nügend, die inzwischen größer gewordene Last des Leibes zu tragen; sie werden aber so oft gewechselt, daß sie ihre Dienste niemals versagen: der Fittig eines Huhns, welches zum ersten Mal die Tracht der ausgewachsenen Vögel seiner Art anlegt, hat einen vier- bis fünfmaligen Federwechsel durchmachen müssen. Bei den meisten Arten geht die Umkleidung schon vor Beendigung des ersten Jahres in die der alten Vögel über, andere hingegen bedürfen eines Zeitraumes von zwei und selbst drei Jahren, bevor sie als ausgefiedert gelten können. Jene pflegen sich bereits im ersten Herbste ihres Lebens zu paaren, brechen mindestens schon eine Lanze zu Ehren des andern Geschlechts; diese bekümmern sich, bevor sie erwachsen sind, wenig um die Weibchen.
Sehr viele Hennen werden von Raubthieren, denen sie sonst leicht entgehen würden, weg- genommen, während sie brüten, weil sie sich nicht entschließen können, die Eier zu verlassen. Geschieht Letzteres, so pflegen auch sie zur Verstellung ihre Zuflucht zu nehmen: sie stellen sich lahm und hüpfen halb laufend, halb flatternd vor dem Verfolger dahin, bis sie diesen glücklich vom Neste entfernt haben; noch besorgter zeigen sie sich, wenn erst die Schar der Küchlein ausgeschlüpft ist.
Die Scharrvögel haben so viel Feinde, daß nur ihre ungewöhnlich starke Vermehrung das Gleichgewicht zwischen Vernichtung und Ersetzung herzustellen vermag. Alle Raubthiere, große und kleine, stellen den Hühnern eifrig nach, und der Mensch gesellt sich überall als der schlimmste Feind zu den so zu sagen natürlichen Verfolgern. Die Hühner sind es, welche allerorten zuerst und mehr gejagt werden, als die übrigen Vögel zusammengenommen. Aber der Mensch hat auch bald einsehen lernen, daß diese wichtigen Thiere sich noch ganz anders verwerthen lassen. Er hat schon seit altersgrauer Zeit wenigstens einige von ihnen an sich zu fesseln gesucht und sie von den Waldungen Südasiens über die ganze Erde verbreitet, unter den verschiedensten Himmelsstrichen, unter den verschiedensten Umständen heimisch gemacht. Es ist wahrscheinlich, daß er sich die brauch- barsten unter allen ausgewählt; es unterliegt aber auch keinem Zweifel, daß er viele von denen, welche gegenwärtig noch wild leben, unter seine Botmäßigkeit zwingen und in ihnen nützliche Hausthiere gewinnen können wird. Das Bestreben der Neuzeit, fremdländische Thiere bei uns ein- zubürgern, kann durch keine Thierordnung besser gerechtfertigt und glänzender belohnt werden, als durch die Scharrvögel, deren Schönheit, leichte Zähmbarkeit und Nützlichkeit von keiner andern Vogelgruppe übertroffen wird.
Die bereits erwähnten Flug- oder Wüstenhühner(Pteroclae) nehmen in der Ordnung der Scharrvögel eine so vereinzelte Stellung ein, daß sie nicht blos eine eigene Familie, sondern eine besondere Zunft bilden. Gewöhnlich sieht man sie als Uebergangsglieder von den Tauben zu den Hühnern an, und es läßt sich gar nicht leugnen, daß diese Ansicht Vieles für sich hat; andererseits aber kann man nicht verkennen, daß sie sich doch nur auf oberflächliche Vergleichung gründet. Dasselbe gilt für die neuerdings geltend gemachte Meinung, daß man in ihnen die Vertreter der Trappen unter den Scharrvögeln zu sehen habe, weil dafür der Bau des Schnabels und der Füße, sowie auch die Beschaffenheit der Besiederung und die Fortpflanzung spricht. Jch meinestheils bin der Ansicht, daß man die Flughühner mit anderen Scharrvögeln oder mit Tauben gar nicht vergleichen kann, daß sie vielmehr eine jener Familien bilden, welche das Gepräge ihrer Heimat auf das Schärfste bekunden und ebenso eigenthümlich sind und leben, wie diese Heimat es ist. Jch sehe in ihnen nicht die am höchsten stehenden Scharrvögel; aber ich trage einer Begabung, ihrer außerordentlichen Flugfertigkeit, welche sie vor allen übrigen auszeichnet, Rechnung. Nicht umsonst haben die Flughühner ihren Namen erhalten: sie verdienen ihn in vollstem Sinne des Wortes. Der Schnabel ist es nicht, welcher sie kennzeichnet, der Bau des Fußes ebenso wenig: ihr Merk- mal ist die Entwickelung des Gefieders, und vor allem die Ausbildung der Flugwerkzeuge. Es gibt kein Huhn, keinen Scharrvogel, welcher ihnen hierin gleicht; es gibt keinen Laufvogel, welcher sie
Die Läufer. Scharrvögel. Flughühner.
nügend, die inzwiſchen größer gewordene Laſt des Leibes zu tragen; ſie werden aber ſo oft gewechſelt, daß ſie ihre Dienſte niemals verſagen: der Fittig eines Huhns, welches zum erſten Mal die Tracht der ausgewachſenen Vögel ſeiner Art anlegt, hat einen vier- bis fünfmaligen Federwechſel durchmachen müſſen. Bei den meiſten Arten geht die Umkleidung ſchon vor Beendigung des erſten Jahres in die der alten Vögel über, andere hingegen bedürfen eines Zeitraumes von zwei und ſelbſt drei Jahren, bevor ſie als ausgefiedert gelten können. Jene pflegen ſich bereits im erſten Herbſte ihres Lebens zu paaren, brechen mindeſtens ſchon eine Lanze zu Ehren des andern Geſchlechts; dieſe bekümmern ſich, bevor ſie erwachſen ſind, wenig um die Weibchen.
Sehr viele Hennen werden von Raubthieren, denen ſie ſonſt leicht entgehen würden, weg- genommen, während ſie brüten, weil ſie ſich nicht entſchließen können, die Eier zu verlaſſen. Geſchieht Letzteres, ſo pflegen auch ſie zur Verſtellung ihre Zuflucht zu nehmen: ſie ſtellen ſich lahm und hüpfen halb laufend, halb flatternd vor dem Verfolger dahin, bis ſie dieſen glücklich vom Neſte entfernt haben; noch beſorgter zeigen ſie ſich, wenn erſt die Schar der Küchlein ausgeſchlüpft iſt.
Die Scharrvögel haben ſo viel Feinde, daß nur ihre ungewöhnlich ſtarke Vermehrung das Gleichgewicht zwiſchen Vernichtung und Erſetzung herzuſtellen vermag. Alle Raubthiere, große und kleine, ſtellen den Hühnern eifrig nach, und der Menſch geſellt ſich überall als der ſchlimmſte Feind zu den ſo zu ſagen natürlichen Verfolgern. Die Hühner ſind es, welche allerorten zuerſt und mehr gejagt werden, als die übrigen Vögel zuſammengenommen. Aber der Menſch hat auch bald einſehen lernen, daß dieſe wichtigen Thiere ſich noch ganz anders verwerthen laſſen. Er hat ſchon ſeit altersgrauer Zeit wenigſtens einige von ihnen an ſich zu feſſeln geſucht und ſie von den Waldungen Südaſiens über die ganze Erde verbreitet, unter den verſchiedenſten Himmelsſtrichen, unter den verſchiedenſten Umſtänden heimiſch gemacht. Es iſt wahrſcheinlich, daß er ſich die brauch- barſten unter allen ausgewählt; es unterliegt aber auch keinem Zweifel, daß er viele von denen, welche gegenwärtig noch wild leben, unter ſeine Botmäßigkeit zwingen und in ihnen nützliche Hausthiere gewinnen können wird. Das Beſtreben der Neuzeit, fremdländiſche Thiere bei uns ein- zubürgern, kann durch keine Thierordnung beſſer gerechtfertigt und glänzender belohnt werden, als durch die Scharrvögel, deren Schönheit, leichte Zähmbarkeit und Nützlichkeit von keiner andern Vogelgruppe übertroffen wird.
Die bereits erwähnten Flug- oder Wüſtenhühner(Pteroclae) nehmen in der Ordnung der Scharrvögel eine ſo vereinzelte Stellung ein, daß ſie nicht blos eine eigene Familie, ſondern eine beſondere Zunft bilden. Gewöhnlich ſieht man ſie als Uebergangsglieder von den Tauben zu den Hühnern an, und es läßt ſich gar nicht leugnen, daß dieſe Anſicht Vieles für ſich hat; andererſeits aber kann man nicht verkennen, daß ſie ſich doch nur auf oberflächliche Vergleichung gründet. Daſſelbe gilt für die neuerdings geltend gemachte Meinung, daß man in ihnen die Vertreter der Trappen unter den Scharrvögeln zu ſehen habe, weil dafür der Bau des Schnabels und der Füße, ſowie auch die Beſchaffenheit der Beſiederung und die Fortpflanzung ſpricht. Jch meinestheils bin der Anſicht, daß man die Flughühner mit anderen Scharrvögeln oder mit Tauben gar nicht vergleichen kann, daß ſie vielmehr eine jener Familien bilden, welche das Gepräge ihrer Heimat auf das Schärfſte bekunden und ebenſo eigenthümlich ſind und leben, wie dieſe Heimat es iſt. Jch ſehe in ihnen nicht die am höchſten ſtehenden Scharrvögel; aber ich trage einer Begabung, ihrer außerordentlichen Flugfertigkeit, welche ſie vor allen übrigen auszeichnet, Rechnung. Nicht umſonſt haben die Flughühner ihren Namen erhalten: ſie verdienen ihn in vollſtem Sinne des Wortes. Der Schnabel iſt es nicht, welcher ſie kennzeichnet, der Bau des Fußes ebenſo wenig: ihr Merk- mal iſt die Entwickelung des Gefieders, und vor allem die Ausbildung der Flugwerkzeuge. Es gibt kein Huhn, keinen Scharrvogel, welcher ihnen hierin gleicht; es gibt keinen Laufvogel, welcher ſie
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Die Läufer. Scharrvögel. Flughühner.
nügend, die inzwiſchen größer gewordene Laſt des Leibes zu tragen; ſie werden aber ſo oft gewechſelt,
daß ſie ihre Dienſte niemals verſagen: der Fittig eines Huhns, welches zum erſten Mal die Tracht
der ausgewachſenen Vögel ſeiner Art anlegt, hat einen vier- bis fünfmaligen Federwechſel durchmachen
müſſen. Bei den meiſten Arten geht die Umkleidung ſchon vor Beendigung des erſten Jahres in die der
alten Vögel über, andere hingegen bedürfen eines Zeitraumes von zwei und ſelbſt drei Jahren, bevor
ſie als ausgefiedert gelten können. Jene pflegen ſich bereits im erſten Herbſte ihres Lebens zu paaren,
brechen mindeſtens ſchon eine Lanze zu Ehren des andern Geſchlechts; dieſe bekümmern ſich, bevor ſie
erwachſen ſind, wenig um die Weibchen.
Sehr viele Hennen werden von Raubthieren, denen ſie ſonſt leicht entgehen würden, weg-
genommen, während ſie brüten, weil ſie ſich nicht entſchließen können, die Eier zu verlaſſen. Geſchieht
Letzteres, ſo pflegen auch ſie zur Verſtellung ihre Zuflucht zu nehmen: ſie ſtellen ſich lahm und
hüpfen halb laufend, halb flatternd vor dem Verfolger dahin, bis ſie dieſen glücklich vom Neſte
entfernt haben; noch beſorgter zeigen ſie ſich, wenn erſt die Schar der Küchlein ausgeſchlüpft iſt.
Die Scharrvögel haben ſo viel Feinde, daß nur ihre ungewöhnlich ſtarke Vermehrung das
Gleichgewicht zwiſchen Vernichtung und Erſetzung herzuſtellen vermag. Alle Raubthiere, große und
kleine, ſtellen den Hühnern eifrig nach, und der Menſch geſellt ſich überall als der ſchlimmſte Feind zu
den ſo zu ſagen natürlichen Verfolgern. Die Hühner ſind es, welche allerorten zuerſt und
mehr gejagt werden, als die übrigen Vögel zuſammengenommen. Aber der Menſch hat auch bald
einſehen lernen, daß dieſe wichtigen Thiere ſich noch ganz anders verwerthen laſſen. Er hat ſchon
ſeit altersgrauer Zeit wenigſtens einige von ihnen an ſich zu feſſeln geſucht und ſie von den
Waldungen Südaſiens über die ganze Erde verbreitet, unter den verſchiedenſten Himmelsſtrichen,
unter den verſchiedenſten Umſtänden heimiſch gemacht. Es iſt wahrſcheinlich, daß er ſich die brauch-
barſten unter allen ausgewählt; es unterliegt aber auch keinem Zweifel, daß er viele von denen,
welche gegenwärtig noch wild leben, unter ſeine Botmäßigkeit zwingen und in ihnen nützliche
Hausthiere gewinnen können wird. Das Beſtreben der Neuzeit, fremdländiſche Thiere bei uns ein-
zubürgern, kann durch keine Thierordnung beſſer gerechtfertigt und glänzender belohnt werden, als
durch die Scharrvögel, deren Schönheit, leichte Zähmbarkeit und Nützlichkeit von keiner andern
Vogelgruppe übertroffen wird.
Die bereits erwähnten Flug- oder Wüſtenhühner (Pteroclae) nehmen in der Ordnung
der Scharrvögel eine ſo vereinzelte Stellung ein, daß ſie nicht blos eine eigene Familie, ſondern
eine beſondere Zunft bilden. Gewöhnlich ſieht man ſie als Uebergangsglieder von den Tauben
zu den Hühnern an, und es läßt ſich gar nicht leugnen, daß dieſe Anſicht Vieles für ſich hat;
andererſeits aber kann man nicht verkennen, daß ſie ſich doch nur auf oberflächliche Vergleichung
gründet. Daſſelbe gilt für die neuerdings geltend gemachte Meinung, daß man in ihnen die
Vertreter der Trappen unter den Scharrvögeln zu ſehen habe, weil dafür der Bau des Schnabels
und der Füße, ſowie auch die Beſchaffenheit der Beſiederung und die Fortpflanzung ſpricht. Jch
meinestheils bin der Anſicht, daß man die Flughühner mit anderen Scharrvögeln oder mit Tauben
gar nicht vergleichen kann, daß ſie vielmehr eine jener Familien bilden, welche das Gepräge ihrer
Heimat auf das Schärfſte bekunden und ebenſo eigenthümlich ſind und leben, wie dieſe Heimat es iſt.
Jch ſehe in ihnen nicht die am höchſten ſtehenden Scharrvögel; aber ich trage einer Begabung, ihrer
außerordentlichen Flugfertigkeit, welche ſie vor allen übrigen auszeichnet, Rechnung. Nicht umſonſt
haben die Flughühner ihren Namen erhalten: ſie verdienen ihn in vollſtem Sinne des Wortes.
Der Schnabel iſt es nicht, welcher ſie kennzeichnet, der Bau des Fußes ebenſo wenig: ihr Merk-
mal iſt die Entwickelung des Gefieders, und vor allem die Ausbildung der Flugwerkzeuge. Es
gibt kein Huhn, keinen Scharrvogel, welcher ihnen hierin gleicht; es gibt keinen Laufvogel, welcher ſie
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 310. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/334>, abgerufen am 28.11.2024.
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