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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Die Späher. Klettervögel. Mauerkletten.
Nest in den höchsten und dürrsten Gabelästen einer Akazie; es ist aber sehr schwer zu entdecken, weil
es klein ist und wie ein Holzauswuchs aussieht. Das Gelege soll nur aus drei weißlichen, mit kreis-
förmigen grünen Flecken gezeichneten Eiern bestehen. Die Brutzeit fällt in den September.



Einer der Prachtvögel unserer Alpen ist der europäische Vertreter einer kleinen Gruppe, welche
von den verschiedenen Naturforschern verschieden begrenzt, immer aber als gesonderte und demgemäß
entweder als Familie oder wenigstens als Unterfamilie angesehen wird. Da dieselbe, so viel bis jetzt
bekannt, nur wenige Mitglieder zählt und wir über diese noch keineswegs hinlänglich unterrichtet sind,
wird es genügen, wenn ich hier nur dasjenige Mitglied in Betracht ziehe, welches uns am nächsten
angeht und die ganze Familie, ihm zu Gefallen, mit dem Namen der Mauerkletten (Ticho-
dromae)
bezeichne.

Die Sippe Tichodroma, welche unser Vogel vertritt, kennzeichnet sich durch eher gedrungenen,
als gestreckten Leib, kurzen Hals, großen Kopf, sehr langen, dünnen, fast runden, nur an der Wurzel
kantigen, vorn spitzen, sanft gebogenen Schnabel, ziemlich starke Füße mit schlanken Zehen, welche mit
sehr großen, stark gebogenen, feinen und spitzigen Krallen bewaffnet sind, mittellange, breite, kurze und
abgerundete Flügel, in denen die erste Schwinge sehr kurz und die vierte oder die fünfte die längste ist,
einen kurzen, aus weichen, breiten, an der Spitze abgerundeten Federn bestehenden Schwanz und ein
lockeres, zerschlissenes, seidenweiches Gefieder von angenehmer und zum Theil lebhafter Färbung,
welche nach den Jahreszeiten verschieden ist. Die Zunge erinnert im allgemeinen an die der Spechte.
Sie ist etwa 3/4 Zoll lang, sodaß sie bis gegen die Schnabelspitze reicht, nadelspitzig, jedoch nur in
geringem Grade vorschnellbar und, wie schon bei einer geringen Vergrößerung bemerkt wird, mit
einer Menge borstenartiger Widerhaken besetzt, zum Anspießen gefangener Beute jedoch nicht
geeignet.

Noch ist es nicht mit Sicherheit festgestellt, ob die Sippe nur eine einzige Art zählt, oder ob die
Mauerläufer Südeuropas, Afrikas und Südasiens, welche man von dem unsrigen unterschieden hat,
als besondere Arten aufgeführt werden müssen. Jedenfalls ähneln sich die einen wie die andern im
hohen Grade, und deshalb genügt es auch vollkommen, wenn wir uns im Nachfolgenden auf die
Beschreibung des Alpenmauerläufers, Mauer- oder Alpenspechts (Tichodroma muraria)
beschränken. Das Gefieder dieses anmuthigen Vogels ist der Hauptfärbung nach aschgrau; die Kehl-
gegend ist im Sommer schwarz, im Winter weiß; die Schwingen und die Steuerfedern sind schwarz, die
ersteren von der dritten an bis zur funfzehnten an ihrer Wurzelhälfte prächtig hochroth, wie die kleinen
Flügeldeckfedern und schmale Säume an den Außenfahnen der großen Deckfedern; die Steuerfedern
sind an der Spitze weiß gesäumt; die Jnnenfahnen der zweiten bis fünften Schwinge sind verziert mit
einem oder zwei weißen, die Jnnenfahnen der übrigen mit gelben Flecken, welche nach dem Körper zu
schwächer werden und schließlich ganz verschwinden, auch der Zahl nach manchfach abändern. Das
Auge ist braun, der Schnabel und die Füße sind schwarz. Die Länge beträgt 61/2, die Breite 101/2,
die Fittiglänge 31/2, die Schwanzlänge 21/4 Zoll; der Schnabel wird 18 bis 20 Linien lang.

Der Mauerläufer ist weit verbreitet. Er findet sich an geeigneten Orten überall, in den Alpen,
in den Pyrenäen und in den andern Gebirgen Spaniens, in den Apenninen, auf dem Balkan und in
den griechischen Gebirgen, auch in Tatra und den Karpathen. Von den Alpen aus hat er sich häufig
nach Deutschland verflogen und zwar nicht blos nach den südlichen Gegenden unseres Vaterlandes,
sondern bis weit über die Mitte hinauf. Man hat ihn ferner im Atlas und nach Rüppell in den
Gebirgen Abissiniens beobachtet; er ist endlich, laut Jerdon, im Himalaya gemein und fehlt auch in
Kaschmir und Afghanistan nicht.

Ueber seine Lebensweise lagen bis in die neueste Zeit nur dürftige Berichte vor. Der alte Geß-
ner
war der erste Naturforscher, welcher seiner Erwähnung that; später theilten uns Steinmüller,

Die Späher. Klettervögel. Mauerkletten.
Neſt in den höchſten und dürrſten Gabeläſten einer Akazie; es iſt aber ſehr ſchwer zu entdecken, weil
es klein iſt und wie ein Holzauswuchs ausſieht. Das Gelege ſoll nur aus drei weißlichen, mit kreis-
förmigen grünen Flecken gezeichneten Eiern beſtehen. Die Brutzeit fällt in den September.



Einer der Prachtvögel unſerer Alpen iſt der europäiſche Vertreter einer kleinen Gruppe, welche
von den verſchiedenen Naturforſchern verſchieden begrenzt, immer aber als geſonderte und demgemäß
entweder als Familie oder wenigſtens als Unterfamilie angeſehen wird. Da dieſelbe, ſo viel bis jetzt
bekannt, nur wenige Mitglieder zählt und wir über dieſe noch keineswegs hinlänglich unterrichtet ſind,
wird es genügen, wenn ich hier nur dasjenige Mitglied in Betracht ziehe, welches uns am nächſten
angeht und die ganze Familie, ihm zu Gefallen, mit dem Namen der Mauerkletten (Ticho-
dromae)
bezeichne.

Die Sippe Tichodroma, welche unſer Vogel vertritt, kennzeichnet ſich durch eher gedrungenen,
als geſtreckten Leib, kurzen Hals, großen Kopf, ſehr langen, dünnen, faſt runden, nur an der Wurzel
kantigen, vorn ſpitzen, ſanft gebogenen Schnabel, ziemlich ſtarke Füße mit ſchlanken Zehen, welche mit
ſehr großen, ſtark gebogenen, feinen und ſpitzigen Krallen bewaffnet ſind, mittellange, breite, kurze und
abgerundete Flügel, in denen die erſte Schwinge ſehr kurz und die vierte oder die fünfte die längſte iſt,
einen kurzen, aus weichen, breiten, an der Spitze abgerundeten Federn beſtehenden Schwanz und ein
lockeres, zerſchliſſenes, ſeidenweiches Gefieder von angenehmer und zum Theil lebhafter Färbung,
welche nach den Jahreszeiten verſchieden iſt. Die Zunge erinnert im allgemeinen an die der Spechte.
Sie iſt etwa ¾ Zoll lang, ſodaß ſie bis gegen die Schnabelſpitze reicht, nadelſpitzig, jedoch nur in
geringem Grade vorſchnellbar und, wie ſchon bei einer geringen Vergrößerung bemerkt wird, mit
einer Menge borſtenartiger Widerhaken beſetzt, zum Anſpießen gefangener Beute jedoch nicht
geeignet.

Noch iſt es nicht mit Sicherheit feſtgeſtellt, ob die Sippe nur eine einzige Art zählt, oder ob die
Mauerläufer Südeuropas, Afrikas und Südaſiens, welche man von dem unſrigen unterſchieden hat,
als beſondere Arten aufgeführt werden müſſen. Jedenfalls ähneln ſich die einen wie die andern im
hohen Grade, und deshalb genügt es auch vollkommen, wenn wir uns im Nachfolgenden auf die
Beſchreibung des Alpenmauerläufers, Mauer- oder Alpenſpechts (Tichodroma muraria)
beſchränken. Das Gefieder dieſes anmuthigen Vogels iſt der Hauptfärbung nach aſchgrau; die Kehl-
gegend iſt im Sommer ſchwarz, im Winter weiß; die Schwingen und die Steuerfedern ſind ſchwarz, die
erſteren von der dritten an bis zur funfzehnten an ihrer Wurzelhälfte prächtig hochroth, wie die kleinen
Flügeldeckfedern und ſchmale Säume an den Außenfahnen der großen Deckfedern; die Steuerfedern
ſind an der Spitze weiß geſäumt; die Jnnenfahnen der zweiten bis fünften Schwinge ſind verziert mit
einem oder zwei weißen, die Jnnenfahnen der übrigen mit gelben Flecken, welche nach dem Körper zu
ſchwächer werden und ſchließlich ganz verſchwinden, auch der Zahl nach manchfach abändern. Das
Auge iſt braun, der Schnabel und die Füße ſind ſchwarz. Die Länge beträgt 6½, die Breite 10½,
die Fittiglänge 3½, die Schwanzlänge 2¼ Zoll; der Schnabel wird 18 bis 20 Linien lang.

Der Mauerläufer iſt weit verbreitet. Er findet ſich an geeigneten Orten überall, in den Alpen,
in den Pyrenäen und in den andern Gebirgen Spaniens, in den Apenninen, auf dem Balkan und in
den griechiſchen Gebirgen, auch in Tatra und den Karpathen. Von den Alpen aus hat er ſich häufig
nach Deutſchland verflogen und zwar nicht blos nach den ſüdlichen Gegenden unſeres Vaterlandes,
ſondern bis weit über die Mitte hinauf. Man hat ihn ferner im Atlas und nach Rüppell in den
Gebirgen Abiſſiniens beobachtet; er iſt endlich, laut Jerdon, im Himalaya gemein und fehlt auch in
Kaſchmir und Afghaniſtan nicht.

Ueber ſeine Lebensweiſe lagen bis in die neueſte Zeit nur dürftige Berichte vor. Der alte Geß-
ner
war der erſte Naturforſcher, welcher ſeiner Erwähnung that; ſpäter theilten uns Steinmüller,

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[44/0056] Die Späher. Klettervögel. Mauerkletten. Neſt in den höchſten und dürrſten Gabeläſten einer Akazie; es iſt aber ſehr ſchwer zu entdecken, weil es klein iſt und wie ein Holzauswuchs ausſieht. Das Gelege ſoll nur aus drei weißlichen, mit kreis- förmigen grünen Flecken gezeichneten Eiern beſtehen. Die Brutzeit fällt in den September. Einer der Prachtvögel unſerer Alpen iſt der europäiſche Vertreter einer kleinen Gruppe, welche von den verſchiedenen Naturforſchern verſchieden begrenzt, immer aber als geſonderte und demgemäß entweder als Familie oder wenigſtens als Unterfamilie angeſehen wird. Da dieſelbe, ſo viel bis jetzt bekannt, nur wenige Mitglieder zählt und wir über dieſe noch keineswegs hinlänglich unterrichtet ſind, wird es genügen, wenn ich hier nur dasjenige Mitglied in Betracht ziehe, welches uns am nächſten angeht und die ganze Familie, ihm zu Gefallen, mit dem Namen der Mauerkletten (Ticho- dromae) bezeichne. Die Sippe Tichodroma, welche unſer Vogel vertritt, kennzeichnet ſich durch eher gedrungenen, als geſtreckten Leib, kurzen Hals, großen Kopf, ſehr langen, dünnen, faſt runden, nur an der Wurzel kantigen, vorn ſpitzen, ſanft gebogenen Schnabel, ziemlich ſtarke Füße mit ſchlanken Zehen, welche mit ſehr großen, ſtark gebogenen, feinen und ſpitzigen Krallen bewaffnet ſind, mittellange, breite, kurze und abgerundete Flügel, in denen die erſte Schwinge ſehr kurz und die vierte oder die fünfte die längſte iſt, einen kurzen, aus weichen, breiten, an der Spitze abgerundeten Federn beſtehenden Schwanz und ein lockeres, zerſchliſſenes, ſeidenweiches Gefieder von angenehmer und zum Theil lebhafter Färbung, welche nach den Jahreszeiten verſchieden iſt. Die Zunge erinnert im allgemeinen an die der Spechte. Sie iſt etwa ¾ Zoll lang, ſodaß ſie bis gegen die Schnabelſpitze reicht, nadelſpitzig, jedoch nur in geringem Grade vorſchnellbar und, wie ſchon bei einer geringen Vergrößerung bemerkt wird, mit einer Menge borſtenartiger Widerhaken beſetzt, zum Anſpießen gefangener Beute jedoch nicht geeignet. Noch iſt es nicht mit Sicherheit feſtgeſtellt, ob die Sippe nur eine einzige Art zählt, oder ob die Mauerläufer Südeuropas, Afrikas und Südaſiens, welche man von dem unſrigen unterſchieden hat, als beſondere Arten aufgeführt werden müſſen. Jedenfalls ähneln ſich die einen wie die andern im hohen Grade, und deshalb genügt es auch vollkommen, wenn wir uns im Nachfolgenden auf die Beſchreibung des Alpenmauerläufers, Mauer- oder Alpenſpechts (Tichodroma muraria) beſchränken. Das Gefieder dieſes anmuthigen Vogels iſt der Hauptfärbung nach aſchgrau; die Kehl- gegend iſt im Sommer ſchwarz, im Winter weiß; die Schwingen und die Steuerfedern ſind ſchwarz, die erſteren von der dritten an bis zur funfzehnten an ihrer Wurzelhälfte prächtig hochroth, wie die kleinen Flügeldeckfedern und ſchmale Säume an den Außenfahnen der großen Deckfedern; die Steuerfedern ſind an der Spitze weiß geſäumt; die Jnnenfahnen der zweiten bis fünften Schwinge ſind verziert mit einem oder zwei weißen, die Jnnenfahnen der übrigen mit gelben Flecken, welche nach dem Körper zu ſchwächer werden und ſchließlich ganz verſchwinden, auch der Zahl nach manchfach abändern. Das Auge iſt braun, der Schnabel und die Füße ſind ſchwarz. Die Länge beträgt 6½, die Breite 10½, die Fittiglänge 3½, die Schwanzlänge 2¼ Zoll; der Schnabel wird 18 bis 20 Linien lang. Der Mauerläufer iſt weit verbreitet. Er findet ſich an geeigneten Orten überall, in den Alpen, in den Pyrenäen und in den andern Gebirgen Spaniens, in den Apenninen, auf dem Balkan und in den griechiſchen Gebirgen, auch in Tatra und den Karpathen. Von den Alpen aus hat er ſich häufig nach Deutſchland verflogen und zwar nicht blos nach den ſüdlichen Gegenden unſeres Vaterlandes, ſondern bis weit über die Mitte hinauf. Man hat ihn ferner im Atlas und nach Rüppell in den Gebirgen Abiſſiniens beobachtet; er iſt endlich, laut Jerdon, im Himalaya gemein und fehlt auch in Kaſchmir und Afghaniſtan nicht. Ueber ſeine Lebensweiſe lagen bis in die neueſte Zeit nur dürftige Berichte vor. Der alte Geß- ner war der erſte Naturforſcher, welcher ſeiner Erwähnung that; ſpäter theilten uns Steinmüller,

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/56>, abgerufen am 27.11.2024.