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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Die Läufer. Stelzvögel. Trappen.

Der Großtrappe oder die Trappgans (Otis tarda), welchen man wohl auch "euro-
päischen Strauß"
zu nennen beliebt hat, wurde neuerdings zum Vertreter einer eigenen Sippe
erhoben, als deren wichtigstes Merkmal der aus langen, mit schmalen Fahnen besetzten Federn
bestehende Kinnbart des Männchens angesehen werden muß, da dieser andern Arten der Familie fehlt.
Jn allem übrigen entspricht unser Vogel dem allgemeinen Gepräge der Familie.

Der männliche Großtrappe ist ein stattliches Geschöpf, ebensowohl was den Leibesumfang als
was die Haltung anlangt. Seine Länge schwankt zwischen 31/4 bis 31/2 Fuß, die Breite zwischen
71/2 bis 8 Fuß; die Fittiglänge beträgt 21/4 Fuß, die Länge des Schwanzes 11 Zoll, das Gewicht
kann 30 und einige Pfund erreichen. Der Kopf, die Oberbrust und ein Theil des Oberflügels sind
hellaschgrau, die Federn des Rückens auf rostgelbem Grunde schwarz in die Quere gebändert, die
des Nackens rostfarbig, die der Unterseite schmuzig- oder gilblichweiß, die Steuerfedern schön rostroth,
weiß an der Spitze und vor ihr durch ein schwarzes Band geziert, die äußeren fast ganz weiß, die
Schwingen dunkelgraubraun, an der schmalen Außenfahne und am Ende schwarzbraun, ihre Schäfte
gelblichweiß, die Unterarmfedern schwarz, weiß an der Wurzel, die letzten fast reinweiß. Der Bart
besteht aus etwa dreißig langen, zarten, schmalen, zerschlissenen, grauweißen Federn. Das Auge ist
tiefbraun, der Schnabel schwärzlich, der Fuß grau.

Das Weibchen unterscheidet sich hauptsächlich durch die geringe Größe, aber auch durch ein
minder lebhaftes Gefieder und das Fehlen des Bartes. Seine Länge beträgt höchstens 23/4, seine
Breite 6 Fuß.

Von Südschweden und dem mittleren Rußland an findet man den Trappen in ganz Europa und
ebenso in einem großen Theile Asiens, aber nur einzeln und wohl blos während des Winters
in Nordwestafrika. Jn Großbritannien ist er bereits ausgerottet, in Deutschland ziemlich, in
Frankreich sehr selten geworden, in Spanien kaum häufiger zu finden; in Ungarn, der russischen
Steppe und in ganz Mittelasien dagegen tritt er außerordentlich häufig auf. Gelegentlich seiner
Streifereien, welche man eher ein Streichen als einen Zug nennen kann, berührt er nicht nur die
südlichen Länder, sondern auch solche, in denen man ihn sonst nicht bemerkt, z. B. Holland und die
Schweiz; immer aber wählt er sich weite Ebenen zu seinem Aufenthaltsorte aus. Sachsen und
Anhalt, Brandenburg und Schlesien, das ebene Thüringen und einzelne Gegenden Baierns sind die-
jenigen Striche Deutschlands, welche ihm Herberge geben. Hier trifft man zuweilen noch Flüge an,
welche über hundert Stücke zählen; aber sie kommen gar nicht im Vergleich mit den Scharen, welche
die ungarische Pusta und die russische Steppe beleben. Es bevorzugt der Großtrappe übrigens unter
allen Umständen Gegenden, in denen Getreidebau getrieben wird: Radde fand ihn gerade in den-
jenigen Theilen, welche das Hochsteppengepräge Mittelasiens am deutlichsten zeigen, viel seltener als
in der Udinski'schen und Bargusin'schen Steppe und im Selengathale, obgleich hier die Gegend
hügelig oder bergig ist; aber freilich wird dort wie hier viel Getreide gebaut. Jn Griechenland
soll er in allen Ebenen Standvogel sein; in Spanien belebt er die weiten, fruchtbaren Ebenen beider
Kastilien, der Mancha, Estremaduras und Niederandalusiens; auf den Jnseln des Mittelmeeres
kommt er immer nur einzeln vor.

Ein eigentlicher Standvogel ist der Großtrappe ebensowenig wie andere Arten seiner Familie. Bei
uns zu Lande wechselt er zwar seinen Aufenthaltsort nicht regelmäßig; aber er bewohnt auch in
Deutschland ein so großes Gebiet, daß er mindestens beständig meilenweite Entfernungen durchfliegt.
Anders ist es in Rußland und in Mittelasien. Hier erscheint er zu einer gewissen Zeit im Frühjahre,
in Daurien, nach Radde, Anfangs März, und verweilt blos bis zum August an dem Orte, an
welchem er sich fortpflanzt, tritt also eine, wenn auch beschränkte Wanderung an. Antinori
erwähnt, daß im Jahre 1858 zu Burgas bei Varna eine Menge Trappen mit Stöcken todtgeschlagen
wurden; andere Forscher, welche in den Mittelmeerländern beobachteten, wissen von einem ähnlichen
Auftreten größerer Trappenschwärme zu berichten. Dagegen erfährt man nun auch wiederum aller-
orten, wo Trappen brüten, daß sie während des Winters ihren sommerlichen Wohnkreis nicht ver-

Die Läufer. Stelzvögel. Trappen.

Der Großtrappe oder die Trappgans (Otis tarda), welchen man wohl auch „euro-
päiſchen Strauß“
zu nennen beliebt hat, wurde neuerdings zum Vertreter einer eigenen Sippe
erhoben, als deren wichtigſtes Merkmal der aus langen, mit ſchmalen Fahnen beſetzten Federn
beſtehende Kinnbart des Männchens angeſehen werden muß, da dieſer andern Arten der Familie fehlt.
Jn allem übrigen entſpricht unſer Vogel dem allgemeinen Gepräge der Familie.

Der männliche Großtrappe iſt ein ſtattliches Geſchöpf, ebenſowohl was den Leibesumfang als
was die Haltung anlangt. Seine Länge ſchwankt zwiſchen 3¼ bis 3½ Fuß, die Breite zwiſchen
7½ bis 8 Fuß; die Fittiglänge beträgt 2¼ Fuß, die Länge des Schwanzes 11 Zoll, das Gewicht
kann 30 und einige Pfund erreichen. Der Kopf, die Oberbruſt und ein Theil des Oberflügels ſind
hellaſchgrau, die Federn des Rückens auf roſtgelbem Grunde ſchwarz in die Quere gebändert, die
des Nackens roſtfarbig, die der Unterſeite ſchmuzig- oder gilblichweiß, die Steuerfedern ſchön roſtroth,
weiß an der Spitze und vor ihr durch ein ſchwarzes Band geziert, die äußeren faſt ganz weiß, die
Schwingen dunkelgraubraun, an der ſchmalen Außenfahne und am Ende ſchwarzbraun, ihre Schäfte
gelblichweiß, die Unterarmfedern ſchwarz, weiß an der Wurzel, die letzten faſt reinweiß. Der Bart
beſteht aus etwa dreißig langen, zarten, ſchmalen, zerſchliſſenen, grauweißen Federn. Das Auge iſt
tiefbraun, der Schnabel ſchwärzlich, der Fuß grau.

Das Weibchen unterſcheidet ſich hauptſächlich durch die geringe Größe, aber auch durch ein
minder lebhaftes Gefieder und das Fehlen des Bartes. Seine Länge beträgt höchſtens 2¾, ſeine
Breite 6 Fuß.

Von Südſchweden und dem mittleren Rußland an findet man den Trappen in ganz Europa und
ebenſo in einem großen Theile Aſiens, aber nur einzeln und wohl blos während des Winters
in Nordweſtafrika. Jn Großbritannien iſt er bereits ausgerottet, in Deutſchland ziemlich, in
Frankreich ſehr ſelten geworden, in Spanien kaum häufiger zu finden; in Ungarn, der ruſſiſchen
Steppe und in ganz Mittelaſien dagegen tritt er außerordentlich häufig auf. Gelegentlich ſeiner
Streifereien, welche man eher ein Streichen als einen Zug nennen kann, berührt er nicht nur die
ſüdlichen Länder, ſondern auch ſolche, in denen man ihn ſonſt nicht bemerkt, z. B. Holland und die
Schweiz; immer aber wählt er ſich weite Ebenen zu ſeinem Aufenthaltsorte aus. Sachſen und
Anhalt, Brandenburg und Schleſien, das ebene Thüringen und einzelne Gegenden Baierns ſind die-
jenigen Striche Deutſchlands, welche ihm Herberge geben. Hier trifft man zuweilen noch Flüge an,
welche über hundert Stücke zählen; aber ſie kommen gar nicht im Vergleich mit den Scharen, welche
die ungariſche Puſta und die ruſſiſche Steppe beleben. Es bevorzugt der Großtrappe übrigens unter
allen Umſtänden Gegenden, in denen Getreidebau getrieben wird: Radde fand ihn gerade in den-
jenigen Theilen, welche das Hochſteppengepräge Mittelaſiens am deutlichſten zeigen, viel ſeltener als
in der Udinski’ſchen und Barguſin’ſchen Steppe und im Selengathale, obgleich hier die Gegend
hügelig oder bergig iſt; aber freilich wird dort wie hier viel Getreide gebaut. Jn Griechenland
ſoll er in allen Ebenen Standvogel ſein; in Spanien belebt er die weiten, fruchtbaren Ebenen beider
Kaſtilien, der Mancha, Eſtremaduras und Niederandaluſiens; auf den Jnſeln des Mittelmeeres
kommt er immer nur einzeln vor.

Ein eigentlicher Standvogel iſt der Großtrappe ebenſowenig wie andere Arten ſeiner Familie. Bei
uns zu Lande wechſelt er zwar ſeinen Aufenthaltsort nicht regelmäßig; aber er bewohnt auch in
Deutſchland ein ſo großes Gebiet, daß er mindeſtens beſtändig meilenweite Entfernungen durchfliegt.
Anders iſt es in Rußland und in Mittelaſien. Hier erſcheint er zu einer gewiſſen Zeit im Frühjahre,
in Daurien, nach Radde, Anfangs März, und verweilt blos bis zum Auguſt an dem Orte, an
welchem er ſich fortpflanzt, tritt alſo eine, wenn auch beſchränkte Wanderung an. Antinori
erwähnt, daß im Jahre 1858 zu Burgas bei Varna eine Menge Trappen mit Stöcken todtgeſchlagen
wurden; andere Forſcher, welche in den Mittelmeerländern beobachteten, wiſſen von einem ähnlichen
Auftreten größerer Trappenſchwärme zu berichten. Dagegen erfährt man nun auch wiederum aller-
orten, wo Trappen brüten, daß ſie während des Winters ihren ſommerlichen Wohnkreis nicht ver-

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[560/0596] Die Läufer. Stelzvögel. Trappen. Der Großtrappe oder die Trappgans (Otis tarda), welchen man wohl auch „euro- päiſchen Strauß“ zu nennen beliebt hat, wurde neuerdings zum Vertreter einer eigenen Sippe erhoben, als deren wichtigſtes Merkmal der aus langen, mit ſchmalen Fahnen beſetzten Federn beſtehende Kinnbart des Männchens angeſehen werden muß, da dieſer andern Arten der Familie fehlt. Jn allem übrigen entſpricht unſer Vogel dem allgemeinen Gepräge der Familie. Der männliche Großtrappe iſt ein ſtattliches Geſchöpf, ebenſowohl was den Leibesumfang als was die Haltung anlangt. Seine Länge ſchwankt zwiſchen 3¼ bis 3½ Fuß, die Breite zwiſchen 7½ bis 8 Fuß; die Fittiglänge beträgt 2¼ Fuß, die Länge des Schwanzes 11 Zoll, das Gewicht kann 30 und einige Pfund erreichen. Der Kopf, die Oberbruſt und ein Theil des Oberflügels ſind hellaſchgrau, die Federn des Rückens auf roſtgelbem Grunde ſchwarz in die Quere gebändert, die des Nackens roſtfarbig, die der Unterſeite ſchmuzig- oder gilblichweiß, die Steuerfedern ſchön roſtroth, weiß an der Spitze und vor ihr durch ein ſchwarzes Band geziert, die äußeren faſt ganz weiß, die Schwingen dunkelgraubraun, an der ſchmalen Außenfahne und am Ende ſchwarzbraun, ihre Schäfte gelblichweiß, die Unterarmfedern ſchwarz, weiß an der Wurzel, die letzten faſt reinweiß. Der Bart beſteht aus etwa dreißig langen, zarten, ſchmalen, zerſchliſſenen, grauweißen Federn. Das Auge iſt tiefbraun, der Schnabel ſchwärzlich, der Fuß grau. Das Weibchen unterſcheidet ſich hauptſächlich durch die geringe Größe, aber auch durch ein minder lebhaftes Gefieder und das Fehlen des Bartes. Seine Länge beträgt höchſtens 2¾, ſeine Breite 6 Fuß. Von Südſchweden und dem mittleren Rußland an findet man den Trappen in ganz Europa und ebenſo in einem großen Theile Aſiens, aber nur einzeln und wohl blos während des Winters in Nordweſtafrika. Jn Großbritannien iſt er bereits ausgerottet, in Deutſchland ziemlich, in Frankreich ſehr ſelten geworden, in Spanien kaum häufiger zu finden; in Ungarn, der ruſſiſchen Steppe und in ganz Mittelaſien dagegen tritt er außerordentlich häufig auf. Gelegentlich ſeiner Streifereien, welche man eher ein Streichen als einen Zug nennen kann, berührt er nicht nur die ſüdlichen Länder, ſondern auch ſolche, in denen man ihn ſonſt nicht bemerkt, z. B. Holland und die Schweiz; immer aber wählt er ſich weite Ebenen zu ſeinem Aufenthaltsorte aus. Sachſen und Anhalt, Brandenburg und Schleſien, das ebene Thüringen und einzelne Gegenden Baierns ſind die- jenigen Striche Deutſchlands, welche ihm Herberge geben. Hier trifft man zuweilen noch Flüge an, welche über hundert Stücke zählen; aber ſie kommen gar nicht im Vergleich mit den Scharen, welche die ungariſche Puſta und die ruſſiſche Steppe beleben. Es bevorzugt der Großtrappe übrigens unter allen Umſtänden Gegenden, in denen Getreidebau getrieben wird: Radde fand ihn gerade in den- jenigen Theilen, welche das Hochſteppengepräge Mittelaſiens am deutlichſten zeigen, viel ſeltener als in der Udinski’ſchen und Barguſin’ſchen Steppe und im Selengathale, obgleich hier die Gegend hügelig oder bergig iſt; aber freilich wird dort wie hier viel Getreide gebaut. Jn Griechenland ſoll er in allen Ebenen Standvogel ſein; in Spanien belebt er die weiten, fruchtbaren Ebenen beider Kaſtilien, der Mancha, Eſtremaduras und Niederandaluſiens; auf den Jnſeln des Mittelmeeres kommt er immer nur einzeln vor. Ein eigentlicher Standvogel iſt der Großtrappe ebenſowenig wie andere Arten ſeiner Familie. Bei uns zu Lande wechſelt er zwar ſeinen Aufenthaltsort nicht regelmäßig; aber er bewohnt auch in Deutſchland ein ſo großes Gebiet, daß er mindeſtens beſtändig meilenweite Entfernungen durchfliegt. Anders iſt es in Rußland und in Mittelaſien. Hier erſcheint er zu einer gewiſſen Zeit im Frühjahre, in Daurien, nach Radde, Anfangs März, und verweilt blos bis zum Auguſt an dem Orte, an welchem er ſich fortpflanzt, tritt alſo eine, wenn auch beſchränkte Wanderung an. Antinori erwähnt, daß im Jahre 1858 zu Burgas bei Varna eine Menge Trappen mit Stöcken todtgeſchlagen wurden; andere Forſcher, welche in den Mittelmeerländern beobachteten, wiſſen von einem ähnlichen Auftreten größerer Trappenſchwärme zu berichten. Dagegen erfährt man nun auch wiederum aller- orten, wo Trappen brüten, daß ſie während des Winters ihren ſommerlichen Wohnkreis nicht ver-

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 560. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/596>, abgerufen am 22.11.2024.