sodaß man es von einem Taubert oft nur wenige Male hört. Nach elf Uhr geht die Ringeltaube zur Tränke und ruht nun in den Mittagsstunden in einem dichten Baum versteckt. Um zwei oder drei Uhr fliegt sie wieder nach Futter, fängt um fünf oder sechs Uhr, zuweilen früher, zuweilen später, zu rucksen an und begibt sich dann, wenn sie ihren Durst noch gestillt hat, zur Ruhe."
"Das Frühjahr und den Sommer über sieht man die Ringeltaube gewöhnlich paarweise, selten in kleinen und noch seltener in großen Gesellschaften. Bei der Paarung, zu welcher das Rucksen das Vorspiel ist, zeigt sich der Taubert äußerst unruhig. Er bleibt dann nicht auf einer Stelle, sondern fliegt von freien Stücken auf, steigt in schiefer Richtung in die Höhe, schlägt die Flügelspitzen so heftig zusammen, daß man es auf weithin klatschen hört, senkt sich hierauf schwebend nieder und treibt dieses Spiel oft lange Zeit. Die Täubin folgt ihm zuweilen, erwartet ihn aber gewöhnlich ruhig; denn er kehrt meist, nachdem er einen großen Kreis im Fliegen beschrieben, zu seinem Lieblingsaufenthalte zurück. Die Begattung selbst geschieht entweder auf den Bäumen, indem sich die Täubin auf einen Ast kauert, oder auf dem Neste. Daß zwei Tauberte einander gebissen hätten, habe ich nie bemerkt ...."
"Beide Gatten tragen, nachdem der Platz zum Neste ausgewählt ist, die Stoffe herbei, aber das Weibchen verarbeitet sie. Das Nest steht hoch und tief. Jch habe es auf Fichten, Kiefern, Tannen, Eichen, Buchen, Erlen und Linden angetroffen, und zwar in einer Höhe von zehn bis hundert Fuß, doch gewöhnlich niedrig auf Stangenholz in hohen Dickichten, am Stamme starker Bäume und versteckt. Es besteht aus dürren Fichten, Kiefern, Tannen und Buchen, Reisern oder aus den Zweigen einer dieser Baumarten, ist aber so locker und schlecht gebaut, daß man nicht selten die Eier von unten durchschimmern sieht; es ist platt, nur da, wo die Eier liegen, vertieft und hält zwölf bis funfzehn Zoll im Durchmesser. Obgleich es sehr schlecht gebaut ist, steht es doch fest und trotzt dem Wetter so, daß ich nicht ein einziges vom Sturm herabgeworfenes gefunden habe. Oft aber bauen die Ringeltauben gar kein eigenes Nest, sondern bedienen sich der verlassenen Eichhorn- nester, welche dann oben platt gedrückt und zuweilen mit einigen Reisern belegt werden. Einst fand ich auch die Eier dieser Taube in einem alten Elsternneste, dessen Haube das Elsternpaar zum Bau seines frischen Nestes weggetragen hatte ... Die zwei länglichen, auf beiden Seiten gleich zugerundeten, dünnen und rauhschaligen, glänzendweißen Eier fand ich von der letzten Hälfte des April bis zur letzten Hälfte Julis. Sie werden von beiden Gatten ausgebrütet und zwar so, daß das Männchen von neun oder zehn Uhr vormittags bis drei oder vier Uhr nachmittags darauf sitzt ...."
"Merkwürdig ist die geringe Anhänglichkeit der Ringeltaube an ihre Eier. Jch kenne keinen deutschen Vogel, welcher seine Eier so gleichgiltig betrachtet. Jagt man die brütende Ringeltaube einmal vom Neste, dann kann man die Eier nur gleich mitnehmen; denn sie verläßt sie gewiß. Mir ist kein Fall vorgekommen, daß sie dieselben wieder angenommen hätte. Sind aber beide Gatten in der Nähe des fast oder wirklich vollendeten Nestes und werden aufgejagt, dann verlassen sie es gewöhnlich nicht. Wenn ich jetzt ein Nest dieser Taube finde, gehe ich vorbei, als hätte ich es nicht gesehen, und lasse die brütende Taube ruhig darauf sitzen. Dann bleiben die Alten nicht davon. Gegen die Jungen ist die Liebe größer, aber doch nicht so stark als bei andern Vögeln. Von einem Paar flügger Ringeltauben ließ ich die eine ausheben, um sie aufzuziehen. Dies hatten die Alten so übel genommen, daß sie die andere nicht mehr fütterten. Die Jungen werden, bis ihre Federn hervor- gebrochen sind, von den Alten abwechselnd und unaufhörlich, später, bis zum Ausfliegen, bei regnerischer oder kalter Witterung am Tage, und in der Nacht stets, vom Weibchen erwärmt. Wenn sie klein sind, werden sie von beiden Eltern mit dem käseartigen Stoffe aus ihrem Kropfe gefüttert, wenn sie Federn haben, mit den im Kropfe erweichten Sämereien ernährt. Beim Füttern, welches früh um sieben oder acht und abends um vier oder fünf Uhr geschieht, geben die Jungen einen eigenen, knurrenden Ton des Wohlbehagens von sich. Bei Annäherung eines Menschen schnappen sie mit dem Schnabel und beißen nach der Hand. Sie werden nach dem Ausfliegen nur kurze Zeit
Ringeltaube.
ſodaß man es von einem Taubert oft nur wenige Male hört. Nach elf Uhr geht die Ringeltaube zur Tränke und ruht nun in den Mittagsſtunden in einem dichten Baum verſteckt. Um zwei oder drei Uhr fliegt ſie wieder nach Futter, fängt um fünf oder ſechs Uhr, zuweilen früher, zuweilen ſpäter, zu ruckſen an und begibt ſich dann, wenn ſie ihren Durſt noch geſtillt hat, zur Ruhe.“
„Das Frühjahr und den Sommer über ſieht man die Ringeltaube gewöhnlich paarweiſe, ſelten in kleinen und noch ſeltener in großen Geſellſchaften. Bei der Paarung, zu welcher das Ruckſen das Vorſpiel iſt, zeigt ſich der Taubert äußerſt unruhig. Er bleibt dann nicht auf einer Stelle, ſondern fliegt von freien Stücken auf, ſteigt in ſchiefer Richtung in die Höhe, ſchlägt die Flügelſpitzen ſo heftig zuſammen, daß man es auf weithin klatſchen hört, ſenkt ſich hierauf ſchwebend nieder und treibt dieſes Spiel oft lange Zeit. Die Täubin folgt ihm zuweilen, erwartet ihn aber gewöhnlich ruhig; denn er kehrt meiſt, nachdem er einen großen Kreis im Fliegen beſchrieben, zu ſeinem Lieblingsaufenthalte zurück. Die Begattung ſelbſt geſchieht entweder auf den Bäumen, indem ſich die Täubin auf einen Aſt kauert, oder auf dem Neſte. Daß zwei Tauberte einander gebiſſen hätten, habe ich nie bemerkt ....“
„Beide Gatten tragen, nachdem der Platz zum Neſte ausgewählt iſt, die Stoffe herbei, aber das Weibchen verarbeitet ſie. Das Neſt ſteht hoch und tief. Jch habe es auf Fichten, Kiefern, Tannen, Eichen, Buchen, Erlen und Linden angetroffen, und zwar in einer Höhe von zehn bis hundert Fuß, doch gewöhnlich niedrig auf Stangenholz in hohen Dickichten, am Stamme ſtarker Bäume und verſteckt. Es beſteht aus dürren Fichten, Kiefern, Tannen und Buchen, Reiſern oder aus den Zweigen einer dieſer Baumarten, iſt aber ſo locker und ſchlecht gebaut, daß man nicht ſelten die Eier von unten durchſchimmern ſieht; es iſt platt, nur da, wo die Eier liegen, vertieft und hält zwölf bis funfzehn Zoll im Durchmeſſer. Obgleich es ſehr ſchlecht gebaut iſt, ſteht es doch feſt und trotzt dem Wetter ſo, daß ich nicht ein einziges vom Sturm herabgeworfenes gefunden habe. Oft aber bauen die Ringeltauben gar kein eigenes Neſt, ſondern bedienen ſich der verlaſſenen Eichhorn- neſter, welche dann oben platt gedrückt und zuweilen mit einigen Reiſern belegt werden. Einſt fand ich auch die Eier dieſer Taube in einem alten Elſternneſte, deſſen Haube das Elſternpaar zum Bau ſeines friſchen Neſtes weggetragen hatte ... Die zwei länglichen, auf beiden Seiten gleich zugerundeten, dünnen und rauhſchaligen, glänzendweißen Eier fand ich von der letzten Hälfte des April bis zur letzten Hälfte Julis. Sie werden von beiden Gatten ausgebrütet und zwar ſo, daß das Männchen von neun oder zehn Uhr vormittags bis drei oder vier Uhr nachmittags darauf ſitzt ....“
„Merkwürdig iſt die geringe Anhänglichkeit der Ringeltaube an ihre Eier. Jch kenne keinen deutſchen Vogel, welcher ſeine Eier ſo gleichgiltig betrachtet. Jagt man die brütende Ringeltaube einmal vom Neſte, dann kann man die Eier nur gleich mitnehmen; denn ſie verläßt ſie gewiß. Mir iſt kein Fall vorgekommen, daß ſie dieſelben wieder angenommen hätte. Sind aber beide Gatten in der Nähe des faſt oder wirklich vollendeten Neſtes und werden aufgejagt, dann verlaſſen ſie es gewöhnlich nicht. Wenn ich jetzt ein Neſt dieſer Taube finde, gehe ich vorbei, als hätte ich es nicht geſehen, und laſſe die brütende Taube ruhig darauf ſitzen. Dann bleiben die Alten nicht davon. Gegen die Jungen iſt die Liebe größer, aber doch nicht ſo ſtark als bei andern Vögeln. Von einem Paar flügger Ringeltauben ließ ich die eine ausheben, um ſie aufzuziehen. Dies hatten die Alten ſo übel genommen, daß ſie die andere nicht mehr fütterten. Die Jungen werden, bis ihre Federn hervor- gebrochen ſind, von den Alten abwechſelnd und unaufhörlich, ſpäter, bis zum Ausfliegen, bei regneriſcher oder kalter Witterung am Tage, und in der Nacht ſtets, vom Weibchen erwärmt. Wenn ſie klein ſind, werden ſie von beiden Eltern mit dem käſeartigen Stoffe aus ihrem Kropfe gefüttert, wenn ſie Federn haben, mit den im Kropfe erweichten Sämereien ernährt. Beim Füttern, welches früh um ſieben oder acht und abends um vier oder fünf Uhr geſchieht, geben die Jungen einen eigenen, knurrenden Ton des Wohlbehagens von ſich. Bei Annäherung eines Menſchen ſchnappen ſie mit dem Schnabel und beißen nach der Hand. Sie werden nach dem Ausfliegen nur kurze Zeit
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Ringeltaube.
ſodaß man es von einem Taubert oft nur wenige Male hört. Nach elf Uhr geht die Ringeltaube zur
Tränke und ruht nun in den Mittagsſtunden in einem dichten Baum verſteckt. Um zwei oder drei
Uhr fliegt ſie wieder nach Futter, fängt um fünf oder ſechs Uhr, zuweilen früher, zuweilen ſpäter,
zu ruckſen an und begibt ſich dann, wenn ſie ihren Durſt noch geſtillt hat, zur Ruhe.“
„Das Frühjahr und den Sommer über ſieht man die Ringeltaube gewöhnlich paarweiſe,
ſelten in kleinen und noch ſeltener in großen Geſellſchaften. Bei der Paarung, zu welcher das
Ruckſen das Vorſpiel iſt, zeigt ſich der Taubert äußerſt unruhig. Er bleibt dann nicht auf einer
Stelle, ſondern fliegt von freien Stücken auf, ſteigt in ſchiefer Richtung in die Höhe, ſchlägt die
Flügelſpitzen ſo heftig zuſammen, daß man es auf weithin klatſchen hört, ſenkt ſich hierauf ſchwebend
nieder und treibt dieſes Spiel oft lange Zeit. Die Täubin folgt ihm zuweilen, erwartet ihn aber
gewöhnlich ruhig; denn er kehrt meiſt, nachdem er einen großen Kreis im Fliegen beſchrieben, zu
ſeinem Lieblingsaufenthalte zurück. Die Begattung ſelbſt geſchieht entweder auf den Bäumen,
indem ſich die Täubin auf einen Aſt kauert, oder auf dem Neſte. Daß zwei Tauberte einander
gebiſſen hätten, habe ich nie bemerkt ....“
„Beide Gatten tragen, nachdem der Platz zum Neſte ausgewählt iſt, die Stoffe herbei, aber
das Weibchen verarbeitet ſie. Das Neſt ſteht hoch und tief. Jch habe es auf Fichten, Kiefern,
Tannen, Eichen, Buchen, Erlen und Linden angetroffen, und zwar in einer Höhe von zehn bis
hundert Fuß, doch gewöhnlich niedrig auf Stangenholz in hohen Dickichten, am Stamme ſtarker
Bäume und verſteckt. Es beſteht aus dürren Fichten, Kiefern, Tannen und Buchen, Reiſern oder
aus den Zweigen einer dieſer Baumarten, iſt aber ſo locker und ſchlecht gebaut, daß man nicht ſelten
die Eier von unten durchſchimmern ſieht; es iſt platt, nur da, wo die Eier liegen, vertieft und
hält zwölf bis funfzehn Zoll im Durchmeſſer. Obgleich es ſehr ſchlecht gebaut iſt, ſteht es doch feſt
und trotzt dem Wetter ſo, daß ich nicht ein einziges vom Sturm herabgeworfenes gefunden habe. Oft
aber bauen die Ringeltauben gar kein eigenes Neſt, ſondern bedienen ſich der verlaſſenen Eichhorn-
neſter, welche dann oben platt gedrückt und zuweilen mit einigen Reiſern belegt werden. Einſt
fand ich auch die Eier dieſer Taube in einem alten Elſternneſte, deſſen Haube das Elſternpaar zum
Bau ſeines friſchen Neſtes weggetragen hatte ... Die zwei länglichen, auf beiden Seiten gleich
zugerundeten, dünnen und rauhſchaligen, glänzendweißen Eier fand ich von der letzten Hälfte
des April bis zur letzten Hälfte Julis. Sie werden von beiden Gatten ausgebrütet und zwar ſo,
daß das Männchen von neun oder zehn Uhr vormittags bis drei oder vier Uhr nachmittags
darauf ſitzt ....“
„Merkwürdig iſt die geringe Anhänglichkeit der Ringeltaube an ihre Eier. Jch kenne keinen
deutſchen Vogel, welcher ſeine Eier ſo gleichgiltig betrachtet. Jagt man die brütende Ringeltaube
einmal vom Neſte, dann kann man die Eier nur gleich mitnehmen; denn ſie verläßt ſie gewiß. Mir
iſt kein Fall vorgekommen, daß ſie dieſelben wieder angenommen hätte. Sind aber beide Gatten in der
Nähe des faſt oder wirklich vollendeten Neſtes und werden aufgejagt, dann verlaſſen ſie es gewöhnlich
nicht. Wenn ich jetzt ein Neſt dieſer Taube finde, gehe ich vorbei, als hätte ich es nicht geſehen, und
laſſe die brütende Taube ruhig darauf ſitzen. Dann bleiben die Alten nicht davon. Gegen die
Jungen iſt die Liebe größer, aber doch nicht ſo ſtark als bei andern Vögeln. Von einem Paar
flügger Ringeltauben ließ ich die eine ausheben, um ſie aufzuziehen. Dies hatten die Alten ſo übel
genommen, daß ſie die andere nicht mehr fütterten. Die Jungen werden, bis ihre Federn hervor-
gebrochen ſind, von den Alten abwechſelnd und unaufhörlich, ſpäter, bis zum Ausfliegen, bei
regneriſcher oder kalter Witterung am Tage, und in der Nacht ſtets, vom Weibchen erwärmt. Wenn
ſie klein ſind, werden ſie von beiden Eltern mit dem käſeartigen Stoffe aus ihrem Kropfe gefüttert,
wenn ſie Federn haben, mit den im Kropfe erweichten Sämereien ernährt. Beim Füttern, welches
früh um ſieben oder acht und abends um vier oder fünf Uhr geſchieht, geben die Jungen einen
eigenen, knurrenden Ton des Wohlbehagens von ſich. Bei Annäherung eines Menſchen ſchnappen
ſie mit dem Schnabel und beißen nach der Hand. Sie werden nach dem Ausfliegen nur kurze Zeit
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 265. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/287>, abgerufen am 28.11.2024.
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