ſondern über den erſten liegen; die beiden mittleren Schwanzfedern ſind die längſten und ſtärkſten. Jhre Schäfte nehmen nach der Spitze zu an Stärke ab, ſind ſehr biegſam und beſitzen eine bedeutende Schnellkraft. Während die Faſern ihrer Fahnen in der Wurzelhälfte der Feder dicht neben einander ſtehen und ver- bunden ſind, werden ſie gegen die Spitze hin frei, nehmen an Stärke zu, ändern ihre frühere Richtung und wenden ſich beiderſeits nach unten, ſodaß die Feder einem Dache ähnlich wird, als deſſen Firſte der Schaft anzuſehen iſt. Unter dieſem Dache liegt die genau ebenſo gebaute zweite Mittelfeder und unter ihr die dritte. Die vierte Feder jeder Seite ähnelt noch der dritten, die fünfte äußerſte iſt wie gewöhnlich gebildet und die ſechste außer durch ihre Lage, auch noch durch ihre beſondere Härte auf- fallend. Das Gefieder iſt derb und dicht, die Federn des Kopfes ſind zahlreich, klein und länglich geſtaltet, die des Rumpfes minder dicht geſtellt, breit und kurz. Sehr häufig ſind die Kopffedern zu einer Holle verlängert. Die Färbung zeigt bei aller Manchfaltigkeit doch eine große Ueberein- ſtimmung; ſo iſt namentlich die Kopfgegend durch ein prachtvolles Roth geziert, und die Geſchlechter unterſcheiden ſich hauptſächlich durch dieſe Eigenthümlichkeit. Mehr als bei irgend einer andern Gruppe iſt es zuläſſig, die Spechte nach der Farbenvertheilung zu ordnen, und deshalb iſt es ſchon von Alters her üblich geworden, von Schwarz-, Grün-, Buntſpechten u. ſ. w. zu ſprechen. Ebenſo eigenthümlich wie das Aeußere iſt der innere Leibesbau unſerer Vögel. Das Knochen- gerüſt iſt zierlich gebaut. Die Kopf- und Rumpftheile und der Ober- und Vorderarm ſind luft- führend. Das Schulterblatt iſt kurz, am Ende lappenförmig erweitert, das Gabelbein ſehr ſchwach, das Schlüſſelbein ſehr ſtark, das Bruſtbein zeigt einen niederen Kamm. Die Wirbelſäule beſteht aus zwölf Hals-, ſieben bis acht Bruſt- und acht Schwanzwirbeln, deren letzterer beſonders groß, ſtark, ſehr breit an der Hinterfläche und mit langen, ſtarken Dornfortſätzen verſehen iſt. Unter den weichen Theilen iſt die Zunge der merkwürdigſte. Sie iſt klein, hornig, ſehr lang gezogen und an jeder Seite mit fünf bis ſechs kurzen, ſteifen Stacheln oder Borſten beſetzt, welche wie Widerhaken an einer Pfeil- ſpitze erſcheinen. „Dieſe kleine Zunge“, ſagt Burmeiſter, „ſitzt an einem langen, geraden, griffel- förmigen Zungenbein von der Länge des Schnabels, von welchem nach hinten noch zwei doppelt ſo lange, zweigliederige Zungenbeinhörner ausgehen. Das Zungenbein ſteckt in einer höchſt elaſtiſchen, warzenreichen Scheide, welche eingezogen wie eine Sprungfeder ausſieht, im Munde liegt und ſich gerade ausdehnt, wenn das Werkzeug vorgeſtreckt wird. Jn der Ruhe biegen ſich die Zungenbein- hörner um den Hinterkopf zur Stirn hinauf, liegen hier unter der Haut und reichen mit ihren Spitzen ſogar bis in die hornige Scheide des Schnabels weit über die Naſenlöcher hinaus, indem ſich daſelbſt (am rechten Naſenloche) ein eigener Kanal zu ihrer Aufnahme befindet. Sie ſteigen von hier, wenn der Specht die Zunge ausſtreckt, in die elaſtiſche Scheide des Zungenbeinkörpers hinab und ſchieben ſo die Zunge vor ſich her, mehrere Zoll weit aus dem Schnabel heraus.“ Mit dieſer eigenthümlichen Zungenbildung iſt eine ungewöhnliche Entwickelung eines Schleimdrüſenpaares verbunden. Dieſe

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/69>, abgerufen am 26.11.2024.