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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Odinshenne und Wassertreter.
Odinshennen, welche er in der Nähe von fünf verschiedenen Nestern erlegt, nur ein Weibchen erhielt:
ich muß, auf meine Beobachtungen gestützt, das Gegentheil sagen; denn ich habe unter zehn Stück,
welche ich erlegte und maß, sechs Weibchen und nur vier Männchen gefunden, auch stets das Pärchen
vereinigt gesehen. Auf größeren Seen mag es vorkommen, daß mehrere Paare zusammen nisten, da,
wo es kleinere Süßwasserseen oder richtiger Teiche gibt, behauptet jedes Paar einen derselben und
duldet auf ihm keine Mitbewohnerschaft.

Die Brutteiche, wie ich sie nennen will, liegen stets nahe am Meere: hierin stimmen meine
Beobachtungen mit denen Faber's und Holböll's vollständig überein. Beide Forscher bemerken,
daß die Odinshenne auch im tieferen Lande brüte, während der Wassertreter die Jnseln außerhalb der
Fjorde, welche kleine Teiche besitzen, den Fjorden und überhaupt dem Festlande vorzieht: ich kann
hierüber nicht urtheilen, sondern eben nur sagen, daß alle Pärchen der Odinshenne, welche ich antraf,
auf kleinen Teichen in der Nähe der Küste lebten, nicht aber auf solchen, welche höher oben im Gebirge
liegen. Daß die Vögel von den Brutteichen aus allabendlich hinaus auf die Fjorde ziehen, wie Hol-
böll
angibt, dort umherschwimmen und kleine Wasserthiere aufnehmen, erscheint mir durchaus
glaublich, da auch ich die Vögel vom Meere aus habe nach dem Lande zurückkehren sehen. Das Nest
steht nicht auf Jnseln oder trockenen Stellen in den Teichen, sondern regelmäßig am Rande derselben,
und ist eine einfache, aber hübsch gerundete Mulde im Grase, ohne eigentliche Auskleidung, welche
jedoch durch das beim Runden niedergedrückte Gras selbst ersetzt wird. Das Gelege, welches ich
fand, enthielt drei Eier; es mag jedoch sein, daß es noch nicht vollständig war, da Faber und
Holböll übereinstimmend angeben, daß die Odinshenne stets vier Eier lege, nie mehr oder weniger.
Letztere sind im Verhältniß zum Vogel klein und auf gilblichem oder grünlichen Grunde mit vielen
kleineren und größeren schwarzbraunen Flecken gezeichnet. Ueber das Brutgeschäft im eigentlichen Sinne
des Wortes ist man noch nicht im Reinen. Faber sagt, daß Männchen und Weibchen abwechselnd
brüten, fügt aber hinzu, daß diese Vögel die einzigen sind, deren Männchen zwei Brutflecken haben,
während man letztere beim Weibchen nicht bemerkt, und Holböll meint deshalb, daß das Männchen
allein die Eier zeitige, das Weibchen aber nie brüte. Genauere Beobachtungen müssen die Wahrheit
feststellen. Mitte Juli's fand ich im nördlichen Lappland Junge im Dunenkleide, welche unter Führung
der Alten rasch im Riede oder Grase dahin liefen, sich meisterhaft zu verstecken wußten, aber doch auf-
gefunden und erhascht wurden. Die Alten zeigten sich unendlich besorgt, flatterten ängstlich um mich
her und versuchten mich durch Verstellungskünste von den Jungen abzuziehen. Diese ähneln in
ihrem Betragen anderen Strandvögeln, unterscheiden sich jedoch von ihnen dadurch, daß sie fertig
schwimmen können. Jch erwähne Dies ausdrücklich, weil Faber und Holböll das Gegen-
theil angeben. Die Färbung ihres Dunenkleides ist eine verhältnißmäßig dunkele, der des Ried-
grases ähnliche.

Jn dem Magen der von mir Erlegten fand ich verschiedene Kerbthierlarven, welche ich nicht
bestimmen konnte, und gelegentlich meiner Beobachtungen der Vögel sah ich, daß sie ihre Nahrung
ebensowohl vom Wasser wegnahmen, als am Uferrande oder im Riede aufsammelten. Daß die
Jungen nur mit solcher Nahrung sich begnügen müssen, wie sie das Ried ihnen bietet, braucht nicht
erwähnt zu werden. Nach Malmgreen verzehrt der Wassertreter auf Spitzbergen während des
Sommers hauptsächlich eine kleine Alge, welche in den Sümpfen zahlreich vorkommt.

Anfangs August führen die Alten ihre inzwischen flügge gewordenen Jungen hinaus zu den
Jnseln in den Fjorden und sammeln sich hier zu Scharen an, welche jetzt ihr Winterleben beginnen.
Anfangs September haben sie ihr Winterkleid bereits angelegt und sich auch schon so gemästet, daß
sie für den Sammler unbrauchbar geworden sind. Ende Septembers verlassen sie die Küste ganz und
schwärmen nun auf das hohe Meer hinaus.



Odinshenne und Waſſertreter.
Odinshennen, welche er in der Nähe von fünf verſchiedenen Neſtern erlegt, nur ein Weibchen erhielt:
ich muß, auf meine Beobachtungen geſtützt, das Gegentheil ſagen; denn ich habe unter zehn Stück,
welche ich erlegte und maß, ſechs Weibchen und nur vier Männchen gefunden, auch ſtets das Pärchen
vereinigt geſehen. Auf größeren Seen mag es vorkommen, daß mehrere Paare zuſammen niſten, da,
wo es kleinere Süßwaſſerſeen oder richtiger Teiche gibt, behauptet jedes Paar einen derſelben und
duldet auf ihm keine Mitbewohnerſchaft.

Die Brutteiche, wie ich ſie nennen will, liegen ſtets nahe am Meere: hierin ſtimmen meine
Beobachtungen mit denen Faber’s und Holböll’s vollſtändig überein. Beide Forſcher bemerken,
daß die Odinshenne auch im tieferen Lande brüte, während der Waſſertreter die Jnſeln außerhalb der
Fjorde, welche kleine Teiche beſitzen, den Fjorden und überhaupt dem Feſtlande vorzieht: ich kann
hierüber nicht urtheilen, ſondern eben nur ſagen, daß alle Pärchen der Odinshenne, welche ich antraf,
auf kleinen Teichen in der Nähe der Küſte lebten, nicht aber auf ſolchen, welche höher oben im Gebirge
liegen. Daß die Vögel von den Brutteichen aus allabendlich hinaus auf die Fjorde ziehen, wie Hol-
böll
angibt, dort umherſchwimmen und kleine Waſſerthiere aufnehmen, erſcheint mir durchaus
glaublich, da auch ich die Vögel vom Meere aus habe nach dem Lande zurückkehren ſehen. Das Neſt
ſteht nicht auf Jnſeln oder trockenen Stellen in den Teichen, ſondern regelmäßig am Rande derſelben,
und iſt eine einfache, aber hübſch gerundete Mulde im Graſe, ohne eigentliche Auskleidung, welche
jedoch durch das beim Runden niedergedrückte Gras ſelbſt erſetzt wird. Das Gelege, welches ich
fand, enthielt drei Eier; es mag jedoch ſein, daß es noch nicht vollſtändig war, da Faber und
Holböll übereinſtimmend angeben, daß die Odinshenne ſtets vier Eier lege, nie mehr oder weniger.
Letztere ſind im Verhältniß zum Vogel klein und auf gilblichem oder grünlichen Grunde mit vielen
kleineren und größeren ſchwarzbraunen Flecken gezeichnet. Ueber das Brutgeſchäft im eigentlichen Sinne
des Wortes iſt man noch nicht im Reinen. Faber ſagt, daß Männchen und Weibchen abwechſelnd
brüten, fügt aber hinzu, daß dieſe Vögel die einzigen ſind, deren Männchen zwei Brutflecken haben,
während man letztere beim Weibchen nicht bemerkt, und Holböll meint deshalb, daß das Männchen
allein die Eier zeitige, das Weibchen aber nie brüte. Genauere Beobachtungen müſſen die Wahrheit
feſtſtellen. Mitte Juli’s fand ich im nördlichen Lappland Junge im Dunenkleide, welche unter Führung
der Alten raſch im Riede oder Graſe dahin liefen, ſich meiſterhaft zu verſtecken wußten, aber doch auf-
gefunden und erhaſcht wurden. Die Alten zeigten ſich unendlich beſorgt, flatterten ängſtlich um mich
her und verſuchten mich durch Verſtellungskünſte von den Jungen abzuziehen. Dieſe ähneln in
ihrem Betragen anderen Strandvögeln, unterſcheiden ſich jedoch von ihnen dadurch, daß ſie fertig
ſchwimmen können. Jch erwähne Dies ausdrücklich, weil Faber und Holböll das Gegen-
theil angeben. Die Färbung ihres Dunenkleides iſt eine verhältnißmäßig dunkele, der des Ried-
graſes ähnliche.

Jn dem Magen der von mir Erlegten fand ich verſchiedene Kerbthierlarven, welche ich nicht
beſtimmen konnte, und gelegentlich meiner Beobachtungen der Vögel ſah ich, daß ſie ihre Nahrung
ebenſowohl vom Waſſer wegnahmen, als am Uferrande oder im Riede aufſammelten. Daß die
Jungen nur mit ſolcher Nahrung ſich begnügen müſſen, wie ſie das Ried ihnen bietet, braucht nicht
erwähnt zu werden. Nach Malmgreen verzehrt der Waſſertreter auf Spitzbergen während des
Sommers hauptſächlich eine kleine Alge, welche in den Sümpfen zahlreich vorkommt.

Anfangs Auguſt führen die Alten ihre inzwiſchen flügge gewordenen Jungen hinaus zu den
Jnſeln in den Fjorden und ſammeln ſich hier zu Scharen an, welche jetzt ihr Winterleben beginnen.
Anfangs September haben ſie ihr Winterkleid bereits angelegt und ſich auch ſchon ſo gemäſtet, daß
ſie für den Sammler unbrauchbar geworden ſind. Ende Septembers verlaſſen ſie die Küſte ganz und
ſchwärmen nun auf das hohe Meer hinaus.



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[633/0673] Odinshenne und Waſſertreter. Odinshennen, welche er in der Nähe von fünf verſchiedenen Neſtern erlegt, nur ein Weibchen erhielt: ich muß, auf meine Beobachtungen geſtützt, das Gegentheil ſagen; denn ich habe unter zehn Stück, welche ich erlegte und maß, ſechs Weibchen und nur vier Männchen gefunden, auch ſtets das Pärchen vereinigt geſehen. Auf größeren Seen mag es vorkommen, daß mehrere Paare zuſammen niſten, da, wo es kleinere Süßwaſſerſeen oder richtiger Teiche gibt, behauptet jedes Paar einen derſelben und duldet auf ihm keine Mitbewohnerſchaft. Die Brutteiche, wie ich ſie nennen will, liegen ſtets nahe am Meere: hierin ſtimmen meine Beobachtungen mit denen Faber’s und Holböll’s vollſtändig überein. Beide Forſcher bemerken, daß die Odinshenne auch im tieferen Lande brüte, während der Waſſertreter die Jnſeln außerhalb der Fjorde, welche kleine Teiche beſitzen, den Fjorden und überhaupt dem Feſtlande vorzieht: ich kann hierüber nicht urtheilen, ſondern eben nur ſagen, daß alle Pärchen der Odinshenne, welche ich antraf, auf kleinen Teichen in der Nähe der Küſte lebten, nicht aber auf ſolchen, welche höher oben im Gebirge liegen. Daß die Vögel von den Brutteichen aus allabendlich hinaus auf die Fjorde ziehen, wie Hol- böll angibt, dort umherſchwimmen und kleine Waſſerthiere aufnehmen, erſcheint mir durchaus glaublich, da auch ich die Vögel vom Meere aus habe nach dem Lande zurückkehren ſehen. Das Neſt ſteht nicht auf Jnſeln oder trockenen Stellen in den Teichen, ſondern regelmäßig am Rande derſelben, und iſt eine einfache, aber hübſch gerundete Mulde im Graſe, ohne eigentliche Auskleidung, welche jedoch durch das beim Runden niedergedrückte Gras ſelbſt erſetzt wird. Das Gelege, welches ich fand, enthielt drei Eier; es mag jedoch ſein, daß es noch nicht vollſtändig war, da Faber und Holböll übereinſtimmend angeben, daß die Odinshenne ſtets vier Eier lege, nie mehr oder weniger. Letztere ſind im Verhältniß zum Vogel klein und auf gilblichem oder grünlichen Grunde mit vielen kleineren und größeren ſchwarzbraunen Flecken gezeichnet. Ueber das Brutgeſchäft im eigentlichen Sinne des Wortes iſt man noch nicht im Reinen. Faber ſagt, daß Männchen und Weibchen abwechſelnd brüten, fügt aber hinzu, daß dieſe Vögel die einzigen ſind, deren Männchen zwei Brutflecken haben, während man letztere beim Weibchen nicht bemerkt, und Holböll meint deshalb, daß das Männchen allein die Eier zeitige, das Weibchen aber nie brüte. Genauere Beobachtungen müſſen die Wahrheit feſtſtellen. Mitte Juli’s fand ich im nördlichen Lappland Junge im Dunenkleide, welche unter Führung der Alten raſch im Riede oder Graſe dahin liefen, ſich meiſterhaft zu verſtecken wußten, aber doch auf- gefunden und erhaſcht wurden. Die Alten zeigten ſich unendlich beſorgt, flatterten ängſtlich um mich her und verſuchten mich durch Verſtellungskünſte von den Jungen abzuziehen. Dieſe ähneln in ihrem Betragen anderen Strandvögeln, unterſcheiden ſich jedoch von ihnen dadurch, daß ſie fertig ſchwimmen können. Jch erwähne Dies ausdrücklich, weil Faber und Holböll das Gegen- theil angeben. Die Färbung ihres Dunenkleides iſt eine verhältnißmäßig dunkele, der des Ried- graſes ähnliche. Jn dem Magen der von mir Erlegten fand ich verſchiedene Kerbthierlarven, welche ich nicht beſtimmen konnte, und gelegentlich meiner Beobachtungen der Vögel ſah ich, daß ſie ihre Nahrung ebenſowohl vom Waſſer wegnahmen, als am Uferrande oder im Riede aufſammelten. Daß die Jungen nur mit ſolcher Nahrung ſich begnügen müſſen, wie ſie das Ried ihnen bietet, braucht nicht erwähnt zu werden. Nach Malmgreen verzehrt der Waſſertreter auf Spitzbergen während des Sommers hauptſächlich eine kleine Alge, welche in den Sümpfen zahlreich vorkommt. Anfangs Auguſt führen die Alten ihre inzwiſchen flügge gewordenen Jungen hinaus zu den Jnſeln in den Fjorden und ſammeln ſich hier zu Scharen an, welche jetzt ihr Winterleben beginnen. Anfangs September haben ſie ihr Winterkleid bereits angelegt und ſich auch ſchon ſo gemäſtet, daß ſie für den Sammler unbrauchbar geworden ſind. Ende Septembers verlaſſen ſie die Küſte ganz und ſchwärmen nun auf das hohe Meer hinaus.

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 633. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/673>, abgerufen am 22.11.2024.