nicht; wohl aber geschieht Dies, wenn ein Raubthier ihr einige von den Eiern genommen oder aus- getrunken hat. Wird das Gelege zerstört, so brütet die Henne zum zweiten Male. Zuweilen geschieht es, daß mehrere Mütter in ein und dasselbe Nest legen: Audubon fand einmal ihrer drei auf zweiundvierzig Eiern sitzen. Jn solchem Falle wird das gemeinschaftliche Nest stets von einem der Weibchen bewacht, sodaß keines der schwächeren Raubthiere die Brut gefährden kann. Gegen das Ende der Bebrütung hin verläßt die Henne unter keiner Bedingung ihr Nest, solange sie lebt; sie gestattet wie die Auerhenne, daß man eine Umzäunung anbringt und erträgt also lieber Gefangen- schaft als Trennung von ihren Eiern.
Audubon war einst Zeuge von dem Ausschlüpfen einer Brut junger Truthühner, welcher er sich bemächtigen wollte. Wenige Schritte von dem Neste entfernt, lag er beobachtend auf dem Boden. Die Alte erhob sich zu halber Höhe ihrer Füße, schaute ängstlich auf die Eier, gluckste besorgt, ent- fernte vorsichtig jede Schalenhälfte und liebkoste mit ihrem Schnabel die Küchlein, welche taumelnd versuchten, das Nest zu verlassen. Er sah sie alle die Schale verlassen und wenige Minuten später, schwankend, kollernd und rennend sich vorwärts bewegen. Ehe die Alte das Nest verließ, schüttelte sie sich heftig, ordnete die Federn und nahm nun plötzlich eine ganz andere Haltung an. Sie erhob sich, streckte ihren Hals lang aus und sandte ihre Blicke nach allen Seiten hin, um jeden Feind recht- zeitig zu erspähen, breitete ihre Flügel ein wenig, gluckste zärtlich und bemühte sich, die kleine Herde der Küchlein zusammenzuhalten.
Da das Ausschlüpfen gewöhnlich erst gegen Abend geschieht, kehrt die Familie in der Regel zum Neste zurück und verbringt hier die erste Nacht. Hierauf entfernt sie sich auf eine gewisse Strecke und sucht sich das höchste Land der Gegend aus, weil die Mutter mit Recht Nässe als das ärgste Uebel für ihre zarten Jungen fürchtet. Schon mit dem vierzehnten Tage ihres Lebens sind die Jungen, welche bisher auf dem Boden verharren mußten, fähig, sich zu erheben, und von jetzt an fliegt die Familie gegen Abend stets zu einem niederen Zweige auf und verbringt hier, unter den gewölbten Flügeln der Mutter geschützt und geborgen, die Nacht. Noch etwas später verläßt die Alte mit den Küchlein die Wälder während des Tages, um auf den Blößen oder Wiesen den Reichthum an ver- schiedenen Beeren sich zu Nutzen zu machen und den wohlthätigen Einfluß der Sonne genießen zu können. Von jetzt an wachsen die Jungen außerordentlich schnell. Schon im August sind sie befähigt, sich vor einem Angriff der vierfüßigen Thiere zu schützen; ja, der junge Hahn fühlt bereits männliche Kraft in sich und übt sich in pomphaftem Einherschreiten und Kollern. Um diese Zeit finden sich Alte und Junge wieder zusammen und beginnen ihre Wanderung.
Es geschieht nicht selten, daß wilde Truthähne sich zu den gezähmten gesellen, mit den Hähnen streiten und um die Liebe der Hennen werben. Von letzteren werden sie mit Freuden empfangen, aber auch von deren Eigenthümern sehr gern gesehen, weil die Küchlein, welche solchen Besuchen ihr Dasein verdanken, sich sehr zu ihrem Vortheile vor den in der Gefangenschaft gezüchteten auszeichnen. Gern legt man auch die im Walde gefundenen Eier zahmen Truthühnern unter und erzielt hierdurch Junge, welche zwar noch Etwas von den Sitten der wildlebenden beibehalten, sich aber doch bald an die Gefangenschaft gewöhnen und unter Umständen sehr zahm werden. Audubon besaß einen Hahn, welcher wie ein Hund nachfolgte und sich im wesentlichen ganz wie ein zahmer betrug, aber niemals mit den andern in den Stall ging, sondern zum Schlafen stets die höchste Firste des Gehöftes wählte. Als er älter wurde, flog er tagtäglich in den Wald hinaus, kehrte jedoch mit Sonnenunter- gang regelmäßig zu seinem Herrn zurück.
Man kann nicht behaupten, daß das Truthuhn sich an ein gewisses Futter hält, obgleich man sagen darf, daß es Pekannüsse und die Frucht der Winterrebe bevorzugt, weil es sich da, wo diese Früchte häufig sind, stets in Menge findet. Es frißt Gras und Kräuter der verschiedenen Art, Getreide, Beeren, Früchte und ebenso Kerbthiere, kleine Heuschrecken und dergleichen.
Jm Laufen öffnen die Truthühner oft die Flügel ein wenig, als ob ihnen das Gewicht ihres Leibes zu schwer wäre; dann rennen sie auf einige Ellen mit weit geöffneten Schwingen dahin, nach
Lebensweiſe der Truthühner.
nicht; wohl aber geſchieht Dies, wenn ein Raubthier ihr einige von den Eiern genommen oder aus- getrunken hat. Wird das Gelege zerſtört, ſo brütet die Henne zum zweiten Male. Zuweilen geſchieht es, daß mehrere Mütter in ein und daſſelbe Neſt legen: Audubon fand einmal ihrer drei auf zweiundvierzig Eiern ſitzen. Jn ſolchem Falle wird das gemeinſchaftliche Neſt ſtets von einem der Weibchen bewacht, ſodaß keines der ſchwächeren Raubthiere die Brut gefährden kann. Gegen das Ende der Bebrütung hin verläßt die Henne unter keiner Bedingung ihr Neſt, ſolange ſie lebt; ſie geſtattet wie die Auerhenne, daß man eine Umzäunung anbringt und erträgt alſo lieber Gefangen- ſchaft als Trennung von ihren Eiern.
Audubon war einſt Zeuge von dem Ausſchlüpfen einer Brut junger Truthühner, welcher er ſich bemächtigen wollte. Wenige Schritte von dem Neſte entfernt, lag er beobachtend auf dem Boden. Die Alte erhob ſich zu halber Höhe ihrer Füße, ſchaute ängſtlich auf die Eier, gluckſte beſorgt, ent- fernte vorſichtig jede Schalenhälfte und liebkoſte mit ihrem Schnabel die Küchlein, welche taumelnd verſuchten, das Neſt zu verlaſſen. Er ſah ſie alle die Schale verlaſſen und wenige Minuten ſpäter, ſchwankend, kollernd und rennend ſich vorwärts bewegen. Ehe die Alte das Neſt verließ, ſchüttelte ſie ſich heftig, ordnete die Federn und nahm nun plötzlich eine ganz andere Haltung an. Sie erhob ſich, ſtreckte ihren Hals lang aus und ſandte ihre Blicke nach allen Seiten hin, um jeden Feind recht- zeitig zu erſpähen, breitete ihre Flügel ein wenig, gluckſte zärtlich und bemühte ſich, die kleine Herde der Küchlein zuſammenzuhalten.
Da das Ausſchlüpfen gewöhnlich erſt gegen Abend geſchieht, kehrt die Familie in der Regel zum Neſte zurück und verbringt hier die erſte Nacht. Hierauf entfernt ſie ſich auf eine gewiſſe Strecke und ſucht ſich das höchſte Land der Gegend aus, weil die Mutter mit Recht Näſſe als das ärgſte Uebel für ihre zarten Jungen fürchtet. Schon mit dem vierzehnten Tage ihres Lebens ſind die Jungen, welche bisher auf dem Boden verharren mußten, fähig, ſich zu erheben, und von jetzt an fliegt die Familie gegen Abend ſtets zu einem niederen Zweige auf und verbringt hier, unter den gewölbten Flügeln der Mutter geſchützt und geborgen, die Nacht. Noch etwas ſpäter verläßt die Alte mit den Küchlein die Wälder während des Tages, um auf den Blößen oder Wieſen den Reichthum an ver- ſchiedenen Beeren ſich zu Nutzen zu machen und den wohlthätigen Einfluß der Sonne genießen zu können. Von jetzt an wachſen die Jungen außerordentlich ſchnell. Schon im Auguſt ſind ſie befähigt, ſich vor einem Angriff der vierfüßigen Thiere zu ſchützen; ja, der junge Hahn fühlt bereits männliche Kraft in ſich und übt ſich in pomphaftem Einherſchreiten und Kollern. Um dieſe Zeit finden ſich Alte und Junge wieder zuſammen und beginnen ihre Wanderung.
Es geſchieht nicht ſelten, daß wilde Truthähne ſich zu den gezähmten geſellen, mit den Hähnen ſtreiten und um die Liebe der Hennen werben. Von letzteren werden ſie mit Freuden empfangen, aber auch von deren Eigenthümern ſehr gern geſehen, weil die Küchlein, welche ſolchen Beſuchen ihr Daſein verdanken, ſich ſehr zu ihrem Vortheile vor den in der Gefangenſchaft gezüchteten auszeichnen. Gern legt man auch die im Walde gefundenen Eier zahmen Truthühnern unter und erzielt hierdurch Junge, welche zwar noch Etwas von den Sitten der wildlebenden beibehalten, ſich aber doch bald an die Gefangenſchaft gewöhnen und unter Umſtänden ſehr zahm werden. Audubon beſaß einen Hahn, welcher wie ein Hund nachfolgte und ſich im weſentlichen ganz wie ein zahmer betrug, aber niemals mit den andern in den Stall ging, ſondern zum Schlafen ſtets die höchſte Firſte des Gehöftes wählte. Als er älter wurde, flog er tagtäglich in den Wald hinaus, kehrte jedoch mit Sonnenunter- gang regelmäßig zu ſeinem Herrn zurück.
Man kann nicht behaupten, daß das Truthuhn ſich an ein gewiſſes Futter hält, obgleich man ſagen darf, daß es Pekannüſſe und die Frucht der Winterrebe bevorzugt, weil es ſich da, wo dieſe Früchte häufig ſind, ſtets in Menge findet. Es frißt Gras und Kräuter der verſchiedenen Art, Getreide, Beeren, Früchte und ebenſo Kerbthiere, kleine Heuſchrecken und dergleichen.
Jm Laufen öffnen die Truthühner oft die Flügel ein wenig, als ob ihnen das Gewicht ihres Leibes zu ſchwer wäre; dann rennen ſie auf einige Ellen mit weit geöffneten Schwingen dahin, nach
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[487/0517]
Lebensweiſe der Truthühner.
nicht; wohl aber geſchieht Dies, wenn ein Raubthier ihr einige von den Eiern genommen oder aus-
getrunken hat. Wird das Gelege zerſtört, ſo brütet die Henne zum zweiten Male. Zuweilen
geſchieht es, daß mehrere Mütter in ein und daſſelbe Neſt legen: Audubon fand einmal ihrer drei
auf zweiundvierzig Eiern ſitzen. Jn ſolchem Falle wird das gemeinſchaftliche Neſt ſtets von einem der
Weibchen bewacht, ſodaß keines der ſchwächeren Raubthiere die Brut gefährden kann. Gegen das
Ende der Bebrütung hin verläßt die Henne unter keiner Bedingung ihr Neſt, ſolange ſie lebt; ſie
geſtattet wie die Auerhenne, daß man eine Umzäunung anbringt und erträgt alſo lieber Gefangen-
ſchaft als Trennung von ihren Eiern.
Audubon war einſt Zeuge von dem Ausſchlüpfen einer Brut junger Truthühner, welcher er
ſich bemächtigen wollte. Wenige Schritte von dem Neſte entfernt, lag er beobachtend auf dem Boden.
Die Alte erhob ſich zu halber Höhe ihrer Füße, ſchaute ängſtlich auf die Eier, gluckſte beſorgt, ent-
fernte vorſichtig jede Schalenhälfte und liebkoſte mit ihrem Schnabel die Küchlein, welche taumelnd
verſuchten, das Neſt zu verlaſſen. Er ſah ſie alle die Schale verlaſſen und wenige Minuten ſpäter,
ſchwankend, kollernd und rennend ſich vorwärts bewegen. Ehe die Alte das Neſt verließ, ſchüttelte
ſie ſich heftig, ordnete die Federn und nahm nun plötzlich eine ganz andere Haltung an. Sie erhob
ſich, ſtreckte ihren Hals lang aus und ſandte ihre Blicke nach allen Seiten hin, um jeden Feind recht-
zeitig zu erſpähen, breitete ihre Flügel ein wenig, gluckſte zärtlich und bemühte ſich, die kleine Herde
der Küchlein zuſammenzuhalten.
Da das Ausſchlüpfen gewöhnlich erſt gegen Abend geſchieht, kehrt die Familie in der Regel zum
Neſte zurück und verbringt hier die erſte Nacht. Hierauf entfernt ſie ſich auf eine gewiſſe Strecke und
ſucht ſich das höchſte Land der Gegend aus, weil die Mutter mit Recht Näſſe als das ärgſte Uebel
für ihre zarten Jungen fürchtet. Schon mit dem vierzehnten Tage ihres Lebens ſind die Jungen,
welche bisher auf dem Boden verharren mußten, fähig, ſich zu erheben, und von jetzt an fliegt die
Familie gegen Abend ſtets zu einem niederen Zweige auf und verbringt hier, unter den gewölbten
Flügeln der Mutter geſchützt und geborgen, die Nacht. Noch etwas ſpäter verläßt die Alte mit den
Küchlein die Wälder während des Tages, um auf den Blößen oder Wieſen den Reichthum an ver-
ſchiedenen Beeren ſich zu Nutzen zu machen und den wohlthätigen Einfluß der Sonne genießen zu
können. Von jetzt an wachſen die Jungen außerordentlich ſchnell. Schon im Auguſt ſind ſie
befähigt, ſich vor einem Angriff der vierfüßigen Thiere zu ſchützen; ja, der junge Hahn fühlt bereits
männliche Kraft in ſich und übt ſich in pomphaftem Einherſchreiten und Kollern. Um dieſe Zeit
finden ſich Alte und Junge wieder zuſammen und beginnen ihre Wanderung.
Es geſchieht nicht ſelten, daß wilde Truthähne ſich zu den gezähmten geſellen, mit den Hähnen
ſtreiten und um die Liebe der Hennen werben. Von letzteren werden ſie mit Freuden empfangen,
aber auch von deren Eigenthümern ſehr gern geſehen, weil die Küchlein, welche ſolchen Beſuchen ihr
Daſein verdanken, ſich ſehr zu ihrem Vortheile vor den in der Gefangenſchaft gezüchteten auszeichnen.
Gern legt man auch die im Walde gefundenen Eier zahmen Truthühnern unter und erzielt hierdurch
Junge, welche zwar noch Etwas von den Sitten der wildlebenden beibehalten, ſich aber doch bald an
die Gefangenſchaft gewöhnen und unter Umſtänden ſehr zahm werden. Audubon beſaß einen
Hahn, welcher wie ein Hund nachfolgte und ſich im weſentlichen ganz wie ein zahmer betrug, aber
niemals mit den andern in den Stall ging, ſondern zum Schlafen ſtets die höchſte Firſte des Gehöftes
wählte. Als er älter wurde, flog er tagtäglich in den Wald hinaus, kehrte jedoch mit Sonnenunter-
gang regelmäßig zu ſeinem Herrn zurück.
Man kann nicht behaupten, daß das Truthuhn ſich an ein gewiſſes Futter hält, obgleich man
ſagen darf, daß es Pekannüſſe und die Frucht der Winterrebe bevorzugt, weil es ſich da, wo dieſe
Früchte häufig ſind, ſtets in Menge findet. Es frißt Gras und Kräuter der verſchiedenen Art,
Getreide, Beeren, Früchte und ebenſo Kerbthiere, kleine Heuſchrecken und dergleichen.
Jm Laufen öffnen die Truthühner oft die Flügel ein wenig, als ob ihnen das Gewicht ihres
Leibes zu ſchwer wäre; dann rennen ſie auf einige Ellen mit weit geöffneten Schwingen dahin, nach
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 487. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/517>, abgerufen am 22.11.2024.
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