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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Kelitsch.
Gebirge lebt der Vogel in jeder Art von Wald, bevorzugt aber doch Dickichte oder bewaldete
Schluchten; im Jnnern siedelt er sich in vereinzelten Dschungeln und am liebsten auf früher bebaut
gewesenen, aber wieder verlassenen Stellen an; in der Tiefe zusammenhängender und abgelegener
Waldungen sieht man ihn selten. Es scheint fast, als ob die Gegenwart des Menschen oder
wenigstens die hinterlassenen Spuren desselben zu seinem Leben nothwendige Bedingung seien."

"Der Kelitsch ist nicht gerade sehr gefellig. Drei oder vier von ihm findet man oft zusammen,
und zehn oder ein Dutzend bemerkt man wohl auch einmal bei einander; aber jeder einzelne bewegt
sich unabhängig von dem andern. Wenn er aufgescheucht wird, rennt er in der Regel davon, und
nur, wenn ihm plötzlich eine Gefahr über den Hals kommt oder er sich durch die Hunde verfolgt sieht,
steht er auf; außerdem versucht er sich am liebsten im dichten Gebüsche zu drücken. Er ist niemals scheu,
ja, falls er nicht unaufhörlich von Jägern oder Hirten belästigt wird, so kirr, als irgend ein Waid-
mann es nur wünschen mag. Aufgescheucht, fliegt er oft nur bis zum nächsten Baume; hat er sich
aber vor dem Aufstehen gedrückt gehabt, so streicht er eine Strecke weit dahin und fällt dann wieder
auf den Boden ein. Die Laute, welche man von ihm vernimmt, sind entweder ein pfeifendes
Glucksen oder eigenthümliches Gezirp. Er schreit zu jeder Tageszeit, obschon nicht eben oft, am
häufigsten noch, wenn er aufsteht und bäumt; wird er durch Katzen oder ein anderes kleines Thier
aufgeschreckt, so gluckst er besonders laut und anhaltend."

"Höchst kampflustig wie der Kelitsch ist, liegt er mit anderen Hähnen in beständigem Streite.
Als ich einmal einen Hahn erlegt hatte und derselbe, auf dem Boden liegend, mit dem Tode kämpfte,
stürzte sich ein anderer Hahn aus dem Dickichte hervor und griff, trotz meiner Gegenwart, den
sterbenden mit größter Wuth an. Während der Paarungszeit verursachen die Männchen oft ein
sonderbar dröhnendes oder trommelndes Geräusch mit den Flügeln, nicht unähnlich dem, welches
man hervorbringt, wenn man ein steifes Leinen durch die Luft bewegt: es geschieht Dies, wie es
scheint, um die Aufmerksamkeit des Weibchens auf sich zu ziehen, vielleicht auch, um einen Neben-
buhler zum Kampfe zu fordern. Die Henne legt neun bis vierzehn Eier, welche denen der Haus-
henne in Farbe und Größe ähneln; die Küchlein schlüpfen Ende Mai's aus."

"Die Aeßung besteht in Wurzeln, Körnern, Beeren, Blättern, Schoten und Kerbthieren ver-
schiedener Art. Alt Eingefangene lassen sich schwer und auch die Küchlein nicht immer leicht an ein
Ersatzfutter gewöhnen."

Mit dieser Behauptung Mountaineer's stimmen unsere Erfahrungen nicht überein; es
mag aber sein, daß erst eine längere Gefangenschaft die Aufzucht junger Fasanenhühner erleichtert.
Jn den Thiergärten pflegt man die Eier wegzunehmen und sie durch Haushennen ausbrüten zu
lassen. Die Küchlein schlüpfen nach vier- bis fünfundzwanzigtägiger, nicht selten erst nach sechsund-
zwanzigtägiger Bebrütung aus, sind äußerst niedliche, behende und gewandte Geschöpfe, benehmen
sich im wesentlichen ganz wie die Küchlein der Haushenne, zeigen sich aber einigermaßen wild und
scheu. Jn der dritten Woche ihres Lebens flattern sie, und von nun an pflegen sie oft zu bäumen,
auch ihre Nachtruhe auf erhabenem Sitze zuzubringen. Mit acht Wochen haben sie fast die volle
Größe erlangt. Anfangs Oktober, in günstigen Jahren vielleicht schon Mitte Septembers, beginnt
die Mauser; im November haben sie das Kleid der Alten angelegt. Wenn man sich viel mit ihnen
beschäftigt, verlieren sie ihre Scheu gegen die Pfleger, und wenn man sie mit den Hühnern im
Gehöft umherlaufen läßt, kommen sie nach kurzer Zeit zu den gewohnten Futterplätzen und benehmen
sich bald wie Haushühner. Bei meinem Freunde Cornely in Belgien habe ich mehrere von ihnen
in voller Freiheit gesehen und die feste Ueberzeugung gewonnen, daß man diese schönen Vögel ebensogut
wie unsere Haushühner auf dem Hofe halten kann. Trotzdem glaube ich, daß sie sich noch besser zur
Aussetzung im Walde eignen dürften. Sie besitzen alle guten Eigenschaften des Fasans, übertreffen
ihn aber bei weitem durch Gewandtheit, Klugheit und Fruchtbarkeit, scheinen mir auch für
Witterungseinflüsse viel weniger empfänglich zu sein als jener. Jhre Färbung würde zu unserem
Walde vortrefflich passen, und die treue Mutterpflege der Henne eine künstliche Aufzucht der Jungen

Kelitſch.
Gebirge lebt der Vogel in jeder Art von Wald, bevorzugt aber doch Dickichte oder bewaldete
Schluchten; im Jnnern ſiedelt er ſich in vereinzelten Dſchungeln und am liebſten auf früher bebaut
geweſenen, aber wieder verlaſſenen Stellen an; in der Tiefe zuſammenhängender und abgelegener
Waldungen ſieht man ihn ſelten. Es ſcheint faſt, als ob die Gegenwart des Menſchen oder
wenigſtens die hinterlaſſenen Spuren deſſelben zu ſeinem Leben nothwendige Bedingung ſeien.“

„Der Kelitſch iſt nicht gerade ſehr gefellig. Drei oder vier von ihm findet man oft zuſammen,
und zehn oder ein Dutzend bemerkt man wohl auch einmal bei einander; aber jeder einzelne bewegt
ſich unabhängig von dem andern. Wenn er aufgeſcheucht wird, rennt er in der Regel davon, und
nur, wenn ihm plötzlich eine Gefahr über den Hals kommt oder er ſich durch die Hunde verfolgt ſieht,
ſteht er auf; außerdem verſucht er ſich am liebſten im dichten Gebüſche zu drücken. Er iſt niemals ſcheu,
ja, falls er nicht unaufhörlich von Jägern oder Hirten beläſtigt wird, ſo kirr, als irgend ein Waid-
mann es nur wünſchen mag. Aufgeſcheucht, fliegt er oft nur bis zum nächſten Baume; hat er ſich
aber vor dem Aufſtehen gedrückt gehabt, ſo ſtreicht er eine Strecke weit dahin und fällt dann wieder
auf den Boden ein. Die Laute, welche man von ihm vernimmt, ſind entweder ein pfeifendes
Gluckſen oder eigenthümliches Gezirp. Er ſchreit zu jeder Tageszeit, obſchon nicht eben oft, am
häufigſten noch, wenn er aufſteht und bäumt; wird er durch Katzen oder ein anderes kleines Thier
aufgeſchreckt, ſo gluckſt er beſonders laut und anhaltend.“

„Höchſt kampfluſtig wie der Kelitſch iſt, liegt er mit anderen Hähnen in beſtändigem Streite.
Als ich einmal einen Hahn erlegt hatte und derſelbe, auf dem Boden liegend, mit dem Tode kämpfte,
ſtürzte ſich ein anderer Hahn aus dem Dickichte hervor und griff, trotz meiner Gegenwart, den
ſterbenden mit größter Wuth an. Während der Paarungszeit verurſachen die Männchen oft ein
ſonderbar dröhnendes oder trommelndes Geräuſch mit den Flügeln, nicht unähnlich dem, welches
man hervorbringt, wenn man ein ſteifes Leinen durch die Luft bewegt: es geſchieht Dies, wie es
ſcheint, um die Aufmerkſamkeit des Weibchens auf ſich zu ziehen, vielleicht auch, um einen Neben-
buhler zum Kampfe zu fordern. Die Henne legt neun bis vierzehn Eier, welche denen der Haus-
henne in Farbe und Größe ähneln; die Küchlein ſchlüpfen Ende Mai’s aus.“

„Die Aeßung beſteht in Wurzeln, Körnern, Beeren, Blättern, Schoten und Kerbthieren ver-
ſchiedener Art. Alt Eingefangene laſſen ſich ſchwer und auch die Küchlein nicht immer leicht an ein
Erſatzfutter gewöhnen.“

Mit dieſer Behauptung Mountaineer’s ſtimmen unſere Erfahrungen nicht überein; es
mag aber ſein, daß erſt eine längere Gefangenſchaft die Aufzucht junger Faſanenhühner erleichtert.
Jn den Thiergärten pflegt man die Eier wegzunehmen und ſie durch Haushennen ausbrüten zu
laſſen. Die Küchlein ſchlüpfen nach vier- bis fünfundzwanzigtägiger, nicht ſelten erſt nach ſechsund-
zwanzigtägiger Bebrütung aus, ſind äußerſt niedliche, behende und gewandte Geſchöpfe, benehmen
ſich im weſentlichen ganz wie die Küchlein der Haushenne, zeigen ſich aber einigermaßen wild und
ſcheu. Jn der dritten Woche ihres Lebens flattern ſie, und von nun an pflegen ſie oft zu bäumen,
auch ihre Nachtruhe auf erhabenem Sitze zuzubringen. Mit acht Wochen haben ſie faſt die volle
Größe erlangt. Anfangs Oktober, in günſtigen Jahren vielleicht ſchon Mitte Septembers, beginnt
die Mauſer; im November haben ſie das Kleid der Alten angelegt. Wenn man ſich viel mit ihnen
beſchäftigt, verlieren ſie ihre Scheu gegen die Pfleger, und wenn man ſie mit den Hühnern im
Gehöft umherlaufen läßt, kommen ſie nach kurzer Zeit zu den gewohnten Futterplätzen und benehmen
ſich bald wie Haushühner. Bei meinem Freunde Cornely in Belgien habe ich mehrere von ihnen
in voller Freiheit geſehen und die feſte Ueberzeugung gewonnen, daß man dieſe ſchönen Vögel ebenſogut
wie unſere Haushühner auf dem Hofe halten kann. Trotzdem glaube ich, daß ſie ſich noch beſſer zur
Ausſetzung im Walde eignen dürften. Sie beſitzen alle guten Eigenſchaften des Faſans, übertreffen
ihn aber bei weitem durch Gewandtheit, Klugheit und Fruchtbarkeit, ſcheinen mir auch für
Witterungseinflüſſe viel weniger empfänglich zu ſein als jener. Jhre Färbung würde zu unſerem
Walde vortrefflich paſſen, und die treue Mutterpflege der Henne eine künſtliche Aufzucht der Jungen

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[453/0481] Kelitſch. Gebirge lebt der Vogel in jeder Art von Wald, bevorzugt aber doch Dickichte oder bewaldete Schluchten; im Jnnern ſiedelt er ſich in vereinzelten Dſchungeln und am liebſten auf früher bebaut geweſenen, aber wieder verlaſſenen Stellen an; in der Tiefe zuſammenhängender und abgelegener Waldungen ſieht man ihn ſelten. Es ſcheint faſt, als ob die Gegenwart des Menſchen oder wenigſtens die hinterlaſſenen Spuren deſſelben zu ſeinem Leben nothwendige Bedingung ſeien.“ „Der Kelitſch iſt nicht gerade ſehr gefellig. Drei oder vier von ihm findet man oft zuſammen, und zehn oder ein Dutzend bemerkt man wohl auch einmal bei einander; aber jeder einzelne bewegt ſich unabhängig von dem andern. Wenn er aufgeſcheucht wird, rennt er in der Regel davon, und nur, wenn ihm plötzlich eine Gefahr über den Hals kommt oder er ſich durch die Hunde verfolgt ſieht, ſteht er auf; außerdem verſucht er ſich am liebſten im dichten Gebüſche zu drücken. Er iſt niemals ſcheu, ja, falls er nicht unaufhörlich von Jägern oder Hirten beläſtigt wird, ſo kirr, als irgend ein Waid- mann es nur wünſchen mag. Aufgeſcheucht, fliegt er oft nur bis zum nächſten Baume; hat er ſich aber vor dem Aufſtehen gedrückt gehabt, ſo ſtreicht er eine Strecke weit dahin und fällt dann wieder auf den Boden ein. Die Laute, welche man von ihm vernimmt, ſind entweder ein pfeifendes Gluckſen oder eigenthümliches Gezirp. Er ſchreit zu jeder Tageszeit, obſchon nicht eben oft, am häufigſten noch, wenn er aufſteht und bäumt; wird er durch Katzen oder ein anderes kleines Thier aufgeſchreckt, ſo gluckſt er beſonders laut und anhaltend.“ „Höchſt kampfluſtig wie der Kelitſch iſt, liegt er mit anderen Hähnen in beſtändigem Streite. Als ich einmal einen Hahn erlegt hatte und derſelbe, auf dem Boden liegend, mit dem Tode kämpfte, ſtürzte ſich ein anderer Hahn aus dem Dickichte hervor und griff, trotz meiner Gegenwart, den ſterbenden mit größter Wuth an. Während der Paarungszeit verurſachen die Männchen oft ein ſonderbar dröhnendes oder trommelndes Geräuſch mit den Flügeln, nicht unähnlich dem, welches man hervorbringt, wenn man ein ſteifes Leinen durch die Luft bewegt: es geſchieht Dies, wie es ſcheint, um die Aufmerkſamkeit des Weibchens auf ſich zu ziehen, vielleicht auch, um einen Neben- buhler zum Kampfe zu fordern. Die Henne legt neun bis vierzehn Eier, welche denen der Haus- henne in Farbe und Größe ähneln; die Küchlein ſchlüpfen Ende Mai’s aus.“ „Die Aeßung beſteht in Wurzeln, Körnern, Beeren, Blättern, Schoten und Kerbthieren ver- ſchiedener Art. Alt Eingefangene laſſen ſich ſchwer und auch die Küchlein nicht immer leicht an ein Erſatzfutter gewöhnen.“ Mit dieſer Behauptung Mountaineer’s ſtimmen unſere Erfahrungen nicht überein; es mag aber ſein, daß erſt eine längere Gefangenſchaft die Aufzucht junger Faſanenhühner erleichtert. Jn den Thiergärten pflegt man die Eier wegzunehmen und ſie durch Haushennen ausbrüten zu laſſen. Die Küchlein ſchlüpfen nach vier- bis fünfundzwanzigtägiger, nicht ſelten erſt nach ſechsund- zwanzigtägiger Bebrütung aus, ſind äußerſt niedliche, behende und gewandte Geſchöpfe, benehmen ſich im weſentlichen ganz wie die Küchlein der Haushenne, zeigen ſich aber einigermaßen wild und ſcheu. Jn der dritten Woche ihres Lebens flattern ſie, und von nun an pflegen ſie oft zu bäumen, auch ihre Nachtruhe auf erhabenem Sitze zuzubringen. Mit acht Wochen haben ſie faſt die volle Größe erlangt. Anfangs Oktober, in günſtigen Jahren vielleicht ſchon Mitte Septembers, beginnt die Mauſer; im November haben ſie das Kleid der Alten angelegt. Wenn man ſich viel mit ihnen beſchäftigt, verlieren ſie ihre Scheu gegen die Pfleger, und wenn man ſie mit den Hühnern im Gehöft umherlaufen läßt, kommen ſie nach kurzer Zeit zu den gewohnten Futterplätzen und benehmen ſich bald wie Haushühner. Bei meinem Freunde Cornely in Belgien habe ich mehrere von ihnen in voller Freiheit geſehen und die feſte Ueberzeugung gewonnen, daß man dieſe ſchönen Vögel ebenſogut wie unſere Haushühner auf dem Hofe halten kann. Trotzdem glaube ich, daß ſie ſich noch beſſer zur Ausſetzung im Walde eignen dürften. Sie beſitzen alle guten Eigenſchaften des Faſans, übertreffen ihn aber bei weitem durch Gewandtheit, Klugheit und Fruchtbarkeit, ſcheinen mir auch für Witterungseinflüſſe viel weniger empfänglich zu ſein als jener. Jhre Färbung würde zu unſerem Walde vortrefflich paſſen, und die treue Mutterpflege der Henne eine künſtliche Aufzucht der Jungen

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 453. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/481>, abgerufen am 22.11.2024.