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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Die Läufer. Scharrvögel. Feldhühner.

Die Jungen sind allerliebste Geschöpfe, schon soweit es sich um das Aeußere handelt. Jhr
Dunenkleid zeigt auf der Oberseite eine Mischung von Gelbbraun, Rostgelb, Rostbraun und
Schwarz, während auf der Unterseite lichtere Farben vorherrschen; die Zeichnung besteht aus unter-
brochenen Fleckenstreifen. Sie bewegen sich vom ersten Tage ihres Lebens an mit vielem Geschick,
verlassen das Nest sogar schon, ehe sie vollkommen trocken geworden oder von allen Anhängseln
der Eierschalen befreit sind, und lernen es sehr rasch, sich den Unterweisungen ihrer Eltern zu fügen.
Vater und Mutter nehmen an ihrer Erziehung gleichen Antheil; der Vater bewacht, warnt und ver-
theidigt, die Mutter führt, ernährt und hudert sie. Verliert eins der Eltern sein Leben, so über-
nimmt das andere die Pflege, also auch der Vater die Pflichten der Mutter. "Rührend ist es", sagt
Naumann, die "unbegrenzte Sorgfalt der Eltern um ihre lieben Kleinen zu beobachten. Aengstlich
spähend, von welcher Seite Unglück drohe oder ob es abzuwenden sei, läuft der Vater hin und her,
während ein kurzer Warnungslaut der Mutter die Jungen um sich versammelt, ihnen befiehlt, sich
in ein Versteck zu begeben und schnell einem jeden ein solches im Getreide, Grase, Gebüsche, hinter
Furchen, in Fahrgeleisen und dergleichen anweist und, sobald sie alle geborgen glaubt, mit dem
Vater Alles aufbietet, um den Angriff zu vereiteln oder abzuwenden. Muthig stellen sich beide
Eltern nun dem Feinde entgegen, greifen ihn, im Gefühle ihrer Schwäche, jedoch nicht an, sondern
suchen seine Aufmerksamkeit von den Jungen ab und auf sich zu lenken, ihn weiter und weiter von den
Jungen abzuziehen, bis sie glauben, ihn weit genug entfernt zu haben. Dann fliegt zuerst die Mutter
zu den Jungen, die ihr angewiesenes Versteck unterdeß um keinen Fuß breit verlassen haben, zurück,
und versucht, diese eiligst ein Stück weiter fortzuschaffen. Sieht endlich der Vater alle seine Lieben
in Sicherheit, so enttäuscht auch er seinen Verfolger und fliegt davon. Sobald nun rings umher
Alles wieder ruhig und die feindselige Störung verschwunden ist, läßt er seinen Ruf hören, welchen
die Mutter sogleich beantwortet, worauf er sofort zu seiner Familie eilt. Kein Raubthier kann die
Wachsamkeit der zärtlichen, sorgsamen Eltern hintergehen, weder bei Tage noch bei Nacht, wenn nicht
besondere Umstände den Feind begünstigen. Aber auch die unbedingte Folgsamkeit, die liebenswürdige
Anhänglichkeit der Kinder zu den Eltern hat man oft zu bewundern Gelegenheit." Wenn die Küch-
lein erst etwas erwachsen sind, verändern sie und ihre Eltern das Betragen. Die gegenseitige An-
hänglichkeit hat sich nicht vermindert; aber die Kleinen sind inzwischen selbständiger geworden, und
jedes einzelne lernt mehr nach eigenem Ermessen handeln. Kommt ihnen jetzt ein Feind zu nahe, so
erheben sie sich, fliegen zusammen ein Stück fort und fallen wieder ein; werden sie nochmals aufgestört,
so sprengt sich das Volk, d. h. jedes einzelne Stück fliegt nach einer andern Richtung hin von dannen,
läßt sich nieder und drückt sich entweder platt auf den Boden hin oder sucht sich durch Laufen oder
anderweitiges Verstecken zu retten. Meint der Vater, daß die Gefahr vorüber sei, so beginnt er zu
locken; eins um das andere von den Kindern antwortet, und die treuen Eltern versammeln nun nach
und nach wieder die ganze Schar, indem der Vater eins von den Jungen nach dem andern herbeiholt
und zur Mutter bringt, welche die bereits vereinigten unter ihre Führung genommen hat. Später
müssen die Jungen dem Vater einen Theil seiner Sorge abnehmen, nämlich auf Vorposten treten und
Umschau halten. Dieses Wachestehen, welches, wie es scheint, abwechselnd von allen jungen Hähnen
geübt wird, befördert ihre Ausbildung sehr wesentlich. Verlieren junge Rebhühner ihre Eltern, so
versuchen sie sich mit fremden Völkern zu vereinigen; denn sie haben inzwischen gelernt, daß das Ver-
einzeln eines Volkes den sichern Untergang desselben zur Folge hat.

Jn der frühesten Kindheit fressen die Rebhühner fast nur Kerbthiere, später, wie ihre Eltern,
auch viel Pflanzenstoffe und zuweilen diese ausschließlich. Bis zur Ernte hin treiben sich die Völker
hauptsächlich auf den Getreidefeldern umher; nach der Ernte fallen sie auf Kartoffel- oder Krautäckern
ein, weil sie hier die beste Deckung finden. Jm Spätherbste suchen sie Stoppeln und noch lieber
Sturzäcker auf, in deren Furchen sie sich verstecken können. Naheliegende Wiesen werden der Heu-
schrecken, benachbarte Schläge der Ameisenpuppen halber gern besucht; die Nachtruhe aber hält das
Volk immer auf freiem Felde. Es verläßt am Morgen sein Lager und begibt sich zunächst auf trockene

Die Läufer. Scharrvögel. Feldhühner.

Die Jungen ſind allerliebſte Geſchöpfe, ſchon ſoweit es ſich um das Aeußere handelt. Jhr
Dunenkleid zeigt auf der Oberſeite eine Miſchung von Gelbbraun, Roſtgelb, Roſtbraun und
Schwarz, während auf der Unterſeite lichtere Farben vorherrſchen; die Zeichnung beſteht aus unter-
brochenen Fleckenſtreifen. Sie bewegen ſich vom erſten Tage ihres Lebens an mit vielem Geſchick,
verlaſſen das Neſt ſogar ſchon, ehe ſie vollkommen trocken geworden oder von allen Anhängſeln
der Eierſchalen befreit ſind, und lernen es ſehr raſch, ſich den Unterweiſungen ihrer Eltern zu fügen.
Vater und Mutter nehmen an ihrer Erziehung gleichen Antheil; der Vater bewacht, warnt und ver-
theidigt, die Mutter führt, ernährt und hudert ſie. Verliert eins der Eltern ſein Leben, ſo über-
nimmt das andere die Pflege, alſo auch der Vater die Pflichten der Mutter. „Rührend iſt es“, ſagt
Naumann, die „unbegrenzte Sorgfalt der Eltern um ihre lieben Kleinen zu beobachten. Aengſtlich
ſpähend, von welcher Seite Unglück drohe oder ob es abzuwenden ſei, läuft der Vater hin und her,
während ein kurzer Warnungslaut der Mutter die Jungen um ſich verſammelt, ihnen befiehlt, ſich
in ein Verſteck zu begeben und ſchnell einem jeden ein ſolches im Getreide, Graſe, Gebüſche, hinter
Furchen, in Fahrgeleiſen und dergleichen anweiſt und, ſobald ſie alle geborgen glaubt, mit dem
Vater Alles aufbietet, um den Angriff zu vereiteln oder abzuwenden. Muthig ſtellen ſich beide
Eltern nun dem Feinde entgegen, greifen ihn, im Gefühle ihrer Schwäche, jedoch nicht an, ſondern
ſuchen ſeine Aufmerkſamkeit von den Jungen ab und auf ſich zu lenken, ihn weiter und weiter von den
Jungen abzuziehen, bis ſie glauben, ihn weit genug entfernt zu haben. Dann fliegt zuerſt die Mutter
zu den Jungen, die ihr angewieſenes Verſteck unterdeß um keinen Fuß breit verlaſſen haben, zurück,
und verſucht, dieſe eiligſt ein Stück weiter fortzuſchaffen. Sieht endlich der Vater alle ſeine Lieben
in Sicherheit, ſo enttäuſcht auch er ſeinen Verfolger und fliegt davon. Sobald nun rings umher
Alles wieder ruhig und die feindſelige Störung verſchwunden iſt, läßt er ſeinen Ruf hören, welchen
die Mutter ſogleich beantwortet, worauf er ſofort zu ſeiner Familie eilt. Kein Raubthier kann die
Wachſamkeit der zärtlichen, ſorgſamen Eltern hintergehen, weder bei Tage noch bei Nacht, wenn nicht
beſondere Umſtände den Feind begünſtigen. Aber auch die unbedingte Folgſamkeit, die liebenswürdige
Anhänglichkeit der Kinder zu den Eltern hat man oft zu bewundern Gelegenheit.“ Wenn die Küch-
lein erſt etwas erwachſen ſind, verändern ſie und ihre Eltern das Betragen. Die gegenſeitige An-
hänglichkeit hat ſich nicht vermindert; aber die Kleinen ſind inzwiſchen ſelbſtändiger geworden, und
jedes einzelne lernt mehr nach eigenem Ermeſſen handeln. Kommt ihnen jetzt ein Feind zu nahe, ſo
erheben ſie ſich, fliegen zuſammen ein Stück fort und fallen wieder ein; werden ſie nochmals aufgeſtört,
ſo ſprengt ſich das Volk, d. h. jedes einzelne Stück fliegt nach einer andern Richtung hin von dannen,
läßt ſich nieder und drückt ſich entweder platt auf den Boden hin oder ſucht ſich durch Laufen oder
anderweitiges Verſtecken zu retten. Meint der Vater, daß die Gefahr vorüber ſei, ſo beginnt er zu
locken; eins um das andere von den Kindern antwortet, und die treuen Eltern verſammeln nun nach
und nach wieder die ganze Schar, indem der Vater eins von den Jungen nach dem andern herbeiholt
und zur Mutter bringt, welche die bereits vereinigten unter ihre Führung genommen hat. Später
müſſen die Jungen dem Vater einen Theil ſeiner Sorge abnehmen, nämlich auf Vorpoſten treten und
Umſchau halten. Dieſes Wacheſtehen, welches, wie es ſcheint, abwechſelnd von allen jungen Hähnen
geübt wird, befördert ihre Ausbildung ſehr weſentlich. Verlieren junge Rebhühner ihre Eltern, ſo
verſuchen ſie ſich mit fremden Völkern zu vereinigen; denn ſie haben inzwiſchen gelernt, daß das Ver-
einzeln eines Volkes den ſichern Untergang deſſelben zur Folge hat.

Jn der früheſten Kindheit freſſen die Rebhühner faſt nur Kerbthiere, ſpäter, wie ihre Eltern,
auch viel Pflanzenſtoffe und zuweilen dieſe ausſchließlich. Bis zur Ernte hin treiben ſich die Völker
hauptſächlich auf den Getreidefeldern umher; nach der Ernte fallen ſie auf Kartoffel- oder Krautäckern
ein, weil ſie hier die beſte Deckung finden. Jm Spätherbſte ſuchen ſie Stoppeln und noch lieber
Sturzäcker auf, in deren Furchen ſie ſich verſtecken können. Naheliegende Wieſen werden der Heu-
ſchrecken, benachbarte Schläge der Ameiſenpuppen halber gern beſucht; die Nachtruhe aber hält das
Volk immer auf freiem Felde. Es verläßt am Morgen ſein Lager und begibt ſich zunächſt auf trockene

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 400. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/428>, abgerufen am 25.11.2024.