Der Birkhahn wählt sich zu seiner Balze regelmäßig einen freien Platz im Walde, am liebsten eine Wiese oder Lehde, auch wohl einen Schlag, auf welchem die junge Baumsaat ihn noch nicht hindern kann. Er erscheint am Abend in der Nähe desselben, tritt zu Baume und balzt hier in Unterbrechungen bis zum Einbruche der Nacht. Früh in der Morgendämmerung verläßt er die Schlafstelle und begibt sich auf den Boden herab; denn seine Tänze erfordern einen großen Raum. Wo das Birkwild häufig ist, sammeln sich auf günstigen Plätzen viele an, nach Nilsson's Versicherung ihrer dreißig bis vierzig, manchmal hundert. Der erste Hahn, welcher sich zeigt, gibt beim Einstieben einige quiekende Töne von sich, schweigt hierauf einige Zeit und beginnt nun zu blasen oder zu schleifen, worauf die eigentliche Balze anfängt. Jm März und in den ersten Tagen des April wird sie noch oft unterbrochen, später währt sie den ganzen Morgen fort, und jeder einzelne Hahn beweist dann eine Ausdauer, welche uns in Erstaunen setzt: in Lappland hörte ich den Birkhahn von elf Uhr abends an, bis früh um zwei Uhr ununterbrochen balzen. Bei uns zu Lande pflegt er erst mit Anbruch des Morgens zu beginnen, und so ist es, laut Tschudi, auch im Hochgebirge. "Vor Eintritt der Morgendämmerung, beinahe eine Stunde vor Sonnenaufgang, hört man in den Alpen bis 5000 Fuß überm Meere zuerst den kurzen Gesang des Hausröthlings eine Weile ganz allein; bald darauf erweckt der hundertstimmige Schlag der Ringamseln alles Vogel- leben, vom düstern Hochwald bis zu den letzten Zwergföhren hinan, und erfüllt alle Flühen und Bergthäler; unmittelbar darauf, wohl eine starke halbe Stunde vor Sonnenaufgang, tönt der klangvolle erste Balzruf des Birkhahns weit durch die Runde, und ihm antworten hier und dort, von dieser Alp, von jener Felsenkuppe, aus diesem Krummholzdickicht und von jenem kleinen Bergthalwäldchen herauf die Genossen. Mehr als eine halbe Stunde weit hört man das dumpfe Kollern und zischende Fauchen jedes Einzelnen aus allem Vögeljubel deutlich heraus." Die Balze selbst ist Liebestanz und Liebesgesang zugleich. Auf das erste Pfeifen oder Quieken, welches man vom einstiebenden Hahne vernimmt, folgt das sogenannte Blasen oder Schleifen, ein merkwürdiges hohles Zischen, welches Nilsson nicht übel durch die Buchstaben "Tschjo -- y" wiedergibt und unmittelbar daran reiht sich das sogenannte Kollern, welches Bechstein durch die Silbe "Golgolgolgolrei", Nilsson aber, und meinem Gefühle nach richtiger, durch die Laute "Rutturu -- ruttu -- ruiki -- urr -- urr -- urr -- rrrutturu -- ruttu -- rucki" zu übertragen versuchte. Wenn der Hahn sehr hitzig ist, balzt er in Einem fort, sodaß Kollern und Schleifen beständig abzu- wechseln scheinen, und man den Anfang und das Ende eines Satzes kaum mehr unterscheiden kann. Es kommt beim Birkhahn nur selten vor, daß er, wie der Auerhahn, Alles um sich her vergißt und so zu sagen taub und blind ist; ich kenne übrigens doch Fälle, daß Einzelne, auf welche während des Schleifens geschossen wurde, nicht von der Stelle wichen, sondern zu der Meinung verleiteten, daß sie den Knall nicht vernommen. Beim Balzen geberdet sich der Birkhahn in der sonderbarsten und tollsten Weise. "Vor dem Kollern", sagt mein Vater, "hält er den Schwanz senkrecht und fächerförmig ausgebreitet, richtet Hals und Kopf, an welchem alle Federn gesträubt sind, in die Höhe und trägt die Flügel vom Leibe ab und gesenkt; dann thut er einige Sprünge hin und her, zuweilen im Kreise herum, drückt endlich den Unterschnabel so tief auf die Erde, daß er sich die Kinnfedern abreibt. Bei allen diesen Bewegungen schlägt er mit den Flügeln und dreht sich um sich selbst herum." Je hitziger er wird, um so lebhafter geberdet er sich, und schließlich meint man, daß man einen Wahnsinnigen oder Tollen vor sich sehe. Am heftigsten werden die Bewegungen, wenn sich mehrere Birkhähne auf ein und derselben Stelle einfinden; dann werden aus den Tänzern wüthende Streiter. Jhrer zwei stellen sich gegeneinander auf, wie Haushähne, fahren mit tief zu Boden gesenkten Köpfen auf einander los, springen beide zu gleicher Zeit senkrecht vom Boden auf, versuchen sich zu hauen und zu kratzen, fallen wieder herab, umgehen sich unter wüthendem Kollern mehrmals, nehmen einen neuen Anlauf, und streben, sich gegenseitig zu packen. Wird der Kampf ernsthaft, so muß jeder der Kämpfer Federn lassen; aber trotz der scheinbaren Wuth, mit welcher sie kämpfen, kommen kaum, vielleicht niemals ernsthafte Verwundungen vor, und es scheint
Birkhuhn.
Der Birkhahn wählt ſich zu ſeiner Balze regelmäßig einen freien Platz im Walde, am liebſten eine Wieſe oder Lehde, auch wohl einen Schlag, auf welchem die junge Baumſaat ihn noch nicht hindern kann. Er erſcheint am Abend in der Nähe deſſelben, tritt zu Baume und balzt hier in Unterbrechungen bis zum Einbruche der Nacht. Früh in der Morgendämmerung verläßt er die Schlafſtelle und begibt ſich auf den Boden herab; denn ſeine Tänze erfordern einen großen Raum. Wo das Birkwild häufig iſt, ſammeln ſich auf günſtigen Plätzen viele an, nach Nilſſon’s Verſicherung ihrer dreißig bis vierzig, manchmal hundert. Der erſte Hahn, welcher ſich zeigt, gibt beim Einſtieben einige quiekende Töne von ſich, ſchweigt hierauf einige Zeit und beginnt nun zu blaſen oder zu ſchleifen, worauf die eigentliche Balze anfängt. Jm März und in den erſten Tagen des April wird ſie noch oft unterbrochen, ſpäter währt ſie den ganzen Morgen fort, und jeder einzelne Hahn beweiſt dann eine Ausdauer, welche uns in Erſtaunen ſetzt: in Lappland hörte ich den Birkhahn von elf Uhr abends an, bis früh um zwei Uhr ununterbrochen balzen. Bei uns zu Lande pflegt er erſt mit Anbruch des Morgens zu beginnen, und ſo iſt es, laut Tſchudi, auch im Hochgebirge. „Vor Eintritt der Morgendämmerung, beinahe eine Stunde vor Sonnenaufgang, hört man in den Alpen bis 5000 Fuß überm Meere zuerſt den kurzen Geſang des Hausröthlings eine Weile ganz allein; bald darauf erweckt der hundertſtimmige Schlag der Ringamſeln alles Vogel- leben, vom düſtern Hochwald bis zu den letzten Zwergföhren hinan, und erfüllt alle Flühen und Bergthäler; unmittelbar darauf, wohl eine ſtarke halbe Stunde vor Sonnenaufgang, tönt der klangvolle erſte Balzruf des Birkhahns weit durch die Runde, und ihm antworten hier und dort, von dieſer Alp, von jener Felſenkuppe, aus dieſem Krummholzdickicht und von jenem kleinen Bergthalwäldchen herauf die Genoſſen. Mehr als eine halbe Stunde weit hört man das dumpfe Kollern und ziſchende Fauchen jedes Einzelnen aus allem Vögeljubel deutlich heraus.“ Die Balze ſelbſt iſt Liebestanz und Liebesgeſang zugleich. Auf das erſte Pfeifen oder Quieken, welches man vom einſtiebenden Hahne vernimmt, folgt das ſogenannte Blaſen oder Schleifen, ein merkwürdiges hohles Ziſchen, welches Nilſſon nicht übel durch die Buchſtaben „Tſchjo — y“ wiedergibt und unmittelbar daran reiht ſich das ſogenannte Kollern, welches Bechſtein durch die Silbe „Golgolgolgolrei“, Nilſſon aber, und meinem Gefühle nach richtiger, durch die Laute „Rutturu — ruttu — ruiki — urr — urr — urr — rrrutturu — ruttu — rucki“ zu übertragen verſuchte. Wenn der Hahn ſehr hitzig iſt, balzt er in Einem fort, ſodaß Kollern und Schleifen beſtändig abzu- wechſeln ſcheinen, und man den Anfang und das Ende eines Satzes kaum mehr unterſcheiden kann. Es kommt beim Birkhahn nur ſelten vor, daß er, wie der Auerhahn, Alles um ſich her vergißt und ſo zu ſagen taub und blind iſt; ich kenne übrigens doch Fälle, daß Einzelne, auf welche während des Schleifens geſchoſſen wurde, nicht von der Stelle wichen, ſondern zu der Meinung verleiteten, daß ſie den Knall nicht vernommen. Beim Balzen geberdet ſich der Birkhahn in der ſonderbarſten und tollſten Weiſe. „Vor dem Kollern“, ſagt mein Vater, „hält er den Schwanz ſenkrecht und fächerförmig ausgebreitet, richtet Hals und Kopf, an welchem alle Federn geſträubt ſind, in die Höhe und trägt die Flügel vom Leibe ab und geſenkt; dann thut er einige Sprünge hin und her, zuweilen im Kreiſe herum, drückt endlich den Unterſchnabel ſo tief auf die Erde, daß er ſich die Kinnfedern abreibt. Bei allen dieſen Bewegungen ſchlägt er mit den Flügeln und dreht ſich um ſich ſelbſt herum.“ Je hitziger er wird, um ſo lebhafter geberdet er ſich, und ſchließlich meint man, daß man einen Wahnſinnigen oder Tollen vor ſich ſehe. Am heftigſten werden die Bewegungen, wenn ſich mehrere Birkhähne auf ein und derſelben Stelle einfinden; dann werden aus den Tänzern wüthende Streiter. Jhrer zwei ſtellen ſich gegeneinander auf, wie Haushähne, fahren mit tief zu Boden geſenkten Köpfen auf einander los, ſpringen beide zu gleicher Zeit ſenkrecht vom Boden auf, verſuchen ſich zu hauen und zu kratzen, fallen wieder herab, umgehen ſich unter wüthendem Kollern mehrmals, nehmen einen neuen Anlauf, und ſtreben, ſich gegenſeitig zu packen. Wird der Kampf ernſthaft, ſo muß jeder der Kämpfer Federn laſſen; aber trotz der ſcheinbaren Wuth, mit welcher ſie kämpfen, kommen kaum, vielleicht niemals ernſthafte Verwundungen vor, und es ſcheint
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0379"n="351"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Birkhuhn.</hi></fw><lb/><p>Der Birkhahn wählt ſich zu ſeiner Balze regelmäßig einen freien Platz im Walde, am liebſten<lb/>
eine Wieſe oder Lehde, auch wohl einen Schlag, auf welchem die junge Baumſaat ihn noch nicht<lb/>
hindern kann. Er erſcheint am Abend in der Nähe deſſelben, tritt zu Baume und balzt hier in<lb/>
Unterbrechungen bis zum Einbruche der Nacht. Früh in der Morgendämmerung verläßt er die<lb/>
Schlafſtelle und begibt ſich auf den Boden herab; denn ſeine Tänze erfordern einen großen Raum.<lb/>
Wo das Birkwild häufig iſt, ſammeln ſich auf günſtigen Plätzen viele an, nach <hirendition="#g">Nilſſon’s</hi><lb/>
Verſicherung ihrer dreißig bis vierzig, manchmal hundert. Der erſte Hahn, welcher ſich zeigt, gibt<lb/>
beim Einſtieben einige quiekende Töne von ſich, ſchweigt hierauf einige Zeit und beginnt nun zu<lb/>
blaſen oder zu ſchleifen, worauf die eigentliche Balze anfängt. Jm März und in den erſten Tagen<lb/>
des April wird ſie noch oft unterbrochen, ſpäter währt ſie den ganzen Morgen fort, und jeder<lb/>
einzelne Hahn beweiſt dann eine Ausdauer, welche uns in Erſtaunen ſetzt: in Lappland hörte ich den<lb/>
Birkhahn von elf Uhr abends an, bis früh um zwei Uhr ununterbrochen balzen. Bei uns zu Lande<lb/>
pflegt er erſt mit Anbruch des Morgens zu beginnen, und ſo iſt es, laut <hirendition="#g">Tſchudi,</hi> auch im<lb/>
Hochgebirge. „Vor Eintritt der Morgendämmerung, beinahe eine Stunde vor Sonnenaufgang,<lb/>
hört man in den Alpen bis 5000 Fuß überm Meere zuerſt den kurzen Geſang des Hausröthlings<lb/>
eine Weile ganz allein; bald darauf erweckt der hundertſtimmige Schlag der Ringamſeln alles Vogel-<lb/>
leben, vom düſtern Hochwald bis zu den letzten Zwergföhren hinan, und erfüllt alle Flühen und<lb/>
Bergthäler; unmittelbar darauf, wohl eine ſtarke halbe Stunde vor Sonnenaufgang, tönt der<lb/>
klangvolle erſte Balzruf des Birkhahns weit durch die Runde, und ihm antworten hier und dort,<lb/>
von dieſer Alp, von jener Felſenkuppe, aus dieſem Krummholzdickicht und von jenem kleinen<lb/>
Bergthalwäldchen herauf die Genoſſen. Mehr als eine halbe Stunde weit hört man das dumpfe<lb/>
Kollern und ziſchende Fauchen jedes Einzelnen aus allem Vögeljubel deutlich heraus.“ Die Balze<lb/>ſelbſt iſt Liebestanz und Liebesgeſang zugleich. Auf das erſte Pfeifen oder Quieken, welches man<lb/>
vom einſtiebenden Hahne vernimmt, folgt das ſogenannte Blaſen oder Schleifen, ein merkwürdiges<lb/>
hohles Ziſchen, welches <hirendition="#g">Nilſſon</hi> nicht übel durch die Buchſtaben „Tſchjo — y“ wiedergibt<lb/>
und unmittelbar daran reiht ſich das ſogenannte Kollern, welches <hirendition="#g">Bechſtein</hi> durch die Silbe<lb/>„Golgolgolgolrei“, <hirendition="#g">Nilſſon</hi> aber, und meinem Gefühle nach richtiger, durch die Laute „Rutturu —<lb/>
ruttu — ruiki — urr — urr — urr — rrrutturu — ruttu — rucki“ zu übertragen verſuchte. Wenn<lb/>
der Hahn ſehr hitzig iſt, balzt er in Einem fort, ſodaß Kollern und Schleifen beſtändig abzu-<lb/>
wechſeln ſcheinen, und man den Anfang und das Ende eines Satzes kaum mehr unterſcheiden kann.<lb/>
Es kommt beim Birkhahn nur ſelten vor, daß er, wie der Auerhahn, Alles um ſich her vergißt<lb/>
und ſo zu ſagen taub und blind iſt; ich kenne übrigens doch Fälle, daß Einzelne, auf welche<lb/>
während des Schleifens geſchoſſen wurde, nicht von der Stelle wichen, ſondern zu der Meinung<lb/>
verleiteten, daß ſie den Knall nicht vernommen. Beim Balzen geberdet ſich der Birkhahn in der<lb/>ſonderbarſten und tollſten Weiſe. „Vor dem Kollern“, ſagt mein Vater, „hält er den Schwanz<lb/>ſenkrecht und fächerförmig ausgebreitet, richtet Hals und Kopf, an welchem alle Federn geſträubt<lb/>ſind, in die Höhe und trägt die Flügel vom Leibe ab und geſenkt; dann thut er einige Sprünge hin<lb/>
und her, zuweilen im Kreiſe herum, drückt endlich den Unterſchnabel ſo tief auf die Erde, daß er ſich<lb/>
die Kinnfedern abreibt. Bei allen dieſen Bewegungen ſchlägt er mit den Flügeln und dreht ſich um<lb/>ſich ſelbſt herum.“ Je hitziger er wird, um ſo lebhafter geberdet er ſich, und ſchließlich meint man,<lb/>
daß man einen Wahnſinnigen oder Tollen vor ſich ſehe. Am heftigſten werden die Bewegungen,<lb/>
wenn ſich mehrere Birkhähne auf ein und derſelben Stelle einfinden; dann werden aus den Tänzern<lb/>
wüthende Streiter. Jhrer zwei ſtellen ſich gegeneinander auf, wie Haushähne, fahren mit tief<lb/>
zu Boden geſenkten Köpfen auf einander los, ſpringen beide zu gleicher Zeit ſenkrecht vom Boden<lb/>
auf, verſuchen ſich zu hauen und zu kratzen, fallen wieder herab, umgehen ſich unter wüthendem<lb/>
Kollern mehrmals, nehmen einen neuen Anlauf, und ſtreben, ſich gegenſeitig zu packen. Wird<lb/>
der Kampf ernſthaft, ſo muß jeder der Kämpfer Federn laſſen; aber trotz der ſcheinbaren Wuth, mit<lb/>
welcher ſie kämpfen, kommen kaum, vielleicht niemals ernſthafte Verwundungen vor, und es ſcheint<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[351/0379]
Birkhuhn.
Der Birkhahn wählt ſich zu ſeiner Balze regelmäßig einen freien Platz im Walde, am liebſten
eine Wieſe oder Lehde, auch wohl einen Schlag, auf welchem die junge Baumſaat ihn noch nicht
hindern kann. Er erſcheint am Abend in der Nähe deſſelben, tritt zu Baume und balzt hier in
Unterbrechungen bis zum Einbruche der Nacht. Früh in der Morgendämmerung verläßt er die
Schlafſtelle und begibt ſich auf den Boden herab; denn ſeine Tänze erfordern einen großen Raum.
Wo das Birkwild häufig iſt, ſammeln ſich auf günſtigen Plätzen viele an, nach Nilſſon’s
Verſicherung ihrer dreißig bis vierzig, manchmal hundert. Der erſte Hahn, welcher ſich zeigt, gibt
beim Einſtieben einige quiekende Töne von ſich, ſchweigt hierauf einige Zeit und beginnt nun zu
blaſen oder zu ſchleifen, worauf die eigentliche Balze anfängt. Jm März und in den erſten Tagen
des April wird ſie noch oft unterbrochen, ſpäter währt ſie den ganzen Morgen fort, und jeder
einzelne Hahn beweiſt dann eine Ausdauer, welche uns in Erſtaunen ſetzt: in Lappland hörte ich den
Birkhahn von elf Uhr abends an, bis früh um zwei Uhr ununterbrochen balzen. Bei uns zu Lande
pflegt er erſt mit Anbruch des Morgens zu beginnen, und ſo iſt es, laut Tſchudi, auch im
Hochgebirge. „Vor Eintritt der Morgendämmerung, beinahe eine Stunde vor Sonnenaufgang,
hört man in den Alpen bis 5000 Fuß überm Meere zuerſt den kurzen Geſang des Hausröthlings
eine Weile ganz allein; bald darauf erweckt der hundertſtimmige Schlag der Ringamſeln alles Vogel-
leben, vom düſtern Hochwald bis zu den letzten Zwergföhren hinan, und erfüllt alle Flühen und
Bergthäler; unmittelbar darauf, wohl eine ſtarke halbe Stunde vor Sonnenaufgang, tönt der
klangvolle erſte Balzruf des Birkhahns weit durch die Runde, und ihm antworten hier und dort,
von dieſer Alp, von jener Felſenkuppe, aus dieſem Krummholzdickicht und von jenem kleinen
Bergthalwäldchen herauf die Genoſſen. Mehr als eine halbe Stunde weit hört man das dumpfe
Kollern und ziſchende Fauchen jedes Einzelnen aus allem Vögeljubel deutlich heraus.“ Die Balze
ſelbſt iſt Liebestanz und Liebesgeſang zugleich. Auf das erſte Pfeifen oder Quieken, welches man
vom einſtiebenden Hahne vernimmt, folgt das ſogenannte Blaſen oder Schleifen, ein merkwürdiges
hohles Ziſchen, welches Nilſſon nicht übel durch die Buchſtaben „Tſchjo — y“ wiedergibt
und unmittelbar daran reiht ſich das ſogenannte Kollern, welches Bechſtein durch die Silbe
„Golgolgolgolrei“, Nilſſon aber, und meinem Gefühle nach richtiger, durch die Laute „Rutturu —
ruttu — ruiki — urr — urr — urr — rrrutturu — ruttu — rucki“ zu übertragen verſuchte. Wenn
der Hahn ſehr hitzig iſt, balzt er in Einem fort, ſodaß Kollern und Schleifen beſtändig abzu-
wechſeln ſcheinen, und man den Anfang und das Ende eines Satzes kaum mehr unterſcheiden kann.
Es kommt beim Birkhahn nur ſelten vor, daß er, wie der Auerhahn, Alles um ſich her vergißt
und ſo zu ſagen taub und blind iſt; ich kenne übrigens doch Fälle, daß Einzelne, auf welche
während des Schleifens geſchoſſen wurde, nicht von der Stelle wichen, ſondern zu der Meinung
verleiteten, daß ſie den Knall nicht vernommen. Beim Balzen geberdet ſich der Birkhahn in der
ſonderbarſten und tollſten Weiſe. „Vor dem Kollern“, ſagt mein Vater, „hält er den Schwanz
ſenkrecht und fächerförmig ausgebreitet, richtet Hals und Kopf, an welchem alle Federn geſträubt
ſind, in die Höhe und trägt die Flügel vom Leibe ab und geſenkt; dann thut er einige Sprünge hin
und her, zuweilen im Kreiſe herum, drückt endlich den Unterſchnabel ſo tief auf die Erde, daß er ſich
die Kinnfedern abreibt. Bei allen dieſen Bewegungen ſchlägt er mit den Flügeln und dreht ſich um
ſich ſelbſt herum.“ Je hitziger er wird, um ſo lebhafter geberdet er ſich, und ſchließlich meint man,
daß man einen Wahnſinnigen oder Tollen vor ſich ſehe. Am heftigſten werden die Bewegungen,
wenn ſich mehrere Birkhähne auf ein und derſelben Stelle einfinden; dann werden aus den Tänzern
wüthende Streiter. Jhrer zwei ſtellen ſich gegeneinander auf, wie Haushähne, fahren mit tief
zu Boden geſenkten Köpfen auf einander los, ſpringen beide zu gleicher Zeit ſenkrecht vom Boden
auf, verſuchen ſich zu hauen und zu kratzen, fallen wieder herab, umgehen ſich unter wüthendem
Kollern mehrmals, nehmen einen neuen Anlauf, und ſtreben, ſich gegenſeitig zu packen. Wird
der Kampf ernſthaft, ſo muß jeder der Kämpfer Federn laſſen; aber trotz der ſcheinbaren Wuth, mit
welcher ſie kämpfen, kommen kaum, vielleicht niemals ernſthafte Verwundungen vor, und es ſcheint
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 351. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/379>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.