Tone ist, streng genommen, nicht zu reden. Wenn ich versuchen soll, diese Stimme auszudrücken, muß ich die Silbe "Psäärr" zu ihrer Bezeichnung wählen; es ist mir jedoch unmöglich, auch die Betonung derselben zu versinnlichen. Während der Paarungszeit vernahm Naumann, aber auch selten, einen tiefen und dumpfen Laut, welchen er eine Art Brausen nennt und dem "Huh, huh, huh" des zahmen Taubers ähnlich findet.
Daß unter den Sinneswerkzeugen des Großtrappen das Auge am meisten entwickelt ist, lehrt die Beobachtung des Freilebenden und Gefangenen. Seinem Scharfblick entgeht so leicht Nichts, und er lernt sehr bald die betreffenden Sinneseindrücke richtig würdigen. "Schon in weiter Ferne", sagt Naumann, "beobachtet er die vermeintlichen Gefahren, besonders die ihm verdächtige einzelne Person, und wenn diese glaubt, sie sei von dem Trappen, welchen sie zu beschleichen gedenkt, noch fern genug, als daß sie schon von ihm bemerkt worden sein könnte, so irrt sie gewöhnlich, namentlich wenn sie hofft, einen zwischen ihr und dem Trappen gelegenen Hügel oder Graben zu erreichen, um durch jenen gedeckt oder in diesem verborgen, sich ihm schußmäßig zu nähern; denn in demselben Augen- blicke, in welchem sie sich seinem Blicke entzogen zu haben glaubt, ergreift jener auch schon die Flucht. Meist recken die Trappen, sobald sie Gefahr ahnen, die Hälse empor, zuweilen aber auch nicht; wenn sie in diesem Falle jedoch auch den Anschein einer Ruhe heucheln, so sieht der mit ihren Sitten Vertraute daran, daß sie das Weiden unterlassen, einige stillstehen, andere unsicher hin- und her- schleichen, daß sie sich eben alle durch die Flucht sichern werden. Jeder Mensch, welcher sie mit Auf- merksamkeit betrachtet, macht sich ihnen verdächtig, stecke er auch in dem Gewande eines Landmannes oder Hirten oder dem eines Weibes. Nur dann, wenn sie von solchen Leuten gar nicht beachtet werden und diese sie keines Blickes würdigen, wenn Frauenzimmer mit einer Last ruhig vorüber- wandern, Bauern oder Schäfer sich blos mit ihrem Vieh beschäftigen, lassen sie sich jedoch nicht immer so nahe kommen, daß man sich ihrer durch Schießen würde bemächtigen können. Oft scheint es, als könnten sie auf mehr denn dreihundert Schritte weit in den Gesichtszügen des Vorübergehenden lesen, ob er Böses gegen sie im Sinne habe oder nicht, als könnten sie die Flinte von jedem ähnlichen Stabe unterscheiden, auch wenn sie die betreffende Person senkrecht oder dicht an sich hält, wie man sonst kein Schießgewehr zu tragen pflegt." Naumann meint, daß ihre Gehör- und Geruchswerkzeuge wenig entwickelt wären, weil er in einer mit Erde überdeckten Grube verborgen einige Male mitten unter ihnen gesessen habe, und sie so sorglos um sein stilles Versteck herumschleichen sah, daß er einzelne Trappen hätte greifen mögen, daß selbst der Rauch seiner Tabakspfeife, welcher zuweilen durch die kleine Schießöffnung hinausströmte, von ihnen nicht beachtet wurde: ich glaube an Gefangenen bemerkt zu haben, daß diese Ansicht des Altmeisters irrig ist. Soviel steht wenigstens fest, daß die Großtrappen auch sehr scharf hören.
Der Großtrappe nährt sich, wenn er erwachsen, fast ausschließlich von grünen Pflanzentheilen, Körnern und Sämereien, in der Jugend aber beinahe ebenso ausschließlich von Kerbthieren. Er frißt von allen unsern Feldfrüchten, vielleicht mit Ausnahme der Kartoffeln, welche er gewöhnlich liegen läßt, am liebsten, wie es scheint, Kraut und Kohl; aber er weidet auch oft, und im Nothfalle die Spitzen des gewöhnlichen Grases. Jm Winter nährt er sich hauptsächlich von Raps und Getreide, im Sommer fängt er neben der Pflanzennahrung stets einige Kerbthiere, ohne jedoch eigentlich auf sie Jagd zu machen. Alle Nahrung nimmt er mit dem Schnabel auf, und höchstens im Winter läßt er sich herbei, verdecktes Futter durch Scharren mit den Füßen bloszulegen. Kleine Quarzkörner werden zur Beförderung der Verdauung regelmäßig mit verschluckt. Seinen Durst stillt er mit den Thau- tropfen, welche morgens am Grase hängen.
Schon im Februar bemerkt man, laut Naumann, im Betragen der freilebenden Trappen eine große Veränderung. "Der regelmäßige Besuch der bekannten Weideplätze, ihr bestimmter Zug nach und von denselben und ihr gemüthliches Beisammensein hört jetzt auf. Eine größere Lebhaftigkeit und eine gewisse Unruhe hat sich ihrer bemächtigt und treibt sie zu einem ungeregelten Umherschweifen von diesen zu jenen Weideplätzen zu allen Tageszeiten an. Die Hähne fangen an, sich um die
Die Läufer. Stelzvögel. Trappen.
Tone iſt, ſtreng genommen, nicht zu reden. Wenn ich verſuchen ſoll, dieſe Stimme auszudrücken, muß ich die Silbe „Pſäärr“ zu ihrer Bezeichnung wählen; es iſt mir jedoch unmöglich, auch die Betonung derſelben zu verſinnlichen. Während der Paarungszeit vernahm Naumann, aber auch ſelten, einen tiefen und dumpfen Laut, welchen er eine Art Brauſen nennt und dem „Huh, huh, huh“ des zahmen Taubers ähnlich findet.
Daß unter den Sinneswerkzeugen des Großtrappen das Auge am meiſten entwickelt iſt, lehrt die Beobachtung des Freilebenden und Gefangenen. Seinem Scharfblick entgeht ſo leicht Nichts, und er lernt ſehr bald die betreffenden Sinneseindrücke richtig würdigen. „Schon in weiter Ferne“, ſagt Naumann, „beobachtet er die vermeintlichen Gefahren, beſonders die ihm verdächtige einzelne Perſon, und wenn dieſe glaubt, ſie ſei von dem Trappen, welchen ſie zu beſchleichen gedenkt, noch fern genug, als daß ſie ſchon von ihm bemerkt worden ſein könnte, ſo irrt ſie gewöhnlich, namentlich wenn ſie hofft, einen zwiſchen ihr und dem Trappen gelegenen Hügel oder Graben zu erreichen, um durch jenen gedeckt oder in dieſem verborgen, ſich ihm ſchußmäßig zu nähern; denn in demſelben Augen- blicke, in welchem ſie ſich ſeinem Blicke entzogen zu haben glaubt, ergreift jener auch ſchon die Flucht. Meiſt recken die Trappen, ſobald ſie Gefahr ahnen, die Hälſe empor, zuweilen aber auch nicht; wenn ſie in dieſem Falle jedoch auch den Anſchein einer Ruhe heucheln, ſo ſieht der mit ihren Sitten Vertraute daran, daß ſie das Weiden unterlaſſen, einige ſtillſtehen, andere unſicher hin- und her- ſchleichen, daß ſie ſich eben alle durch die Flucht ſichern werden. Jeder Menſch, welcher ſie mit Auf- merkſamkeit betrachtet, macht ſich ihnen verdächtig, ſtecke er auch in dem Gewande eines Landmannes oder Hirten oder dem eines Weibes. Nur dann, wenn ſie von ſolchen Leuten gar nicht beachtet werden und dieſe ſie keines Blickes würdigen, wenn Frauenzimmer mit einer Laſt ruhig vorüber- wandern, Bauern oder Schäfer ſich blos mit ihrem Vieh beſchäftigen, laſſen ſie ſich jedoch nicht immer ſo nahe kommen, daß man ſich ihrer durch Schießen würde bemächtigen können. Oft ſcheint es, als könnten ſie auf mehr denn dreihundert Schritte weit in den Geſichtszügen des Vorübergehenden leſen, ob er Böſes gegen ſie im Sinne habe oder nicht, als könnten ſie die Flinte von jedem ähnlichen Stabe unterſcheiden, auch wenn ſie die betreffende Perſon ſenkrecht oder dicht an ſich hält, wie man ſonſt kein Schießgewehr zu tragen pflegt.“ Naumann meint, daß ihre Gehör- und Geruchswerkzeuge wenig entwickelt wären, weil er in einer mit Erde überdeckten Grube verborgen einige Male mitten unter ihnen geſeſſen habe, und ſie ſo ſorglos um ſein ſtilles Verſteck herumſchleichen ſah, daß er einzelne Trappen hätte greifen mögen, daß ſelbſt der Rauch ſeiner Tabakspfeife, welcher zuweilen durch die kleine Schießöffnung hinausſtrömte, von ihnen nicht beachtet wurde: ich glaube an Gefangenen bemerkt zu haben, daß dieſe Anſicht des Altmeiſters irrig iſt. Soviel ſteht wenigſtens feſt, daß die Großtrappen auch ſehr ſcharf hören.
Der Großtrappe nährt ſich, wenn er erwachſen, faſt ausſchließlich von grünen Pflanzentheilen, Körnern und Sämereien, in der Jugend aber beinahe ebenſo ausſchließlich von Kerbthieren. Er frißt von allen unſern Feldfrüchten, vielleicht mit Ausnahme der Kartoffeln, welche er gewöhnlich liegen läßt, am liebſten, wie es ſcheint, Kraut und Kohl; aber er weidet auch oft, und im Nothfalle die Spitzen des gewöhnlichen Graſes. Jm Winter nährt er ſich hauptſächlich von Raps und Getreide, im Sommer fängt er neben der Pflanzennahrung ſtets einige Kerbthiere, ohne jedoch eigentlich auf ſie Jagd zu machen. Alle Nahrung nimmt er mit dem Schnabel auf, und höchſtens im Winter läßt er ſich herbei, verdecktes Futter durch Scharren mit den Füßen bloszulegen. Kleine Quarzkörner werden zur Beförderung der Verdauung regelmäßig mit verſchluckt. Seinen Durſt ſtillt er mit den Thau- tropfen, welche morgens am Graſe hängen.
Schon im Februar bemerkt man, laut Naumann, im Betragen der freilebenden Trappen eine große Veränderung. „Der regelmäßige Beſuch der bekannten Weideplätze, ihr beſtimmter Zug nach und von denſelben und ihr gemüthliches Beiſammenſein hört jetzt auf. Eine größere Lebhaftigkeit und eine gewiſſe Unruhe hat ſich ihrer bemächtigt und treibt ſie zu einem ungeregelten Umherſchweifen von dieſen zu jenen Weideplätzen zu allen Tageszeiten an. Die Hähne fangen an, ſich um die
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Die Läufer. Stelzvögel. Trappen.
Tone iſt, ſtreng genommen, nicht zu reden. Wenn ich verſuchen ſoll, dieſe Stimme auszudrücken,
muß ich die Silbe „Pſäärr“ zu ihrer Bezeichnung wählen; es iſt mir jedoch unmöglich, auch die
Betonung derſelben zu verſinnlichen. Während der Paarungszeit vernahm Naumann, aber auch
ſelten, einen tiefen und dumpfen Laut, welchen er eine Art Brauſen nennt und dem „Huh, huh, huh“
des zahmen Taubers ähnlich findet.
Daß unter den Sinneswerkzeugen des Großtrappen das Auge am meiſten entwickelt iſt, lehrt
die Beobachtung des Freilebenden und Gefangenen. Seinem Scharfblick entgeht ſo leicht Nichts, und
er lernt ſehr bald die betreffenden Sinneseindrücke richtig würdigen. „Schon in weiter Ferne“,
ſagt Naumann, „beobachtet er die vermeintlichen Gefahren, beſonders die ihm verdächtige einzelne
Perſon, und wenn dieſe glaubt, ſie ſei von dem Trappen, welchen ſie zu beſchleichen gedenkt, noch fern
genug, als daß ſie ſchon von ihm bemerkt worden ſein könnte, ſo irrt ſie gewöhnlich, namentlich wenn
ſie hofft, einen zwiſchen ihr und dem Trappen gelegenen Hügel oder Graben zu erreichen, um durch
jenen gedeckt oder in dieſem verborgen, ſich ihm ſchußmäßig zu nähern; denn in demſelben Augen-
blicke, in welchem ſie ſich ſeinem Blicke entzogen zu haben glaubt, ergreift jener auch ſchon die Flucht.
Meiſt recken die Trappen, ſobald ſie Gefahr ahnen, die Hälſe empor, zuweilen aber auch nicht;
wenn ſie in dieſem Falle jedoch auch den Anſchein einer Ruhe heucheln, ſo ſieht der mit ihren Sitten
Vertraute daran, daß ſie das Weiden unterlaſſen, einige ſtillſtehen, andere unſicher hin- und her-
ſchleichen, daß ſie ſich eben alle durch die Flucht ſichern werden. Jeder Menſch, welcher ſie mit Auf-
merkſamkeit betrachtet, macht ſich ihnen verdächtig, ſtecke er auch in dem Gewande eines Landmannes
oder Hirten oder dem eines Weibes. Nur dann, wenn ſie von ſolchen Leuten gar nicht beachtet
werden und dieſe ſie keines Blickes würdigen, wenn Frauenzimmer mit einer Laſt ruhig vorüber-
wandern, Bauern oder Schäfer ſich blos mit ihrem Vieh beſchäftigen, laſſen ſie ſich jedoch nicht immer
ſo nahe kommen, daß man ſich ihrer durch Schießen würde bemächtigen können. Oft ſcheint es, als
könnten ſie auf mehr denn dreihundert Schritte weit in den Geſichtszügen des Vorübergehenden leſen,
ob er Böſes gegen ſie im Sinne habe oder nicht, als könnten ſie die Flinte von jedem ähnlichen Stabe
unterſcheiden, auch wenn ſie die betreffende Perſon ſenkrecht oder dicht an ſich hält, wie man ſonſt kein
Schießgewehr zu tragen pflegt.“ Naumann meint, daß ihre Gehör- und Geruchswerkzeuge wenig
entwickelt wären, weil er in einer mit Erde überdeckten Grube verborgen einige Male mitten unter
ihnen geſeſſen habe, und ſie ſo ſorglos um ſein ſtilles Verſteck herumſchleichen ſah, daß er einzelne
Trappen hätte greifen mögen, daß ſelbſt der Rauch ſeiner Tabakspfeife, welcher zuweilen durch die
kleine Schießöffnung hinausſtrömte, von ihnen nicht beachtet wurde: ich glaube an Gefangenen
bemerkt zu haben, daß dieſe Anſicht des Altmeiſters irrig iſt. Soviel ſteht wenigſtens feſt, daß die
Großtrappen auch ſehr ſcharf hören.
Der Großtrappe nährt ſich, wenn er erwachſen, faſt ausſchließlich von grünen Pflanzentheilen,
Körnern und Sämereien, in der Jugend aber beinahe ebenſo ausſchließlich von Kerbthieren. Er frißt
von allen unſern Feldfrüchten, vielleicht mit Ausnahme der Kartoffeln, welche er gewöhnlich liegen
läßt, am liebſten, wie es ſcheint, Kraut und Kohl; aber er weidet auch oft, und im Nothfalle die Spitzen
des gewöhnlichen Graſes. Jm Winter nährt er ſich hauptſächlich von Raps und Getreide, im
Sommer fängt er neben der Pflanzennahrung ſtets einige Kerbthiere, ohne jedoch eigentlich auf ſie
Jagd zu machen. Alle Nahrung nimmt er mit dem Schnabel auf, und höchſtens im Winter läßt er
ſich herbei, verdecktes Futter durch Scharren mit den Füßen bloszulegen. Kleine Quarzkörner werden
zur Beförderung der Verdauung regelmäßig mit verſchluckt. Seinen Durſt ſtillt er mit den Thau-
tropfen, welche morgens am Graſe hängen.
Schon im Februar bemerkt man, laut Naumann, im Betragen der freilebenden Trappen eine
große Veränderung. „Der regelmäßige Beſuch der bekannten Weideplätze, ihr beſtimmter Zug nach
und von denſelben und ihr gemüthliches Beiſammenſein hört jetzt auf. Eine größere Lebhaftigkeit
und eine gewiſſe Unruhe hat ſich ihrer bemächtigt und treibt ſie zu einem ungeregelten Umherſchweifen
von dieſen zu jenen Weideplätzen zu allen Tageszeiten an. Die Hähne fangen an, ſich um die
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 562. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/600>, abgerufen am 22.11.2024.
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