Ueber die Lebensweise des Prairiehuhnes haben wir durch Wilson, Audubon, Nuttall und Andere ausführliche Mittheilungen erhalten und außerdem in der letzten Zeit vielfach Gelegenheit gehabt, in unsern Thiergärten Gefangene zu beobachten.
"Als ich zuerst in Kentucky verweilte", sagt Audubon, dessen Schilderung ich vorzugsweise benutzen werde, "war das Prairiehuhn so häufig, daß man sein Wildpret nicht höher schätzte als gewöhnliches Fleisch, und kein wirklicher Jäger es für würdig hielt, darauf Jagd zu machen. Man sah diese Hühner mit derselben Mißgunst an, wie in andern Theilen der Vereinigten Staaten die Krähen, und zwar in Folge der Verheerungen, welche sie auf Fruchtbäumen und in Gärten während des Winters oder auf den Feldern im Laufe des Sommers anrichteten. Die Bauerkinder oder die Negerbuben waren vom Morgen bis zum Abend beschäftigt, mit Hilfe von Klappern die unwillkommenen Gäste zu vertreiben, und allerhand Fallen und Schlingen wurden gebraucht, um sie
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Das Prairiehuhn(Cupidonia americana). 1/2 der nat. Größe.
zu fangen. Jn jenen Tagen geschah es häufig, daß zur Winterszeit Prairiehühner ins Gehöft der Bauern kamen und hier mit den Hühnern fraßen, daß sie sich auf den Häusern freiwillig niederließen oder in den Straßen des Dorfes umherliefen. Jch erinnere mich, daß man mehrere in einem Stalle fing, welchen sie freiwillig aufgesucht hatten, Putern nachfolgend. Jm Laufe desselben Winters erlegte ein Freund von mir vierzig Stück von ihnen, zu dem einzigen Zwecke, um sich im Büchsen- schießen zu üben; denn er hielt es nicht der Mühe werth, die erlegten aufzunehmen: so übersättigt war er und alle Glieder seiner Familie mit dem Wildpret jener Hühner. Meine eigenen Diener zogen fetten Speck dem Braten der Prairiehühner entschieden vor."
Diese Erzählung klingt auffallend genug, wenn man weiß, daß sie sich auf dasselbe Land bezieht, in welchem man vor fünfundzwanzig (jetzt sechszig) Jahren das Stück dieser Hühner für einen Cent kaufen konnte, gegenwärtig aber kaum ein einziges gefunden wird. Auch die Prairiehühner haben
Die Läufer. Scharrvögel. Rauchfußhühner.
Ueber die Lebensweiſe des Prairiehuhnes haben wir durch Wilſon, Audubon, Nuttall und Andere ausführliche Mittheilungen erhalten und außerdem in der letzten Zeit vielfach Gelegenheit gehabt, in unſern Thiergärten Gefangene zu beobachten.
„Als ich zuerſt in Kentucky verweilte“, ſagt Audubon, deſſen Schilderung ich vorzugsweiſe benutzen werde, „war das Prairiehuhn ſo häufig, daß man ſein Wildpret nicht höher ſchätzte als gewöhnliches Fleiſch, und kein wirklicher Jäger es für würdig hielt, darauf Jagd zu machen. Man ſah dieſe Hühner mit derſelben Mißgunſt an, wie in andern Theilen der Vereinigten Staaten die Krähen, und zwar in Folge der Verheerungen, welche ſie auf Fruchtbäumen und in Gärten während des Winters oder auf den Feldern im Laufe des Sommers anrichteten. Die Bauerkinder oder die Negerbuben waren vom Morgen bis zum Abend beſchäftigt, mit Hilfe von Klappern die unwillkommenen Gäſte zu vertreiben, und allerhand Fallen und Schlingen wurden gebraucht, um ſie
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Das Prairiehuhn(Cupidonia americana). ½ der nat. Größe.
zu fangen. Jn jenen Tagen geſchah es häufig, daß zur Winterszeit Prairiehühner ins Gehöft der Bauern kamen und hier mit den Hühnern fraßen, daß ſie ſich auf den Häuſern freiwillig niederließen oder in den Straßen des Dorfes umherliefen. Jch erinnere mich, daß man mehrere in einem Stalle fing, welchen ſie freiwillig aufgeſucht hatten, Putern nachfolgend. Jm Laufe deſſelben Winters erlegte ein Freund von mir vierzig Stück von ihnen, zu dem einzigen Zwecke, um ſich im Büchſen- ſchießen zu üben; denn er hielt es nicht der Mühe werth, die erlegten aufzunehmen: ſo überſättigt war er und alle Glieder ſeiner Familie mit dem Wildpret jener Hühner. Meine eigenen Diener zogen fetten Speck dem Braten der Prairiehühner entſchieden vor.“
Dieſe Erzählung klingt auffallend genug, wenn man weiß, daß ſie ſich auf daſſelbe Land bezieht, in welchem man vor fünfundzwanzig (jetzt ſechszig) Jahren das Stück dieſer Hühner für einen Cent kaufen konnte, gegenwärtig aber kaum ein einziges gefunden wird. Auch die Prairiehühner haben
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Die Läufer. Scharrvögel. Rauchfußhühner.
Ueber die Lebensweiſe des Prairiehuhnes haben wir durch Wilſon, Audubon, Nuttall
und Andere ausführliche Mittheilungen erhalten und außerdem in der letzten Zeit vielfach Gelegenheit
gehabt, in unſern Thiergärten Gefangene zu beobachten.
„Als ich zuerſt in Kentucky verweilte“, ſagt Audubon, deſſen Schilderung ich vorzugsweiſe
benutzen werde, „war das Prairiehuhn ſo häufig, daß man ſein Wildpret nicht höher ſchätzte als
gewöhnliches Fleiſch, und kein wirklicher Jäger es für würdig hielt, darauf Jagd zu machen. Man
ſah dieſe Hühner mit derſelben Mißgunſt an, wie in andern Theilen der Vereinigten Staaten die
Krähen, und zwar in Folge der Verheerungen, welche ſie auf Fruchtbäumen und in Gärten
während des Winters oder auf den Feldern im Laufe des Sommers anrichteten. Die Bauerkinder
oder die Negerbuben waren vom Morgen bis zum Abend beſchäftigt, mit Hilfe von Klappern die
unwillkommenen Gäſte zu vertreiben, und allerhand Fallen und Schlingen wurden gebraucht, um ſie
[Abbildung Das Prairiehuhn (Cupidonia americana). ½ der nat. Größe.]
zu fangen. Jn jenen Tagen geſchah es häufig, daß zur Winterszeit Prairiehühner ins Gehöft der
Bauern kamen und hier mit den Hühnern fraßen, daß ſie ſich auf den Häuſern freiwillig niederließen
oder in den Straßen des Dorfes umherliefen. Jch erinnere mich, daß man mehrere in einem Stalle
fing, welchen ſie freiwillig aufgeſucht hatten, Putern nachfolgend. Jm Laufe deſſelben Winters
erlegte ein Freund von mir vierzig Stück von ihnen, zu dem einzigen Zwecke, um ſich im Büchſen-
ſchießen zu üben; denn er hielt es nicht der Mühe werth, die erlegten aufzunehmen: ſo überſättigt
war er und alle Glieder ſeiner Familie mit dem Wildpret jener Hühner. Meine eigenen Diener
zogen fetten Speck dem Braten der Prairiehühner entſchieden vor.“
Dieſe Erzählung klingt auffallend genug, wenn man weiß, daß ſie ſich auf daſſelbe Land bezieht,
in welchem man vor fünfundzwanzig (jetzt ſechszig) Jahren das Stück dieſer Hühner für einen Cent
kaufen konnte, gegenwärtig aber kaum ein einziges gefunden wird. Auch die Prairiehühner haben
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 362. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/390>, abgerufen am 25.11.2024.
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