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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Allgemeines.
übertrifft. Jhre wunderbare Heimat, die baumlose und pflanzenarme Ebene, mag sie sich nun als
vollendete Wüste oder als Steppe, als wüstenhaftes Feld oder verwahrlostes Ackerland zeigen, spiegelt
sich wieder, verkörpert sich, so zu sagen, in diesen Thieren. Sie verlieh ihnen, den bevorzugten
Kindern, nicht blos das Wüstenkleid in seiner Vollendung, sondern gab ihnen auch jene Beweglichkeit,
welche allein befähigt, in einem so armen Gebiet das Leben zu fristen, ja, sogar ein frisches,
fröhliches Leben zu führen.

Die Wüstenhühner erscheinen wegen ihrer langen Flügel und des langen Schwanzes schlank, sind
aber in Wahrheit sehr gedrungen gebaute Vögel. Jhr Leib ist kurz, die Brust sehr gewölbt, der
Hals mittellang, der Kopf klein und zierlich, der Schnabel klein, kurz, auf der Firste seicht gebogen,
am Unterkiefer vor der Spitze ein wenig verdickt, seitlich nur unbedeutend zusammengedrückt,
sodaß er rundlich erscheint; die Nasenlöcher liegen an der Wurzel, unter den Stirnfedern verborgen,
werden durch eine Haut halb geschlossen und öffnen sich nach oben. Die Füße sind klein, d. h.
ziemlich kurzläufig und sehr kurzzehig, bei den Gliedern einer Sippe in durchaus eigenthümlicher Weise
verkümmert, alle Vorderzehen bis zum ersten Gelenk und weiter mit einer Haut verbunden oder,
wie man auch sagen kann, mit einander verwachsen, und mit Häuten gesäumt; die Hinterzehe ist
stummelhaft und hoch angesetzt oder sie fehlt gänzlich; die Nägel sind kurz, seicht gebogen, stumpf und
breit. Die Flügel sind kurzarmig, die Fittige sehr lang, in ihnen die Schwingen von der ersten an
gleichmäßig verkürzt; der aus 14 bis 18 Federn gebildete Schwanz ist mindestens abgerundet,
gewöhnlich aber keilförmig zugespitzt, und seine beiden Mittelfedern verlängern sich oft bedeutend
über alle übrigen. Das Gefieder besteht aus ziemlich kurzen, breiten, abgerundeten, sehr harten
Federn, welche dem Leibe, obwohl sie ihn locker bekleiden, doch ein glattes Aussehen verleihen. Die
Färbung ist eine echt wüstenhafte, d. h. eine solche, welche genau der Färbung des Bodens entspricht,
im wesentlichen also der des Sandes ähnelt, die Zeichnung gewöhnlich eine überaus zierliche und
so manchfache, daß es unmöglich wird, sie im allgemeinen zu bezeichnen. Jn der Regel unterscheiden
sich die Geschlechter; es macht sich aber das Umgekehrte bemerklich, ohne daß man sagen könnte, das
Eine oder das Andere deute auf Sippenverschiedenheit der betreffenden Arten. Die ausgefiederten
Jungen ähneln gewöhnlich der Mutter, legen aber sehr bald das Alterskleid an.

"Nach ihrer ganzen Stellung", sagt Nitzsch, "stehen die Flughühner zwischen der Tauben-
und Waldhühnergruppe; aber sie scheinen sich näher an jene als an diese echte -- fügen wir hinzu:
überhaupt eine -- Hühnerfamilie anzuschließen. Namentlich zeigen sie in Hinsicht der Verhältnisse
der Federflur, der Handschwingen, der Muskeln und der ganzen Form des Flügels, des Kopf-
gerüstes, der Zunge, des Gabel- und des Brustbeins die größte Aehnlichkeit mit den Tauben;
außerdem findet man bei ihnen freilich fast alle Formenverhältnisse, welche die Tauben mit den
Hühnern gemein haben, dagegen, wie es scheint, nur wenige, welche wohl bei den Hühnern, nicht aber bei
den Tauben sich finden: so die langen, ganz hühnerartigen Blinddärme. Die größte Eigenthümlichkeit
ihrer Bildung besteht wohl in der Beschaffenheit der Fußzehen, da nicht blos der Daumen verstümmelt
ist, sondern auch die äußere Vorderzehe, anstatt wie bei fast allen Vögeln fünf Glieder zu haben, nur
aus vier derselben besteht, wie bei den Nachtschatten. Jn der Entwickelung des Brustbeinkammes
übertreffen die Flughühner noch die Tauben und vielleicht selbst die Segler und Kolibris."

Die Flughühner finden sich nur in der alten Welt, und zwar vorzugsweise in Afrika, obgleich
man nicht sagen kann, daß dieser Erdtheil auch den größten Formenreichthum besitzt. Jhre Heimat
dehnt sich soweit, als die Wüste reicht: demgemäß leben sie in Afrika besonders zahlreich; sie werden
aber auch in Asien durch eine namhafte Anzahl Arten vertreten und fehlen selbst unserem Europa
nicht, obwohl sie sich hier blos auf den Theil beschränken, welcher Afrika ähnelt. Jeder Erdtheil,
Europa ausgenommen, besitzt seine eigenen Arten; aber einzelne von ihnen sind über ungeheuere
Länderstrecken verbreitet und kommen in allen drei Erdtheilen als Standvögel vor. Sie werden
jedoch nicht blos an ihren eigentlichen Wohnsitzen beobachtet, sondern wandern zuweilen in Ländern ein,
in welchen man sie früher nicht bemerkte. Zwar verweilen fast alle Arten jahraus, jahrein an derselben

Allgemeines.
übertrifft. Jhre wunderbare Heimat, die baumloſe und pflanzenarme Ebene, mag ſie ſich nun als
vollendete Wüſte oder als Steppe, als wüſtenhaftes Feld oder verwahrloſtes Ackerland zeigen, ſpiegelt
ſich wieder, verkörpert ſich, ſo zu ſagen, in dieſen Thieren. Sie verlieh ihnen, den bevorzugten
Kindern, nicht blos das Wüſtenkleid in ſeiner Vollendung, ſondern gab ihnen auch jene Beweglichkeit,
welche allein befähigt, in einem ſo armen Gebiet das Leben zu friſten, ja, ſogar ein friſches,
fröhliches Leben zu führen.

Die Wüſtenhühner erſcheinen wegen ihrer langen Flügel und des langen Schwanzes ſchlank, ſind
aber in Wahrheit ſehr gedrungen gebaute Vögel. Jhr Leib iſt kurz, die Bruſt ſehr gewölbt, der
Hals mittellang, der Kopf klein und zierlich, der Schnabel klein, kurz, auf der Firſte ſeicht gebogen,
am Unterkiefer vor der Spitze ein wenig verdickt, ſeitlich nur unbedeutend zuſammengedrückt,
ſodaß er rundlich erſcheint; die Naſenlöcher liegen an der Wurzel, unter den Stirnfedern verborgen,
werden durch eine Haut halb geſchloſſen und öffnen ſich nach oben. Die Füße ſind klein, d. h.
ziemlich kurzläufig und ſehr kurzzehig, bei den Gliedern einer Sippe in durchaus eigenthümlicher Weiſe
verkümmert, alle Vorderzehen bis zum erſten Gelenk und weiter mit einer Haut verbunden oder,
wie man auch ſagen kann, mit einander verwachſen, und mit Häuten geſäumt; die Hinterzehe iſt
ſtummelhaft und hoch angeſetzt oder ſie fehlt gänzlich; die Nägel ſind kurz, ſeicht gebogen, ſtumpf und
breit. Die Flügel ſind kurzarmig, die Fittige ſehr lang, in ihnen die Schwingen von der erſten an
gleichmäßig verkürzt; der aus 14 bis 18 Federn gebildete Schwanz iſt mindeſtens abgerundet,
gewöhnlich aber keilförmig zugeſpitzt, und ſeine beiden Mittelfedern verlängern ſich oft bedeutend
über alle übrigen. Das Gefieder beſteht aus ziemlich kurzen, breiten, abgerundeten, ſehr harten
Federn, welche dem Leibe, obwohl ſie ihn locker bekleiden, doch ein glattes Ausſehen verleihen. Die
Färbung iſt eine echt wüſtenhafte, d. h. eine ſolche, welche genau der Färbung des Bodens entſpricht,
im weſentlichen alſo der des Sandes ähnelt, die Zeichnung gewöhnlich eine überaus zierliche und
ſo manchfache, daß es unmöglich wird, ſie im allgemeinen zu bezeichnen. Jn der Regel unterſcheiden
ſich die Geſchlechter; es macht ſich aber das Umgekehrte bemerklich, ohne daß man ſagen könnte, das
Eine oder das Andere deute auf Sippenverſchiedenheit der betreffenden Arten. Die ausgefiederten
Jungen ähneln gewöhnlich der Mutter, legen aber ſehr bald das Alterskleid an.

„Nach ihrer ganzen Stellung“, ſagt Nitzſch, „ſtehen die Flughühner zwiſchen der Tauben-
und Waldhühnergruppe; aber ſie ſcheinen ſich näher an jene als an dieſe echte — fügen wir hinzu:
überhaupt eine — Hühnerfamilie anzuſchließen. Namentlich zeigen ſie in Hinſicht der Verhältniſſe
der Federflur, der Handſchwingen, der Muskeln und der ganzen Form des Flügels, des Kopf-
gerüſtes, der Zunge, des Gabel- und des Bruſtbeins die größte Aehnlichkeit mit den Tauben;
außerdem findet man bei ihnen freilich faſt alle Formenverhältniſſe, welche die Tauben mit den
Hühnern gemein haben, dagegen, wie es ſcheint, nur wenige, welche wohl bei den Hühnern, nicht aber bei
den Tauben ſich finden: ſo die langen, ganz hühnerartigen Blinddärme. Die größte Eigenthümlichkeit
ihrer Bildung beſteht wohl in der Beſchaffenheit der Fußzehen, da nicht blos der Daumen verſtümmelt
iſt, ſondern auch die äußere Vorderzehe, anſtatt wie bei faſt allen Vögeln fünf Glieder zu haben, nur
aus vier derſelben beſteht, wie bei den Nachtſchatten. Jn der Entwickelung des Bruſtbeinkammes
übertreffen die Flughühner noch die Tauben und vielleicht ſelbſt die Segler und Kolibris.“

Die Flughühner finden ſich nur in der alten Welt, und zwar vorzugsweiſe in Afrika, obgleich
man nicht ſagen kann, daß dieſer Erdtheil auch den größten Formenreichthum beſitzt. Jhre Heimat
dehnt ſich ſoweit, als die Wüſte reicht: demgemäß leben ſie in Afrika beſonders zahlreich; ſie werden
aber auch in Aſien durch eine namhafte Anzahl Arten vertreten und fehlen ſelbſt unſerem Europa
nicht, obwohl ſie ſich hier blos auf den Theil beſchränken, welcher Afrika ähnelt. Jeder Erdtheil,
Europa ausgenommen, beſitzt ſeine eigenen Arten; aber einzelne von ihnen ſind über ungeheuere
Länderſtrecken verbreitet und kommen in allen drei Erdtheilen als Standvögel vor. Sie werden
jedoch nicht blos an ihren eigentlichen Wohnſitzen beobachtet, ſondern wandern zuweilen in Ländern ein,
in welchen man ſie früher nicht bemerkte. Zwar verweilen faſt alle Arten jahraus, jahrein an derſelben

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[311/0335] Allgemeines. übertrifft. Jhre wunderbare Heimat, die baumloſe und pflanzenarme Ebene, mag ſie ſich nun als vollendete Wüſte oder als Steppe, als wüſtenhaftes Feld oder verwahrloſtes Ackerland zeigen, ſpiegelt ſich wieder, verkörpert ſich, ſo zu ſagen, in dieſen Thieren. Sie verlieh ihnen, den bevorzugten Kindern, nicht blos das Wüſtenkleid in ſeiner Vollendung, ſondern gab ihnen auch jene Beweglichkeit, welche allein befähigt, in einem ſo armen Gebiet das Leben zu friſten, ja, ſogar ein friſches, fröhliches Leben zu führen. Die Wüſtenhühner erſcheinen wegen ihrer langen Flügel und des langen Schwanzes ſchlank, ſind aber in Wahrheit ſehr gedrungen gebaute Vögel. Jhr Leib iſt kurz, die Bruſt ſehr gewölbt, der Hals mittellang, der Kopf klein und zierlich, der Schnabel klein, kurz, auf der Firſte ſeicht gebogen, am Unterkiefer vor der Spitze ein wenig verdickt, ſeitlich nur unbedeutend zuſammengedrückt, ſodaß er rundlich erſcheint; die Naſenlöcher liegen an der Wurzel, unter den Stirnfedern verborgen, werden durch eine Haut halb geſchloſſen und öffnen ſich nach oben. Die Füße ſind klein, d. h. ziemlich kurzläufig und ſehr kurzzehig, bei den Gliedern einer Sippe in durchaus eigenthümlicher Weiſe verkümmert, alle Vorderzehen bis zum erſten Gelenk und weiter mit einer Haut verbunden oder, wie man auch ſagen kann, mit einander verwachſen, und mit Häuten geſäumt; die Hinterzehe iſt ſtummelhaft und hoch angeſetzt oder ſie fehlt gänzlich; die Nägel ſind kurz, ſeicht gebogen, ſtumpf und breit. Die Flügel ſind kurzarmig, die Fittige ſehr lang, in ihnen die Schwingen von der erſten an gleichmäßig verkürzt; der aus 14 bis 18 Federn gebildete Schwanz iſt mindeſtens abgerundet, gewöhnlich aber keilförmig zugeſpitzt, und ſeine beiden Mittelfedern verlängern ſich oft bedeutend über alle übrigen. Das Gefieder beſteht aus ziemlich kurzen, breiten, abgerundeten, ſehr harten Federn, welche dem Leibe, obwohl ſie ihn locker bekleiden, doch ein glattes Ausſehen verleihen. Die Färbung iſt eine echt wüſtenhafte, d. h. eine ſolche, welche genau der Färbung des Bodens entſpricht, im weſentlichen alſo der des Sandes ähnelt, die Zeichnung gewöhnlich eine überaus zierliche und ſo manchfache, daß es unmöglich wird, ſie im allgemeinen zu bezeichnen. Jn der Regel unterſcheiden ſich die Geſchlechter; es macht ſich aber das Umgekehrte bemerklich, ohne daß man ſagen könnte, das Eine oder das Andere deute auf Sippenverſchiedenheit der betreffenden Arten. Die ausgefiederten Jungen ähneln gewöhnlich der Mutter, legen aber ſehr bald das Alterskleid an. „Nach ihrer ganzen Stellung“, ſagt Nitzſch, „ſtehen die Flughühner zwiſchen der Tauben- und Waldhühnergruppe; aber ſie ſcheinen ſich näher an jene als an dieſe echte — fügen wir hinzu: überhaupt eine — Hühnerfamilie anzuſchließen. Namentlich zeigen ſie in Hinſicht der Verhältniſſe der Federflur, der Handſchwingen, der Muskeln und der ganzen Form des Flügels, des Kopf- gerüſtes, der Zunge, des Gabel- und des Bruſtbeins die größte Aehnlichkeit mit den Tauben; außerdem findet man bei ihnen freilich faſt alle Formenverhältniſſe, welche die Tauben mit den Hühnern gemein haben, dagegen, wie es ſcheint, nur wenige, welche wohl bei den Hühnern, nicht aber bei den Tauben ſich finden: ſo die langen, ganz hühnerartigen Blinddärme. Die größte Eigenthümlichkeit ihrer Bildung beſteht wohl in der Beſchaffenheit der Fußzehen, da nicht blos der Daumen verſtümmelt iſt, ſondern auch die äußere Vorderzehe, anſtatt wie bei faſt allen Vögeln fünf Glieder zu haben, nur aus vier derſelben beſteht, wie bei den Nachtſchatten. Jn der Entwickelung des Bruſtbeinkammes übertreffen die Flughühner noch die Tauben und vielleicht ſelbſt die Segler und Kolibris.“ Die Flughühner finden ſich nur in der alten Welt, und zwar vorzugsweiſe in Afrika, obgleich man nicht ſagen kann, daß dieſer Erdtheil auch den größten Formenreichthum beſitzt. Jhre Heimat dehnt ſich ſoweit, als die Wüſte reicht: demgemäß leben ſie in Afrika beſonders zahlreich; ſie werden aber auch in Aſien durch eine namhafte Anzahl Arten vertreten und fehlen ſelbſt unſerem Europa nicht, obwohl ſie ſich hier blos auf den Theil beſchränken, welcher Afrika ähnelt. Jeder Erdtheil, Europa ausgenommen, beſitzt ſeine eigenen Arten; aber einzelne von ihnen ſind über ungeheuere Länderſtrecken verbreitet und kommen in allen drei Erdtheilen als Standvögel vor. Sie werden jedoch nicht blos an ihren eigentlichen Wohnſitzen beobachtet, ſondern wandern zuweilen in Ländern ein, in welchen man ſie früher nicht bemerkte. Zwar verweilen faſt alle Arten jahraus, jahrein an derſelben

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 311. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/335>, abgerufen am 28.11.2024.