Nach Orbigny's Angaben lebt der Lehmhans, ungefähr nach Art unserer Drosseln, ebensowohl auf den Zweigen, wie an dem Boden. Jm Gezweig ist er sehr lebhaft und heiter, und namentlich die wunderbare Stimme läßt er häufig ertönen. Man findet ihn immer paarweise und meist für sich allein; doch kommt es vor, daß einer der beiden Gatten sich auch einmal mit andern Vögeln zeit- weilig vereinigt, und dann kann es, wie Orbigny sagt, nichts Komischeres geben, als das vor- sichtige Gebahren des Männchens, obgleich es nicht zu Thätlichkeiten kommt. Die Nahrung besteht aus Kerbthieren und Sämereien, laut Burmeister, nur aus ersteren, welche vom Boden auf- genommen werden; denn an den Zweigen sieht man den Töpfervogel nie nach solchen jagen und noch weniger fliegende Kerfe verfolgen. Auf dem Boden bewegt er sich sehr gewandt, indem er mit großen Sprüngen dahinhüpft; der Flug dagegen ist, den kurzen Flügeln entsprechend, nicht eben rasch und wird auch niemals weit ausgedehnt. Die Stimme muß höchst eigenthümlich sein, weil alle Beschreiber ihrer ausdrücklich gedenken, die Einen mit Wohlwollen, die Andern in minder günstiger Weise. "Seine laute, weit vernehmliche Stimme", sagt Burmeister, "ist gellend und kreischend, und gewöhnlich schreien beide Gatten, irgendwo auf einem Hause oder Baume sitzend, zugleich, aber in verschiedenen Tönen und Tonleitern, das Männchen schneller, das Weibchen bedeutend langsamer und eine Terz tiefer. Ueberraschend ist diese Art und Weise allerdings, wenn man sie das erste Mal hört, aber angenehm gewiß nicht, zumal da das Vogelpaar Einem stets in die Rede fällt, d. h. zu schreien beginnt, wenn man irgendwo stehen bleibt und laut sprechend sich unterhält. Jm Garten des Herrn Dr.Lund geschah mir Dies täglich, und oft äußerte mein freundlicher Wirth, wenn die Vögel ihre Einsprache begannen: Lassen Sie die nur erst ausreden, wir werden doch daneben nicht zu Worte kommen."
Man bemerkt bald, daß die anfangs auffallende Dreistigkeit des Töpfervogels ihre vollste Berechtigung hat. Er gilt in den Augen der Brasilianer als ein heiliger oder christlicher Vogel, weil man behauptet, daß er an seinem großen Neste des Sonntags nicht arbeitet und das Flugloch stets nach Osten hin anlege. "Daß letztere Angabe nicht richtig sei", bemerkt Burmeister, "fand ich bald selbst und überzeugte davon auch mehrere Einwohner, welche ich deshalb zu Rathe zog; die Sage, daß der Vogel Sonntags nicht arbeiten soll, hat wohl ihren Grund in der Schnelligkeit, mit welcher er sein schwieriges Werk vollendet. Hat er nicht gerade am Sonntag begonnen, so ist er fertig, ehe der nächste Feiertag herankommt."
"Das Nest selbst ist für die kleinen Vögel wirklich ein staunenswürdiges Werk. Die Stelle, wo er dasselbe anlegt, ist gewöhnlich ein völlig wagrechter oder mitunter selbst schwach ansteigender Theil eines drei Zoll oder darüber starken Baumzweiges. Sehr selten gewahrt man das Nest an andern Punkten, auf Dächern, hohen Balken, Kreuzen der Kirchen u. s. w. Beide Gatten bauen gemeinschaftlich. Zuerst legen sie einen wagrechten Grund aus dem in jedem Dorfe häufigen Lehm der Fahrwege, welcher nach den ersten Regengüssen, die um die Zeit ihrer Brut sich einstellen, als Straßenkoth zu entstehen pflegt. Die Vögel bilden aus demselben runde Klumpen, wie Flintenkugeln und tragen sie auf den Baum, hier mit den Schnäbeln und Füßen sie aus- breitend. Gewöhnlich sind auch zerfahrene Pflanzentheile mit eingeknetet. Hat die Grundlage eine Länge von acht bis neun Zoll erreicht, so baut das Paar an jedes Ende derselben einen auf- wärts stehenden, seitwärts sanft nach außen geneigten Rand, welcher am Ende am höchsten (bis zwei Zoll hoch) ist und gegen die Mitte der Seiten sich erniedrigt, sodaß die Ränder von beiden Enden her einen hohlen Bogen bilden. Jst dieser Rand fertig und gehörig getrocknet, so wird darauf ein zweiter, ähnlicher gesetzt, der sich schon etwas mehr nach innen zu überbiegt. Auch diesen läßt der Vogel zuvörderst wieder trocknen und baut später in derselben Weise fort, sich von beiden Seiten zu einer Kuppel zusammenschließend. An der einen Langseite bleibt eine runde Oeff- nung, welche anfangs kreisförmig erscheint, später aber durch Anbauen von der einen Seite her zu einem senkrecht stehenden Halbkreis verlängert wird. Sie ist das Flugloch. Nie habe ich dieses anders als in solcher Form, in Gestalt einer senkrechten Oeffnung von drei bis vier Zoll Höhe und
Die Späher. Klettervögel. Töpfervögel.
Nach Orbigny’s Angaben lebt der Lehmhans, ungefähr nach Art unſerer Droſſeln, ebenſowohl auf den Zweigen, wie an dem Boden. Jm Gezweig iſt er ſehr lebhaft und heiter, und namentlich die wunderbare Stimme läßt er häufig ertönen. Man findet ihn immer paarweiſe und meiſt für ſich allein; doch kommt es vor, daß einer der beiden Gatten ſich auch einmal mit andern Vögeln zeit- weilig vereinigt, und dann kann es, wie Orbigny ſagt, nichts Komiſcheres geben, als das vor- ſichtige Gebahren des Männchens, obgleich es nicht zu Thätlichkeiten kommt. Die Nahrung beſteht aus Kerbthieren und Sämereien, laut Burmeiſter, nur aus erſteren, welche vom Boden auf- genommen werden; denn an den Zweigen ſieht man den Töpfervogel nie nach ſolchen jagen und noch weniger fliegende Kerfe verfolgen. Auf dem Boden bewegt er ſich ſehr gewandt, indem er mit großen Sprüngen dahinhüpft; der Flug dagegen iſt, den kurzen Flügeln entſprechend, nicht eben raſch und wird auch niemals weit ausgedehnt. Die Stimme muß höchſt eigenthümlich ſein, weil alle Beſchreiber ihrer ausdrücklich gedenken, die Einen mit Wohlwollen, die Andern in minder günſtiger Weiſe. „Seine laute, weit vernehmliche Stimme“, ſagt Burmeiſter, „iſt gellend und kreiſchend, und gewöhnlich ſchreien beide Gatten, irgendwo auf einem Hauſe oder Baume ſitzend, zugleich, aber in verſchiedenen Tönen und Tonleitern, das Männchen ſchneller, das Weibchen bedeutend langſamer und eine Terz tiefer. Ueberraſchend iſt dieſe Art und Weiſe allerdings, wenn man ſie das erſte Mal hört, aber angenehm gewiß nicht, zumal da das Vogelpaar Einem ſtets in die Rede fällt, d. h. zu ſchreien beginnt, wenn man irgendwo ſtehen bleibt und laut ſprechend ſich unterhält. Jm Garten des Herrn Dr.Lund geſchah mir Dies täglich, und oft äußerte mein freundlicher Wirth, wenn die Vögel ihre Einſprache begannen: Laſſen Sie die nur erſt ausreden, wir werden doch daneben nicht zu Worte kommen.“
Man bemerkt bald, daß die anfangs auffallende Dreiſtigkeit des Töpfervogels ihre vollſte Berechtigung hat. Er gilt in den Augen der Braſilianer als ein heiliger oder chriſtlicher Vogel, weil man behauptet, daß er an ſeinem großen Neſte des Sonntags nicht arbeitet und das Flugloch ſtets nach Oſten hin anlege. „Daß letztere Angabe nicht richtig ſei“, bemerkt Burmeiſter, „fand ich bald ſelbſt und überzeugte davon auch mehrere Einwohner, welche ich deshalb zu Rathe zog; die Sage, daß der Vogel Sonntags nicht arbeiten ſoll, hat wohl ihren Grund in der Schnelligkeit, mit welcher er ſein ſchwieriges Werk vollendet. Hat er nicht gerade am Sonntag begonnen, ſo iſt er fertig, ehe der nächſte Feiertag herankommt.“
„Das Neſt ſelbſt iſt für die kleinen Vögel wirklich ein ſtaunenswürdiges Werk. Die Stelle, wo er daſſelbe anlegt, iſt gewöhnlich ein völlig wagrechter oder mitunter ſelbſt ſchwach anſteigender Theil eines drei Zoll oder darüber ſtarken Baumzweiges. Sehr ſelten gewahrt man das Neſt an andern Punkten, auf Dächern, hohen Balken, Kreuzen der Kirchen u. ſ. w. Beide Gatten bauen gemeinſchaftlich. Zuerſt legen ſie einen wagrechten Grund aus dem in jedem Dorfe häufigen Lehm der Fahrwege, welcher nach den erſten Regengüſſen, die um die Zeit ihrer Brut ſich einſtellen, als Straßenkoth zu entſtehen pflegt. Die Vögel bilden aus demſelben runde Klumpen, wie Flintenkugeln und tragen ſie auf den Baum, hier mit den Schnäbeln und Füßen ſie aus- breitend. Gewöhnlich ſind auch zerfahrene Pflanzentheile mit eingeknetet. Hat die Grundlage eine Länge von acht bis neun Zoll erreicht, ſo baut das Paar an jedes Ende derſelben einen auf- wärts ſtehenden, ſeitwärts ſanft nach außen geneigten Rand, welcher am Ende am höchſten (bis zwei Zoll hoch) iſt und gegen die Mitte der Seiten ſich erniedrigt, ſodaß die Ränder von beiden Enden her einen hohlen Bogen bilden. Jſt dieſer Rand fertig und gehörig getrocknet, ſo wird darauf ein zweiter, ähnlicher geſetzt, der ſich ſchon etwas mehr nach innen zu überbiegt. Auch dieſen läßt der Vogel zuvörderſt wieder trocknen und baut ſpäter in derſelben Weiſe fort, ſich von beiden Seiten zu einer Kuppel zuſammenſchließend. An der einen Langſeite bleibt eine runde Oeff- nung, welche anfangs kreisförmig erſcheint, ſpäter aber durch Anbauen von der einen Seite her zu einem ſenkrecht ſtehenden Halbkreis verlängert wird. Sie iſt das Flugloch. Nie habe ich dieſes anders als in ſolcher Form, in Geſtalt einer ſenkrechten Oeffnung von drei bis vier Zoll Höhe und
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[32/0044]
Die Späher. Klettervögel. Töpfervögel.
Nach Orbigny’s Angaben lebt der Lehmhans, ungefähr nach Art unſerer Droſſeln, ebenſowohl
auf den Zweigen, wie an dem Boden. Jm Gezweig iſt er ſehr lebhaft und heiter, und namentlich
die wunderbare Stimme läßt er häufig ertönen. Man findet ihn immer paarweiſe und meiſt für
ſich allein; doch kommt es vor, daß einer der beiden Gatten ſich auch einmal mit andern Vögeln zeit-
weilig vereinigt, und dann kann es, wie Orbigny ſagt, nichts Komiſcheres geben, als das vor-
ſichtige Gebahren des Männchens, obgleich es nicht zu Thätlichkeiten kommt. Die Nahrung beſteht
aus Kerbthieren und Sämereien, laut Burmeiſter, nur aus erſteren, welche vom Boden auf-
genommen werden; denn an den Zweigen ſieht man den Töpfervogel nie nach ſolchen jagen und noch
weniger fliegende Kerfe verfolgen. Auf dem Boden bewegt er ſich ſehr gewandt, indem er mit
großen Sprüngen dahinhüpft; der Flug dagegen iſt, den kurzen Flügeln entſprechend, nicht eben
raſch und wird auch niemals weit ausgedehnt. Die Stimme muß höchſt eigenthümlich ſein, weil
alle Beſchreiber ihrer ausdrücklich gedenken, die Einen mit Wohlwollen, die Andern in minder günſtiger
Weiſe. „Seine laute, weit vernehmliche Stimme“, ſagt Burmeiſter, „iſt gellend und kreiſchend,
und gewöhnlich ſchreien beide Gatten, irgendwo auf einem Hauſe oder Baume ſitzend, zugleich, aber
in verſchiedenen Tönen und Tonleitern, das Männchen ſchneller, das Weibchen bedeutend langſamer
und eine Terz tiefer. Ueberraſchend iſt dieſe Art und Weiſe allerdings, wenn man ſie das erſte Mal
hört, aber angenehm gewiß nicht, zumal da das Vogelpaar Einem ſtets in die Rede fällt, d. h. zu
ſchreien beginnt, wenn man irgendwo ſtehen bleibt und laut ſprechend ſich unterhält. Jm Garten
des Herrn Dr. Lund geſchah mir Dies täglich, und oft äußerte mein freundlicher Wirth, wenn die
Vögel ihre Einſprache begannen: Laſſen Sie die nur erſt ausreden, wir werden doch daneben nicht
zu Worte kommen.“
Man bemerkt bald, daß die anfangs auffallende Dreiſtigkeit des Töpfervogels ihre vollſte
Berechtigung hat. Er gilt in den Augen der Braſilianer als ein heiliger oder chriſtlicher Vogel,
weil man behauptet, daß er an ſeinem großen Neſte des Sonntags nicht arbeitet und das Flugloch
ſtets nach Oſten hin anlege. „Daß letztere Angabe nicht richtig ſei“, bemerkt Burmeiſter, „fand
ich bald ſelbſt und überzeugte davon auch mehrere Einwohner, welche ich deshalb zu Rathe zog;
die Sage, daß der Vogel Sonntags nicht arbeiten ſoll, hat wohl ihren Grund in der Schnelligkeit,
mit welcher er ſein ſchwieriges Werk vollendet. Hat er nicht gerade am Sonntag begonnen, ſo iſt
er fertig, ehe der nächſte Feiertag herankommt.“
„Das Neſt ſelbſt iſt für die kleinen Vögel wirklich ein ſtaunenswürdiges Werk. Die
Stelle, wo er daſſelbe anlegt, iſt gewöhnlich ein völlig wagrechter oder mitunter ſelbſt ſchwach
anſteigender Theil eines drei Zoll oder darüber ſtarken Baumzweiges. Sehr ſelten gewahrt man
das Neſt an andern Punkten, auf Dächern, hohen Balken, Kreuzen der Kirchen u. ſ. w. Beide
Gatten bauen gemeinſchaftlich. Zuerſt legen ſie einen wagrechten Grund aus dem in jedem Dorfe
häufigen Lehm der Fahrwege, welcher nach den erſten Regengüſſen, die um die Zeit ihrer Brut ſich
einſtellen, als Straßenkoth zu entſtehen pflegt. Die Vögel bilden aus demſelben runde Klumpen,
wie Flintenkugeln und tragen ſie auf den Baum, hier mit den Schnäbeln und Füßen ſie aus-
breitend. Gewöhnlich ſind auch zerfahrene Pflanzentheile mit eingeknetet. Hat die Grundlage
eine Länge von acht bis neun Zoll erreicht, ſo baut das Paar an jedes Ende derſelben einen auf-
wärts ſtehenden, ſeitwärts ſanft nach außen geneigten Rand, welcher am Ende am höchſten (bis
zwei Zoll hoch) iſt und gegen die Mitte der Seiten ſich erniedrigt, ſodaß die Ränder von beiden
Enden her einen hohlen Bogen bilden. Jſt dieſer Rand fertig und gehörig getrocknet, ſo wird
darauf ein zweiter, ähnlicher geſetzt, der ſich ſchon etwas mehr nach innen zu überbiegt. Auch dieſen
läßt der Vogel zuvörderſt wieder trocknen und baut ſpäter in derſelben Weiſe fort, ſich von beiden
Seiten zu einer Kuppel zuſammenſchließend. An der einen Langſeite bleibt eine runde Oeff-
nung, welche anfangs kreisförmig erſcheint, ſpäter aber durch Anbauen von der einen Seite her zu
einem ſenkrecht ſtehenden Halbkreis verlängert wird. Sie iſt das Flugloch. Nie habe ich dieſes
anders als in ſolcher Form, in Geſtalt einer ſenkrechten Oeffnung von drei bis vier Zoll Höhe und
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/44>, abgerufen am 23.11.2024.
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