auf demselben Platze wieder ein, wenn hier alles Verdächtige verschwunden; dünkte ihnen der Platz nicht sicher, so strichen sie abermals weit fort und ließen sich auf einem andern ihrer Lieblingsplätze nieder. Als auf einen fliegenden Schwarm ein Rohrweih stieß, theilte sich die Masse und ließ den Raubvogel durch. Bei stiller See machten sich die Schwärme auch in großen Entfernungen durch ihr weithinschallendes, ununterbrochenes "Köckerick" oder "Köcki, köcki, köcki" leicht bemerklich. Das Bild des Vogels ist übrigens so eigenthümlich, daß man ihn, auch wenn er lautlos seines Weges zieht, nicht mit andern verwechseln kann. Das Steppenhuhn ähnelt in seinem Fluge dem Stein- wälzer, aber auch dem Goldregenpfeifer; es hebt jedoch die Flügel höher und trägt den Hals sehr eingezogen, sodaß bei seinem im Vergleich zum Goldregenpfeifer kleinen Köpfchen der Flügel vorn weit eingelenkt zu sein scheint. "Jch kenne", sagt Altum, "keinen Vogel, der fliegend unmittelbar vor den Flügeln so abgestutzt erschiene und glaube sie (die Steppenhühner) jetzt in bedeutenderer Entfernung erkennen zu können, ohne daß ich jedoch im Stande wäre, alle Eigenthümlichkeiten ihres Fluges genau zu beschreiben."
Auf dem erwähnten von Dünen umgebenen Watt wurden die mongolischen Fremdlinge gewöhnlich des Morgens bis gegen neun Uhr angetroffen. Sie schienen hier an bestimmten Stellen bis zu jener Stunde zu verweilen und die einmal gewählten Sitzplätze regelmäßig wieder aufzu- suchen; wenigstens konnte man Dies aus der vielen Losung schließen. Wenn sie nichts Ungewöhn- liches bemerkt hatten, saßen sie ruhig dicht neben einander, meistens nach einer Seite gewendet, zu je zweien oder doch wenigen beisammen. Gegen zehn bis elf Uhr schienen sie regelmäßig das große Watt zu besuchen und dort der Nahrung nachzugehen; wenigstens sielen sie um diese Zeit oft daselbst ein, und suchten dann eifrig nach Samen und Knospen. Nachdem sie eingefallen waren, blieben sie wohl 20 Minuten lang bewegungslos sitzen, Alles um sich her musternd; alsdann begannen sie mit ihrer Aesung, indem sie, über den Boden trippelnd und rutschend, in derselben Richtung vorwärts liefen und emsig Samen aufpickten. Einzelne Trüppchen sprengten sich auch wohl seitwärts ab oder blieben ein wenig zurück, hielten sich jedoch immer zum Schwarme. Dagegen bemerkte man ein einzelnes Stück, welches fast jedesmal weit zurückblieb oder sich seitwärts zu schaffen machte und den Wächter abzugeben schien. Als von Droste einmal, hinter einem ungefähr zwei Fuß hohen Hügel auf dem Bauche liegend, den ganzen Schwarm beobachtete, hatte ihn dieser eine Vogel bemerkt, stieg hierauf sofort auf einen kleinen Hügel, reckte sich, hob den Kopf und stieß laut sein "Köckerick" aus. Auf dieses Zeichen lief fast der ganze Schwarm dicht zusammen und blieb unbeweglich sitzen. Droste schoß, der Schwarm brauste fort; aber der alte Hahn, welcher den Streich gespielt hatte, empfahl sich unter lautem Geschrei erst, nachdem der verblüffte Jäger sich schon erhoben hatte. Während die Steppenhühner umherliefen, riefen sie leise "Köck, köck"; wenn zwei einander zu nahe kamen, hoben sie die Flügel, zogen den Kopf, nahmen eine drohende Stellung ein und riefen schnell "Krikrikrik". Auch sprangen sie wohl gegen einander in die Höhe, und dann erhoben sich immer einige andere, vielleicht in dem Glauben, daß Gefahr vorhanden sei; sie ließen sich aber eben so schnell wieder nieder. Jn den Mittagsstunden schienen sie regelmäßig die trocknen, heißen Dünen aufzusuchen, um sich im Sande zu baden. Sie hatten auch hier ihre bestimmten Plätze, und zwar jene großen öden Sandflächen, auf denen der dürftigste Pflanzenwuchs durch Stürme zerstört worden. Einmal hatte man dreizehn Steppenhühner einfallen sehen, war rasch herbei- geeilt, hatte mit dem Fernrohr die ganze Fläche von dem Versteck aus abgesucht; aber kein Vogel war zu entdecken, bis sich endlich zufällig einer im Gesichtsfelde des Fernglases bewegte. Selbst in einer Entfernung von vierzig Schritten hielt es schwer, diese Sandvögel genau zu sehen, und in einer Ent- fernung von zweihundert Schritten war es fast unmöglich, sie zu entdecken, auch wenn man genau die Stelle kannte, auf welcher sich ihrer funfzig bis sechzig niedergelassen hatten. Anfangs waren die Kinder der Steppe wenig scheu gewesen; die heillose Verfolgungswuth der Badegäste aber machte sie bald vorsichtig und schließlich so ängstlich, daß es auch dem geübtesten Jäger kaum möglich war, sie zu überlisten.
Die Läufer. Scharrvögel. Flughühner.
auf demſelben Platze wieder ein, wenn hier alles Verdächtige verſchwunden; dünkte ihnen der Platz nicht ſicher, ſo ſtrichen ſie abermals weit fort und ließen ſich auf einem andern ihrer Lieblingsplätze nieder. Als auf einen fliegenden Schwarm ein Rohrweih ſtieß, theilte ſich die Maſſe und ließ den Raubvogel durch. Bei ſtiller See machten ſich die Schwärme auch in großen Entfernungen durch ihr weithinſchallendes, ununterbrochenes „Köckerick“ oder „Köcki, köcki, köcki“ leicht bemerklich. Das Bild des Vogels iſt übrigens ſo eigenthümlich, daß man ihn, auch wenn er lautlos ſeines Weges zieht, nicht mit andern verwechſeln kann. Das Steppenhuhn ähnelt in ſeinem Fluge dem Stein- wälzer, aber auch dem Goldregenpfeifer; es hebt jedoch die Flügel höher und trägt den Hals ſehr eingezogen, ſodaß bei ſeinem im Vergleich zum Goldregenpfeifer kleinen Köpfchen der Flügel vorn weit eingelenkt zu ſein ſcheint. „Jch kenne“, ſagt Altum, „keinen Vogel, der fliegend unmittelbar vor den Flügeln ſo abgeſtutzt erſchiene und glaube ſie (die Steppenhühner) jetzt in bedeutenderer Entfernung erkennen zu können, ohne daß ich jedoch im Stande wäre, alle Eigenthümlichkeiten ihres Fluges genau zu beſchreiben.“
Auf dem erwähnten von Dünen umgebenen Watt wurden die mongoliſchen Fremdlinge gewöhnlich des Morgens bis gegen neun Uhr angetroffen. Sie ſchienen hier an beſtimmten Stellen bis zu jener Stunde zu verweilen und die einmal gewählten Sitzplätze regelmäßig wieder aufzu- ſuchen; wenigſtens konnte man Dies aus der vielen Loſung ſchließen. Wenn ſie nichts Ungewöhn- liches bemerkt hatten, ſaßen ſie ruhig dicht neben einander, meiſtens nach einer Seite gewendet, zu je zweien oder doch wenigen beiſammen. Gegen zehn bis elf Uhr ſchienen ſie regelmäßig das große Watt zu beſuchen und dort der Nahrung nachzugehen; wenigſtens ſielen ſie um dieſe Zeit oft daſelbſt ein, und ſuchten dann eifrig nach Samen und Knospen. Nachdem ſie eingefallen waren, blieben ſie wohl 20 Minuten lang bewegungslos ſitzen, Alles um ſich her muſternd; alsdann begannen ſie mit ihrer Aeſung, indem ſie, über den Boden trippelnd und rutſchend, in derſelben Richtung vorwärts liefen und emſig Samen aufpickten. Einzelne Trüppchen ſprengten ſich auch wohl ſeitwärts ab oder blieben ein wenig zurück, hielten ſich jedoch immer zum Schwarme. Dagegen bemerkte man ein einzelnes Stück, welches faſt jedesmal weit zurückblieb oder ſich ſeitwärts zu ſchaffen machte und den Wächter abzugeben ſchien. Als von Droſte einmal, hinter einem ungefähr zwei Fuß hohen Hügel auf dem Bauche liegend, den ganzen Schwarm beobachtete, hatte ihn dieſer eine Vogel bemerkt, ſtieg hierauf ſofort auf einen kleinen Hügel, reckte ſich, hob den Kopf und ſtieß laut ſein „Köckerick“ aus. Auf dieſes Zeichen lief faſt der ganze Schwarm dicht zuſammen und blieb unbeweglich ſitzen. Droſte ſchoß, der Schwarm brauſte fort; aber der alte Hahn, welcher den Streich geſpielt hatte, empfahl ſich unter lautem Geſchrei erſt, nachdem der verblüffte Jäger ſich ſchon erhoben hatte. Während die Steppenhühner umherliefen, riefen ſie leiſe „Köck, köck“; wenn zwei einander zu nahe kamen, hoben ſie die Flügel, zogen den Kopf, nahmen eine drohende Stellung ein und riefen ſchnell „Krikrikrik“. Auch ſprangen ſie wohl gegen einander in die Höhe, und dann erhoben ſich immer einige andere, vielleicht in dem Glauben, daß Gefahr vorhanden ſei; ſie ließen ſich aber eben ſo ſchnell wieder nieder. Jn den Mittagsſtunden ſchienen ſie regelmäßig die trocknen, heißen Dünen aufzuſuchen, um ſich im Sande zu baden. Sie hatten auch hier ihre beſtimmten Plätze, und zwar jene großen öden Sandflächen, auf denen der dürftigſte Pflanzenwuchs durch Stürme zerſtört worden. Einmal hatte man dreizehn Steppenhühner einfallen ſehen, war raſch herbei- geeilt, hatte mit dem Fernrohr die ganze Fläche von dem Verſteck aus abgeſucht; aber kein Vogel war zu entdecken, bis ſich endlich zufällig einer im Geſichtsfelde des Fernglaſes bewegte. Selbſt in einer Entfernung von vierzig Schritten hielt es ſchwer, dieſe Sandvögel genau zu ſehen, und in einer Ent- fernung von zweihundert Schritten war es faſt unmöglich, ſie zu entdecken, auch wenn man genau die Stelle kannte, auf welcher ſich ihrer funfzig bis ſechzig niedergelaſſen hatten. Anfangs waren die Kinder der Steppe wenig ſcheu geweſen; die heilloſe Verfolgungswuth der Badegäſte aber machte ſie bald vorſichtig und ſchließlich ſo ängſtlich, daß es auch dem geübteſten Jäger kaum möglich war, ſie zu überliſten.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0354"n="328"/><fwplace="top"type="header">Die Läufer. Scharrvögel. Flughühner.</fw><lb/>
auf demſelben Platze wieder ein, wenn hier alles Verdächtige verſchwunden; dünkte ihnen der Platz<lb/>
nicht ſicher, ſo ſtrichen ſie abermals weit fort und ließen ſich auf einem andern ihrer Lieblingsplätze<lb/>
nieder. Als auf einen fliegenden Schwarm ein Rohrweih ſtieß, theilte ſich die Maſſe und ließ<lb/>
den Raubvogel durch. Bei ſtiller See machten ſich die Schwärme auch in großen Entfernungen<lb/>
durch ihr weithinſchallendes, ununterbrochenes „Köckerick“ oder „Köcki, köcki, köcki“ leicht bemerklich.<lb/>
Das Bild des Vogels iſt übrigens ſo eigenthümlich, daß man ihn, auch wenn er lautlos ſeines Weges<lb/>
zieht, nicht mit andern verwechſeln kann. Das Steppenhuhn ähnelt in ſeinem Fluge dem Stein-<lb/>
wälzer, aber auch dem Goldregenpfeifer; es hebt jedoch die Flügel höher und trägt den Hals ſehr<lb/>
eingezogen, ſodaß bei ſeinem im Vergleich zum Goldregenpfeifer kleinen Köpfchen der Flügel vorn<lb/>
weit eingelenkt zu ſein ſcheint. „Jch kenne“, ſagt <hirendition="#g">Altum,</hi>„keinen Vogel, der fliegend unmittelbar<lb/>
vor den Flügeln ſo abgeſtutzt erſchiene und glaube ſie (die Steppenhühner) jetzt in bedeutenderer<lb/>
Entfernung erkennen zu können, ohne daß ich jedoch im Stande wäre, alle Eigenthümlichkeiten ihres<lb/>
Fluges genau zu beſchreiben.“</p><lb/><p>Auf dem erwähnten von Dünen umgebenen Watt wurden die mongoliſchen Fremdlinge<lb/>
gewöhnlich des Morgens bis gegen neun Uhr angetroffen. Sie ſchienen hier an beſtimmten Stellen<lb/>
bis zu jener Stunde zu verweilen und die einmal gewählten Sitzplätze regelmäßig wieder aufzu-<lb/>ſuchen; wenigſtens konnte man Dies aus der vielen Loſung ſchließen. Wenn ſie nichts Ungewöhn-<lb/>
liches bemerkt hatten, ſaßen ſie ruhig dicht neben einander, meiſtens nach einer Seite gewendet, zu je<lb/>
zweien oder doch wenigen beiſammen. Gegen zehn bis elf Uhr ſchienen ſie regelmäßig das große Watt<lb/>
zu beſuchen und dort der Nahrung nachzugehen; wenigſtens ſielen ſie um dieſe Zeit oft daſelbſt ein,<lb/>
und ſuchten dann eifrig nach Samen und Knospen. Nachdem ſie eingefallen waren, blieben ſie<lb/>
wohl 20 Minuten lang bewegungslos ſitzen, Alles um ſich her muſternd; alsdann begannen ſie<lb/>
mit ihrer Aeſung, indem ſie, über den Boden trippelnd und rutſchend, in derſelben Richtung<lb/>
vorwärts liefen und emſig Samen aufpickten. Einzelne Trüppchen ſprengten ſich auch wohl<lb/>ſeitwärts ab oder blieben ein wenig zurück, hielten ſich jedoch immer zum Schwarme. Dagegen<lb/>
bemerkte man ein einzelnes Stück, welches faſt jedesmal weit zurückblieb oder ſich ſeitwärts zu ſchaffen<lb/>
machte und den Wächter abzugeben ſchien. Als <hirendition="#g">von Droſte</hi> einmal, hinter einem ungefähr zwei Fuß<lb/>
hohen Hügel auf dem Bauche liegend, den ganzen Schwarm beobachtete, hatte ihn dieſer eine Vogel<lb/>
bemerkt, ſtieg hierauf ſofort auf einen kleinen Hügel, reckte ſich, hob den Kopf und ſtieß laut ſein<lb/>„Köckerick“ aus. Auf dieſes Zeichen lief faſt der ganze Schwarm dicht zuſammen und blieb<lb/>
unbeweglich ſitzen. <hirendition="#g">Droſte</hi>ſchoß, der Schwarm brauſte fort; aber der alte Hahn, welcher den<lb/>
Streich geſpielt hatte, empfahl ſich unter lautem Geſchrei erſt, nachdem der verblüffte Jäger ſich ſchon<lb/>
erhoben hatte. Während die Steppenhühner umherliefen, riefen ſie leiſe „Köck, köck“; wenn zwei<lb/>
einander zu nahe kamen, hoben ſie die Flügel, zogen den Kopf, nahmen eine drohende Stellung ein<lb/>
und riefen ſchnell „Krikrikrik“. Auch ſprangen ſie wohl gegen einander in die Höhe, und dann<lb/>
erhoben ſich immer einige andere, vielleicht in dem Glauben, daß Gefahr vorhanden ſei; ſie ließen<lb/>ſich aber eben ſo ſchnell wieder nieder. Jn den Mittagsſtunden ſchienen ſie regelmäßig die trocknen,<lb/>
heißen Dünen aufzuſuchen, um ſich im Sande zu baden. Sie hatten auch hier ihre beſtimmten<lb/>
Plätze, und zwar jene großen öden Sandflächen, auf denen der dürftigſte Pflanzenwuchs durch<lb/>
Stürme zerſtört worden. Einmal hatte man dreizehn Steppenhühner einfallen ſehen, war raſch herbei-<lb/>
geeilt, hatte mit dem Fernrohr die ganze Fläche von dem Verſteck aus abgeſucht; aber kein Vogel war<lb/>
zu entdecken, bis ſich endlich zufällig einer im Geſichtsfelde des Fernglaſes bewegte. Selbſt in einer<lb/>
Entfernung von vierzig Schritten hielt es ſchwer, dieſe Sandvögel genau zu ſehen, und in einer Ent-<lb/>
fernung von zweihundert Schritten war es faſt unmöglich, ſie zu entdecken, auch wenn man genau<lb/>
die Stelle kannte, auf welcher ſich ihrer funfzig bis ſechzig niedergelaſſen hatten. Anfangs waren<lb/>
die Kinder der Steppe wenig ſcheu geweſen; die heilloſe Verfolgungswuth der Badegäſte aber machte<lb/>ſie bald vorſichtig und ſchließlich ſo ängſtlich, daß es auch dem geübteſten Jäger kaum möglich war,<lb/>ſie zu überliſten.</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[328/0354]
Die Läufer. Scharrvögel. Flughühner.
auf demſelben Platze wieder ein, wenn hier alles Verdächtige verſchwunden; dünkte ihnen der Platz
nicht ſicher, ſo ſtrichen ſie abermals weit fort und ließen ſich auf einem andern ihrer Lieblingsplätze
nieder. Als auf einen fliegenden Schwarm ein Rohrweih ſtieß, theilte ſich die Maſſe und ließ
den Raubvogel durch. Bei ſtiller See machten ſich die Schwärme auch in großen Entfernungen
durch ihr weithinſchallendes, ununterbrochenes „Köckerick“ oder „Köcki, köcki, köcki“ leicht bemerklich.
Das Bild des Vogels iſt übrigens ſo eigenthümlich, daß man ihn, auch wenn er lautlos ſeines Weges
zieht, nicht mit andern verwechſeln kann. Das Steppenhuhn ähnelt in ſeinem Fluge dem Stein-
wälzer, aber auch dem Goldregenpfeifer; es hebt jedoch die Flügel höher und trägt den Hals ſehr
eingezogen, ſodaß bei ſeinem im Vergleich zum Goldregenpfeifer kleinen Köpfchen der Flügel vorn
weit eingelenkt zu ſein ſcheint. „Jch kenne“, ſagt Altum, „keinen Vogel, der fliegend unmittelbar
vor den Flügeln ſo abgeſtutzt erſchiene und glaube ſie (die Steppenhühner) jetzt in bedeutenderer
Entfernung erkennen zu können, ohne daß ich jedoch im Stande wäre, alle Eigenthümlichkeiten ihres
Fluges genau zu beſchreiben.“
Auf dem erwähnten von Dünen umgebenen Watt wurden die mongoliſchen Fremdlinge
gewöhnlich des Morgens bis gegen neun Uhr angetroffen. Sie ſchienen hier an beſtimmten Stellen
bis zu jener Stunde zu verweilen und die einmal gewählten Sitzplätze regelmäßig wieder aufzu-
ſuchen; wenigſtens konnte man Dies aus der vielen Loſung ſchließen. Wenn ſie nichts Ungewöhn-
liches bemerkt hatten, ſaßen ſie ruhig dicht neben einander, meiſtens nach einer Seite gewendet, zu je
zweien oder doch wenigen beiſammen. Gegen zehn bis elf Uhr ſchienen ſie regelmäßig das große Watt
zu beſuchen und dort der Nahrung nachzugehen; wenigſtens ſielen ſie um dieſe Zeit oft daſelbſt ein,
und ſuchten dann eifrig nach Samen und Knospen. Nachdem ſie eingefallen waren, blieben ſie
wohl 20 Minuten lang bewegungslos ſitzen, Alles um ſich her muſternd; alsdann begannen ſie
mit ihrer Aeſung, indem ſie, über den Boden trippelnd und rutſchend, in derſelben Richtung
vorwärts liefen und emſig Samen aufpickten. Einzelne Trüppchen ſprengten ſich auch wohl
ſeitwärts ab oder blieben ein wenig zurück, hielten ſich jedoch immer zum Schwarme. Dagegen
bemerkte man ein einzelnes Stück, welches faſt jedesmal weit zurückblieb oder ſich ſeitwärts zu ſchaffen
machte und den Wächter abzugeben ſchien. Als von Droſte einmal, hinter einem ungefähr zwei Fuß
hohen Hügel auf dem Bauche liegend, den ganzen Schwarm beobachtete, hatte ihn dieſer eine Vogel
bemerkt, ſtieg hierauf ſofort auf einen kleinen Hügel, reckte ſich, hob den Kopf und ſtieß laut ſein
„Köckerick“ aus. Auf dieſes Zeichen lief faſt der ganze Schwarm dicht zuſammen und blieb
unbeweglich ſitzen. Droſte ſchoß, der Schwarm brauſte fort; aber der alte Hahn, welcher den
Streich geſpielt hatte, empfahl ſich unter lautem Geſchrei erſt, nachdem der verblüffte Jäger ſich ſchon
erhoben hatte. Während die Steppenhühner umherliefen, riefen ſie leiſe „Köck, köck“; wenn zwei
einander zu nahe kamen, hoben ſie die Flügel, zogen den Kopf, nahmen eine drohende Stellung ein
und riefen ſchnell „Krikrikrik“. Auch ſprangen ſie wohl gegen einander in die Höhe, und dann
erhoben ſich immer einige andere, vielleicht in dem Glauben, daß Gefahr vorhanden ſei; ſie ließen
ſich aber eben ſo ſchnell wieder nieder. Jn den Mittagsſtunden ſchienen ſie regelmäßig die trocknen,
heißen Dünen aufzuſuchen, um ſich im Sande zu baden. Sie hatten auch hier ihre beſtimmten
Plätze, und zwar jene großen öden Sandflächen, auf denen der dürftigſte Pflanzenwuchs durch
Stürme zerſtört worden. Einmal hatte man dreizehn Steppenhühner einfallen ſehen, war raſch herbei-
geeilt, hatte mit dem Fernrohr die ganze Fläche von dem Verſteck aus abgeſucht; aber kein Vogel war
zu entdecken, bis ſich endlich zufällig einer im Geſichtsfelde des Fernglaſes bewegte. Selbſt in einer
Entfernung von vierzig Schritten hielt es ſchwer, dieſe Sandvögel genau zu ſehen, und in einer Ent-
fernung von zweihundert Schritten war es faſt unmöglich, ſie zu entdecken, auch wenn man genau
die Stelle kannte, auf welcher ſich ihrer funfzig bis ſechzig niedergelaſſen hatten. Anfangs waren
die Kinder der Steppe wenig ſcheu geweſen; die heilloſe Verfolgungswuth der Badegäſte aber machte
ſie bald vorſichtig und ſchließlich ſo ängſtlich, daß es auch dem geübteſten Jäger kaum möglich war,
ſie zu überliſten.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 328. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/354>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.