"Kein Vogel der Wälder Neuseelands", sagt Layard, "zieht die Aufmerksamkeit des Fremden mehr auf sich, als der Poe. Der geräuschvolle Gesell ist beständig in Bewegung, entweder fliegend von Baum zu Baum oder segelnd in luftigen Kreisen über dem Walde. Diese Kurzweil treibt er nament- lich gegen Abend, und ich war anfangs geneigt, zu glauben, daß er dadurch Futter erspähen wolle, fand aber später, daß das Segeln nur zum Vergnügen geschieht. Oft sieht man ihrer acht bis zehn gemeinschaftlich über den Bäumen dahinfliegen, kreisend, sich drehend, Burzelbäume schießend, von einer bedeutenden Höhe mit ausgebreiteten Schwingen und Schwanz sich herniedersenkend und andere Kunststücke treibend, bis auf einen Lockruf alle plötzlich in das Waldesdickicht hinabtauchen und dem Auge entschwinden."
[Abbildung]
Der Poe(Prosthemadera circinata).
Es scheint, daß die Neuseeländer den Poe von jeher gern in der Gefangenschaft gehalten haben. Sie brachten ihn Rochelas in kleinen, aus Flechtwerk verfertigten Käsigen und boten ihn zum Ver- kauf an, und heutigen Tages noch kommen auf demselben Wege viele in die Hände der Europäer. Bennett versichert, daß die Gefangenen höchst unterhaltend sind, sich sehr leicht zähmen lassen und mit ihren Pflegern sich rasch befreunden. Abgesehen von ihrem vortrefflichen Gesang, besitzen sie die Gabe der Nachahmung im hohen Grade: sie sollen hierin nicht blos die Elster oder den Raben, sondern selbst die Spottdrossel übertreffen. Sie lernen Worte mit größter Genauigkeit nachsprechen und können überhaupt jeden Laut wiedergeben, welchen sie vernehmen, und somit vereinigt sich bei ihnen Alles, um sie einem Thierfreunde werth zu machen: Schönheit und liebenswürdiges Betragen, Gesang und leichte Zähmbarkeit.
Die Späher. Klettervögel. Pinſelzüngler.
„Kein Vogel der Wälder Neuſeelands“, ſagt Layard, „zieht die Aufmerkſamkeit des Fremden mehr auf ſich, als der Poë. Der geräuſchvolle Geſell iſt beſtändig in Bewegung, entweder fliegend von Baum zu Baum oder ſegelnd in luftigen Kreiſen über dem Walde. Dieſe Kurzweil treibt er nament- lich gegen Abend, und ich war anfangs geneigt, zu glauben, daß er dadurch Futter erſpähen wolle, fand aber ſpäter, daß das Segeln nur zum Vergnügen geſchieht. Oft ſieht man ihrer acht bis zehn gemeinſchaftlich über den Bäumen dahinfliegen, kreiſend, ſich drehend, Burzelbäume ſchießend, von einer bedeutenden Höhe mit ausgebreiteten Schwingen und Schwanz ſich herniederſenkend und andere Kunſtſtücke treibend, bis auf einen Lockruf alle plötzlich in das Waldesdickicht hinabtauchen und dem Auge entſchwinden.“
[Abbildung]
Der Poë(Prosthemadera circinata).
Es ſcheint, daß die Neuſeeländer den Poë von jeher gern in der Gefangenſchaft gehalten haben. Sie brachten ihn Rochelas in kleinen, aus Flechtwerk verfertigten Käſigen und boten ihn zum Ver- kauf an, und heutigen Tages noch kommen auf demſelben Wege viele in die Hände der Europäer. Bennett verſichert, daß die Gefangenen höchſt unterhaltend ſind, ſich ſehr leicht zähmen laſſen und mit ihren Pflegern ſich raſch befreunden. Abgeſehen von ihrem vortrefflichen Geſang, beſitzen ſie die Gabe der Nachahmung im hohen Grade: ſie ſollen hierin nicht blos die Elſter oder den Raben, ſondern ſelbſt die Spottdroſſel übertreffen. Sie lernen Worte mit größter Genauigkeit nachſprechen und können überhaupt jeden Laut wiedergeben, welchen ſie vernehmen, und ſomit vereinigt ſich bei ihnen Alles, um ſie einem Thierfreunde werth zu machen: Schönheit und liebenswürdiges Betragen, Geſang und leichte Zähmbarkeit.
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Die Späher. Klettervögel. Pinſelzüngler.
„Kein Vogel der Wälder Neuſeelands“, ſagt Layard, „zieht die Aufmerkſamkeit des Fremden mehr
auf ſich, als der Poë. Der geräuſchvolle Geſell iſt beſtändig in Bewegung, entweder fliegend von
Baum zu Baum oder ſegelnd in luftigen Kreiſen über dem Walde. Dieſe Kurzweil treibt er nament-
lich gegen Abend, und ich war anfangs geneigt, zu glauben, daß er dadurch Futter erſpähen wolle,
fand aber ſpäter, daß das Segeln nur zum Vergnügen geſchieht. Oft ſieht man ihrer acht bis zehn
gemeinſchaftlich über den Bäumen dahinfliegen, kreiſend, ſich drehend, Burzelbäume ſchießend, von
einer bedeutenden Höhe mit ausgebreiteten Schwingen und Schwanz ſich herniederſenkend und andere
Kunſtſtücke treibend, bis auf einen Lockruf alle plötzlich in das Waldesdickicht hinabtauchen und dem
Auge entſchwinden.“
[Abbildung Der Poë (Prosthemadera circinata).]
Es ſcheint, daß die Neuſeeländer den Poë von jeher gern in der Gefangenſchaft gehalten haben.
Sie brachten ihn Rochelas in kleinen, aus Flechtwerk verfertigten Käſigen und boten ihn zum Ver-
kauf an, und heutigen Tages noch kommen auf demſelben Wege viele in die Hände der Europäer.
Bennett verſichert, daß die Gefangenen höchſt unterhaltend ſind, ſich ſehr leicht zähmen laſſen und mit
ihren Pflegern ſich raſch befreunden. Abgeſehen von ihrem vortrefflichen Geſang, beſitzen ſie die
Gabe der Nachahmung im hohen Grade: ſie ſollen hierin nicht blos die Elſter oder den Raben,
ſondern ſelbſt die Spottdroſſel übertreffen. Sie lernen Worte mit größter Genauigkeit nachſprechen
und können überhaupt jeden Laut wiedergeben, welchen ſie vernehmen, und ſomit vereinigt ſich bei
ihnen Alles, um ſie einem Thierfreunde werth zu machen: Schönheit und liebenswürdiges Betragen,
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/32>, abgerufen am 23.11.2024.
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