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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Birkhuhn.
wieder in Ordnung sei, und bald ist der Plan wiederum mit den Tänzern bedeckt. Ein zweiter Hahn
wird geschossen; das alte Spiel beginnt von neuem, und wenn der Jäger Glück hat, kann er ihrer
drei und vier an einem Morgen erlegen. Jn manchen Gegenden baut man sich auch da, wo Birk-
hähne bei Sonnenaufgange einzufallen pflegen, Schießhütten zum Versteck. Geübte Schützen locken
die verliebten Hähne durch Nachahmung des Blasens oder durch den Laut der Hennen herbei oder
bethören die Jungen dadurch, daß sie den Ruf der Mutter hören lassen; kurz, es werden die aller-
verschiedenartigsten Jagdweisen in Anwendung gebracht. Jn Kurland, Livland und Lithauen wird
die Jagd mit dem "Balbahn" oder "Bulwan" betrieben, einem ausgestopften oder künstlich
nachgebildeten Spielhahne, welcher auf einem Fallbaume befestigt wird. Ein Jäger verbirgt sich unter
einem Schirme in der Nähe des Baumes, sein Gehilfe scheucht die balzenden Hähne von ihren
Lieblingsplätzen weg und bewirkt damit, daß sie sich auf Bäumen niederlassen, von denen aus sie
den vermeintlichen Nebenbuhler erspähen. Jst Dies der Fall, so treibt sie die Eifersucht in die
Nähe desselben und regelmäßig ins Verderben.

Jn Tyrol und in den bayerischen Hochgebirgen wird dem Birkhahne besonders eifrig nachgestellt,
weil seine Schwanzfedern als ein beliebter Schmuck von jungen Burschen am Hute getragen werden.
Noch vor etwa dreißig Jahren galten diese Spielhahnfedern, laut Kobell, als ein Zeichen der
Herausforderung und Rauflust, je nachdem sie am Hute befestigt waren.

Nach Tyrolersagen trägt der Teufel, wenn er, wie es so häufig geschieht, als Jäger erscheint,
einen halben Spielhahnstoß auf seinem Hute, nicht aber auf der linken Seite, wie christliche Jäger,
sondern stets auf der rechten, sodaß ihn also der Fromme leicht zu erkennen und vor seinen gefähr-
lichen Lockungen sich zu schützen vermag.

Alt eingefangene Birkhühner lassen sich bei geeigneter Pflege jahrelang am Leben erhalten und,
wenn man ihnen genügenden Spielraum gibt, auch zur Fortpflanzung bringen. Nach meinen
Erfahrungen ist es unbedingt nothwendig, ihnen einen größeren Raum anzuweisen, welcher zwar
gegen Zug geschützt sein, im übrigen aber gänzlich im Freien stehen muß. Bepflanzt man den
Boden dieses Raumes mit dichtem Gestrüpp, so wird man mit ziemlicher Sicherheit auf Nach-
kommenschaft rechnen dürfen; denn der Birkhahn balzt in der Gefangenschaft wo möglich noch
eifriger, als im Freien. Er läßt sich regelmäßig in jedem Herbste hören, beginnt im Frühlinge mit
dem ersten warmen Tage, und balzt bis gegen Juni hin ununterbrochen fort. Eine der gefangenen
Hennen des hamburger Thiergartens legte sechs Eier und schickte sich an, dieselben zu bebrüten, verließ
das Nest aber in Folge der vielen Störungen wieder; es gelang daher leider nicht, Junge zu erziehen.
Skandinavische Vogelliebhaber sind glücklicher gewesen: gegenwärtig kennen wir viele Beispiele, daß
Birkhühner im Käfige gezüchtet wurden. Die Jungen müssen mit der größten Vorsicht behandelt
werden, und auch die Alteingefangenen gewöhnen sich schwer an ein passendes Ersatzfutter, obgleich
sie später kaum mehr Umstände verursachen als Haushühner.

Jn Gegenden, wo Auer- und Birkhühner neben einander wohnen und die Auerhähne außer-
gewöhnlich vermindert worden sind, finden sich zuweilen Auerhennen in der Nähe eines Balzplatzes
der Birkhähne ein, um sich von diesen betreten zu lassen, und ebenso geschieht es, daß sich Birk-
hennen zu unbeweibten Moorschneehähnen in gleicher Absicht gesellen oder wenigstens deren Liebes-
bewerbungen gestatten. Bis gegen Anfang der dreißiger Jahre kannte man nur die aus der
Vereinigung eines Birkhahnes und einer Auerhenne entstandenen Blendlinge und war geneigt,
in ihnen eine eigene Art Rauchfußhühner zu sehen; Nilsson's ausgezeichnete Forschungen
aber und die Entdeckung der Bastarde von Birk- und Moorschneehühnern bewiesen das Jrrige
dieser Ansicht, welche unter Andern auch von meinem Vater lange Zeit festgehalten wurde. Gegen-
wärtig haben wir viele Beobachtungen darüber gesammelt, daß sich verschiedenartige Vögel freiwillig
geschlechtlich vermischen und Blendlinge erzeugen: die Entstehung jener Bastarde hat somit nichts
Auffälliges mehr für uns; gleichwohl bleibt sie immer einer allgemeinen Beachtung werth, und
deshalb will ich ihre kurze Beschreibung hier folgen lassen.

Brehm, Thierleben. IV. 23

Birkhuhn.
wieder in Ordnung ſei, und bald iſt der Plan wiederum mit den Tänzern bedeckt. Ein zweiter Hahn
wird geſchoſſen; das alte Spiel beginnt von neuem, und wenn der Jäger Glück hat, kann er ihrer
drei und vier an einem Morgen erlegen. Jn manchen Gegenden baut man ſich auch da, wo Birk-
hähne bei Sonnenaufgange einzufallen pflegen, Schießhütten zum Verſteck. Geübte Schützen locken
die verliebten Hähne durch Nachahmung des Blaſens oder durch den Laut der Hennen herbei oder
bethören die Jungen dadurch, daß ſie den Ruf der Mutter hören laſſen; kurz, es werden die aller-
verſchiedenartigſten Jagdweiſen in Anwendung gebracht. Jn Kurland, Livland und Lithauen wird
die Jagd mit dem „Balbahn“ oder „Bulwan“ betrieben, einem ausgeſtopften oder künſtlich
nachgebildeten Spielhahne, welcher auf einem Fallbaume befeſtigt wird. Ein Jäger verbirgt ſich unter
einem Schirme in der Nähe des Baumes, ſein Gehilfe ſcheucht die balzenden Hähne von ihren
Lieblingsplätzen weg und bewirkt damit, daß ſie ſich auf Bäumen niederlaſſen, von denen aus ſie
den vermeintlichen Nebenbuhler erſpähen. Jſt Dies der Fall, ſo treibt ſie die Eiferſucht in die
Nähe deſſelben und regelmäßig ins Verderben.

Jn Tyrol und in den bayeriſchen Hochgebirgen wird dem Birkhahne beſonders eifrig nachgeſtellt,
weil ſeine Schwanzfedern als ein beliebter Schmuck von jungen Burſchen am Hute getragen werden.
Noch vor etwa dreißig Jahren galten dieſe Spielhahnfedern, laut Kobell, als ein Zeichen der
Herausforderung und Raufluſt, je nachdem ſie am Hute befeſtigt waren.

Nach Tyrolerſagen trägt der Teufel, wenn er, wie es ſo häufig geſchieht, als Jäger erſcheint,
einen halben Spielhahnſtoß auf ſeinem Hute, nicht aber auf der linken Seite, wie chriſtliche Jäger,
ſondern ſtets auf der rechten, ſodaß ihn alſo der Fromme leicht zu erkennen und vor ſeinen gefähr-
lichen Lockungen ſich zu ſchützen vermag.

Alt eingefangene Birkhühner laſſen ſich bei geeigneter Pflege jahrelang am Leben erhalten und,
wenn man ihnen genügenden Spielraum gibt, auch zur Fortpflanzung bringen. Nach meinen
Erfahrungen iſt es unbedingt nothwendig, ihnen einen größeren Raum anzuweiſen, welcher zwar
gegen Zug geſchützt ſein, im übrigen aber gänzlich im Freien ſtehen muß. Bepflanzt man den
Boden dieſes Raumes mit dichtem Geſtrüpp, ſo wird man mit ziemlicher Sicherheit auf Nach-
kommenſchaft rechnen dürfen; denn der Birkhahn balzt in der Gefangenſchaft wo möglich noch
eifriger, als im Freien. Er läßt ſich regelmäßig in jedem Herbſte hören, beginnt im Frühlinge mit
dem erſten warmen Tage, und balzt bis gegen Juni hin ununterbrochen fort. Eine der gefangenen
Hennen des hamburger Thiergartens legte ſechs Eier und ſchickte ſich an, dieſelben zu bebrüten, verließ
das Neſt aber in Folge der vielen Störungen wieder; es gelang daher leider nicht, Junge zu erziehen.
Skandinaviſche Vogelliebhaber ſind glücklicher geweſen: gegenwärtig kennen wir viele Beiſpiele, daß
Birkhühner im Käfige gezüchtet wurden. Die Jungen müſſen mit der größten Vorſicht behandelt
werden, und auch die Alteingefangenen gewöhnen ſich ſchwer an ein paſſendes Erſatzfutter, obgleich
ſie ſpäter kaum mehr Umſtände verurſachen als Haushühner.

Jn Gegenden, wo Auer- und Birkhühner neben einander wohnen und die Auerhähne außer-
gewöhnlich vermindert worden ſind, finden ſich zuweilen Auerhennen in der Nähe eines Balzplatzes
der Birkhähne ein, um ſich von dieſen betreten zu laſſen, und ebenſo geſchieht es, daß ſich Birk-
hennen zu unbeweibten Moorſchneehähnen in gleicher Abſicht geſellen oder wenigſtens deren Liebes-
bewerbungen geſtatten. Bis gegen Anfang der dreißiger Jahre kannte man nur die aus der
Vereinigung eines Birkhahnes und einer Auerhenne entſtandenen Blendlinge und war geneigt,
in ihnen eine eigene Art Rauchfußhühner zu ſehen; Nilſſon’s ausgezeichnete Forſchungen
aber und die Entdeckung der Baſtarde von Birk- und Moorſchneehühnern bewieſen das Jrrige
dieſer Anſicht, welche unter Andern auch von meinem Vater lange Zeit feſtgehalten wurde. Gegen-
wärtig haben wir viele Beobachtungen darüber geſammelt, daß ſich verſchiedenartige Vögel freiwillig
geſchlechtlich vermiſchen und Blendlinge erzeugen: die Entſtehung jener Baſtarde hat ſomit nichts
Auffälliges mehr für uns; gleichwohl bleibt ſie immer einer allgemeinen Beachtung werth, und
deshalb will ich ihre kurze Beſchreibung hier folgen laſſen.

Brehm, Thierleben. IV. 23
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[353/0381] Birkhuhn. wieder in Ordnung ſei, und bald iſt der Plan wiederum mit den Tänzern bedeckt. Ein zweiter Hahn wird geſchoſſen; das alte Spiel beginnt von neuem, und wenn der Jäger Glück hat, kann er ihrer drei und vier an einem Morgen erlegen. Jn manchen Gegenden baut man ſich auch da, wo Birk- hähne bei Sonnenaufgange einzufallen pflegen, Schießhütten zum Verſteck. Geübte Schützen locken die verliebten Hähne durch Nachahmung des Blaſens oder durch den Laut der Hennen herbei oder bethören die Jungen dadurch, daß ſie den Ruf der Mutter hören laſſen; kurz, es werden die aller- verſchiedenartigſten Jagdweiſen in Anwendung gebracht. Jn Kurland, Livland und Lithauen wird die Jagd mit dem „Balbahn“ oder „Bulwan“ betrieben, einem ausgeſtopften oder künſtlich nachgebildeten Spielhahne, welcher auf einem Fallbaume befeſtigt wird. Ein Jäger verbirgt ſich unter einem Schirme in der Nähe des Baumes, ſein Gehilfe ſcheucht die balzenden Hähne von ihren Lieblingsplätzen weg und bewirkt damit, daß ſie ſich auf Bäumen niederlaſſen, von denen aus ſie den vermeintlichen Nebenbuhler erſpähen. Jſt Dies der Fall, ſo treibt ſie die Eiferſucht in die Nähe deſſelben und regelmäßig ins Verderben. Jn Tyrol und in den bayeriſchen Hochgebirgen wird dem Birkhahne beſonders eifrig nachgeſtellt, weil ſeine Schwanzfedern als ein beliebter Schmuck von jungen Burſchen am Hute getragen werden. Noch vor etwa dreißig Jahren galten dieſe Spielhahnfedern, laut Kobell, als ein Zeichen der Herausforderung und Raufluſt, je nachdem ſie am Hute befeſtigt waren. Nach Tyrolerſagen trägt der Teufel, wenn er, wie es ſo häufig geſchieht, als Jäger erſcheint, einen halben Spielhahnſtoß auf ſeinem Hute, nicht aber auf der linken Seite, wie chriſtliche Jäger, ſondern ſtets auf der rechten, ſodaß ihn alſo der Fromme leicht zu erkennen und vor ſeinen gefähr- lichen Lockungen ſich zu ſchützen vermag. Alt eingefangene Birkhühner laſſen ſich bei geeigneter Pflege jahrelang am Leben erhalten und, wenn man ihnen genügenden Spielraum gibt, auch zur Fortpflanzung bringen. Nach meinen Erfahrungen iſt es unbedingt nothwendig, ihnen einen größeren Raum anzuweiſen, welcher zwar gegen Zug geſchützt ſein, im übrigen aber gänzlich im Freien ſtehen muß. Bepflanzt man den Boden dieſes Raumes mit dichtem Geſtrüpp, ſo wird man mit ziemlicher Sicherheit auf Nach- kommenſchaft rechnen dürfen; denn der Birkhahn balzt in der Gefangenſchaft wo möglich noch eifriger, als im Freien. Er läßt ſich regelmäßig in jedem Herbſte hören, beginnt im Frühlinge mit dem erſten warmen Tage, und balzt bis gegen Juni hin ununterbrochen fort. Eine der gefangenen Hennen des hamburger Thiergartens legte ſechs Eier und ſchickte ſich an, dieſelben zu bebrüten, verließ das Neſt aber in Folge der vielen Störungen wieder; es gelang daher leider nicht, Junge zu erziehen. Skandinaviſche Vogelliebhaber ſind glücklicher geweſen: gegenwärtig kennen wir viele Beiſpiele, daß Birkhühner im Käfige gezüchtet wurden. Die Jungen müſſen mit der größten Vorſicht behandelt werden, und auch die Alteingefangenen gewöhnen ſich ſchwer an ein paſſendes Erſatzfutter, obgleich ſie ſpäter kaum mehr Umſtände verurſachen als Haushühner. Jn Gegenden, wo Auer- und Birkhühner neben einander wohnen und die Auerhähne außer- gewöhnlich vermindert worden ſind, finden ſich zuweilen Auerhennen in der Nähe eines Balzplatzes der Birkhähne ein, um ſich von dieſen betreten zu laſſen, und ebenſo geſchieht es, daß ſich Birk- hennen zu unbeweibten Moorſchneehähnen in gleicher Abſicht geſellen oder wenigſtens deren Liebes- bewerbungen geſtatten. Bis gegen Anfang der dreißiger Jahre kannte man nur die aus der Vereinigung eines Birkhahnes und einer Auerhenne entſtandenen Blendlinge und war geneigt, in ihnen eine eigene Art Rauchfußhühner zu ſehen; Nilſſon’s ausgezeichnete Forſchungen aber und die Entdeckung der Baſtarde von Birk- und Moorſchneehühnern bewieſen das Jrrige dieſer Anſicht, welche unter Andern auch von meinem Vater lange Zeit feſtgehalten wurde. Gegen- wärtig haben wir viele Beobachtungen darüber geſammelt, daß ſich verſchiedenartige Vögel freiwillig geſchlechtlich vermiſchen und Blendlinge erzeugen: die Entſtehung jener Baſtarde hat ſomit nichts Auffälliges mehr für uns; gleichwohl bleibt ſie immer einer allgemeinen Beachtung werth, und deshalb will ich ihre kurze Beſchreibung hier folgen laſſen. Brehm, Thierleben. IV. 23

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 353. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/381>, abgerufen am 25.11.2024.