zusammen. Uebrigens entfernen sich die Nandus kaum über zwei Meilen weit von ihrem Geburts- orte, wie Dies Böcking sehr genau an einem verwundeten, aber wieder geheilten Stücke, dessen rechter Flügel herabhing, beobachten konnte. "Dieser, von den Peonen "der Geschädigte" genannte Strauß war oft tagelang von meinem Beobachtungsorte aus nicht zu sehen, wurde aber dafür dann in dem Reviere unserer Nachbarn auf zwei Leguas bemerkt und kam mit mehr oder weniger Gesell- schaft doch immer zurück." Jm Herbste sucht der Nandu die mit Gestrüpp bewachsenen Stromufer oder Niederungen auf, der Myrthen- und anderen Beeren wegen, oder er zieht sich da, wo es kein Strauch- werk gibt, in die Distelwälder zurück, welche, der Liebhaberei der ersten spanischen Ansiedler für die Disteln als Küchen- und Gartengewächs ihre Entstehung verdankend, jetzt in der Pampa viele tausend Geviertmeilen Landes bedecken und von Jahr zu Jahr an Ausdehnung zunehmen, den Reisenden, wie den Viehzüchtern zum größten Verdrusse. Zur Winterszeit steht der Vogel gern auf solchen Strichen, welche von Viehherden regelmäßig begangen werden, weil hier das Gras immer kurz gehalten und deshalb zarter ist als anderswo. Um diese Zeit sind diejenigen Stellen, auf welchen das Vieh von allen Richtungen her, der Uebersicht halber, tagtäglich zusammengetrieben wurde und den Boden reichlich düngte, seine Lieblingsstände.
Der Nandu steht hinter seinem afrikanischen Verwandten an Beweglichkeit wenig zurück. Er ist ein ganz vortrefflicher Läufer, welcher auch das beste Pferd zu ermüden und zu verwirren weiß, da er nicht blos äußerst schnell dahinrennt, sondern auch mit bewunderungswürdiger Gewandtheit Haken zu schlagen versteht. Während der Paarungszeit zeigt er sich äußerst lebhaft und Tag und Nacht in Bewegung; während der Dürre hält er, wie alles Wild und Vieh, mittags drei bis vier Stunden Ruhe, holt aber diese Zeit, obgleich ein echtes Tagthier, in den erfrischenden Nächten nach. Seine gewöhnliche Schrittweite beträgt, laut Böcking, zwanzig bis vierundzwanzig Zoll. Wenn er mit gelüfteten Flügeln, noch immer scheinbar nachlässig, dahintrabt, legt er mit jedem Schritte drei und einen halben Fuß zurück; verfolgt, greift er weit aus, macht Sätze bis fünf Fuß und bewegt seine Beine so schnell, daß man die einzelnen Schritte nicht mehr unterscheiden kann. Oft weicht er plötzlich mitten im Jagen von der geraden Linie bis zu einem Winkel von fünfundzwanzig bis dreißig Grad ab, wobei er einen Flügel hoch aufhebt und den anderen andrückt, dann stürmt er wieder mit rasender Eile gerade aus. Erdrisse von zehn Fuß Breite überspringt er mit Leichtigkeit, während des Sprunges einen Augenblick lang mit den Flügeln flatternd; steile Ufer meidet er sorgfältig, weil ihm das Erklimmen derselben schwer wird. Darwin berichtet, daß er Nandus zweimal über den Fluß Santa Marta schwimmen sah und ein Herr King solches öfters beobachtet habe; Böcking hingegen versichert, daß er niemals einen unserer Vögel im tiefen Wasser bemerkt, ja sich vergeblich bemüht habe, ihn mit Gewalt in einen tiefen, nicht eben breiten Strom zu jagen. "Er überwand cher seine Schüchternheit und durchbrach unsere Linie, als daß er sich zu einem Schwimmversuche ent- schlossen hätte oder auch nur bis an den Hals ins Wasser gegangen wäre. Dem Wasser weicht er überhaupt ängstlich aus, und niemals habe ich einen auf den unzähligen Jnseln des Uruguay oder Parana gesehen, mochten dieselben dem Ufer auch noch so nahe liegen und der Wasserstand so niedrig wie möglich sein. Er badet sich auch niemals im Wasser, sondern paddelt sich im Staube, wie ein echter Hühnervogel.
Der von den Jndianern gegebene Name ist ein Klangbild des weit hörbaren Rufes, welchen der Hahn zur Balzzeit ausstößt. Dieser Ruf dient als Lockung für das Weibchen oder als Heraus- forderung für den kühnen Nebenbuhler. Wenn die Paarungszeit vorüber ist, hört man von beiden Geschlechtern einen wie ein Pfeifen klingenden, anschwellenden und abfallenden Laut, welcher die Sammlung der Gesellschaft zu bezwecken scheint. Junge Nandus piepen wie Truthühner. Einen Schmerzens- oder Schreckenslaut hat Böcking nicht vernommen; im Zorne aber fauchen die Nandus in sonderbarer, schwer zu beschreibender Weise.
Mit Ausnahme des Geschmacks sind alle Sinne des Nandu scharf und auch die geistigen Fähig- keiten keineswegs gering. Der Vogel ist, laut Böcking, ein feiner Beobachter und weiß sich nach
Die Läufer. Kurzflügler. Strauße.
zuſammen. Uebrigens entfernen ſich die Nandus kaum über zwei Meilen weit von ihrem Geburts- orte, wie Dies Böcking ſehr genau an einem verwundeten, aber wieder geheilten Stücke, deſſen rechter Flügel herabhing, beobachten konnte. „Dieſer, von den Peonen „der Geſchädigte“ genannte Strauß war oft tagelang von meinem Beobachtungsorte aus nicht zu ſehen, wurde aber dafür dann in dem Reviere unſerer Nachbarn auf zwei Leguas bemerkt und kam mit mehr oder weniger Geſell- ſchaft doch immer zurück.“ Jm Herbſte ſucht der Nandu die mit Geſtrüpp bewachſenen Stromufer oder Niederungen auf, der Myrthen- und anderen Beeren wegen, oder er zieht ſich da, wo es kein Strauch- werk gibt, in die Diſtelwälder zurück, welche, der Liebhaberei der erſten ſpaniſchen Anſiedler für die Diſteln als Küchen- und Gartengewächs ihre Entſtehung verdankend, jetzt in der Pampa viele tauſend Geviertmeilen Landes bedecken und von Jahr zu Jahr an Ausdehnung zunehmen, den Reiſenden, wie den Viehzüchtern zum größten Verdruſſe. Zur Winterszeit ſteht der Vogel gern auf ſolchen Strichen, welche von Viehherden regelmäßig begangen werden, weil hier das Gras immer kurz gehalten und deshalb zarter iſt als anderswo. Um dieſe Zeit ſind diejenigen Stellen, auf welchen das Vieh von allen Richtungen her, der Ueberſicht halber, tagtäglich zuſammengetrieben wurde und den Boden reichlich düngte, ſeine Lieblingsſtände.
Der Nandu ſteht hinter ſeinem afrikaniſchen Verwandten an Beweglichkeit wenig zurück. Er iſt ein ganz vortrefflicher Läufer, welcher auch das beſte Pferd zu ermüden und zu verwirren weiß, da er nicht blos äußerſt ſchnell dahinrennt, ſondern auch mit bewunderungswürdiger Gewandtheit Haken zu ſchlagen verſteht. Während der Paarungszeit zeigt er ſich äußerſt lebhaft und Tag und Nacht in Bewegung; während der Dürre hält er, wie alles Wild und Vieh, mittags drei bis vier Stunden Ruhe, holt aber dieſe Zeit, obgleich ein echtes Tagthier, in den erfriſchenden Nächten nach. Seine gewöhnliche Schrittweite beträgt, laut Böcking, zwanzig bis vierundzwanzig Zoll. Wenn er mit gelüfteten Flügeln, noch immer ſcheinbar nachläſſig, dahintrabt, legt er mit jedem Schritte drei und einen halben Fuß zurück; verfolgt, greift er weit aus, macht Sätze bis fünf Fuß und bewegt ſeine Beine ſo ſchnell, daß man die einzelnen Schritte nicht mehr unterſcheiden kann. Oft weicht er plötzlich mitten im Jagen von der geraden Linie bis zu einem Winkel von fünfundzwanzig bis dreißig Grad ab, wobei er einen Flügel hoch aufhebt und den anderen andrückt, dann ſtürmt er wieder mit raſender Eile gerade aus. Erdriſſe von zehn Fuß Breite überſpringt er mit Leichtigkeit, während des Sprunges einen Augenblick lang mit den Flügeln flatternd; ſteile Ufer meidet er ſorgfältig, weil ihm das Erklimmen derſelben ſchwer wird. Darwin berichtet, daß er Nandus zweimal über den Fluß Santa Marta ſchwimmen ſah und ein Herr King ſolches öfters beobachtet habe; Böcking hingegen verſichert, daß er niemals einen unſerer Vögel im tiefen Waſſer bemerkt, ja ſich vergeblich bemüht habe, ihn mit Gewalt in einen tiefen, nicht eben breiten Strom zu jagen. „Er überwand cher ſeine Schüchternheit und durchbrach unſere Linie, als daß er ſich zu einem Schwimmverſuche ent- ſchloſſen hätte oder auch nur bis an den Hals ins Waſſer gegangen wäre. Dem Waſſer weicht er überhaupt ängſtlich aus, und niemals habe ich einen auf den unzähligen Jnſeln des Uruguay oder Parana geſehen, mochten dieſelben dem Ufer auch noch ſo nahe liegen und der Waſſerſtand ſo niedrig wie möglich ſein. Er badet ſich auch niemals im Waſſer, ſondern paddelt ſich im Staube, wie ein echter Hühnervogel.
Der von den Jndianern gegebene Name iſt ein Klangbild des weit hörbaren Rufes, welchen der Hahn zur Balzzeit ausſtößt. Dieſer Ruf dient als Lockung für das Weibchen oder als Heraus- forderung für den kühnen Nebenbuhler. Wenn die Paarungszeit vorüber iſt, hört man von beiden Geſchlechtern einen wie ein Pfeifen klingenden, anſchwellenden und abfallenden Laut, welcher die Sammlung der Geſellſchaft zu bezwecken ſcheint. Junge Nandus piepen wie Truthühner. Einen Schmerzens- oder Schreckenslaut hat Böcking nicht vernommen; im Zorne aber fauchen die Nandus in ſonderbarer, ſchwer zu beſchreibender Weiſe.
Mit Ausnahme des Geſchmacks ſind alle Sinne des Nandu ſcharf und auch die geiſtigen Fähig- keiten keineswegs gering. Der Vogel iſt, laut Böcking, ein feiner Beobachter und weiß ſich nach
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[536/0566]
Die Läufer. Kurzflügler. Strauße.
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rechter Flügel herabhing, beobachten konnte. „Dieſer, von den Peonen „der Geſchädigte“ genannte
Strauß war oft tagelang von meinem Beobachtungsorte aus nicht zu ſehen, wurde aber dafür dann
in dem Reviere unſerer Nachbarn auf zwei Leguas bemerkt und kam mit mehr oder weniger Geſell-
ſchaft doch immer zurück.“ Jm Herbſte ſucht der Nandu die mit Geſtrüpp bewachſenen Stromufer oder
Niederungen auf, der Myrthen- und anderen Beeren wegen, oder er zieht ſich da, wo es kein Strauch-
werk gibt, in die Diſtelwälder zurück, welche, der Liebhaberei der erſten ſpaniſchen Anſiedler für die
Diſteln als Küchen- und Gartengewächs ihre Entſtehung verdankend, jetzt in der Pampa viele
tauſend Geviertmeilen Landes bedecken und von Jahr zu Jahr an Ausdehnung zunehmen, den
Reiſenden, wie den Viehzüchtern zum größten Verdruſſe. Zur Winterszeit ſteht der Vogel gern auf
ſolchen Strichen, welche von Viehherden regelmäßig begangen werden, weil hier das Gras immer
kurz gehalten und deshalb zarter iſt als anderswo. Um dieſe Zeit ſind diejenigen Stellen, auf
welchen das Vieh von allen Richtungen her, der Ueberſicht halber, tagtäglich zuſammengetrieben
wurde und den Boden reichlich düngte, ſeine Lieblingsſtände.
Der Nandu ſteht hinter ſeinem afrikaniſchen Verwandten an Beweglichkeit wenig zurück. Er iſt
ein ganz vortrefflicher Läufer, welcher auch das beſte Pferd zu ermüden und zu verwirren weiß, da er
nicht blos äußerſt ſchnell dahinrennt, ſondern auch mit bewunderungswürdiger Gewandtheit Haken
zu ſchlagen verſteht. Während der Paarungszeit zeigt er ſich äußerſt lebhaft und Tag und Nacht in
Bewegung; während der Dürre hält er, wie alles Wild und Vieh, mittags drei bis vier Stunden
Ruhe, holt aber dieſe Zeit, obgleich ein echtes Tagthier, in den erfriſchenden Nächten nach. Seine
gewöhnliche Schrittweite beträgt, laut Böcking, zwanzig bis vierundzwanzig Zoll. Wenn er mit
gelüfteten Flügeln, noch immer ſcheinbar nachläſſig, dahintrabt, legt er mit jedem Schritte drei und
einen halben Fuß zurück; verfolgt, greift er weit aus, macht Sätze bis fünf Fuß und bewegt ſeine
Beine ſo ſchnell, daß man die einzelnen Schritte nicht mehr unterſcheiden kann. Oft weicht er plötzlich
mitten im Jagen von der geraden Linie bis zu einem Winkel von fünfundzwanzig bis dreißig Grad
ab, wobei er einen Flügel hoch aufhebt und den anderen andrückt, dann ſtürmt er wieder mit raſender
Eile gerade aus. Erdriſſe von zehn Fuß Breite überſpringt er mit Leichtigkeit, während des
Sprunges einen Augenblick lang mit den Flügeln flatternd; ſteile Ufer meidet er ſorgfältig, weil
ihm das Erklimmen derſelben ſchwer wird. Darwin berichtet, daß er Nandus zweimal über den
Fluß Santa Marta ſchwimmen ſah und ein Herr King ſolches öfters beobachtet habe; Böcking
hingegen verſichert, daß er niemals einen unſerer Vögel im tiefen Waſſer bemerkt, ja ſich vergeblich
bemüht habe, ihn mit Gewalt in einen tiefen, nicht eben breiten Strom zu jagen. „Er überwand
cher ſeine Schüchternheit und durchbrach unſere Linie, als daß er ſich zu einem Schwimmverſuche ent-
ſchloſſen hätte oder auch nur bis an den Hals ins Waſſer gegangen wäre. Dem Waſſer weicht er
überhaupt ängſtlich aus, und niemals habe ich einen auf den unzähligen Jnſeln des Uruguay oder
Parana geſehen, mochten dieſelben dem Ufer auch noch ſo nahe liegen und der Waſſerſtand ſo niedrig
wie möglich ſein. Er badet ſich auch niemals im Waſſer, ſondern paddelt ſich im Staube, wie ein
echter Hühnervogel.
Der von den Jndianern gegebene Name iſt ein Klangbild des weit hörbaren Rufes, welchen der
Hahn zur Balzzeit ausſtößt. Dieſer Ruf dient als Lockung für das Weibchen oder als Heraus-
forderung für den kühnen Nebenbuhler. Wenn die Paarungszeit vorüber iſt, hört man von beiden
Geſchlechtern einen wie ein Pfeifen klingenden, anſchwellenden und abfallenden Laut, welcher die
Sammlung der Geſellſchaft zu bezwecken ſcheint. Junge Nandus piepen wie Truthühner. Einen
Schmerzens- oder Schreckenslaut hat Böcking nicht vernommen; im Zorne aber fauchen die
Nandus in ſonderbarer, ſchwer zu beſchreibender Weiſe.
Mit Ausnahme des Geſchmacks ſind alle Sinne des Nandu ſcharf und auch die geiſtigen Fähig-
keiten keineswegs gering. Der Vogel iſt, laut Böcking, ein feiner Beobachter und weiß ſich nach
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 536. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/566>, abgerufen am 22.11.2024.
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