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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Die Läufer. Kurzflügler. Strauße.
können, höchst sonderbare Tänze auf. Er schreitet mit weit ausgebreiteten, herabhängenden Flügeln
hin und her, beginnt zuweilen plötzlich außerordentlich schnell zu rennen, schlägt mit unübertrefflicher
Gewandtheit drei oder vier Haken nach einander, mäßigt seinen Lauf und stolzirt würdevoll weiter,
beugt sich etwas hernieder und fängt das alte Spiel von neuem an. Dabei stößt er ein dumpfes,
brüllendes Geschrei aus, gibt überhaupt in jeder Hinsicht große Erregung kund. Jn der Freiheit
zeigt er unter diesen Umständen seinen Muth und seine Kampflust blos anderen Männchen gegenüber,
in der Gefangenschaft fällt er seinen Wärter oder überhaupt alle Menschen an, welche er kennt, versucht
ihnen Schnabelhiebe beizubringen und schlägt auch wohl, wie der afrikanische Strauß, heftig mit den
Füßen aus. Bodinus beobachtete an dem Paare des in so vieler Hinsicht ausgezeichneten kölner
Thiergartens, daß der Hahn sich hin und wieder auf einen bestimmten Fleck setzte und dadurch, ohne
daß man ein Scharren bemerken konnte, allmählich eine Vertiefung bildete, in welche er ausgerissenes
dürres Gras in der Weise warf, daß er im Dahinschreiten die Halme hinter sich schleuderte und Dies
solange fortsetzte, bis dieselben in die Nähe der Vertiefung gelangten. Alsdann hier wieder Platz
nehmend, ordnet er die Stoffe nach bestem Ermessen, wenn auch ziemlich unordentlich und verworren.
Das Weibchen bekümmert sich nicht um dieses Treiben. Jn der Pampa findet man, laut Böcking,
noch vor dem Brüten, welches von Mitte Dezember an beginnt, einzelne Eier, welche dort Findlinge
genannt werden: sie rühren von den zuerst befruchteten Hennen her, welche die Legenoth überraschte,
bevor noch das Männchen sich für einen Nestplatz entschieden hatte. Das Nest ist hier stets eine flache
Aushöhlung an einem der Ueberschwemmung nicht ausgesetzten und auch übrigens trocknen Orte,
welcher möglichst verborgen und seitlich von Disteln oder hohem Grase geschützt wird. Allermeist
sind es die Löcher, welche die wilden Stiere machen, indem sie sich mit dem Schulterblatt auflegen und
vermittels der Hinterbeine um erstere herumbewegen, in der Absicht, sich der Biesfliegenlarven in
ihrer Haut zu entledigen. Solche Stellen benutzt das Vieh regelmäßig als Staubbad solange, bis
sie ihm zu diesem Zwecke zu tief erscheinen, und sie bieten dem Nandu ein Nest, in welchem die größte
Arbeit bereits gethan ist. Findet er keine solche Mulde vor, so scharrt er nur an einer ihm zusagenden
Stelle den Pflanzenüberzug weg, füttert dieselbe sehr nothdürftig am Boden und Rande mit einigen
Grashalmen aus und läßt sein Weibchen sieben bis dreiundzwanzig Eier hineinlegen. Azara
erzählt, daß man zuweilen siebzig bis achtzig Eier in einem Neste finde, und Darwin gibt
wenigstens ihrer vierzig bis funfzig als höchste Anzahl; Böcking hingegen sagt, daß die Gauchos
wohl behaupteten, es gäbe Gelege bis funfzig Stück, er selbst aber niemals mehr Eier als dreiund-
zwanzig und im Durchschnitt dreizehn bis siebzehn in einem Neste gefunden habe. Die Eier selbst
sind von sehr verschiedenem Umfange, da sie von Gänseeiergröße bis zum Durchmesser von fünf Zoll
nach der Längenare wechseln. Um das Nest herum, von seinem Rande an bis zum Abstande von
funfzig Schritten findet man stets Findlinge, welche frischer als die Nesteier sind. Die Färbung des
Eies ist ein mattes Gelblichweiß; die Zeichnung besteht aus kleinen grüngelben Pünktchen, welche die
großen Poren umgeben. Sowie aber das Ei der Sonne ausgesetzt wird, verbleicht es rasch und sieht
bereits nach acht Tagen schneeweiß aus. Nachdem das Nest seine Eierzahl erhalten hat, besorgt das
Männchen das Brutgeschäft allein. Die Hennen entfernen sich sogar von denselben, bleiben aber
immer zusammen und innerhalb des früher vom Hahne behaupteten Gebietes. Letzterer sitzt während
der Nacht und in den Morgenstunden, bis der Thau abgetrocknet ist, über den Eiern, verläßt dann
jedoch in unregelmäßigen Abständen, welche sich nach der Wärme richten, das Nest, um zu weiden.
Diese Zwischenräume können ohne Schaden für die Entwicklung des Keimes sehr groß sein: Böcking
beobachtete eine vierstündige Abwesenheit des Nandu vom Neste, und erfuhr später, daß die Eier
dadurch nicht gelitten hatten. Anfangs sitzt der Hahn nur lose und schleicht sich beim geringsten
verdächtigen Geräusche still abseits, bis die Gefahr vorüber; später hingegen brütet er sehr eifrig und
schnellt erst dicht vor dem Reiter empor, meist zum großen Schrecken des Pferdes und ebenso des noch
nicht geübten Reiters. Bei solchem jähen Auffahren geschieht es, daß der geängstigte Vogel einzelne
Eier zertritt und andere aus dem Neste wirft, während er sonst sehr vorsichtig verfährt. Seine Liebe

Die Läufer. Kurzflügler. Strauße.
können, höchſt ſonderbare Tänze auf. Er ſchreitet mit weit ausgebreiteten, herabhängenden Flügeln
hin und her, beginnt zuweilen plötzlich außerordentlich ſchnell zu rennen, ſchlägt mit unübertrefflicher
Gewandtheit drei oder vier Haken nach einander, mäßigt ſeinen Lauf und ſtolzirt würdevoll weiter,
beugt ſich etwas hernieder und fängt das alte Spiel von neuem an. Dabei ſtößt er ein dumpfes,
brüllendes Geſchrei aus, gibt überhaupt in jeder Hinſicht große Erregung kund. Jn der Freiheit
zeigt er unter dieſen Umſtänden ſeinen Muth und ſeine Kampfluſt blos anderen Männchen gegenüber,
in der Gefangenſchaft fällt er ſeinen Wärter oder überhaupt alle Menſchen an, welche er kennt, verſucht
ihnen Schnabelhiebe beizubringen und ſchlägt auch wohl, wie der afrikaniſche Strauß, heftig mit den
Füßen aus. Bodinus beobachtete an dem Paare des in ſo vieler Hinſicht ausgezeichneten kölner
Thiergartens, daß der Hahn ſich hin und wieder auf einen beſtimmten Fleck ſetzte und dadurch, ohne
daß man ein Scharren bemerken konnte, allmählich eine Vertiefung bildete, in welche er ausgeriſſenes
dürres Gras in der Weiſe warf, daß er im Dahinſchreiten die Halme hinter ſich ſchleuderte und Dies
ſolange fortſetzte, bis dieſelben in die Nähe der Vertiefung gelangten. Alsdann hier wieder Platz
nehmend, ordnet er die Stoffe nach beſtem Ermeſſen, wenn auch ziemlich unordentlich und verworren.
Das Weibchen bekümmert ſich nicht um dieſes Treiben. Jn der Pampa findet man, laut Böcking,
noch vor dem Brüten, welches von Mitte Dezember an beginnt, einzelne Eier, welche dort Findlinge
genannt werden: ſie rühren von den zuerſt befruchteten Hennen her, welche die Legenoth überraſchte,
bevor noch das Männchen ſich für einen Neſtplatz entſchieden hatte. Das Neſt iſt hier ſtets eine flache
Aushöhlung an einem der Ueberſchwemmung nicht ausgeſetzten und auch übrigens trocknen Orte,
welcher möglichſt verborgen und ſeitlich von Diſteln oder hohem Graſe geſchützt wird. Allermeiſt
ſind es die Löcher, welche die wilden Stiere machen, indem ſie ſich mit dem Schulterblatt auflegen und
vermittels der Hinterbeine um erſtere herumbewegen, in der Abſicht, ſich der Biesfliegenlarven in
ihrer Haut zu entledigen. Solche Stellen benutzt das Vieh regelmäßig als Staubbad ſolange, bis
ſie ihm zu dieſem Zwecke zu tief erſcheinen, und ſie bieten dem Nandu ein Neſt, in welchem die größte
Arbeit bereits gethan iſt. Findet er keine ſolche Mulde vor, ſo ſcharrt er nur an einer ihm zuſagenden
Stelle den Pflanzenüberzug weg, füttert dieſelbe ſehr nothdürftig am Boden und Rande mit einigen
Grashalmen aus und läßt ſein Weibchen ſieben bis dreiundzwanzig Eier hineinlegen. Azara
erzählt, daß man zuweilen ſiebzig bis achtzig Eier in einem Neſte finde, und Darwin gibt
wenigſtens ihrer vierzig bis funfzig als höchſte Anzahl; Böcking hingegen ſagt, daß die Gauchos
wohl behaupteten, es gäbe Gelege bis funfzig Stück, er ſelbſt aber niemals mehr Eier als dreiund-
zwanzig und im Durchſchnitt dreizehn bis ſiebzehn in einem Neſte gefunden habe. Die Eier ſelbſt
ſind von ſehr verſchiedenem Umfange, da ſie von Gänſeeiergröße bis zum Durchmeſſer von fünf Zoll
nach der Längenare wechſeln. Um das Neſt herum, von ſeinem Rande an bis zum Abſtande von
funfzig Schritten findet man ſtets Findlinge, welche friſcher als die Neſteier ſind. Die Färbung des
Eies iſt ein mattes Gelblichweiß; die Zeichnung beſteht aus kleinen grüngelben Pünktchen, welche die
großen Poren umgeben. Sowie aber das Ei der Sonne ausgeſetzt wird, verbleicht es raſch und ſieht
bereits nach acht Tagen ſchneeweiß aus. Nachdem das Neſt ſeine Eierzahl erhalten hat, beſorgt das
Männchen das Brutgeſchäft allein. Die Hennen entfernen ſich ſogar von denſelben, bleiben aber
immer zuſammen und innerhalb des früher vom Hahne behaupteten Gebietes. Letzterer ſitzt während
der Nacht und in den Morgenſtunden, bis der Thau abgetrocknet iſt, über den Eiern, verläßt dann
jedoch in unregelmäßigen Abſtänden, welche ſich nach der Wärme richten, das Neſt, um zu weiden.
Dieſe Zwiſchenräume können ohne Schaden für die Entwicklung des Keimes ſehr groß ſein: Böcking
beobachtete eine vierſtündige Abweſenheit des Nandu vom Neſte, und erfuhr ſpäter, daß die Eier
dadurch nicht gelitten hatten. Anfangs ſitzt der Hahn nur loſe und ſchleicht ſich beim geringſten
verdächtigen Geräuſche ſtill abſeits, bis die Gefahr vorüber; ſpäter hingegen brütet er ſehr eifrig und
ſchnellt erſt dicht vor dem Reiter empor, meiſt zum großen Schrecken des Pferdes und ebenſo des noch
nicht geübten Reiters. Bei ſolchem jähen Auffahren geſchieht es, daß der geängſtigte Vogel einzelne
Eier zertritt und andere aus dem Neſte wirft, während er ſonſt ſehr vorſichtig verfährt. Seine Liebe

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[538/0570] Die Läufer. Kurzflügler. Strauße. können, höchſt ſonderbare Tänze auf. Er ſchreitet mit weit ausgebreiteten, herabhängenden Flügeln hin und her, beginnt zuweilen plötzlich außerordentlich ſchnell zu rennen, ſchlägt mit unübertrefflicher Gewandtheit drei oder vier Haken nach einander, mäßigt ſeinen Lauf und ſtolzirt würdevoll weiter, beugt ſich etwas hernieder und fängt das alte Spiel von neuem an. Dabei ſtößt er ein dumpfes, brüllendes Geſchrei aus, gibt überhaupt in jeder Hinſicht große Erregung kund. Jn der Freiheit zeigt er unter dieſen Umſtänden ſeinen Muth und ſeine Kampfluſt blos anderen Männchen gegenüber, in der Gefangenſchaft fällt er ſeinen Wärter oder überhaupt alle Menſchen an, welche er kennt, verſucht ihnen Schnabelhiebe beizubringen und ſchlägt auch wohl, wie der afrikaniſche Strauß, heftig mit den Füßen aus. Bodinus beobachtete an dem Paare des in ſo vieler Hinſicht ausgezeichneten kölner Thiergartens, daß der Hahn ſich hin und wieder auf einen beſtimmten Fleck ſetzte und dadurch, ohne daß man ein Scharren bemerken konnte, allmählich eine Vertiefung bildete, in welche er ausgeriſſenes dürres Gras in der Weiſe warf, daß er im Dahinſchreiten die Halme hinter ſich ſchleuderte und Dies ſolange fortſetzte, bis dieſelben in die Nähe der Vertiefung gelangten. Alsdann hier wieder Platz nehmend, ordnet er die Stoffe nach beſtem Ermeſſen, wenn auch ziemlich unordentlich und verworren. Das Weibchen bekümmert ſich nicht um dieſes Treiben. Jn der Pampa findet man, laut Böcking, noch vor dem Brüten, welches von Mitte Dezember an beginnt, einzelne Eier, welche dort Findlinge genannt werden: ſie rühren von den zuerſt befruchteten Hennen her, welche die Legenoth überraſchte, bevor noch das Männchen ſich für einen Neſtplatz entſchieden hatte. Das Neſt iſt hier ſtets eine flache Aushöhlung an einem der Ueberſchwemmung nicht ausgeſetzten und auch übrigens trocknen Orte, welcher möglichſt verborgen und ſeitlich von Diſteln oder hohem Graſe geſchützt wird. Allermeiſt ſind es die Löcher, welche die wilden Stiere machen, indem ſie ſich mit dem Schulterblatt auflegen und vermittels der Hinterbeine um erſtere herumbewegen, in der Abſicht, ſich der Biesfliegenlarven in ihrer Haut zu entledigen. Solche Stellen benutzt das Vieh regelmäßig als Staubbad ſolange, bis ſie ihm zu dieſem Zwecke zu tief erſcheinen, und ſie bieten dem Nandu ein Neſt, in welchem die größte Arbeit bereits gethan iſt. Findet er keine ſolche Mulde vor, ſo ſcharrt er nur an einer ihm zuſagenden Stelle den Pflanzenüberzug weg, füttert dieſelbe ſehr nothdürftig am Boden und Rande mit einigen Grashalmen aus und läßt ſein Weibchen ſieben bis dreiundzwanzig Eier hineinlegen. Azara erzählt, daß man zuweilen ſiebzig bis achtzig Eier in einem Neſte finde, und Darwin gibt wenigſtens ihrer vierzig bis funfzig als höchſte Anzahl; Böcking hingegen ſagt, daß die Gauchos wohl behaupteten, es gäbe Gelege bis funfzig Stück, er ſelbſt aber niemals mehr Eier als dreiund- zwanzig und im Durchſchnitt dreizehn bis ſiebzehn in einem Neſte gefunden habe. Die Eier ſelbſt ſind von ſehr verſchiedenem Umfange, da ſie von Gänſeeiergröße bis zum Durchmeſſer von fünf Zoll nach der Längenare wechſeln. Um das Neſt herum, von ſeinem Rande an bis zum Abſtande von funfzig Schritten findet man ſtets Findlinge, welche friſcher als die Neſteier ſind. Die Färbung des Eies iſt ein mattes Gelblichweiß; die Zeichnung beſteht aus kleinen grüngelben Pünktchen, welche die großen Poren umgeben. Sowie aber das Ei der Sonne ausgeſetzt wird, verbleicht es raſch und ſieht bereits nach acht Tagen ſchneeweiß aus. Nachdem das Neſt ſeine Eierzahl erhalten hat, beſorgt das Männchen das Brutgeſchäft allein. Die Hennen entfernen ſich ſogar von denſelben, bleiben aber immer zuſammen und innerhalb des früher vom Hahne behaupteten Gebietes. Letzterer ſitzt während der Nacht und in den Morgenſtunden, bis der Thau abgetrocknet iſt, über den Eiern, verläßt dann jedoch in unregelmäßigen Abſtänden, welche ſich nach der Wärme richten, das Neſt, um zu weiden. Dieſe Zwiſchenräume können ohne Schaden für die Entwicklung des Keimes ſehr groß ſein: Böcking beobachtete eine vierſtündige Abweſenheit des Nandu vom Neſte, und erfuhr ſpäter, daß die Eier dadurch nicht gelitten hatten. Anfangs ſitzt der Hahn nur loſe und ſchleicht ſich beim geringſten verdächtigen Geräuſche ſtill abſeits, bis die Gefahr vorüber; ſpäter hingegen brütet er ſehr eifrig und ſchnellt erſt dicht vor dem Reiter empor, meiſt zum großen Schrecken des Pferdes und ebenſo des noch nicht geübten Reiters. Bei ſolchem jähen Auffahren geſchieht es, daß der geängſtigte Vogel einzelne Eier zertritt und andere aus dem Neſte wirft, während er ſonſt ſehr vorſichtig verfährt. Seine Liebe

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 538. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/570>, abgerufen am 25.11.2024.