achtzehn Tagen sind die Eier gezeitigt, und die äußerst unbehilflichen blinden Jungen schlüpfen in einem Zwischenraume von 24 bis 36 Stunden nach einander aus. Jn der ersten Zeit werden sie von beiden Eltern mit dem Futterbrei gefüttert, welcher sich im Kropfe bildet; später erhalten sie erweichte Sämereien und endlich härtere, nebst Steinchen und Lehmstücken. Sie sind nach vier Wochen erwachsen, schwärmen mit den Alten aus, machen sich in wenigen Tagen selbständig, und die Eltern schreiten nun zur zweiten Brut.
Die Felsen- und die Feldtauben haben dieselben Feinde, wie andere Arten ihrer Ordnung, die letztgenannten selbstverständlich mehr als die wildlebenden, weil diese ihre Feinde nicht nur besser kennen, sondern ihnen auch leichter entrinnen. Bei uns zu Lande sind Marder, Wanderfalken und Habichte die schlimmsten Feinde der Tauben, im Süden werden jene durch Verwandte vollständig vertreten. Vor Raubvögeln fürchten sich die Tauben so, daß sie zuweilen zu sonderbaren Mitteln ihre Zuflucht nehmen. So sah Naumann einen Feldflüchter, vom Wanderfalken verfolgt, sich in einen Teich stürzen, untertauchen und an einer ganz andern, weit entfernten Stelle wieder auf- tauchen und weiterfliegen. Daß sich Tauben oft in das Jnnere der Häuser flüchten und dabei Fenster- scheiben zerbrechen, ist bekannt.
Der Feldflüchter lebt auch bei uns eigentlich nur in halber Gefangenschaft; denn er bewahrt sich stets eine gewisse Selbständigkeit. Wilde Felsentauben, welche jung aus dem Neste genommen werden, betragen sich, wie ich nach eigener Erfahrung versichern kann, genau wie Feldflüchter. Auch sie befreunden sich mit den Menschen, jedoch ohne jene hingebende Unterthänigkeit, welche die Farben- und Rassentauben an den Tag zu legen pflegen. Letztgenannte, die Freude und der Stolz der sogenannten Liebhaber, haben, streng genommen, wenig mit ihren angeblichen Stammeltern gemein, und deshalb bleibt es immer noch fraglich, ob man sie als Nachkommen der Felsen- oder Bergtaube betrachten darf. Gern möchte ich auch über sie und ihr Leben hier Einiges mittheilen, ich weiß aber, daß ich weder dem Liebhaber noch dem in der Taubenkunde Erfahrenen genügen kann; denn diese Kunde ist eine Wissenschaft, mit welcher ich mich noch nicht habe vertraut machen können.
Kukukstauben (Macropygiae) hat Bonaparte diejenigen Girrvögel genannt, welche schlank gebaut, kleinköpfig, ziemlich kurzflügelig, langschwänzig und kurzfüßig sind. Die Gruppe, welche wir nicht übergehen dürfen, ist nicht besonders zahlreich, aber ebensowohl in der neuen, wie in der alten Welt vertreten. Alle Arten, deren Lebensweise man kennt, sind im hohen Grade gesellig; einzelne vereinigen sich zu Scharen, welche jede Schätzung unmöglich machen. Sie sind in gewissem Sinne als Fruchtfresser anzusehen, nähren sich wenigstens zum Theil mehr von Baum- früchten als von Körnern. Alle leben in Waldungen, obwohl einzelne schon in einem dicht bestan- denen Garten Herberge nehmen können. Uebrigens hat die Lebensweise der verschiedenen Arten dieser Gruppe wenig Uebereinstimmendes, und es fragt sich deshalb noch sehr, ob die von Bona- parte gebildete Unterfamilie wirklich als eine naturgemäße zu betrachten ist. Für uns muß es genügen, wenn ich die bekannteste, aber auch die wichtigste Art der Gruppe zu schildern versuche.
Mein Vater hat gewisse Vögel mit den räthselhaften Jndiern verglichen, welche im Süden unseres Erdtheils noch heutigen Tags eine Rolle spielen, und demgemäß Zigeunervögel genannt. Wie dieses heimatslose Volk erscheinen sie oft plötzlich an Orten, wo man sie lange Jahre nicht sah, weil ihnen hier reichlichere Nahrung winkt, siedeln sich fest an, benehmen sich ganz, als ob sie heimisch wären und verschwinden wieder, ohne daß man weiß, wohin sie gingen. Ein solcher Zigeunervogel ist die hochberühmte Wandertaube, welche in den ungeheuren Waldungen Nord- amerikas bald hier, bald dort ihren Wohnsitz nimmt, brütet, Millionen von Jungen heranzieht, ganze Waldstrecken verwüstet, alle ihr zusagende Nahrung in einer gewissen Gegend aufzehrt, dafür
Die Läufer. Girrvögel. Kukukstauben.
achtzehn Tagen ſind die Eier gezeitigt, und die äußerſt unbehilflichen blinden Jungen ſchlüpfen in einem Zwiſchenraume von 24 bis 36 Stunden nach einander aus. Jn der erſten Zeit werden ſie von beiden Eltern mit dem Futterbrei gefüttert, welcher ſich im Kropfe bildet; ſpäter erhalten ſie erweichte Sämereien und endlich härtere, nebſt Steinchen und Lehmſtücken. Sie ſind nach vier Wochen erwachſen, ſchwärmen mit den Alten aus, machen ſich in wenigen Tagen ſelbſtändig, und die Eltern ſchreiten nun zur zweiten Brut.
Die Felſen- und die Feldtauben haben dieſelben Feinde, wie andere Arten ihrer Ordnung, die letztgenannten ſelbſtverſtändlich mehr als die wildlebenden, weil dieſe ihre Feinde nicht nur beſſer kennen, ſondern ihnen auch leichter entrinnen. Bei uns zu Lande ſind Marder, Wanderfalken und Habichte die ſchlimmſten Feinde der Tauben, im Süden werden jene durch Verwandte vollſtändig vertreten. Vor Raubvögeln fürchten ſich die Tauben ſo, daß ſie zuweilen zu ſonderbaren Mitteln ihre Zuflucht nehmen. So ſah Naumann einen Feldflüchter, vom Wanderfalken verfolgt, ſich in einen Teich ſtürzen, untertauchen und an einer ganz andern, weit entfernten Stelle wieder auf- tauchen und weiterfliegen. Daß ſich Tauben oft in das Jnnere der Häuſer flüchten und dabei Fenſter- ſcheiben zerbrechen, iſt bekannt.
Der Feldflüchter lebt auch bei uns eigentlich nur in halber Gefangenſchaft; denn er bewahrt ſich ſtets eine gewiſſe Selbſtändigkeit. Wilde Felſentauben, welche jung aus dem Neſte genommen werden, betragen ſich, wie ich nach eigener Erfahrung verſichern kann, genau wie Feldflüchter. Auch ſie befreunden ſich mit den Menſchen, jedoch ohne jene hingebende Unterthänigkeit, welche die Farben- und Raſſentauben an den Tag zu legen pflegen. Letztgenannte, die Freude und der Stolz der ſogenannten Liebhaber, haben, ſtreng genommen, wenig mit ihren angeblichen Stammeltern gemein, und deshalb bleibt es immer noch fraglich, ob man ſie als Nachkommen der Felſen- oder Bergtaube betrachten darf. Gern möchte ich auch über ſie und ihr Leben hier Einiges mittheilen, ich weiß aber, daß ich weder dem Liebhaber noch dem in der Taubenkunde Erfahrenen genügen kann; denn dieſe Kunde iſt eine Wiſſenſchaft, mit welcher ich mich noch nicht habe vertraut machen können.
Kukukstauben (Macropygiae) hat Bonaparte diejenigen Girrvögel genannt, welche ſchlank gebaut, kleinköpfig, ziemlich kurzflügelig, langſchwänzig und kurzfüßig ſind. Die Gruppe, welche wir nicht übergehen dürfen, iſt nicht beſonders zahlreich, aber ebenſowohl in der neuen, wie in der alten Welt vertreten. Alle Arten, deren Lebensweiſe man kennt, ſind im hohen Grade geſellig; einzelne vereinigen ſich zu Scharen, welche jede Schätzung unmöglich machen. Sie ſind in gewiſſem Sinne als Fruchtfreſſer anzuſehen, nähren ſich wenigſtens zum Theil mehr von Baum- früchten als von Körnern. Alle leben in Waldungen, obwohl einzelne ſchon in einem dicht beſtan- denen Garten Herberge nehmen können. Uebrigens hat die Lebensweiſe der verſchiedenen Arten dieſer Gruppe wenig Uebereinſtimmendes, und es fragt ſich deshalb noch ſehr, ob die von Bona- parte gebildete Unterfamilie wirklich als eine naturgemäße zu betrachten iſt. Für uns muß es genügen, wenn ich die bekannteſte, aber auch die wichtigſte Art der Gruppe zu ſchildern verſuche.
Mein Vater hat gewiſſe Vögel mit den räthſelhaften Jndiern verglichen, welche im Süden unſeres Erdtheils noch heutigen Tags eine Rolle ſpielen, und demgemäß Zigeunervögel genannt. Wie dieſes heimatsloſe Volk erſcheinen ſie oft plötzlich an Orten, wo man ſie lange Jahre nicht ſah, weil ihnen hier reichlichere Nahrung winkt, ſiedeln ſich feſt an, benehmen ſich ganz, als ob ſie heimiſch wären und verſchwinden wieder, ohne daß man weiß, wohin ſie gingen. Ein ſolcher Zigeunervogel iſt die hochberühmte Wandertaube, welche in den ungeheuren Waldungen Nord- amerikas bald hier, bald dort ihren Wohnſitz nimmt, brütet, Millionen von Jungen heranzieht, ganze Waldſtrecken verwüſtet, alle ihr zuſagende Nahrung in einer gewiſſen Gegend aufzehrt, dafür
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Die Läufer. Girrvögel. Kukukstauben.
achtzehn Tagen ſind die Eier gezeitigt, und die äußerſt unbehilflichen blinden Jungen ſchlüpfen in einem
Zwiſchenraume von 24 bis 36 Stunden nach einander aus. Jn der erſten Zeit werden ſie von beiden
Eltern mit dem Futterbrei gefüttert, welcher ſich im Kropfe bildet; ſpäter erhalten ſie erweichte
Sämereien und endlich härtere, nebſt Steinchen und Lehmſtücken. Sie ſind nach vier Wochen
erwachſen, ſchwärmen mit den Alten aus, machen ſich in wenigen Tagen ſelbſtändig, und die Eltern
ſchreiten nun zur zweiten Brut.
Die Felſen- und die Feldtauben haben dieſelben Feinde, wie andere Arten ihrer Ordnung, die
letztgenannten ſelbſtverſtändlich mehr als die wildlebenden, weil dieſe ihre Feinde nicht nur beſſer
kennen, ſondern ihnen auch leichter entrinnen. Bei uns zu Lande ſind Marder, Wanderfalken und
Habichte die ſchlimmſten Feinde der Tauben, im Süden werden jene durch Verwandte vollſtändig
vertreten. Vor Raubvögeln fürchten ſich die Tauben ſo, daß ſie zuweilen zu ſonderbaren Mitteln
ihre Zuflucht nehmen. So ſah Naumann einen Feldflüchter, vom Wanderfalken verfolgt, ſich
in einen Teich ſtürzen, untertauchen und an einer ganz andern, weit entfernten Stelle wieder auf-
tauchen und weiterfliegen. Daß ſich Tauben oft in das Jnnere der Häuſer flüchten und dabei Fenſter-
ſcheiben zerbrechen, iſt bekannt.
Der Feldflüchter lebt auch bei uns eigentlich nur in halber Gefangenſchaft; denn er bewahrt
ſich ſtets eine gewiſſe Selbſtändigkeit. Wilde Felſentauben, welche jung aus dem Neſte genommen
werden, betragen ſich, wie ich nach eigener Erfahrung verſichern kann, genau wie Feldflüchter.
Auch ſie befreunden ſich mit den Menſchen, jedoch ohne jene hingebende Unterthänigkeit, welche
die Farben- und Raſſentauben an den Tag zu legen pflegen. Letztgenannte, die Freude und der
Stolz der ſogenannten Liebhaber, haben, ſtreng genommen, wenig mit ihren angeblichen Stammeltern
gemein, und deshalb bleibt es immer noch fraglich, ob man ſie als Nachkommen der Felſen- oder
Bergtaube betrachten darf. Gern möchte ich auch über ſie und ihr Leben hier Einiges mittheilen, ich
weiß aber, daß ich weder dem Liebhaber noch dem in der Taubenkunde Erfahrenen genügen kann;
denn dieſe Kunde iſt eine Wiſſenſchaft, mit welcher ich mich noch nicht habe vertraut machen können.
Kukukstauben (Macropygiae) hat Bonaparte diejenigen Girrvögel genannt, welche ſchlank
gebaut, kleinköpfig, ziemlich kurzflügelig, langſchwänzig und kurzfüßig ſind. Die Gruppe, welche wir
nicht übergehen dürfen, iſt nicht beſonders zahlreich, aber ebenſowohl in der neuen, wie in der
alten Welt vertreten. Alle Arten, deren Lebensweiſe man kennt, ſind im hohen Grade geſellig;
einzelne vereinigen ſich zu Scharen, welche jede Schätzung unmöglich machen. Sie ſind in
gewiſſem Sinne als Fruchtfreſſer anzuſehen, nähren ſich wenigſtens zum Theil mehr von Baum-
früchten als von Körnern. Alle leben in Waldungen, obwohl einzelne ſchon in einem dicht beſtan-
denen Garten Herberge nehmen können. Uebrigens hat die Lebensweiſe der verſchiedenen Arten
dieſer Gruppe wenig Uebereinſtimmendes, und es fragt ſich deshalb noch ſehr, ob die von Bona-
parte gebildete Unterfamilie wirklich als eine naturgemäße zu betrachten iſt. Für uns muß es
genügen, wenn ich die bekannteſte, aber auch die wichtigſte Art der Gruppe zu ſchildern verſuche.
Mein Vater hat gewiſſe Vögel mit den räthſelhaften Jndiern verglichen, welche im Süden
unſeres Erdtheils noch heutigen Tags eine Rolle ſpielen, und demgemäß Zigeunervögel genannt.
Wie dieſes heimatsloſe Volk erſcheinen ſie oft plötzlich an Orten, wo man ſie lange Jahre nicht ſah,
weil ihnen hier reichlichere Nahrung winkt, ſiedeln ſich feſt an, benehmen ſich ganz, als ob ſie
heimiſch wären und verſchwinden wieder, ohne daß man weiß, wohin ſie gingen. Ein ſolcher
Zigeunervogel iſt die hochberühmte Wandertaube, welche in den ungeheuren Waldungen Nord-
amerikas bald hier, bald dort ihren Wohnſitz nimmt, brütet, Millionen von Jungen heranzieht, ganze
Waldſtrecken verwüſtet, alle ihr zuſagende Nahrung in einer gewiſſen Gegend aufzehrt, dafür
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 272. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/294>, abgerufen am 28.11.2024.
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