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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Ganga. Khata. Sand- und Streifenflughuhn.
sehr scheue, listige Vögel. Sie erkundeten erst sehr genau die Oertlichkeit, ehe sie sich niederließen,
stürzten sich in der Nähe des Wassers herab, drückten sich platt auf die Erde, das Ohr auf den Boden
legend, um zu horchen, gingen dann rasch einige Schritte vor bis zum Wasser, tauchten den Schnabel
dreimal in dasselbe, um in drei langen Zügen zu trinken, und flogen so rasch davon, als sie gekommen."

"Einige Zeit hatte ich im Anstande gesessen, als ich das "Tschuerr" über mir hörte und auch
bald drei Flughühner als Kundschafter hin- und herfliegen sah. Sie ließen sich weiter oben nieder;
bald darauf aber erschienen abermals zwei unter denselben Vorsichtsmaßregeln und stürzten sich dann
mit schnurrendem Geräusch dicht neben meinem Anstande auf den Boden. Genau, wie die Jäger es
beschrieben, war ihr Betragen; als sie aber zum zweiten Male den Schnabel eintauchten, nahm ich
sie auf's Korn und feuerte. Blos das Weibchen blieb auf dem Platze, das Männchen, schwer ver-
wundet, flog davon, für uns unerreichbar weit ...."

Jm Herbst und Winter, um welche Zeit sie sich in großen Scharen zusammenhalten, werden
bei der Tränke oft funfzehn bis zwanzig Stück auf einen Schuß erlegt.

Der Fang scheint noch ergiebiger zu sein, als die Jagd mit dem Feuergewehr. Die Nordost-
afrikaner sind zu faul, Netze und Schlingen zu stellen; im Nordwesten des Erdtheils müssen aber
sehr viele gefangen werden, da wir neuerdings wenigstens die Khata in namhaften Mengen lebend
erhalten. Durch Bolle erfahren wir, wie Dies bewerkstelligt wird.

"Die Flughühner", sagt er, "schreiten ihrer kurzen Beinchen halber nie freiwillig über größere
Steine hinweg, sondern laufen am liebsten auf ebener Erde fort; deshalb macht man einen Gang zum
Wasser, indem man Steine in zwei Reihen aufstellt, gerade breit genug, daß eine Ganga hindurch-
kommen kann, und legt Schlingen denselben entlang: so erhält man viele lebendig."

Jn der Gefangenschaft werden diese sonst so scheuen Vögel sehr zahm. "Jch habe", so erzählt
mein Bruder, "ein Paar Gangas über ein Jahr lang lebend in meinem Zimmer gehalten. Den
größten Theil des Tages brachten sie außerhalb des Käfigs frei umherlaufend zu, ohne daß es ihnen
eingefallen wäre, durch das offene Fenster zu entfliehen, obgleich sie ganz gut fliegen konnten. Mit-
tags flogen sie auf den Tisch, trippelten da herum, lasen Brotkrumen auf oder fraßen dieselben aus
meiner Hand. Am frühen Morgen weckte mich das Männchen durch seinen Ruf, der dem Rucksen
der Tauben sehr ähnlich ist, und auch oft in später Nacht konnte man denselben noch vernehmen,
woraus man also sicher schließen darf, daß die Flughühner auch im Freien des Nachts munter sind."

"Sehr ergötzlich war es, zu sehen, wie sich die Henne meines Paares, nachdem sie vollkommen
vertraut geworden war mit ihrem Gefängnisse und ihrer Umgebung, gegen ihr fremde Personen
und Thiere benahm. Näherte sich ihr eine ihr unbekannte Person, so sträubte sie Rücken- und Kopf-
federn, stieß ein ärgerliches "Gurgurgurr" aus, ging mit lang vorgestrecktem Halse auf den Ein-
dringling zu und hackte ihn, wenn er sich nicht zurückzog, in Fuß oder Hand, heftige Flügelschläge dazu
austheilend. Hunde und Katzen vertrieb sie in derselben Weise stets aus dem Zimmer. Der Hahn
zeigte dieses Betragen weniger, und nur wenn er ganz in die Enge getrieben wurde, vertheidigte er
sich mit Schnabel und Flügeln."

"Die Flughühner leben in der Gefangenschaft mit andern Vögeln in Frieden. Jch habe sie
mit Kalanderlerchen, Ammern und andern kleinen Vögeln zusammengehalten, ohne daß der geringste
Streit zwischen der Gesellschaft entstanden wäre oder daß die Flughühner gegen die Kleineren das
Recht des Stärkeren zur Geltung gebracht hätten. Jm hamburger Thiergarten leben sie mit den
Steppenhühnern in größter Einigkeit zusammen. Bei geeigneter Pflege und guter Behandlung
halten sie in der Gefangenschaft lange aus; die Gefangenen des gedachten Gartens haben sogar eine
Kälte von 20 Grad R. ohne Unbequemlichkeit oder Nachtheil ertragen. Viel eher schadet ihnen die
Nässe. Gegen Regen sind sie sehr empfindlich, und man muß sie deshalb bei regnerischen Tagen im
verdeckten Raume halten, weil sie zu dumm sind, ihren Nachtkäfig aufzusuchen und sich dort gegen
Nässe zu schützen."



Brehm, Thierleben. IV. 21

Ganga. Khata. Sand- und Streifenflughuhn.
ſehr ſcheue, liſtige Vögel. Sie erkundeten erſt ſehr genau die Oertlichkeit, ehe ſie ſich niederließen,
ſtürzten ſich in der Nähe des Waſſers herab, drückten ſich platt auf die Erde, das Ohr auf den Boden
legend, um zu horchen, gingen dann raſch einige Schritte vor bis zum Waſſer, tauchten den Schnabel
dreimal in daſſelbe, um in drei langen Zügen zu trinken, und flogen ſo raſch davon, als ſie gekommen.“

„Einige Zeit hatte ich im Anſtande geſeſſen, als ich das „Tſchuerr“ über mir hörte und auch
bald drei Flughühner als Kundſchafter hin- und herfliegen ſah. Sie ließen ſich weiter oben nieder;
bald darauf aber erſchienen abermals zwei unter denſelben Vorſichtsmaßregeln und ſtürzten ſich dann
mit ſchnurrendem Geräuſch dicht neben meinem Anſtande auf den Boden. Genau, wie die Jäger es
beſchrieben, war ihr Betragen; als ſie aber zum zweiten Male den Schnabel eintauchten, nahm ich
ſie auf’s Korn und feuerte. Blos das Weibchen blieb auf dem Platze, das Männchen, ſchwer ver-
wundet, flog davon, für uns unerreichbar weit ....“

Jm Herbſt und Winter, um welche Zeit ſie ſich in großen Scharen zuſammenhalten, werden
bei der Tränke oft funfzehn bis zwanzig Stück auf einen Schuß erlegt.

Der Fang ſcheint noch ergiebiger zu ſein, als die Jagd mit dem Feuergewehr. Die Nordoſt-
afrikaner ſind zu faul, Netze und Schlingen zu ſtellen; im Nordweſten des Erdtheils müſſen aber
ſehr viele gefangen werden, da wir neuerdings wenigſtens die Khata in namhaften Mengen lebend
erhalten. Durch Bolle erfahren wir, wie Dies bewerkſtelligt wird.

„Die Flughühner“, ſagt er, „ſchreiten ihrer kurzen Beinchen halber nie freiwillig über größere
Steine hinweg, ſondern laufen am liebſten auf ebener Erde fort; deshalb macht man einen Gang zum
Waſſer, indem man Steine in zwei Reihen aufſtellt, gerade breit genug, daß eine Ganga hindurch-
kommen kann, und legt Schlingen denſelben entlang: ſo erhält man viele lebendig.“

Jn der Gefangenſchaft werden dieſe ſonſt ſo ſcheuen Vögel ſehr zahm. „Jch habe“, ſo erzählt
mein Bruder, „ein Paar Gangas über ein Jahr lang lebend in meinem Zimmer gehalten. Den
größten Theil des Tages brachten ſie außerhalb des Käfigs frei umherlaufend zu, ohne daß es ihnen
eingefallen wäre, durch das offene Fenſter zu entfliehen, obgleich ſie ganz gut fliegen konnten. Mit-
tags flogen ſie auf den Tiſch, trippelten da herum, laſen Brotkrumen auf oder fraßen dieſelben aus
meiner Hand. Am frühen Morgen weckte mich das Männchen durch ſeinen Ruf, der dem Ruckſen
der Tauben ſehr ähnlich iſt, und auch oft in ſpäter Nacht konnte man denſelben noch vernehmen,
woraus man alſo ſicher ſchließen darf, daß die Flughühner auch im Freien des Nachts munter ſind.“

„Sehr ergötzlich war es, zu ſehen, wie ſich die Henne meines Paares, nachdem ſie vollkommen
vertraut geworden war mit ihrem Gefängniſſe und ihrer Umgebung, gegen ihr fremde Perſonen
und Thiere benahm. Näherte ſich ihr eine ihr unbekannte Perſon, ſo ſträubte ſie Rücken- und Kopf-
federn, ſtieß ein ärgerliches „Gurgurgurr“ aus, ging mit lang vorgeſtrecktem Halſe auf den Ein-
dringling zu und hackte ihn, wenn er ſich nicht zurückzog, in Fuß oder Hand, heftige Flügelſchläge dazu
austheilend. Hunde und Katzen vertrieb ſie in derſelben Weiſe ſtets aus dem Zimmer. Der Hahn
zeigte dieſes Betragen weniger, und nur wenn er ganz in die Enge getrieben wurde, vertheidigte er
ſich mit Schnabel und Flügeln.“

„Die Flughühner leben in der Gefangenſchaft mit andern Vögeln in Frieden. Jch habe ſie
mit Kalanderlerchen, Ammern und andern kleinen Vögeln zuſammengehalten, ohne daß der geringſte
Streit zwiſchen der Geſellſchaft entſtanden wäre oder daß die Flughühner gegen die Kleineren das
Recht des Stärkeren zur Geltung gebracht hätten. Jm hamburger Thiergarten leben ſie mit den
Steppenhühnern in größter Einigkeit zuſammen. Bei geeigneter Pflege und guter Behandlung
halten ſie in der Gefangenſchaft lange aus; die Gefangenen des gedachten Gartens haben ſogar eine
Kälte von 20 Grad R. ohne Unbequemlichkeit oder Nachtheil ertragen. Viel eher ſchadet ihnen die
Näſſe. Gegen Regen ſind ſie ſehr empfindlich, und man muß ſie deshalb bei regneriſchen Tagen im
verdeckten Raume halten, weil ſie zu dumm ſind, ihren Nachtkäfig aufzuſuchen und ſich dort gegen
Näſſe zu ſchützen.“



Brehm, Thierleben. IV. 21
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[321/0345] Ganga. Khata. Sand- und Streifenflughuhn. ſehr ſcheue, liſtige Vögel. Sie erkundeten erſt ſehr genau die Oertlichkeit, ehe ſie ſich niederließen, ſtürzten ſich in der Nähe des Waſſers herab, drückten ſich platt auf die Erde, das Ohr auf den Boden legend, um zu horchen, gingen dann raſch einige Schritte vor bis zum Waſſer, tauchten den Schnabel dreimal in daſſelbe, um in drei langen Zügen zu trinken, und flogen ſo raſch davon, als ſie gekommen.“ „Einige Zeit hatte ich im Anſtande geſeſſen, als ich das „Tſchuerr“ über mir hörte und auch bald drei Flughühner als Kundſchafter hin- und herfliegen ſah. Sie ließen ſich weiter oben nieder; bald darauf aber erſchienen abermals zwei unter denſelben Vorſichtsmaßregeln und ſtürzten ſich dann mit ſchnurrendem Geräuſch dicht neben meinem Anſtande auf den Boden. Genau, wie die Jäger es beſchrieben, war ihr Betragen; als ſie aber zum zweiten Male den Schnabel eintauchten, nahm ich ſie auf’s Korn und feuerte. Blos das Weibchen blieb auf dem Platze, das Männchen, ſchwer ver- wundet, flog davon, für uns unerreichbar weit ....“ Jm Herbſt und Winter, um welche Zeit ſie ſich in großen Scharen zuſammenhalten, werden bei der Tränke oft funfzehn bis zwanzig Stück auf einen Schuß erlegt. Der Fang ſcheint noch ergiebiger zu ſein, als die Jagd mit dem Feuergewehr. Die Nordoſt- afrikaner ſind zu faul, Netze und Schlingen zu ſtellen; im Nordweſten des Erdtheils müſſen aber ſehr viele gefangen werden, da wir neuerdings wenigſtens die Khata in namhaften Mengen lebend erhalten. Durch Bolle erfahren wir, wie Dies bewerkſtelligt wird. „Die Flughühner“, ſagt er, „ſchreiten ihrer kurzen Beinchen halber nie freiwillig über größere Steine hinweg, ſondern laufen am liebſten auf ebener Erde fort; deshalb macht man einen Gang zum Waſſer, indem man Steine in zwei Reihen aufſtellt, gerade breit genug, daß eine Ganga hindurch- kommen kann, und legt Schlingen denſelben entlang: ſo erhält man viele lebendig.“ Jn der Gefangenſchaft werden dieſe ſonſt ſo ſcheuen Vögel ſehr zahm. „Jch habe“, ſo erzählt mein Bruder, „ein Paar Gangas über ein Jahr lang lebend in meinem Zimmer gehalten. Den größten Theil des Tages brachten ſie außerhalb des Käfigs frei umherlaufend zu, ohne daß es ihnen eingefallen wäre, durch das offene Fenſter zu entfliehen, obgleich ſie ganz gut fliegen konnten. Mit- tags flogen ſie auf den Tiſch, trippelten da herum, laſen Brotkrumen auf oder fraßen dieſelben aus meiner Hand. Am frühen Morgen weckte mich das Männchen durch ſeinen Ruf, der dem Ruckſen der Tauben ſehr ähnlich iſt, und auch oft in ſpäter Nacht konnte man denſelben noch vernehmen, woraus man alſo ſicher ſchließen darf, daß die Flughühner auch im Freien des Nachts munter ſind.“ „Sehr ergötzlich war es, zu ſehen, wie ſich die Henne meines Paares, nachdem ſie vollkommen vertraut geworden war mit ihrem Gefängniſſe und ihrer Umgebung, gegen ihr fremde Perſonen und Thiere benahm. Näherte ſich ihr eine ihr unbekannte Perſon, ſo ſträubte ſie Rücken- und Kopf- federn, ſtieß ein ärgerliches „Gurgurgurr“ aus, ging mit lang vorgeſtrecktem Halſe auf den Ein- dringling zu und hackte ihn, wenn er ſich nicht zurückzog, in Fuß oder Hand, heftige Flügelſchläge dazu austheilend. Hunde und Katzen vertrieb ſie in derſelben Weiſe ſtets aus dem Zimmer. Der Hahn zeigte dieſes Betragen weniger, und nur wenn er ganz in die Enge getrieben wurde, vertheidigte er ſich mit Schnabel und Flügeln.“ „Die Flughühner leben in der Gefangenſchaft mit andern Vögeln in Frieden. Jch habe ſie mit Kalanderlerchen, Ammern und andern kleinen Vögeln zuſammengehalten, ohne daß der geringſte Streit zwiſchen der Geſellſchaft entſtanden wäre oder daß die Flughühner gegen die Kleineren das Recht des Stärkeren zur Geltung gebracht hätten. Jm hamburger Thiergarten leben ſie mit den Steppenhühnern in größter Einigkeit zuſammen. Bei geeigneter Pflege und guter Behandlung halten ſie in der Gefangenſchaft lange aus; die Gefangenen des gedachten Gartens haben ſogar eine Kälte von 20 Grad R. ohne Unbequemlichkeit oder Nachtheil ertragen. Viel eher ſchadet ihnen die Näſſe. Gegen Regen ſind ſie ſehr empfindlich, und man muß ſie deshalb bei regneriſchen Tagen im verdeckten Raume halten, weil ſie zu dumm ſind, ihren Nachtkäfig aufzuſuchen und ſich dort gegen Näſſe zu ſchützen.“ Brehm, Thierleben. IV. 21

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 321. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/345>, abgerufen am 23.11.2024.