Das Alpenschneehuhn unterscheidet sich in seiner Lebensweise auffallend von seinen Ver- wandten. Sein Wesen ist ruhiger, weil seine Fähigkeiten geringer zu sein scheinen. Jm Laufen und im Fliegen kommt es mit ihnen so ziemlich überein, ja diese Bewegungen sind vielleicht noch leichter als beim Morastschneehuhne. Aber nur selten fliegt das Alpenschneehuhn weit in einem Zuge, da, wo es noch nicht verfolgt wurde, niemals. Schinz und Tschudi haben gefunden, daß der Flug Aehnlichkeit mit dem Taubenfluge habe; ich meines Theils bin durch die von mir Beobach- teten niemals an Tauben erinnert worden: ich habe sie eben nur mit dem Morastschneehuhne ver- gleichen können. Jn einer Fertigkeit scheint unser Huhn seine Verwandten entschieden zu über- treffen: es ist ein recht guter Schwimmer. "Jch habe mehrmals bemerkt", sagt Holboell, "daß das Schneehuhn nicht allein im Nothfall schwimmen kann, sondern zuweilen selbst ohne solchen Grund schwimmt. Jm September 1825 lag ich mit einer Galeasse auf der sogenannten Süd- ostbucht bei Grönland; wir hatten einige Tage Nebel, und mehrere Schneehühner kamen auf das Schiff. Eines von ihnen flog so gegen das Segel, daß es ins Wasser fiel. Jch ließ, da es fast stilles Wetter war, ein Boot aussetzen, in der Meinung, es werde mir zur Beute werden; aber es erhob sich mit größter Leichtigkeit vom Wasser und flog davon. Jm nächsten Winter sah ich bei zehn Grad Kälte zwei Schneehühner von den Udkigsfelsen bei Godhavn herabfliegen und sich ohne Bedenken auf das Wasser setzen. Gleichfalls habe ich Schneehühner in einem kleinen Gebirgswasser sich baden und auf selbigem herumschwimmen sehen."
Die Stimme ist von der des Morasthuhnes auffallend verschieden und höchst eigenthümlich. Es scheint aber, als ob die nordischen Arten ganz andere Laute hören lassen wie die südlichen. "Bei starkem Nebelwetter", sagt Schinz, "oder wenn Schnee oder Regen fallen will, schreien die Alpenschneehühner unaufhörlich "Krögögögöögrö", oder auch "Oenö- göö, önö, göö". Dagegen wenn sie ihre Jungen locken oder einen Raubvogel erblicken, so schreien die Alten mehr "Gä-gä, gagää", und die Jungen "Zip, zip, zip." Solche Laute habe ich nie vernommen, vielmehr, ebenso wie andere Beobachter, nur ein merkwürdig dumpfes, röchelndes, tief aus der Kehle kommendes "Aah", mit dem sich übrigens noch ein Schnarren verbindet, welches sich mit Buchstaben wohl kaum ausdrücken läßt. Faber, Holboell und Krüper übersetzen diesen Laut durch "Arrr" oder "Orrr"; ich meine aber, daß man den R-Laut nicht so deutlich vernimmt, wie dadurch angedeutet werden soll. Den Lockruf des Weibchens ahmte mein norwegischer Jäger durch einen Laut nach, welcher an das Miauen junger Katzen erinnert, und ungefähr "Min", aber so eigenthümlich klingt, daß auch mir Buchstaben mangeln, um ihn treu wiederzugeben.
Gelegentlich der Schilderung seiner ersten Jagd auf Alpenschneehühner bemerkt Boje: "Sie erwarteten auf dem mit Alpenpflanzen sparsam bewachsenen Felsen wie versteinert die Herankunft des Jägers und entflohen dann ohne Geschrei mit geräuschvollem Flügelschlage"; später sagt er: "Die unbeschreibliche Trägheit dieser Vögel sticht sonderbar gegen die Morastschneehühner ab. Die Männchen scheinen den ganzen Tag lang in der Nähe ihrer brütenden Weibchen still zu sitzen, und zwar stets auf den höchsten, abhängigsten Plätzen, als erfreuten sie sich neben dem Abgrunde der fernsten Aussicht". Faber bezeichnet das isländische Alpenschneehuhn als "außerordentlich und sicher dumm", Holboell das grönländische als "sehr einfältig". Jch habe bei Niederschrift meiner Beob- achtungen fast dieselben Worte gebraucht, wie Boje: "Die beiden ersten Männchen, welche ich erlegte waren merkwürdig unvorsichtig, sie zeigten nicht die geringste Scheu, sondern erwarteten den Jäger, scheinbar mit dem höchsten Erstaunen, ohne wegzufliegen." Jn der Schweiz betragen sich unsere Hühner nicht anders: "Bei Nebelwetter", bemerkt Schinz, "laufen sie am meisten auf dem Boden herum und glauben sich vor allen Nachstellungen am sichersten; aber auch bei warmem Sonnenscheine sind sie sehr zahm." "Sie lassen dann", wie Tschudi hinzufügt, "auf offenen Gipfeln den Menschen oft bis auf zehn Schritt nahe kommen." Bei kaltem Wetter sollen sie scheuer sein, wahrscheinlich schon deshalb mit, weil sie im Winter sich zu größeren Scharen vereinigen.
Alpenſchneehuhn.
Das Alpenſchneehuhn unterſcheidet ſich in ſeiner Lebensweiſe auffallend von ſeinen Ver- wandten. Sein Weſen iſt ruhiger, weil ſeine Fähigkeiten geringer zu ſein ſcheinen. Jm Laufen und im Fliegen kommt es mit ihnen ſo ziemlich überein, ja dieſe Bewegungen ſind vielleicht noch leichter als beim Moraſtſchneehuhne. Aber nur ſelten fliegt das Alpenſchneehuhn weit in einem Zuge, da, wo es noch nicht verfolgt wurde, niemals. Schinz und Tſchudi haben gefunden, daß der Flug Aehnlichkeit mit dem Taubenfluge habe; ich meines Theils bin durch die von mir Beobach- teten niemals an Tauben erinnert worden: ich habe ſie eben nur mit dem Moraſtſchneehuhne ver- gleichen können. Jn einer Fertigkeit ſcheint unſer Huhn ſeine Verwandten entſchieden zu über- treffen: es iſt ein recht guter Schwimmer. „Jch habe mehrmals bemerkt“, ſagt Holboell, „daß das Schneehuhn nicht allein im Nothfall ſchwimmen kann, ſondern zuweilen ſelbſt ohne ſolchen Grund ſchwimmt. Jm September 1825 lag ich mit einer Galeaſſe auf der ſogenannten Süd- oſtbucht bei Grönland; wir hatten einige Tage Nebel, und mehrere Schneehühner kamen auf das Schiff. Eines von ihnen flog ſo gegen das Segel, daß es ins Waſſer fiel. Jch ließ, da es faſt ſtilles Wetter war, ein Boot ausſetzen, in der Meinung, es werde mir zur Beute werden; aber es erhob ſich mit größter Leichtigkeit vom Waſſer und flog davon. Jm nächſten Winter ſah ich bei zehn Grad Kälte zwei Schneehühner von den Udkigsfelſen bei Godhavn herabfliegen und ſich ohne Bedenken auf das Waſſer ſetzen. Gleichfalls habe ich Schneehühner in einem kleinen Gebirgswaſſer ſich baden und auf ſelbigem herumſchwimmen ſehen.“
Die Stimme iſt von der des Moraſthuhnes auffallend verſchieden und höchſt eigenthümlich. Es ſcheint aber, als ob die nordiſchen Arten ganz andere Laute hören laſſen wie die ſüdlichen. „Bei ſtarkem Nebelwetter“, ſagt Schinz, „oder wenn Schnee oder Regen fallen will, ſchreien die Alpenſchneehühner unaufhörlich „Krögögögöögrö“, oder auch „Oenö- göö, önö, göö“. Dagegen wenn ſie ihre Jungen locken oder einen Raubvogel erblicken, ſo ſchreien die Alten mehr „Gä-gä, gagää“, und die Jungen „Zip, zip, zip.“ Solche Laute habe ich nie vernommen, vielmehr, ebenſo wie andere Beobachter, nur ein merkwürdig dumpfes, röchelndes, tief aus der Kehle kommendes „Aah“, mit dem ſich übrigens noch ein Schnarren verbindet, welches ſich mit Buchſtaben wohl kaum ausdrücken läßt. Faber, Holboell und Krüper überſetzen dieſen Laut durch „Arrr“ oder „Orrr“; ich meine aber, daß man den R-Laut nicht ſo deutlich vernimmt, wie dadurch angedeutet werden ſoll. Den Lockruf des Weibchens ahmte mein norwegiſcher Jäger durch einen Laut nach, welcher an das Miauen junger Katzen erinnert, und ungefähr „Min“, aber ſo eigenthümlich klingt, daß auch mir Buchſtaben mangeln, um ihn treu wiederzugeben.
Gelegentlich der Schilderung ſeiner erſten Jagd auf Alpenſchneehühner bemerkt Boje: „Sie erwarteten auf dem mit Alpenpflanzen ſparſam bewachſenen Felſen wie verſteinert die Herankunft des Jägers und entflohen dann ohne Geſchrei mit geräuſchvollem Flügelſchlage“; ſpäter ſagt er: „Die unbeſchreibliche Trägheit dieſer Vögel ſticht ſonderbar gegen die Moraſtſchneehühner ab. Die Männchen ſcheinen den ganzen Tag lang in der Nähe ihrer brütenden Weibchen ſtill zu ſitzen, und zwar ſtets auf den höchſten, abhängigſten Plätzen, als erfreuten ſie ſich neben dem Abgrunde der fernſten Ausſicht“. Faber bezeichnet das isländiſche Alpenſchneehuhn als „außerordentlich und ſicher dumm“, Holboell das grönländiſche als „ſehr einfältig“. Jch habe bei Niederſchrift meiner Beob- achtungen faſt dieſelben Worte gebraucht, wie Boje: „Die beiden erſten Männchen, welche ich erlegte waren merkwürdig unvorſichtig, ſie zeigten nicht die geringſte Scheu, ſondern erwarteten den Jäger, ſcheinbar mit dem höchſten Erſtaunen, ohne wegzufliegen.“ Jn der Schweiz betragen ſich unſere Hühner nicht anders: „Bei Nebelwetter“, bemerkt Schinz, „laufen ſie am meiſten auf dem Boden herum und glauben ſich vor allen Nachſtellungen am ſicherſten; aber auch bei warmem Sonnenſcheine ſind ſie ſehr zahm.“ „Sie laſſen dann“, wie Tſchudi hinzufügt, „auf offenen Gipfeln den Menſchen oft bis auf zehn Schritt nahe kommen.“ Bei kaltem Wetter ſollen ſie ſcheuer ſein, wahrſcheinlich ſchon deshalb mit, weil ſie im Winter ſich zu größeren Scharen vereinigen.
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Alpenſchneehuhn.
Das Alpenſchneehuhn unterſcheidet ſich in ſeiner Lebensweiſe auffallend von ſeinen Ver-
wandten. Sein Weſen iſt ruhiger, weil ſeine Fähigkeiten geringer zu ſein ſcheinen. Jm Laufen
und im Fliegen kommt es mit ihnen ſo ziemlich überein, ja dieſe Bewegungen ſind vielleicht noch
leichter als beim Moraſtſchneehuhne. Aber nur ſelten fliegt das Alpenſchneehuhn weit in einem
Zuge, da, wo es noch nicht verfolgt wurde, niemals. Schinz und Tſchudi haben gefunden, daß
der Flug Aehnlichkeit mit dem Taubenfluge habe; ich meines Theils bin durch die von mir Beobach-
teten niemals an Tauben erinnert worden: ich habe ſie eben nur mit dem Moraſtſchneehuhne ver-
gleichen können. Jn einer Fertigkeit ſcheint unſer Huhn ſeine Verwandten entſchieden zu über-
treffen: es iſt ein recht guter Schwimmer. „Jch habe mehrmals bemerkt“, ſagt Holboell, „daß
das Schneehuhn nicht allein im Nothfall ſchwimmen kann, ſondern zuweilen ſelbſt ohne ſolchen
Grund ſchwimmt. Jm September 1825 lag ich mit einer Galeaſſe auf der ſogenannten Süd-
oſtbucht bei Grönland; wir hatten einige Tage Nebel, und mehrere Schneehühner kamen auf das
Schiff. Eines von ihnen flog ſo gegen das Segel, daß es ins Waſſer fiel. Jch ließ, da es faſt
ſtilles Wetter war, ein Boot ausſetzen, in der Meinung, es werde mir zur Beute werden; aber es
erhob ſich mit größter Leichtigkeit vom Waſſer und flog davon. Jm nächſten Winter ſah ich bei zehn
Grad Kälte zwei Schneehühner von den Udkigsfelſen bei Godhavn herabfliegen und ſich ohne
Bedenken auf das Waſſer ſetzen. Gleichfalls habe ich Schneehühner in einem kleinen Gebirgswaſſer
ſich baden und auf ſelbigem herumſchwimmen ſehen.“
Die Stimme iſt von der des Moraſthuhnes auffallend verſchieden und höchſt eigenthümlich.
Es ſcheint aber, als ob die nordiſchen Arten ganz andere Laute hören laſſen wie die ſüdlichen.
„Bei ſtarkem Nebelwetter“, ſagt Schinz, „oder wenn Schnee oder Regen fallen will, ſchreien die
Alpenſchneehühner unaufhörlich „Krögögögöögrö“, oder auch „Oenö- göö, önö, göö“. Dagegen
wenn ſie ihre Jungen locken oder einen Raubvogel erblicken, ſo ſchreien die Alten mehr „Gä-gä,
gagää“, und die Jungen „Zip, zip, zip.“ Solche Laute habe ich nie vernommen, vielmehr, ebenſo
wie andere Beobachter, nur ein merkwürdig dumpfes, röchelndes, tief aus der Kehle kommendes
„Aah“, mit dem ſich übrigens noch ein Schnarren verbindet, welches ſich mit Buchſtaben wohl kaum
ausdrücken läßt. Faber, Holboell und Krüper überſetzen dieſen Laut durch „Arrr“ oder
„Orrr“; ich meine aber, daß man den R-Laut nicht ſo deutlich vernimmt, wie dadurch angedeutet
werden ſoll. Den Lockruf des Weibchens ahmte mein norwegiſcher Jäger durch einen Laut nach,
welcher an das Miauen junger Katzen erinnert, und ungefähr „Min“, aber ſo eigenthümlich klingt,
daß auch mir Buchſtaben mangeln, um ihn treu wiederzugeben.
Gelegentlich der Schilderung ſeiner erſten Jagd auf Alpenſchneehühner bemerkt Boje: „Sie
erwarteten auf dem mit Alpenpflanzen ſparſam bewachſenen Felſen wie verſteinert die Herankunft
des Jägers und entflohen dann ohne Geſchrei mit geräuſchvollem Flügelſchlage“; ſpäter ſagt er:
„Die unbeſchreibliche Trägheit dieſer Vögel ſticht ſonderbar gegen die Moraſtſchneehühner ab. Die
Männchen ſcheinen den ganzen Tag lang in der Nähe ihrer brütenden Weibchen ſtill zu ſitzen, und
zwar ſtets auf den höchſten, abhängigſten Plätzen, als erfreuten ſie ſich neben dem Abgrunde der
fernſten Ausſicht“. Faber bezeichnet das isländiſche Alpenſchneehuhn als „außerordentlich und ſicher
dumm“, Holboell das grönländiſche als „ſehr einfältig“. Jch habe bei Niederſchrift meiner Beob-
achtungen faſt dieſelben Worte gebraucht, wie Boje: „Die beiden erſten Männchen, welche ich erlegte
waren merkwürdig unvorſichtig, ſie zeigten nicht die geringſte Scheu, ſondern erwarteten den Jäger,
ſcheinbar mit dem höchſten Erſtaunen, ohne wegzufliegen.“ Jn der Schweiz betragen ſich unſere Hühner
nicht anders: „Bei Nebelwetter“, bemerkt Schinz, „laufen ſie am meiſten auf dem Boden herum
und glauben ſich vor allen Nachſtellungen am ſicherſten; aber auch bei warmem Sonnenſcheine ſind ſie
ſehr zahm.“ „Sie laſſen dann“, wie Tſchudi hinzufügt, „auf offenen Gipfeln den Menſchen oft bis
auf zehn Schritt nahe kommen.“ Bei kaltem Wetter ſollen ſie ſcheuer ſein, wahrſcheinlich ſchon
deshalb mit, weil ſie im Winter ſich zu größeren Scharen vereinigen.
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 379. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/407>, abgerufen am 22.11.2024.
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