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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Allgemeines.
Jm Käfige zeigen sie sich augenblicklich eingewöhnt. "Eben eingefangen", sagt Naumann, "in ein
Tuch oder einen Netzbeutel gesteckt, stundenweit getragen, in die Stube gesetzt, sind sie schon in der
ersten Stunde darin heimisch und fangen, wenn mehrere Männchen beisammen sind, sogleich zu kämpfen
an, oft ehe sie noch ans hingeworfene Futter gehen. Dies thun sie indessen ebenso bald, denn kein
Vogel wohl geht in der Gefangenschaft so leicht aus Futter als dieser. Man setzt ihnen ein flaches
Geschirr mit Wasser hin, in welches man kleine Käferchen oder andere Kerbthiere wirft; fischen sie diese
heraus, was in den ersten zwei Stunden gewiß geschieht, so setzt man ein anderes Geschirr daneben,
in welches man in Milch eingequellte Semmelkrumen und feingehacktes frisches Fleisch oder lebende
Regenwürmer thut, und wiederholt Dies solange, bis sie das Semmelfutter mit verschlucken lernen.
Jedes Männchen muß sein besonderes Freßgeschirr haben, weil sonst die Raufereien nicht aufhören und
das eine, welches sich vom anderen einschüchtern ließe, am Ende doch schlecht dabei wegkommen würde.
Sind mehr als zwei Männchen beisammen, so reichen wohl nur zwei Freßgeschirre aus, doch ist dann
des Kampfes kein Ende." Jn einem größeren Gesellschaftsbauer nehmen sich die Kampfläufer aller-
liebst aus, gewähren Jedermann beständige Unterhaltung, mindestens solange die Brutzeit währt; denn
auch hier enden ihre Kämpfe nie: jede ihnen zugeworfene Semmelkrume erregt die ganze Gesellschaft.
Nach der Paarungszeit tritt Frieden ein, und die wackeren Recken leben fortan sanft, gemüthlich und
ruhig unter einander, obwohl einer und der andere sich noch zu drohenden Stellungen verleiten läßt.
Bei geeigneter Pflege kann man die Gefangenen jahrelang erhalten.

Außer dem Menschen stellen die bekannten vierfüßigen und gefiederten Feinde der kleinen Stelz-
vögel überhaupt auch dem Kampfläufer nach, und namentlich die Raubvögel nehmen viele weg.
Ueberschwemmungen vernichten die Bruten; die Eier werden auch oft genug für Kiebitzeier angesehen
und wie diese aufgesammelt und verspeist. Das Fleisch ist wohlschmeckend, obschon nur im Herbste;
denn während der Begattungszeit ist an ein Fettwerden der erregbaren Thiere nicht zu denken.



An die Strandläufer reiht sich naturgemäß eine wenig zahlreiche Familie an, deren Mitglieder
sich vor den übrigen Schnepfenvögeln durch ihre außerordentliche Schwimmfertigkeit hervorthun und
gewissermaßen ihre Ordnung mit den Schwimmvögeln verbinden. Diese Vögel fesseln schon durch die
Anmuth ihrer Gestalt und die Zartheit ihrer Färbung, noch mehr aber durch ihre Lebensweise. Man
hat sie Wassertreter genannt, und der Name ist nicht übel gewählt, weil sie schwimmend leichter
auf dem Wasser liegen als alle übrigen Vögel. Auch ihre Heimat ist der hohe Norden der alten wie der
neuen Welt; nur ausnahmsweise kommen sie in niedere Breiten herab; denn wenn sie wandern, fliegen
sie nicht südlichen Ländern zu, sondern auf das hohe Meer hinaus. Jnnerhalb ihrer Ordnung müssen
sie als die vollendetsten Seevögel angesehen werden: sie wetteifern in gewisser Hinsicht mit den meer-
bewohnenden Sturmschwalben.

Die Wassertreter (Phalaropi) kommen in der Größe einer Sumpfschnepfe kaum gleich. Jhre
Gestalt ähnelt jener der eigentlichen Strandläufer; der Schnabel ist gerade, mittellang, sehr schwach,
niedergedrückt, an der Spitze etwas abwärts gebogen, bei einigen Arten vorn platt, bei anderen nicht
breiter als hoch, der Fuß verhältnißmäßig niedrig, schwach, weit über die Ferse hinauf nackt und vier-
zehig, der Fittig lang und spitz, in ihm die erste Schwinge die längste, das Oberarmgefieder zu einem
Afterflügel verlängert, der Schwanz zwölffederig, kurz, zugerundet, durch das lange Deckgefieder aus-
gezeichnet, das Kleingefieder so reich und dicht wie bei den echten Schwimmvögeln. Als wichtigstes
Kennzeichen gilt die Belappung der Füße. Die drei Vorderzehen nämlich sind hinten durch eine halbe
Schwimmhaut verbunden, übrigens aber beiderseitig mit Hautlappen besetzt, welche von einem Gelenke
zum anderen reichen und an ihrem bogigen Rande fein gezähnelt erscheinen. Dieser Fußbau hat einige
Forscher verleitet, die Wassertreter als Verwandte der Wasserhühner und Steißfüße zu betrachten,

Allgemeines.
Jm Käfige zeigen ſie ſich augenblicklich eingewöhnt. „Eben eingefangen“, ſagt Naumann, „in ein
Tuch oder einen Netzbeutel geſteckt, ſtundenweit getragen, in die Stube geſetzt, ſind ſie ſchon in der
erſten Stunde darin heimiſch und fangen, wenn mehrere Männchen beiſammen ſind, ſogleich zu kämpfen
an, oft ehe ſie noch ans hingeworfene Futter gehen. Dies thun ſie indeſſen ebenſo bald, denn kein
Vogel wohl geht in der Gefangenſchaft ſo leicht aus Futter als dieſer. Man ſetzt ihnen ein flaches
Geſchirr mit Waſſer hin, in welches man kleine Käferchen oder andere Kerbthiere wirft; fiſchen ſie dieſe
heraus, was in den erſten zwei Stunden gewiß geſchieht, ſo ſetzt man ein anderes Geſchirr daneben,
in welches man in Milch eingequellte Semmelkrumen und feingehacktes friſches Fleiſch oder lebende
Regenwürmer thut, und wiederholt Dies ſolange, bis ſie das Semmelfutter mit verſchlucken lernen.
Jedes Männchen muß ſein beſonderes Freßgeſchirr haben, weil ſonſt die Raufereien nicht aufhören und
das eine, welches ſich vom anderen einſchüchtern ließe, am Ende doch ſchlecht dabei wegkommen würde.
Sind mehr als zwei Männchen beiſammen, ſo reichen wohl nur zwei Freßgeſchirre aus, doch iſt dann
des Kampfes kein Ende.“ Jn einem größeren Geſellſchaftsbauer nehmen ſich die Kampfläufer aller-
liebſt aus, gewähren Jedermann beſtändige Unterhaltung, mindeſtens ſolange die Brutzeit währt; denn
auch hier enden ihre Kämpfe nie: jede ihnen zugeworfene Semmelkrume erregt die ganze Geſellſchaft.
Nach der Paarungszeit tritt Frieden ein, und die wackeren Recken leben fortan ſanft, gemüthlich und
ruhig unter einander, obwohl einer und der andere ſich noch zu drohenden Stellungen verleiten läßt.
Bei geeigneter Pflege kann man die Gefangenen jahrelang erhalten.

Außer dem Menſchen ſtellen die bekannten vierfüßigen und gefiederten Feinde der kleinen Stelz-
vögel überhaupt auch dem Kampfläufer nach, und namentlich die Raubvögel nehmen viele weg.
Ueberſchwemmungen vernichten die Bruten; die Eier werden auch oft genug für Kiebitzeier angeſehen
und wie dieſe aufgeſammelt und verſpeiſt. Das Fleiſch iſt wohlſchmeckend, obſchon nur im Herbſte;
denn während der Begattungszeit iſt an ein Fettwerden der erregbaren Thiere nicht zu denken.



An die Strandläufer reiht ſich naturgemäß eine wenig zahlreiche Familie an, deren Mitglieder
ſich vor den übrigen Schnepfenvögeln durch ihre außerordentliche Schwimmfertigkeit hervorthun und
gewiſſermaßen ihre Ordnung mit den Schwimmvögeln verbinden. Dieſe Vögel feſſeln ſchon durch die
Anmuth ihrer Geſtalt und die Zartheit ihrer Färbung, noch mehr aber durch ihre Lebensweiſe. Man
hat ſie Waſſertreter genannt, und der Name iſt nicht übel gewählt, weil ſie ſchwimmend leichter
auf dem Waſſer liegen als alle übrigen Vögel. Auch ihre Heimat iſt der hohe Norden der alten wie der
neuen Welt; nur ausnahmsweiſe kommen ſie in niedere Breiten herab; denn wenn ſie wandern, fliegen
ſie nicht ſüdlichen Ländern zu, ſondern auf das hohe Meer hinaus. Jnnerhalb ihrer Ordnung müſſen
ſie als die vollendetſten Seevögel angeſehen werden: ſie wetteifern in gewiſſer Hinſicht mit den meer-
bewohnenden Sturmſchwalben.

Die Waſſertreter (Phalaropi) kommen in der Größe einer Sumpfſchnepfe kaum gleich. Jhre
Geſtalt ähnelt jener der eigentlichen Strandläufer; der Schnabel iſt gerade, mittellang, ſehr ſchwach,
niedergedrückt, an der Spitze etwas abwärts gebogen, bei einigen Arten vorn platt, bei anderen nicht
breiter als hoch, der Fuß verhältnißmäßig niedrig, ſchwach, weit über die Ferſe hinauf nackt und vier-
zehig, der Fittig lang und ſpitz, in ihm die erſte Schwinge die längſte, das Oberarmgefieder zu einem
Afterflügel verlängert, der Schwanz zwölffederig, kurz, zugerundet, durch das lange Deckgefieder aus-
gezeichnet, das Kleingefieder ſo reich und dicht wie bei den echten Schwimmvögeln. Als wichtigſtes
Kennzeichen gilt die Belappung der Füße. Die drei Vorderzehen nämlich ſind hinten durch eine halbe
Schwimmhaut verbunden, übrigens aber beiderſeitig mit Hautlappen beſetzt, welche von einem Gelenke
zum anderen reichen und an ihrem bogigen Rande fein gezähnelt erſcheinen. Dieſer Fußbau hat einige
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[629/0669] Allgemeines. Jm Käfige zeigen ſie ſich augenblicklich eingewöhnt. „Eben eingefangen“, ſagt Naumann, „in ein Tuch oder einen Netzbeutel geſteckt, ſtundenweit getragen, in die Stube geſetzt, ſind ſie ſchon in der erſten Stunde darin heimiſch und fangen, wenn mehrere Männchen beiſammen ſind, ſogleich zu kämpfen an, oft ehe ſie noch ans hingeworfene Futter gehen. Dies thun ſie indeſſen ebenſo bald, denn kein Vogel wohl geht in der Gefangenſchaft ſo leicht aus Futter als dieſer. Man ſetzt ihnen ein flaches Geſchirr mit Waſſer hin, in welches man kleine Käferchen oder andere Kerbthiere wirft; fiſchen ſie dieſe heraus, was in den erſten zwei Stunden gewiß geſchieht, ſo ſetzt man ein anderes Geſchirr daneben, in welches man in Milch eingequellte Semmelkrumen und feingehacktes friſches Fleiſch oder lebende Regenwürmer thut, und wiederholt Dies ſolange, bis ſie das Semmelfutter mit verſchlucken lernen. Jedes Männchen muß ſein beſonderes Freßgeſchirr haben, weil ſonſt die Raufereien nicht aufhören und das eine, welches ſich vom anderen einſchüchtern ließe, am Ende doch ſchlecht dabei wegkommen würde. Sind mehr als zwei Männchen beiſammen, ſo reichen wohl nur zwei Freßgeſchirre aus, doch iſt dann des Kampfes kein Ende.“ Jn einem größeren Geſellſchaftsbauer nehmen ſich die Kampfläufer aller- liebſt aus, gewähren Jedermann beſtändige Unterhaltung, mindeſtens ſolange die Brutzeit währt; denn auch hier enden ihre Kämpfe nie: jede ihnen zugeworfene Semmelkrume erregt die ganze Geſellſchaft. Nach der Paarungszeit tritt Frieden ein, und die wackeren Recken leben fortan ſanft, gemüthlich und ruhig unter einander, obwohl einer und der andere ſich noch zu drohenden Stellungen verleiten läßt. Bei geeigneter Pflege kann man die Gefangenen jahrelang erhalten. Außer dem Menſchen ſtellen die bekannten vierfüßigen und gefiederten Feinde der kleinen Stelz- vögel überhaupt auch dem Kampfläufer nach, und namentlich die Raubvögel nehmen viele weg. Ueberſchwemmungen vernichten die Bruten; die Eier werden auch oft genug für Kiebitzeier angeſehen und wie dieſe aufgeſammelt und verſpeiſt. Das Fleiſch iſt wohlſchmeckend, obſchon nur im Herbſte; denn während der Begattungszeit iſt an ein Fettwerden der erregbaren Thiere nicht zu denken. An die Strandläufer reiht ſich naturgemäß eine wenig zahlreiche Familie an, deren Mitglieder ſich vor den übrigen Schnepfenvögeln durch ihre außerordentliche Schwimmfertigkeit hervorthun und gewiſſermaßen ihre Ordnung mit den Schwimmvögeln verbinden. Dieſe Vögel feſſeln ſchon durch die Anmuth ihrer Geſtalt und die Zartheit ihrer Färbung, noch mehr aber durch ihre Lebensweiſe. Man hat ſie Waſſertreter genannt, und der Name iſt nicht übel gewählt, weil ſie ſchwimmend leichter auf dem Waſſer liegen als alle übrigen Vögel. Auch ihre Heimat iſt der hohe Norden der alten wie der neuen Welt; nur ausnahmsweiſe kommen ſie in niedere Breiten herab; denn wenn ſie wandern, fliegen ſie nicht ſüdlichen Ländern zu, ſondern auf das hohe Meer hinaus. Jnnerhalb ihrer Ordnung müſſen ſie als die vollendetſten Seevögel angeſehen werden: ſie wetteifern in gewiſſer Hinſicht mit den meer- bewohnenden Sturmſchwalben. Die Waſſertreter (Phalaropi) kommen in der Größe einer Sumpfſchnepfe kaum gleich. Jhre Geſtalt ähnelt jener der eigentlichen Strandläufer; der Schnabel iſt gerade, mittellang, ſehr ſchwach, niedergedrückt, an der Spitze etwas abwärts gebogen, bei einigen Arten vorn platt, bei anderen nicht breiter als hoch, der Fuß verhältnißmäßig niedrig, ſchwach, weit über die Ferſe hinauf nackt und vier- zehig, der Fittig lang und ſpitz, in ihm die erſte Schwinge die längſte, das Oberarmgefieder zu einem Afterflügel verlängert, der Schwanz zwölffederig, kurz, zugerundet, durch das lange Deckgefieder aus- gezeichnet, das Kleingefieder ſo reich und dicht wie bei den echten Schwimmvögeln. Als wichtigſtes Kennzeichen gilt die Belappung der Füße. Die drei Vorderzehen nämlich ſind hinten durch eine halbe Schwimmhaut verbunden, übrigens aber beiderſeitig mit Hautlappen beſetzt, welche von einem Gelenke zum anderen reichen und an ihrem bogigen Rande fein gezähnelt erſcheinen. Dieſer Fußbau hat einige Forſcher verleitet, die Waſſertreter als Verwandte der Waſſerhühner und Steißfüße zu betrachten,

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 629. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/669>, abgerufen am 22.11.2024.