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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Die Läufer. Scharrvögel. Fasanen.
des Thiers, der nicht auf die Erde kommt, sondern nur im Fluge und Stoß eines erhaschen will, ver-
geblich anprallt, weil die Federn elastisch sind. Wie unruhig ist sie, wenn er eins hat erwischen
können! Freilich kann sie nicht weit hinauf zählen, und merkt bald nicht, ob und daß ihr eins entrissen
worden. Sie stellt sich für sie auch gegen Hunde und Menschen. Alle Jungen kennen sie, und sie
kennt alle genau. Wenn mehrere Gluckhennen neben einander weiden, und die eine ruft, so laufen
nur die ihrigen zu ihr; rufen beide auf verschiedenen Seiten, so eilen die Küchelchen, wenn sie gemischt
waren, schnell aus einander. Zwei Gluckhennen in einem Stalle wehrten sich mit ihren schlechten Waffen
gegen einen Marder so furchtbar, daß zwar beide todt gefunden wurden, der Marder aber ausgehackte
Augen hatte, zerpickt und bluttriefend war, und kaum sich noch eine Strecke fortschleppen konnte.
Was vermag nicht die Mutterliebe! Hat die Henne Enteneier ausgebrütet, und die jungen Entchen
watscheln dem Wasser zu und gehen kühn, ihres Wollens und Könnens wohl bewußt, hinein, so
begreift sie es nicht und weiß Nichts von den Schwimmfüßen ihrer Adoptivkinder, obschon sie sie
gesehen hat. Kein Thier versteht des andern Natur. Sie haßt und fürchtet das Wasser. Aengstlich
läuft sie am Ufer hin und her und warnt sie und ruft ihnen heraus. Aber, es nützt nichts. Es ist
ihnen wohl, und das Wohlsein ist größer als die Achtung vor der Warnung der Erzieherin, in der sie
nur eine Stiefmutter erkennen zu müssen glauben; wenigstens thun sie solchem Glauben gemäß.
Allmählich jedoch merkt diese, daß ihre Kinder Etwas können, das sie nicht kann, was ja etwa einmal der
Fall ist, und sein muß; daß sie wieder herauskommen, und ihnen Nichts geschehen sei. Warum Dieses
aber, weiß und merkt sie auch nicht, doch kommt sie und thut dann nicht mehr so ängstlich, und geht
am Ufer hin und her und wartet. Die Enten bekümmern sich aber gar bald um sie nicht mehr und
thun, was sie wollen. Jhre wahren Küchlein hingegen scheuen das Wasser, und ihrer wegen muß sie
am Ufer bangen."

Es ließe sich nach diesen Worten der beiden warmen Thierfreunde noch Vieles zum Lobe, Manches
auch zum Tadel des Haushuhnes sagen. Jch könnte hier die bekannten Geschichten über die Hahnen-
kämpfe wiedergeben, den Nutzen hervorheben, jeder Henne die Eier nachzählen, welche sie im Laufe des
Jahres legt, über die egyptischen Brutöfen berichten, mich über die beste Fütterung, Pflege und
Wartung der Hühner aussprechen u. s. w.: ich ziehe es aber vor, derartige Schilderungen Anderen zu
überlassen.



Die nächsten Verwandten der Hühner sind die Fasanen (Phasiani). Sie bilden eine an Arten
zahlreiche Gruppe. Jhr Leib ist etwas gestreckt, der Hals kurz, der Kopf klein, der Flügel sehr kurz
und stark gerundet, in ihm die fünfte oder sechste Schwinge die längste, der Schwanz lang oder sehr
lang, aus sechszehn bis achtzehn Federn zusammengesetzt, welche sich dachförmig decken und stark keil-
förmig abstufen, der Schnabel etwas gestreckt, stark gewölbt, schwach, aber hakig, der Fuß mittel-
hoch und kräftig, glatt, beim Männchen mit einem nicht besonders großen Sporen bewehrt. Das
Gefieder bekleidet, mit Ausnahme der nackten Wangen und Fußwurzeln, den ganzen Körper. Die ein-
zelnen Federn sind groß, abgerundet, nur ausnahmsweise schmal und lang und ziemlich weich; sie
verlängern sich zuweilen auf dem Hinterkopfe, zuweilen am Nacken zu Hauben und Kragen, sind hier
und da auch zerschlissen, glänzen nicht so prachtvoll, wie die der bisher erwähnten Verwandten,
prangen aber immer noch in sehr schönen und oft höchst ansprechend vertheilten Farben. Die Weibchen
sind kleiner als die Männchen, namentlich bedeutend kurzschwänziger; die Färbung ihres Gefieders ist
einfacher und unscheinbarer.

Alle Fasanen sind in Asien heimisch. Sie leben in Hainen und Gebüschen, selten in großen
geschlossenen Waldungen, da es für sie Bedürfniß zu sein scheint, auf Felder, Wiesen und
Auen hinaus zu schweifen. Einige Arten sind echte Gebirgsvögel, welche sich auch durch den

Die Läufer. Scharrvögel. Faſanen.
des Thiers, der nicht auf die Erde kommt, ſondern nur im Fluge und Stoß eines erhaſchen will, ver-
geblich anprallt, weil die Federn elaſtiſch ſind. Wie unruhig iſt ſie, wenn er eins hat erwiſchen
können! Freilich kann ſie nicht weit hinauf zählen, und merkt bald nicht, ob und daß ihr eins entriſſen
worden. Sie ſtellt ſich für ſie auch gegen Hunde und Menſchen. Alle Jungen kennen ſie, und ſie
kennt alle genau. Wenn mehrere Gluckhennen neben einander weiden, und die eine ruft, ſo laufen
nur die ihrigen zu ihr; rufen beide auf verſchiedenen Seiten, ſo eilen die Küchelchen, wenn ſie gemiſcht
waren, ſchnell aus einander. Zwei Gluckhennen in einem Stalle wehrten ſich mit ihren ſchlechten Waffen
gegen einen Marder ſo furchtbar, daß zwar beide todt gefunden wurden, der Marder aber ausgehackte
Augen hatte, zerpickt und bluttriefend war, und kaum ſich noch eine Strecke fortſchleppen konnte.
Was vermag nicht die Mutterliebe! Hat die Henne Enteneier ausgebrütet, und die jungen Entchen
watſcheln dem Waſſer zu und gehen kühn, ihres Wollens und Könnens wohl bewußt, hinein, ſo
begreift ſie es nicht und weiß Nichts von den Schwimmfüßen ihrer Adoptivkinder, obſchon ſie ſie
geſehen hat. Kein Thier verſteht des andern Natur. Sie haßt und fürchtet das Waſſer. Aengſtlich
läuft ſie am Ufer hin und her und warnt ſie und ruft ihnen heraus. Aber, es nützt nichts. Es iſt
ihnen wohl, und das Wohlſein iſt größer als die Achtung vor der Warnung der Erzieherin, in der ſie
nur eine Stiefmutter erkennen zu müſſen glauben; wenigſtens thun ſie ſolchem Glauben gemäß.
Allmählich jedoch merkt dieſe, daß ihre Kinder Etwas können, das ſie nicht kann, was ja etwa einmal der
Fall iſt, und ſein muß; daß ſie wieder herauskommen, und ihnen Nichts geſchehen ſei. Warum Dieſes
aber, weiß und merkt ſie auch nicht, doch kommt ſie und thut dann nicht mehr ſo ängſtlich, und geht
am Ufer hin und her und wartet. Die Enten bekümmern ſich aber gar bald um ſie nicht mehr und
thun, was ſie wollen. Jhre wahren Küchlein hingegen ſcheuen das Waſſer, und ihrer wegen muß ſie
am Ufer bangen.“

Es ließe ſich nach dieſen Worten der beiden warmen Thierfreunde noch Vieles zum Lobe, Manches
auch zum Tadel des Haushuhnes ſagen. Jch könnte hier die bekannten Geſchichten über die Hahnen-
kämpfe wiedergeben, den Nutzen hervorheben, jeder Henne die Eier nachzählen, welche ſie im Laufe des
Jahres legt, über die egyptiſchen Brutöfen berichten, mich über die beſte Fütterung, Pflege und
Wartung der Hühner ausſprechen u. ſ. w.: ich ziehe es aber vor, derartige Schilderungen Anderen zu
überlaſſen.



Die nächſten Verwandten der Hühner ſind die Faſanen (Phasiani). Sie bilden eine an Arten
zahlreiche Gruppe. Jhr Leib iſt etwas geſtreckt, der Hals kurz, der Kopf klein, der Flügel ſehr kurz
und ſtark gerundet, in ihm die fünfte oder ſechste Schwinge die längſte, der Schwanz lang oder ſehr
lang, aus ſechszehn bis achtzehn Federn zuſammengeſetzt, welche ſich dachförmig decken und ſtark keil-
förmig abſtufen, der Schnabel etwas geſtreckt, ſtark gewölbt, ſchwach, aber hakig, der Fuß mittel-
hoch und kräftig, glatt, beim Männchen mit einem nicht beſonders großen Sporen bewehrt. Das
Gefieder bekleidet, mit Ausnahme der nackten Wangen und Fußwurzeln, den ganzen Körper. Die ein-
zelnen Federn ſind groß, abgerundet, nur ausnahmsweiſe ſchmal und lang und ziemlich weich; ſie
verlängern ſich zuweilen auf dem Hinterkopfe, zuweilen am Nacken zu Hauben und Kragen, ſind hier
und da auch zerſchliſſen, glänzen nicht ſo prachtvoll, wie die der bisher erwähnten Verwandten,
prangen aber immer noch in ſehr ſchönen und oft höchſt anſprechend vertheilten Farben. Die Weibchen
ſind kleiner als die Männchen, namentlich bedeutend kurzſchwänziger; die Färbung ihres Gefieders iſt
einfacher und unſcheinbarer.

Alle Faſanen ſind in Aſien heimiſch. Sie leben in Hainen und Gebüſchen, ſelten in großen
geſchloſſenen Waldungen, da es für ſie Bedürfniß zu ſein ſcheint, auf Felder, Wieſen und
Auen hinaus zu ſchweifen. Einige Arten ſind echte Gebirgsvögel, welche ſich auch durch den

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[448/0476] Die Läufer. Scharrvögel. Faſanen. des Thiers, der nicht auf die Erde kommt, ſondern nur im Fluge und Stoß eines erhaſchen will, ver- geblich anprallt, weil die Federn elaſtiſch ſind. Wie unruhig iſt ſie, wenn er eins hat erwiſchen können! Freilich kann ſie nicht weit hinauf zählen, und merkt bald nicht, ob und daß ihr eins entriſſen worden. Sie ſtellt ſich für ſie auch gegen Hunde und Menſchen. Alle Jungen kennen ſie, und ſie kennt alle genau. Wenn mehrere Gluckhennen neben einander weiden, und die eine ruft, ſo laufen nur die ihrigen zu ihr; rufen beide auf verſchiedenen Seiten, ſo eilen die Küchelchen, wenn ſie gemiſcht waren, ſchnell aus einander. Zwei Gluckhennen in einem Stalle wehrten ſich mit ihren ſchlechten Waffen gegen einen Marder ſo furchtbar, daß zwar beide todt gefunden wurden, der Marder aber ausgehackte Augen hatte, zerpickt und bluttriefend war, und kaum ſich noch eine Strecke fortſchleppen konnte. Was vermag nicht die Mutterliebe! Hat die Henne Enteneier ausgebrütet, und die jungen Entchen watſcheln dem Waſſer zu und gehen kühn, ihres Wollens und Könnens wohl bewußt, hinein, ſo begreift ſie es nicht und weiß Nichts von den Schwimmfüßen ihrer Adoptivkinder, obſchon ſie ſie geſehen hat. Kein Thier verſteht des andern Natur. Sie haßt und fürchtet das Waſſer. Aengſtlich läuft ſie am Ufer hin und her und warnt ſie und ruft ihnen heraus. Aber, es nützt nichts. Es iſt ihnen wohl, und das Wohlſein iſt größer als die Achtung vor der Warnung der Erzieherin, in der ſie nur eine Stiefmutter erkennen zu müſſen glauben; wenigſtens thun ſie ſolchem Glauben gemäß. Allmählich jedoch merkt dieſe, daß ihre Kinder Etwas können, das ſie nicht kann, was ja etwa einmal der Fall iſt, und ſein muß; daß ſie wieder herauskommen, und ihnen Nichts geſchehen ſei. Warum Dieſes aber, weiß und merkt ſie auch nicht, doch kommt ſie und thut dann nicht mehr ſo ängſtlich, und geht am Ufer hin und her und wartet. Die Enten bekümmern ſich aber gar bald um ſie nicht mehr und thun, was ſie wollen. Jhre wahren Küchlein hingegen ſcheuen das Waſſer, und ihrer wegen muß ſie am Ufer bangen.“ Es ließe ſich nach dieſen Worten der beiden warmen Thierfreunde noch Vieles zum Lobe, Manches auch zum Tadel des Haushuhnes ſagen. Jch könnte hier die bekannten Geſchichten über die Hahnen- kämpfe wiedergeben, den Nutzen hervorheben, jeder Henne die Eier nachzählen, welche ſie im Laufe des Jahres legt, über die egyptiſchen Brutöfen berichten, mich über die beſte Fütterung, Pflege und Wartung der Hühner ausſprechen u. ſ. w.: ich ziehe es aber vor, derartige Schilderungen Anderen zu überlaſſen. Die nächſten Verwandten der Hühner ſind die Faſanen (Phasiani). Sie bilden eine an Arten zahlreiche Gruppe. Jhr Leib iſt etwas geſtreckt, der Hals kurz, der Kopf klein, der Flügel ſehr kurz und ſtark gerundet, in ihm die fünfte oder ſechste Schwinge die längſte, der Schwanz lang oder ſehr lang, aus ſechszehn bis achtzehn Federn zuſammengeſetzt, welche ſich dachförmig decken und ſtark keil- förmig abſtufen, der Schnabel etwas geſtreckt, ſtark gewölbt, ſchwach, aber hakig, der Fuß mittel- hoch und kräftig, glatt, beim Männchen mit einem nicht beſonders großen Sporen bewehrt. Das Gefieder bekleidet, mit Ausnahme der nackten Wangen und Fußwurzeln, den ganzen Körper. Die ein- zelnen Federn ſind groß, abgerundet, nur ausnahmsweiſe ſchmal und lang und ziemlich weich; ſie verlängern ſich zuweilen auf dem Hinterkopfe, zuweilen am Nacken zu Hauben und Kragen, ſind hier und da auch zerſchliſſen, glänzen nicht ſo prachtvoll, wie die der bisher erwähnten Verwandten, prangen aber immer noch in ſehr ſchönen und oft höchſt anſprechend vertheilten Farben. Die Weibchen ſind kleiner als die Männchen, namentlich bedeutend kurzſchwänziger; die Färbung ihres Gefieders iſt einfacher und unſcheinbarer. Alle Faſanen ſind in Aſien heimiſch. Sie leben in Hainen und Gebüſchen, ſelten in großen geſchloſſenen Waldungen, da es für ſie Bedürfniß zu ſein ſcheint, auf Felder, Wieſen und Auen hinaus zu ſchweifen. Einige Arten ſind echte Gebirgsvögel, welche ſich auch durch den

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 448. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/476>, abgerufen am 22.11.2024.