mauern, Pagoden, Felsentempel und ähnliche Baulichkeiten, und sie bezieht endlich die Thürme, welche ihr zu Gefallen errichtet werden. Jn Oberegypten gibt es viele Ortschaften, welche mehr der Tauben als der Menschen halber erbaut zu sein scheinen. Nur das untere Stockwerk des pyramidenartigen, platt gedeckten Hauses bewohnt der Bauer, das obere, gewöhnlich weiß getünchte und sonstwie verzierte, gehört den Tauben an, und außerdem errichtet man noch hohe kuppelförmige Thürme, einzig und allein dieser Vögel wegen. Das Mauerwerk aller jener Gebäude, welche ich Tauben- schläge nennen will, besteht nicht aus Ziegelsteinen, sondern von einer gewissen Höhe an nur aus großen, eiförmigen, dickwandigen Töpfen, welche über einander gelagert und durch Mörtel, bezüglich Nilschlamm mit einander verkittet wurden. Jeder Topf ist an dem nach außen gekehrten Ende durch- brochen, das betreffende Loch jedoch nicht groß genug, um einer Taube Zugang zu gewähren, sondern nur bestimmt, Luft und Licht durchzulassen. Von der andern innern Seite dagegen ist jeder Topf bequem zugänglich und gibt einem Neste Naum. Die Eingänge zu den Taubenhäusern sind ziemlich groß und mit eingemauerten Reisigbünden umgeben, welche die Stelle der Flugbretter vertreten. Daß diese Einrichtung sich bewährt, geht aus den Massen von Tauben, welche die Häuser fort- während umlagern, deutlich hervor.
Jm Süden sind die Felsentauben Standvögel; im Norden zwingt sie der Winter zum Wandern. Sie versammeln sich vor dem Abgange in sehr zahlreiche Schwärme und scheinen während ihres Aufenthaltes in der Fremde diese Vereine nicht zu lösen. Es ist mir wahrscheinlich, daß derartige Wanderscharen oft von uns bemerkt, aber nicht erkannt, sondern als gewöhnliche Feldflüchter ange- sehen werden. Sie ziehen erst dann die Aufmerksamkeit auf sich, wenn man sie, wie zuweilen geschieht, sich mit Krähen und Dohlen vereinigen oder auf Bäumen niederlassen sieht, was sie immer noch öfter als die Feldflüchter zu thun pflegen. Jm Jahre 1818 erschien ein Schwarm von etwa tausend Paaren zu Ende Dezembers in der Gegend von Kreuzburg, welcher allgemeine Aufmerksamkeit erregte. Diese Tauben hielten sich in Gesellschaft der Saatkrähen und Dohlen, saßen am Tage mit den Haustauben in friedlicher Gemeinschaft auf den Dächern, zogen aber gegen Abend in die Nadel- wälder und übernachteten hier auf Bäumen. Sie blieben bis Mitte Januars in jener Gegend und verschwanden nach und nach, ohne daß man erfuhr, wie. Einen ähnlichen Flug beobachtete mein Bruder in der Nähe meines Geburtsortes, und wahrscheinlich waren die Felsentauben, welche wir in der Sierra Nevada unter den Vergtauben antrafen, auch nur solche eingewanderte.
Das Betragen der Felsentauben weicht von dem unserer Haustaube wenig ab. Sie sind gewandter, namentlich behender im Fluge, als unsere Feldflüchter, und regelmäßig sehr menschenschen: in allem übrigen gewährt uns das Betragen der Nachkommen ein getreues Lebensbild der Stamm- eltern. Sie gehen gut, aber nickend, fliegen ganz vortrefflich, mit pfeifendem Säuseln, durchmessen ungefähr funfzehn Meilen in der Stunde, klatschen vor dem Auffliegen und schweben vor dem Niedersitzen, steigen gern hoch empor und kreisen oft längere Zeit in dicht geschlossenen Schwärmen. Die Bäume meiden sie auffallend, obwohl es einzelne Ausnahmen gibt. So sieht man die egyp- tischen Haustauben regelmäßig auf den Palmen sitzen, und auch bei uns beobachtet man einzelne Feldflüchter, welche hier sich niederlassen. Beim Nahrungsuchen laufen sie stundenlang auf dem Boden herum, beim Trinken waden sie zuweilen ein wenig in das Wasser hinein; die egyptischen aber setzen sich, wenn sie trinken wollen, mitten auf den Strom, lassen sich von den Wellen tragen und erheben sich, wenn sie ihren Durst gestillt haben.
Sinne und geistige Fähigkeiten der Felsentauben sind wohl entwickelt. Die wilden lassen sich zwar nicht leicht beobachten; bei den zahmen aber bemerkt man bald, daß man es mit klugen und verständigen Vögeln zu thun hat. Jhr Wesen ist ein Gemisch von Gutem und Bösem. Sie sind friedfertig und verträglich, richtiger vielleicht gleichgiltig gegen andere Thiere und leben unter sich so ziemlich in Frieden. Die Paarungszeit erregt freilich auch bei ihnen eifersüchtige Gefühle, und dann kann es vorkommen, daß zwei Tauberte sich streiten; die Sache ist aber nicht so ernst gemeint, und der Kampf währt selten lange. Auch Futterneid macht sich bemerklich: diejenige Taube, welche reichlich
Die Läufer. Girrvögel. Tauben.
mauern, Pagoden, Felſentempel und ähnliche Baulichkeiten, und ſie bezieht endlich die Thürme, welche ihr zu Gefallen errichtet werden. Jn Oberegypten gibt es viele Ortſchaften, welche mehr der Tauben als der Menſchen halber erbaut zu ſein ſcheinen. Nur das untere Stockwerk des pyramidenartigen, platt gedeckten Hauſes bewohnt der Bauer, das obere, gewöhnlich weiß getünchte und ſonſtwie verzierte, gehört den Tauben an, und außerdem errichtet man noch hohe kuppelförmige Thürme, einzig und allein dieſer Vögel wegen. Das Mauerwerk aller jener Gebäude, welche ich Tauben- ſchläge nennen will, beſteht nicht aus Ziegelſteinen, ſondern von einer gewiſſen Höhe an nur aus großen, eiförmigen, dickwandigen Töpfen, welche über einander gelagert und durch Mörtel, bezüglich Nilſchlamm mit einander verkittet wurden. Jeder Topf iſt an dem nach außen gekehrten Ende durch- brochen, das betreffende Loch jedoch nicht groß genug, um einer Taube Zugang zu gewähren, ſondern nur beſtimmt, Luft und Licht durchzulaſſen. Von der andern innern Seite dagegen iſt jeder Topf bequem zugänglich und gibt einem Neſte Naum. Die Eingänge zu den Taubenhäuſern ſind ziemlich groß und mit eingemauerten Reiſigbünden umgeben, welche die Stelle der Flugbretter vertreten. Daß dieſe Einrichtung ſich bewährt, geht aus den Maſſen von Tauben, welche die Häuſer fort- während umlagern, deutlich hervor.
Jm Süden ſind die Felſentauben Standvögel; im Norden zwingt ſie der Winter zum Wandern. Sie verſammeln ſich vor dem Abgange in ſehr zahlreiche Schwärme und ſcheinen während ihres Aufenthaltes in der Fremde dieſe Vereine nicht zu löſen. Es iſt mir wahrſcheinlich, daß derartige Wanderſcharen oft von uns bemerkt, aber nicht erkannt, ſondern als gewöhnliche Feldflüchter ange- ſehen werden. Sie ziehen erſt dann die Aufmerkſamkeit auf ſich, wenn man ſie, wie zuweilen geſchieht, ſich mit Krähen und Dohlen vereinigen oder auf Bäumen niederlaſſen ſieht, was ſie immer noch öfter als die Feldflüchter zu thun pflegen. Jm Jahre 1818 erſchien ein Schwarm von etwa tauſend Paaren zu Ende Dezembers in der Gegend von Kreuzburg, welcher allgemeine Aufmerkſamkeit erregte. Dieſe Tauben hielten ſich in Geſellſchaft der Saatkrähen und Dohlen, ſaßen am Tage mit den Haustauben in friedlicher Gemeinſchaft auf den Dächern, zogen aber gegen Abend in die Nadel- wälder und übernachteten hier auf Bäumen. Sie blieben bis Mitte Januars in jener Gegend und verſchwanden nach und nach, ohne daß man erfuhr, wie. Einen ähnlichen Flug beobachtete mein Bruder in der Nähe meines Geburtsortes, und wahrſcheinlich waren die Felſentauben, welche wir in der Sierra Nevada unter den Vergtauben antrafen, auch nur ſolche eingewanderte.
Das Betragen der Felſentauben weicht von dem unſerer Haustaube wenig ab. Sie ſind gewandter, namentlich behender im Fluge, als unſere Feldflüchter, und regelmäßig ſehr menſchenſchen: in allem übrigen gewährt uns das Betragen der Nachkommen ein getreues Lebensbild der Stamm- eltern. Sie gehen gut, aber nickend, fliegen ganz vortrefflich, mit pfeifendem Säuſeln, durchmeſſen ungefähr funfzehn Meilen in der Stunde, klatſchen vor dem Auffliegen und ſchweben vor dem Niederſitzen, ſteigen gern hoch empor und kreiſen oft längere Zeit in dicht geſchloſſenen Schwärmen. Die Bäume meiden ſie auffallend, obwohl es einzelne Ausnahmen gibt. So ſieht man die egyp- tiſchen Haustauben regelmäßig auf den Palmen ſitzen, und auch bei uns beobachtet man einzelne Feldflüchter, welche hier ſich niederlaſſen. Beim Nahrungſuchen laufen ſie ſtundenlang auf dem Boden herum, beim Trinken waden ſie zuweilen ein wenig in das Waſſer hinein; die egyptiſchen aber ſetzen ſich, wenn ſie trinken wollen, mitten auf den Strom, laſſen ſich von den Wellen tragen und erheben ſich, wenn ſie ihren Durſt geſtillt haben.
Sinne und geiſtige Fähigkeiten der Felſentauben ſind wohl entwickelt. Die wilden laſſen ſich zwar nicht leicht beobachten; bei den zahmen aber bemerkt man bald, daß man es mit klugen und verſtändigen Vögeln zu thun hat. Jhr Weſen iſt ein Gemiſch von Gutem und Böſem. Sie ſind friedfertig und verträglich, richtiger vielleicht gleichgiltig gegen andere Thiere und leben unter ſich ſo ziemlich in Frieden. Die Paarungszeit erregt freilich auch bei ihnen eiferſüchtige Gefühle, und dann kann es vorkommen, daß zwei Tauberte ſich ſtreiten; die Sache iſt aber nicht ſo ernſt gemeint, und der Kampf währt ſelten lange. Auch Futterneid macht ſich bemerklich: diejenige Taube, welche reichlich
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[270/0292]
Die Läufer. Girrvögel. Tauben.
mauern, Pagoden, Felſentempel und ähnliche Baulichkeiten, und ſie bezieht endlich die Thürme,
welche ihr zu Gefallen errichtet werden. Jn Oberegypten gibt es viele Ortſchaften, welche mehr
der Tauben als der Menſchen halber erbaut zu ſein ſcheinen. Nur das untere Stockwerk des
pyramidenartigen, platt gedeckten Hauſes bewohnt der Bauer, das obere, gewöhnlich weiß getünchte und
ſonſtwie verzierte, gehört den Tauben an, und außerdem errichtet man noch hohe kuppelförmige Thürme,
einzig und allein dieſer Vögel wegen. Das Mauerwerk aller jener Gebäude, welche ich Tauben-
ſchläge nennen will, beſteht nicht aus Ziegelſteinen, ſondern von einer gewiſſen Höhe an nur aus
großen, eiförmigen, dickwandigen Töpfen, welche über einander gelagert und durch Mörtel, bezüglich
Nilſchlamm mit einander verkittet wurden. Jeder Topf iſt an dem nach außen gekehrten Ende durch-
brochen, das betreffende Loch jedoch nicht groß genug, um einer Taube Zugang zu gewähren, ſondern
nur beſtimmt, Luft und Licht durchzulaſſen. Von der andern innern Seite dagegen iſt jeder Topf
bequem zugänglich und gibt einem Neſte Naum. Die Eingänge zu den Taubenhäuſern ſind ziemlich
groß und mit eingemauerten Reiſigbünden umgeben, welche die Stelle der Flugbretter vertreten.
Daß dieſe Einrichtung ſich bewährt, geht aus den Maſſen von Tauben, welche die Häuſer fort-
während umlagern, deutlich hervor.
Jm Süden ſind die Felſentauben Standvögel; im Norden zwingt ſie der Winter zum Wandern.
Sie verſammeln ſich vor dem Abgange in ſehr zahlreiche Schwärme und ſcheinen während ihres
Aufenthaltes in der Fremde dieſe Vereine nicht zu löſen. Es iſt mir wahrſcheinlich, daß derartige
Wanderſcharen oft von uns bemerkt, aber nicht erkannt, ſondern als gewöhnliche Feldflüchter ange-
ſehen werden. Sie ziehen erſt dann die Aufmerkſamkeit auf ſich, wenn man ſie, wie zuweilen
geſchieht, ſich mit Krähen und Dohlen vereinigen oder auf Bäumen niederlaſſen ſieht, was ſie immer
noch öfter als die Feldflüchter zu thun pflegen. Jm Jahre 1818 erſchien ein Schwarm von etwa
tauſend Paaren zu Ende Dezembers in der Gegend von Kreuzburg, welcher allgemeine Aufmerkſamkeit
erregte. Dieſe Tauben hielten ſich in Geſellſchaft der Saatkrähen und Dohlen, ſaßen am Tage mit
den Haustauben in friedlicher Gemeinſchaft auf den Dächern, zogen aber gegen Abend in die Nadel-
wälder und übernachteten hier auf Bäumen. Sie blieben bis Mitte Januars in jener Gegend und
verſchwanden nach und nach, ohne daß man erfuhr, wie. Einen ähnlichen Flug beobachtete mein
Bruder in der Nähe meines Geburtsortes, und wahrſcheinlich waren die Felſentauben, welche wir in
der Sierra Nevada unter den Vergtauben antrafen, auch nur ſolche eingewanderte.
Das Betragen der Felſentauben weicht von dem unſerer Haustaube wenig ab. Sie ſind
gewandter, namentlich behender im Fluge, als unſere Feldflüchter, und regelmäßig ſehr menſchenſchen:
in allem übrigen gewährt uns das Betragen der Nachkommen ein getreues Lebensbild der Stamm-
eltern. Sie gehen gut, aber nickend, fliegen ganz vortrefflich, mit pfeifendem Säuſeln, durchmeſſen
ungefähr funfzehn Meilen in der Stunde, klatſchen vor dem Auffliegen und ſchweben vor dem
Niederſitzen, ſteigen gern hoch empor und kreiſen oft längere Zeit in dicht geſchloſſenen Schwärmen.
Die Bäume meiden ſie auffallend, obwohl es einzelne Ausnahmen gibt. So ſieht man die egyp-
tiſchen Haustauben regelmäßig auf den Palmen ſitzen, und auch bei uns beobachtet man einzelne
Feldflüchter, welche hier ſich niederlaſſen. Beim Nahrungſuchen laufen ſie ſtundenlang auf dem
Boden herum, beim Trinken waden ſie zuweilen ein wenig in das Waſſer hinein; die egyptiſchen
aber ſetzen ſich, wenn ſie trinken wollen, mitten auf den Strom, laſſen ſich von den Wellen tragen
und erheben ſich, wenn ſie ihren Durſt geſtillt haben.
Sinne und geiſtige Fähigkeiten der Felſentauben ſind wohl entwickelt. Die wilden laſſen ſich
zwar nicht leicht beobachten; bei den zahmen aber bemerkt man bald, daß man es mit klugen und
verſtändigen Vögeln zu thun hat. Jhr Weſen iſt ein Gemiſch von Gutem und Böſem. Sie ſind
friedfertig und verträglich, richtiger vielleicht gleichgiltig gegen andere Thiere und leben unter ſich ſo
ziemlich in Frieden. Die Paarungszeit erregt freilich auch bei ihnen eiferſüchtige Gefühle, und dann
kann es vorkommen, daß zwei Tauberte ſich ſtreiten; die Sache iſt aber nicht ſo ernſt gemeint, und der
Kampf währt ſelten lange. Auch Futterneid macht ſich bemerklich: diejenige Taube, welche reichlich
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/292>, abgerufen am 28.11.2024.
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