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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Homray. Jahrvogel.
Federn wieder zu trocknen. Uebrigens schienen zwei andere Gefangene zu beweisen, daß ihnen die
Nässe durchaus nicht unangenehm war; denn sie setzten sich oft stundenlang den heftigsten Regen-
güssen aus und ließen sich vollständig einnässen. Die laute Stimme vernahm man niemals,
sondern blos ein schwaches, murmelndes Grunzen. Seine Gefräßigkeit war großartig; er konnte
eine Paradiesfeige ohne Mühe hinabwürgen.

Gegenwärtig leben drei Homrays im Thiergarten zu London. Sie haben mich stundenlang
gefesselt und hinlänglich überzeugt, daß man sie, wenn man überhaupt vergleichen will, nur mit den
Pfefferfressern vergleichen kann. Jhre Stellung ist sehr verschieden. Auf dem Gezweig halten sie
sich gewöhnlich wagrecht; im Zustande größter Ruhe aber lassen sie den Schwanz senkrecht herab-
hängen. Bei großer Hitze strecken sie den Hals lang aus und sperren gleichzeitig auch den Schnabel
auf, als müßten sie nach Luft schnappen. Auf dem flachen Boden bewegen sie sich höchst ungeschickt.
Sie sitzen hier auf den Fußwurzeln, nicht blos auf den Zehen, müssen sich dabei noch auf den
Schwanz stützen, um sich im Gleichgewicht zu halten, und vermögen nur, sich durch täppische Sprünge,
bei denen beide Beine gleichzeitig bewegt werden, zu fördern. Gleichwohl durchmessen sie in dieser
Weise nicht selten größere Strecken.

Sehr hübsch sieht es aus, wenn zwei Homrays, wie es oft zu geschehen pflegt, spielend mit
einander kämpfen. Sie hocken sich, einer dem andern gegenüber, nieder, springen plötzlich beide
vorwärts, schlagen unter hörbarem Knappen die Schnäbel in einander und ringen nun förmlich
zusammen. Manchmal scheint übrigens aus solchem Spiel auch Ernst werden zu wollen.

Man ernährt die Hornvögel mit hartgekochtem Neis und verschiedenen Früchten; Rosinen sind
eine Leckerei für sie. Der Wärter wirft ihnen gelegentlich Etwas zu, und sie haben sich so im
Fangen geübt, daß sie jetzt auch den kleinsten Gegenstand unfehlbar mit der Schnabelspitze erfassen.



Es dient zur Vervollständigung, wenn ich dem Vorstehenden noch die ausgezeichnete Schilderung
folgen lasse, welche Bernstein von der Lebensweise eines Verwandten, des Jahrvogels (Rhyti-
ceros plicatus
) gegeben hat. Die Sippe der Faltenhornvögel, welcher dieser angehört, kenn-
zeichnet sich hauptsächlich dadurch, daß ein faltiger Wulst auf dem Oberschnabel die Stelle des
Hornes vertritt. Die Schwingen sind mittellang; der Schwanz ist ziemlich stark abgerundet, der
Fuß kurz und kräftig. Das Gefieder ist schwarz und der Oberkopf bräunlichgelb, der Schwanz
weiß, das Auge braunroth, der Schnabel lichthornfarben, der Fuß schwärzlichgrau. Das Weib-
chen unterscheidet sich von dem Männchen durch die Färbung der nackten Kehlhaut, welche bei
ihm hellgelb, bei jenem schmuzig indigoblan gefärbt ist. Dem jungen Vogel fehlt der Wulst; denn
dieser entwickelt sich erst mit vollendetem Wachsthum, und da die tiefen Querfurchen nicht immer in
gleicher Anzahl vorhanden sind, glaubte man früher, daß mit jedem Jahre sich ein neuer Querwulst
bilde und man also aus ihrer Anzahl das Alter des Vogels berechnen könne. Dieser Umstand gab
Veranlassung zu dem bei den Europäern jener Gegenden üblichen Namen. Bei den Sundanesen
heißt er Djulan.

Der Jahrvogel bewohnt die Sundainseln und Malakka. "Sein eigentlicher Aufenthaltsort",
sagt Vernstein, "sind stille, ausgedehnte Waldungen des heißen Tieflandes und die Vorberge
bis in Höhen von 3 bis 4000 Fuß über dem Meere. Jn höher gelegenen Waldungen kommt er selten
oder gar nicht vor, wahrscheinlich weil gewisse Bäume, von deren Früchten er sich nährt, hier nicht
mehr angetroffen werden. Nach diesen Früchten streift er oft weit umher, und man sieht ihn nicht
selten paarweise, besonders am frühen Morgen, in bedeutender Höhe über den riesigen Bäumen des
Waldes dahineilen und in gerader Linie Gegenden zustreben, wo fruchttragende Bäume ihm
reichliche Mahlzeit versprechen. Während des Flugs streckt er Hals und Kopf mit dem gewaltigen

Homray. Jahrvogel.
Federn wieder zu trocknen. Uebrigens ſchienen zwei andere Gefangene zu beweiſen, daß ihnen die
Näſſe durchaus nicht unangenehm war; denn ſie ſetzten ſich oft ſtundenlang den heftigſten Regen-
güſſen aus und ließen ſich vollſtändig einnäſſen. Die laute Stimme vernahm man niemals,
ſondern blos ein ſchwaches, murmelndes Grunzen. Seine Gefräßigkeit war großartig; er konnte
eine Paradiesfeige ohne Mühe hinabwürgen.

Gegenwärtig leben drei Homrays im Thiergarten zu London. Sie haben mich ſtundenlang
gefeſſelt und hinlänglich überzeugt, daß man ſie, wenn man überhaupt vergleichen will, nur mit den
Pfefferfreſſern vergleichen kann. Jhre Stellung iſt ſehr verſchieden. Auf dem Gezweig halten ſie
ſich gewöhnlich wagrecht; im Zuſtande größter Ruhe aber laſſen ſie den Schwanz ſenkrecht herab-
hängen. Bei großer Hitze ſtrecken ſie den Hals lang aus und ſperren gleichzeitig auch den Schnabel
auf, als müßten ſie nach Luft ſchnappen. Auf dem flachen Boden bewegen ſie ſich höchſt ungeſchickt.
Sie ſitzen hier auf den Fußwurzeln, nicht blos auf den Zehen, müſſen ſich dabei noch auf den
Schwanz ſtützen, um ſich im Gleichgewicht zu halten, und vermögen nur, ſich durch täppiſche Sprünge,
bei denen beide Beine gleichzeitig bewegt werden, zu fördern. Gleichwohl durchmeſſen ſie in dieſer
Weiſe nicht ſelten größere Strecken.

Sehr hübſch ſieht es aus, wenn zwei Homrays, wie es oft zu geſchehen pflegt, ſpielend mit
einander kämpfen. Sie hocken ſich, einer dem andern gegenüber, nieder, ſpringen plötzlich beide
vorwärts, ſchlagen unter hörbarem Knappen die Schnäbel in einander und ringen nun förmlich
zuſammen. Manchmal ſcheint übrigens aus ſolchem Spiel auch Ernſt werden zu wollen.

Man ernährt die Hornvögel mit hartgekochtem Neis und verſchiedenen Früchten; Roſinen ſind
eine Leckerei für ſie. Der Wärter wirft ihnen gelegentlich Etwas zu, und ſie haben ſich ſo im
Fangen geübt, daß ſie jetzt auch den kleinſten Gegenſtand unfehlbar mit der Schnabelſpitze erfaſſen.



Es dient zur Vervollſtändigung, wenn ich dem Vorſtehenden noch die ausgezeichnete Schilderung
folgen laſſe, welche Bernſtein von der Lebensweiſe eines Verwandten, des Jahrvogels (Rhyti-
ceros plicatus
) gegeben hat. Die Sippe der Faltenhornvögel, welcher dieſer angehört, kenn-
zeichnet ſich hauptſächlich dadurch, daß ein faltiger Wulſt auf dem Oberſchnabel die Stelle des
Hornes vertritt. Die Schwingen ſind mittellang; der Schwanz iſt ziemlich ſtark abgerundet, der
Fuß kurz und kräftig. Das Gefieder iſt ſchwarz und der Oberkopf bräunlichgelb, der Schwanz
weiß, das Auge braunroth, der Schnabel lichthornfarben, der Fuß ſchwärzlichgrau. Das Weib-
chen unterſcheidet ſich von dem Männchen durch die Färbung der nackten Kehlhaut, welche bei
ihm hellgelb, bei jenem ſchmuzig indigoblan gefärbt iſt. Dem jungen Vogel fehlt der Wulſt; denn
dieſer entwickelt ſich erſt mit vollendetem Wachsthum, und da die tiefen Querfurchen nicht immer in
gleicher Anzahl vorhanden ſind, glaubte man früher, daß mit jedem Jahre ſich ein neuer Querwulſt
bilde und man alſo aus ihrer Anzahl das Alter des Vogels berechnen könne. Dieſer Umſtand gab
Veranlaſſung zu dem bei den Europäern jener Gegenden üblichen Namen. Bei den Sundaneſen
heißt er Djulan.

Der Jahrvogel bewohnt die Sundainſeln und Malakka. „Sein eigentlicher Aufenthaltsort“,
ſagt Vernſtein, „ſind ſtille, ausgedehnte Waldungen des heißen Tieflandes und die Vorberge
bis in Höhen von 3 bis 4000 Fuß über dem Meere. Jn höher gelegenen Waldungen kommt er ſelten
oder gar nicht vor, wahrſcheinlich weil gewiſſe Bäume, von deren Früchten er ſich nährt, hier nicht
mehr angetroffen werden. Nach dieſen Früchten ſtreift er oft weit umher, und man ſieht ihn nicht
ſelten paarweiſe, beſonders am frühen Morgen, in bedeutender Höhe über den rieſigen Bäumen des
Waldes dahineilen und in gerader Linie Gegenden zuſtreben, wo fruchttragende Bäume ihm
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[245/0267] Homray. Jahrvogel. Federn wieder zu trocknen. Uebrigens ſchienen zwei andere Gefangene zu beweiſen, daß ihnen die Näſſe durchaus nicht unangenehm war; denn ſie ſetzten ſich oft ſtundenlang den heftigſten Regen- güſſen aus und ließen ſich vollſtändig einnäſſen. Die laute Stimme vernahm man niemals, ſondern blos ein ſchwaches, murmelndes Grunzen. Seine Gefräßigkeit war großartig; er konnte eine Paradiesfeige ohne Mühe hinabwürgen. Gegenwärtig leben drei Homrays im Thiergarten zu London. Sie haben mich ſtundenlang gefeſſelt und hinlänglich überzeugt, daß man ſie, wenn man überhaupt vergleichen will, nur mit den Pfefferfreſſern vergleichen kann. Jhre Stellung iſt ſehr verſchieden. Auf dem Gezweig halten ſie ſich gewöhnlich wagrecht; im Zuſtande größter Ruhe aber laſſen ſie den Schwanz ſenkrecht herab- hängen. Bei großer Hitze ſtrecken ſie den Hals lang aus und ſperren gleichzeitig auch den Schnabel auf, als müßten ſie nach Luft ſchnappen. Auf dem flachen Boden bewegen ſie ſich höchſt ungeſchickt. Sie ſitzen hier auf den Fußwurzeln, nicht blos auf den Zehen, müſſen ſich dabei noch auf den Schwanz ſtützen, um ſich im Gleichgewicht zu halten, und vermögen nur, ſich durch täppiſche Sprünge, bei denen beide Beine gleichzeitig bewegt werden, zu fördern. Gleichwohl durchmeſſen ſie in dieſer Weiſe nicht ſelten größere Strecken. Sehr hübſch ſieht es aus, wenn zwei Homrays, wie es oft zu geſchehen pflegt, ſpielend mit einander kämpfen. Sie hocken ſich, einer dem andern gegenüber, nieder, ſpringen plötzlich beide vorwärts, ſchlagen unter hörbarem Knappen die Schnäbel in einander und ringen nun förmlich zuſammen. Manchmal ſcheint übrigens aus ſolchem Spiel auch Ernſt werden zu wollen. Man ernährt die Hornvögel mit hartgekochtem Neis und verſchiedenen Früchten; Roſinen ſind eine Leckerei für ſie. Der Wärter wirft ihnen gelegentlich Etwas zu, und ſie haben ſich ſo im Fangen geübt, daß ſie jetzt auch den kleinſten Gegenſtand unfehlbar mit der Schnabelſpitze erfaſſen. Es dient zur Vervollſtändigung, wenn ich dem Vorſtehenden noch die ausgezeichnete Schilderung folgen laſſe, welche Bernſtein von der Lebensweiſe eines Verwandten, des Jahrvogels (Rhyti- ceros plicatus) gegeben hat. Die Sippe der Faltenhornvögel, welcher dieſer angehört, kenn- zeichnet ſich hauptſächlich dadurch, daß ein faltiger Wulſt auf dem Oberſchnabel die Stelle des Hornes vertritt. Die Schwingen ſind mittellang; der Schwanz iſt ziemlich ſtark abgerundet, der Fuß kurz und kräftig. Das Gefieder iſt ſchwarz und der Oberkopf bräunlichgelb, der Schwanz weiß, das Auge braunroth, der Schnabel lichthornfarben, der Fuß ſchwärzlichgrau. Das Weib- chen unterſcheidet ſich von dem Männchen durch die Färbung der nackten Kehlhaut, welche bei ihm hellgelb, bei jenem ſchmuzig indigoblan gefärbt iſt. Dem jungen Vogel fehlt der Wulſt; denn dieſer entwickelt ſich erſt mit vollendetem Wachsthum, und da die tiefen Querfurchen nicht immer in gleicher Anzahl vorhanden ſind, glaubte man früher, daß mit jedem Jahre ſich ein neuer Querwulſt bilde und man alſo aus ihrer Anzahl das Alter des Vogels berechnen könne. Dieſer Umſtand gab Veranlaſſung zu dem bei den Europäern jener Gegenden üblichen Namen. Bei den Sundaneſen heißt er Djulan. Der Jahrvogel bewohnt die Sundainſeln und Malakka. „Sein eigentlicher Aufenthaltsort“, ſagt Vernſtein, „ſind ſtille, ausgedehnte Waldungen des heißen Tieflandes und die Vorberge bis in Höhen von 3 bis 4000 Fuß über dem Meere. Jn höher gelegenen Waldungen kommt er ſelten oder gar nicht vor, wahrſcheinlich weil gewiſſe Bäume, von deren Früchten er ſich nährt, hier nicht mehr angetroffen werden. Nach dieſen Früchten ſtreift er oft weit umher, und man ſieht ihn nicht ſelten paarweiſe, beſonders am frühen Morgen, in bedeutender Höhe über den rieſigen Bäumen des Waldes dahineilen und in gerader Linie Gegenden zuſtreben, wo fruchttragende Bäume ihm reichliche Mahlzeit verſprechen. Während des Flugs ſtreckt er Hals und Kopf mit dem gewaltigen

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/267>, abgerufen am 26.11.2024.