Nahrung findet, breitet die Flügel aus und versucht dadurch andere abzuhalten, das Gefundene mit ihr zu theilen; die Geselligkeit, welche ihnen in hohem Maße eigen ist, beendet derartige Zwistig- keiten aber immer in sehr kurzer Zeit, und wenn Gefahr sich naht oder ein Unwetter droht, gibt auch die Gesammtheit Beweise der edelsten Gefühle.
Die Stimme, das bekannte Rucksen, besteht aus dumpfen, heulenden und rollenden Tönen, welche ungefähr wie "Marukuh murkukuh marhukukuh" klingen. Die einzelnen Ausrufe werden mit Bücklingen, Drehungen und Kopfnicken begleitet; sie folgen sich um so schneller, je eifriger das Männchen ist. Manchmal stoßen die Tauberte Laute aus, welche man durch die Silben "Huhu" oder "Huhua" bezeichnen kann: sie bekunden ein Verlangen des Männchens nach dem Weibchen oder sind Klagen über zu lange Abwesenheit des einen Gatten.
Alle Arten unseres Getreides und außerdem die Sämereien von Raps und Rübsen, Linsen, Erbsen, Lein u. s. w., vor allem Anderen aber die Körner der als unausrottbares Unkraut gefürchteten Vogelwicke bilden die Nahrung der Felsen- und Haustauben. Man hat sie als schädliche Thiere betrachtet, weil sie ziemlich viel Nahrung bedürfen und uns fühlbare Verluste zufügen können; wenn man aber bedenkt, daß sie Getreide nur während der Zeit der Aussaat fressen, wird man weniger streng urtheilen, und dabei muß man noch berücksichtigen, daß sie den Schaden, welchen sie verur- sachen, durch Aufzehren von Unkrautsämereien reichlich wieder gut machen. Es unterliegt keinem Zweifel, daß sie uns viel mehr nützen als wir glauben. Auch sie fliegen regelmäßig zu gewissen Zeiten nach Nahrung aus, gewöhnlich früh und vormittags und nachmittags noch einmal, wenn sie ein besonders ergiebiges Feld erspäht haben, oft ziemlich weit.
Man nimmt an, daß die Felsentaube wenigstens zweimal jährlich nistet und weiß mit Bestimmt- heit, daß der Feldflüchter im Laufe des Sommers mindestens drei Bruten macht. Mit Beginn des Frühlings ruckst der Tauber sehr eifrig, zeigt sich zänkisch anderen gegenüber und erkämpft sich, nicht immer ohne Mühe, sein Weibchen, welchem er die größte Zärtlichkeit bekundet. "Ein einmal ver- bundenes Paar", sagt Naumann, "trennt sich im Leben nicht wieder und ist auch außer der Fort- pflanzung immer beisammen. Ausnahmen hiervon sind selten. Sobald der Tauber einen Ort für das Nest erwählt hat, setzt er sich da fest und heult, den Kopf auf den Boden niedergelegt, bis die Täubin kommt. Diese läuft gewöhnlich mit ausgebreitetem und aufstreichenden Schwanze auf ihn zu, fängt an, mit ihm zu tändeln und krabbelt ihn ganz behutsam zwischen den Kopffedern. Der Tauber reibt dagegen seinen Kopf zum öfteren auf seinen Rückenfedern. Beide fangen sich an zu schnäbeln, wobei sie sehr zärtlich thun, und nunmehr erst folgt die Begattung. Wenn sie vollzogen, schreiten sie mit stolzem Anstand einher, fliegen auch wohl, mit den Flügeln klatschend und in der Luft spielend, ein wenig in die Höhe und ordnen und putzen nun stillschweigend ihr Gefieder wieder. Sowie die Täubin alle dem Betreten vorhergegangenen Bewegungen zärtlich erwidert, so geschicht es nicht selten, daß sie, nachdem sie betreten worden, auch den Tauber betritt. Nach einigen Tagen, an welchen die Begattung öfters vollzogen wurde, treibt der Tauber seine Gattin vor sich her zum Nistplatze, wo der Bau beginnen soll, fliegt nach Baustoffen aus, trägt sie im Schnabel herbei, und die Täubin baut damit das Nest. Dieses ist ein flacher, in der Mitte wenig vertiefter, ohne alle Kunst zusammengelegter Haufen trockener Reiser, Pflanzenstengel, Stroh und dürrer Halmen. Bis zum Legen des ersten Eies vergehen nun noch mehrere Tage, während welcher das Weibchen öfters vom Männchen betreten und endlich zum Neste getrieben wird." Die zwei Eier haben eine längliche Gestalt, sind glattschalig, glänzend und reinweiß. Beide Geschlechter brüten, die Täubin von drei Uhr nachmittags bis zehn Uhr vormittags ununterbrochen, der Tauber in den wenigen Stunden, welche dazwischen liegen, und trotzdem wird ihm die Zeit viel zu lang; denn schon nach ein Uhr pflegt er ärgerlich zu heulen, in der Absicht, die Taube, welche ihre wenigen Erholungsstunden doch sehr nöthig hat, herbeizuführen.
Nachts schläft er übrigens in unmittelbarer Nähe des Nestes, immer bereit, die Gattin nach Kräften zu beschützen. Er duldet es nicht einmal, daß eine andere Taube sich nähert. Nach sechszehn bis
Felſentaube.
Nahrung findet, breitet die Flügel aus und verſucht dadurch andere abzuhalten, das Gefundene mit ihr zu theilen; die Geſelligkeit, welche ihnen in hohem Maße eigen iſt, beendet derartige Zwiſtig- keiten aber immer in ſehr kurzer Zeit, und wenn Gefahr ſich naht oder ein Unwetter droht, gibt auch die Geſammtheit Beweiſe der edelſten Gefühle.
Die Stimme, das bekannte Ruckſen, beſteht aus dumpfen, heulenden und rollenden Tönen, welche ungefähr wie „Marukuh murkukuh marhukukuh“ klingen. Die einzelnen Ausrufe werden mit Bücklingen, Drehungen und Kopfnicken begleitet; ſie folgen ſich um ſo ſchneller, je eifriger das Männchen iſt. Manchmal ſtoßen die Tauberte Laute aus, welche man durch die Silben „Huhu“ oder „Huhua“ bezeichnen kann: ſie bekunden ein Verlangen des Männchens nach dem Weibchen oder ſind Klagen über zu lange Abweſenheit des einen Gatten.
Alle Arten unſeres Getreides und außerdem die Sämereien von Raps und Rübſen, Linſen, Erbſen, Lein u. ſ. w., vor allem Anderen aber die Körner der als unausrottbares Unkraut gefürchteten Vogelwicke bilden die Nahrung der Felſen- und Haustauben. Man hat ſie als ſchädliche Thiere betrachtet, weil ſie ziemlich viel Nahrung bedürfen und uns fühlbare Verluſte zufügen können; wenn man aber bedenkt, daß ſie Getreide nur während der Zeit der Ausſaat freſſen, wird man weniger ſtreng urtheilen, und dabei muß man noch berückſichtigen, daß ſie den Schaden, welchen ſie verur- ſachen, durch Aufzehren von Unkrautſämereien reichlich wieder gut machen. Es unterliegt keinem Zweifel, daß ſie uns viel mehr nützen als wir glauben. Auch ſie fliegen regelmäßig zu gewiſſen Zeiten nach Nahrung aus, gewöhnlich früh und vormittags und nachmittags noch einmal, wenn ſie ein beſonders ergiebiges Feld erſpäht haben, oft ziemlich weit.
Man nimmt an, daß die Felſentaube wenigſtens zweimal jährlich niſtet und weiß mit Beſtimmt- heit, daß der Feldflüchter im Laufe des Sommers mindeſtens drei Bruten macht. Mit Beginn des Frühlings ruckſt der Tauber ſehr eifrig, zeigt ſich zänkiſch anderen gegenüber und erkämpft ſich, nicht immer ohne Mühe, ſein Weibchen, welchem er die größte Zärtlichkeit bekundet. „Ein einmal ver- bundenes Paar“, ſagt Naumann, „trennt ſich im Leben nicht wieder und iſt auch außer der Fort- pflanzung immer beiſammen. Ausnahmen hiervon ſind ſelten. Sobald der Tauber einen Ort für das Neſt erwählt hat, ſetzt er ſich da feſt und heult, den Kopf auf den Boden niedergelegt, bis die Täubin kommt. Dieſe läuft gewöhnlich mit ausgebreitetem und aufſtreichenden Schwanze auf ihn zu, fängt an, mit ihm zu tändeln und krabbelt ihn ganz behutſam zwiſchen den Kopffedern. Der Tauber reibt dagegen ſeinen Kopf zum öfteren auf ſeinen Rückenfedern. Beide fangen ſich an zu ſchnäbeln, wobei ſie ſehr zärtlich thun, und nunmehr erſt folgt die Begattung. Wenn ſie vollzogen, ſchreiten ſie mit ſtolzem Anſtand einher, fliegen auch wohl, mit den Flügeln klatſchend und in der Luft ſpielend, ein wenig in die Höhe und ordnen und putzen nun ſtillſchweigend ihr Gefieder wieder. Sowie die Täubin alle dem Betreten vorhergegangenen Bewegungen zärtlich erwidert, ſo geſchicht es nicht ſelten, daß ſie, nachdem ſie betreten worden, auch den Tauber betritt. Nach einigen Tagen, an welchen die Begattung öfters vollzogen wurde, treibt der Tauber ſeine Gattin vor ſich her zum Niſtplatze, wo der Bau beginnen ſoll, fliegt nach Bauſtoffen aus, trägt ſie im Schnabel herbei, und die Täubin baut damit das Neſt. Dieſes iſt ein flacher, in der Mitte wenig vertiefter, ohne alle Kunſt zuſammengelegter Haufen trockener Reiſer, Pflanzenſtengel, Stroh und dürrer Halmen. Bis zum Legen des erſten Eies vergehen nun noch mehrere Tage, während welcher das Weibchen öfters vom Männchen betreten und endlich zum Neſte getrieben wird.“ Die zwei Eier haben eine längliche Geſtalt, ſind glattſchalig, glänzend und reinweiß. Beide Geſchlechter brüten, die Täubin von drei Uhr nachmittags bis zehn Uhr vormittags ununterbrochen, der Tauber in den wenigen Stunden, welche dazwiſchen liegen, und trotzdem wird ihm die Zeit viel zu lang; denn ſchon nach ein Uhr pflegt er ärgerlich zu heulen, in der Abſicht, die Taube, welche ihre wenigen Erholungsſtunden doch ſehr nöthig hat, herbeizuführen.
Nachts ſchläft er übrigens in unmittelbarer Nähe des Neſtes, immer bereit, die Gattin nach Kräften zu beſchützen. Er duldet es nicht einmal, daß eine andere Taube ſich nähert. Nach ſechszehn bis
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[271/0293]
Felſentaube.
Nahrung findet, breitet die Flügel aus und verſucht dadurch andere abzuhalten, das Gefundene mit
ihr zu theilen; die Geſelligkeit, welche ihnen in hohem Maße eigen iſt, beendet derartige Zwiſtig-
keiten aber immer in ſehr kurzer Zeit, und wenn Gefahr ſich naht oder ein Unwetter droht, gibt auch
die Geſammtheit Beweiſe der edelſten Gefühle.
Die Stimme, das bekannte Ruckſen, beſteht aus dumpfen, heulenden und rollenden Tönen,
welche ungefähr wie „Marukuh murkukuh marhukukuh“ klingen. Die einzelnen Ausrufe werden
mit Bücklingen, Drehungen und Kopfnicken begleitet; ſie folgen ſich um ſo ſchneller, je eifriger das
Männchen iſt. Manchmal ſtoßen die Tauberte Laute aus, welche man durch die Silben „Huhu“
oder „Huhua“ bezeichnen kann: ſie bekunden ein Verlangen des Männchens nach dem Weibchen oder
ſind Klagen über zu lange Abweſenheit des einen Gatten.
Alle Arten unſeres Getreides und außerdem die Sämereien von Raps und Rübſen, Linſen,
Erbſen, Lein u. ſ. w., vor allem Anderen aber die Körner der als unausrottbares Unkraut gefürchteten
Vogelwicke bilden die Nahrung der Felſen- und Haustauben. Man hat ſie als ſchädliche Thiere
betrachtet, weil ſie ziemlich viel Nahrung bedürfen und uns fühlbare Verluſte zufügen können; wenn
man aber bedenkt, daß ſie Getreide nur während der Zeit der Ausſaat freſſen, wird man weniger
ſtreng urtheilen, und dabei muß man noch berückſichtigen, daß ſie den Schaden, welchen ſie verur-
ſachen, durch Aufzehren von Unkrautſämereien reichlich wieder gut machen. Es unterliegt keinem
Zweifel, daß ſie uns viel mehr nützen als wir glauben. Auch ſie fliegen regelmäßig zu gewiſſen
Zeiten nach Nahrung aus, gewöhnlich früh und vormittags und nachmittags noch einmal, wenn ſie
ein beſonders ergiebiges Feld erſpäht haben, oft ziemlich weit.
Man nimmt an, daß die Felſentaube wenigſtens zweimal jährlich niſtet und weiß mit Beſtimmt-
heit, daß der Feldflüchter im Laufe des Sommers mindeſtens drei Bruten macht. Mit Beginn des
Frühlings ruckſt der Tauber ſehr eifrig, zeigt ſich zänkiſch anderen gegenüber und erkämpft ſich, nicht
immer ohne Mühe, ſein Weibchen, welchem er die größte Zärtlichkeit bekundet. „Ein einmal ver-
bundenes Paar“, ſagt Naumann, „trennt ſich im Leben nicht wieder und iſt auch außer der Fort-
pflanzung immer beiſammen. Ausnahmen hiervon ſind ſelten. Sobald der Tauber einen Ort für
das Neſt erwählt hat, ſetzt er ſich da feſt und heult, den Kopf auf den Boden niedergelegt, bis die
Täubin kommt. Dieſe läuft gewöhnlich mit ausgebreitetem und aufſtreichenden Schwanze auf ihn
zu, fängt an, mit ihm zu tändeln und krabbelt ihn ganz behutſam zwiſchen den Kopffedern. Der
Tauber reibt dagegen ſeinen Kopf zum öfteren auf ſeinen Rückenfedern. Beide fangen ſich an zu
ſchnäbeln, wobei ſie ſehr zärtlich thun, und nunmehr erſt folgt die Begattung. Wenn ſie vollzogen,
ſchreiten ſie mit ſtolzem Anſtand einher, fliegen auch wohl, mit den Flügeln klatſchend und in der Luft
ſpielend, ein wenig in die Höhe und ordnen und putzen nun ſtillſchweigend ihr Gefieder wieder.
Sowie die Täubin alle dem Betreten vorhergegangenen Bewegungen zärtlich erwidert, ſo geſchicht
es nicht ſelten, daß ſie, nachdem ſie betreten worden, auch den Tauber betritt. Nach einigen
Tagen, an welchen die Begattung öfters vollzogen wurde, treibt der Tauber ſeine Gattin vor ſich her
zum Niſtplatze, wo der Bau beginnen ſoll, fliegt nach Bauſtoffen aus, trägt ſie im Schnabel herbei,
und die Täubin baut damit das Neſt. Dieſes iſt ein flacher, in der Mitte wenig vertiefter, ohne alle
Kunſt zuſammengelegter Haufen trockener Reiſer, Pflanzenſtengel, Stroh und dürrer Halmen. Bis
zum Legen des erſten Eies vergehen nun noch mehrere Tage, während welcher das Weibchen öfters
vom Männchen betreten und endlich zum Neſte getrieben wird.“ Die zwei Eier haben eine längliche
Geſtalt, ſind glattſchalig, glänzend und reinweiß. Beide Geſchlechter brüten, die Täubin von drei
Uhr nachmittags bis zehn Uhr vormittags ununterbrochen, der Tauber in den wenigen Stunden,
welche dazwiſchen liegen, und trotzdem wird ihm die Zeit viel zu lang; denn ſchon nach ein Uhr pflegt
er ärgerlich zu heulen, in der Abſicht, die Taube, welche ihre wenigen Erholungsſtunden doch ſehr
nöthig hat, herbeizuführen.
Nachts ſchläft er übrigens in unmittelbarer Nähe des Neſtes, immer bereit, die Gattin nach
Kräften zu beſchützen. Er duldet es nicht einmal, daß eine andere Taube ſich nähert. Nach ſechszehn bis
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 271. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/293>, abgerufen am 28.11.2024.
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