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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Die Späher. Leichtschnäbler. Fersenkukuke.
einander zu laufen scheinen. Diese Töne kann er oft hören, ohne daß er den Vogel bemerkt, von
welchem sie herrühren; denn derselbe ist scheu und einsam, und sucht sich stets die dichtesten Gebüsche
zu seinem Wohnsitze aus. Dies ist der gelbschnäblige oder Regenkukuk, ein Sommervogel der
Vereinigten Staaten, welcher um die Mitte, oder weiter nach Norden hin, Ende Aprils, auch wohl
erst Anfangs Mai, einzutreffen pflegt und bis Mitte September im Lande verweilt, dann aber und
zwar zu großen Scharen vereinigt, nach Mittelamerika zieht, um dort zu überwintern." Die Flüge,
welche gelegentlich des Zuges gebildet werden, verbreiten sich auf weithin, ohne einen eigentlichen
Zusammenhang zu haben, obgleich ein Vogel der Gesellschaft dem andern folgt. Werden die Wander-
scharen durch Stürme heimgesucht, so geschieht es wohl auch, daß sie auf kleineren Jnseln im
Antillenmeere Zuflucht suchen und dann große Strecken buchstäblich erfüllen. Einen solchen Schwarm
sah Hurdis im Oktober auf den Bermudainseln. Der Schwarm, welcher Tausende zählte, kam
nach einem starken Südwestwinde mit Regen und ließ sich zwischen den Wachholderbüschen der Süd-
küste nieder, setzte aber schon am folgenden Tage seine Reise fort.

Bald nach seiner Ankunft im Frühjahre vernimmt man den Regenkukuk überall in Amerika,
und wenn man seine Gewohnheiten kennt, hält es auch nicht schwer, ihn zu beobachten, da er
nirgends selten, an geeigneten Oertlichkeiten sogar häufig ist. Die meisten Paare siedeln sich allerdings
im Walde an, sehr viele aber nehmen auch in unmittelbarer Nähe der Wohnungen, z. B. in Baum-
gärten, Herberge, und das Männchen verräth sich hier bald durch sein aus der Kehle kommendes "Kau
kau" oder "Kuk", welches es, wie bemerkt, fortwährend hören läßt. An warmen Tagen schreit es,
laut Nuttall, stundenlang ununterbrochen und selbst noch während der Nacht.

Der Regenkukuk ist ein Schlüpfer, kein Läufer. Jm Gezweig der Bäume bewegt er sich mit
meisenartiger Gewandtheit, zum Boden kommt er selten herab, und wenn er hier wirklich einmal
umherhüpft, geschieht es in einer ungemein täppischen Weise. Der Flug ist schnell und geräuschlos,
wird jedoch selten weit ausgedehnt, sondern beim ersten geeigneten Baume unterbrochen, da sich der
Vogel im Jnnern dichtwipfliger Baumkronen am sichersten zu fühlen scheint. Wenn er seinen Weg
durch die Zweige nimmt, läßt er, laut Audubon, bald die Ober-, bald die Unterseite sehen. Die
Nahrung besteht aus Kerbthieren und Früchten, namentlich Schmetterlingen, Heuschrecken, haarigen
Schmetterlingsraupen und dergleichen und im Herbst aus verschiedenen Beeren. Wohl nicht mit
Unrecht steht er auch in dem Verdacht, die Nester kleinerer Vögel auszuplündern.

Das Fortpflanzungsgeschäft bietet insofern etwas Merkwürdiges dar, als der Vogel seine
Kukuksnatur doch nicht ganz verleugnet, sondern wenigstens zuweilen seine Eier in anderer Vögel
Nester legt. Nuttall fand eins in dem Neste einer Spottdrossel, ein anderes in dem einer Wander-
drossel. Noch merkwürdiger ist, daß das Weibchen die Eier, welche es legt, sofort bebrütet, und daß
demzufolge die Jungen nicht gleichzeitig ausschlüpfen. Das Nest besteht aus wenigen trockenen
Zweigen und Gras, ist sehr einfach, flach, dem der gemeinen Taube ähnlich und ebenso auf wag-
rechten Zweigen befestigt, oft in Mannshöhe. Die vier oder fünf Eier sind länglich und von lebhaft
grüner Färbung. "Als ich mich im Jahre 1837", sagt Audubon, "im Anfang Junis zu Char-
leston befand, wurde ich von einem Herrn Rhett eingeladen, auf sein Grundstück zu kommen, um
dort das Nest eines Vogels in Augenschein zu nehmen. Dasselbe, welches nahezu in der Mitte
eines Baumes von mäßiger Höhe stand, wurde von dem Sohne des genannten Herrn leicht erreicht.
Einer der alten Kukuke, welcher darauf saß, verließ seinen Platz erst, nachdem ihm der Kletterer mit
der Hand bis auf wenige Zoll nahe gekommen war; dann flog er lautlos einem andern Baume zu.
Zwei junge Kukuke, welche fast schon im Stande waren, zu fliegen, verließen eiligst ihre Wiege und
krochen zwischen den Aesten hinaus, wurden hier aber bald gefangen. Das Nest wurde herunter
genommen und mir gereicht. Es enthielt noch drei Kukuke, jedoch alle von verschiedener Größe.
Der kleinste von ihnen war anscheinend eben erst ausgekrochen, der nächstfolgende sicherlich auch nur
ein paar Tage alt, während der größte von ihnen, welcher schon ziemlich befiedert war, im Verlauf
einer Woche hätte ausfliegen können. Neben diesen Jungen lagen auch noch zwei Eier im Neste,

Die Späher. Leichtſchnäbler. Ferſenkukuke.
einander zu laufen ſcheinen. Dieſe Töne kann er oft hören, ohne daß er den Vogel bemerkt, von
welchem ſie herrühren; denn derſelbe iſt ſcheu und einſam, und ſucht ſich ſtets die dichteſten Gebüſche
zu ſeinem Wohnſitze aus. Dies iſt der gelbſchnäblige oder Regenkukuk, ein Sommervogel der
Vereinigten Staaten, welcher um die Mitte, oder weiter nach Norden hin, Ende Aprils, auch wohl
erſt Anfangs Mai, einzutreffen pflegt und bis Mitte September im Lande verweilt, dann aber und
zwar zu großen Scharen vereinigt, nach Mittelamerika zieht, um dort zu überwintern.“ Die Flüge,
welche gelegentlich des Zuges gebildet werden, verbreiten ſich auf weithin, ohne einen eigentlichen
Zuſammenhang zu haben, obgleich ein Vogel der Geſellſchaft dem andern folgt. Werden die Wander-
ſcharen durch Stürme heimgeſucht, ſo geſchieht es wohl auch, daß ſie auf kleineren Jnſeln im
Antillenmeere Zuflucht ſuchen und dann große Strecken buchſtäblich erfüllen. Einen ſolchen Schwarm
ſah Hurdis im Oktober auf den Bermudainſeln. Der Schwarm, welcher Tauſende zählte, kam
nach einem ſtarken Südweſtwinde mit Regen und ließ ſich zwiſchen den Wachholderbüſchen der Süd-
küſte nieder, ſetzte aber ſchon am folgenden Tage ſeine Reiſe fort.

Bald nach ſeiner Ankunft im Frühjahre vernimmt man den Regenkukuk überall in Amerika,
und wenn man ſeine Gewohnheiten kennt, hält es auch nicht ſchwer, ihn zu beobachten, da er
nirgends ſelten, an geeigneten Oertlichkeiten ſogar häufig iſt. Die meiſten Paare ſiedeln ſich allerdings
im Walde an, ſehr viele aber nehmen auch in unmittelbarer Nähe der Wohnungen, z. B. in Baum-
gärten, Herberge, und das Männchen verräth ſich hier bald durch ſein aus der Kehle kommendes „Kau
kau“ oder „Kuk“, welches es, wie bemerkt, fortwährend hören läßt. An warmen Tagen ſchreit es,
laut Nuttall, ſtundenlang ununterbrochen und ſelbſt noch während der Nacht.

Der Regenkukuk iſt ein Schlüpfer, kein Läufer. Jm Gezweig der Bäume bewegt er ſich mit
meiſenartiger Gewandtheit, zum Boden kommt er ſelten herab, und wenn er hier wirklich einmal
umherhüpft, geſchieht es in einer ungemein täppiſchen Weiſe. Der Flug iſt ſchnell und geräuſchlos,
wird jedoch ſelten weit ausgedehnt, ſondern beim erſten geeigneten Baume unterbrochen, da ſich der
Vogel im Jnnern dichtwipfliger Baumkronen am ſicherſten zu fühlen ſcheint. Wenn er ſeinen Weg
durch die Zweige nimmt, läßt er, laut Audubon, bald die Ober-, bald die Unterſeite ſehen. Die
Nahrung beſteht aus Kerbthieren und Früchten, namentlich Schmetterlingen, Heuſchrecken, haarigen
Schmetterlingsraupen und dergleichen und im Herbſt aus verſchiedenen Beeren. Wohl nicht mit
Unrecht ſteht er auch in dem Verdacht, die Neſter kleinerer Vögel auszuplündern.

Das Fortpflanzungsgeſchäft bietet inſofern etwas Merkwürdiges dar, als der Vogel ſeine
Kukuksnatur doch nicht ganz verleugnet, ſondern wenigſtens zuweilen ſeine Eier in anderer Vögel
Neſter legt. Nuttall fand eins in dem Neſte einer Spottdroſſel, ein anderes in dem einer Wander-
droſſel. Noch merkwürdiger iſt, daß das Weibchen die Eier, welche es legt, ſofort bebrütet, und daß
demzufolge die Jungen nicht gleichzeitig ausſchlüpfen. Das Neſt beſteht aus wenigen trockenen
Zweigen und Gras, iſt ſehr einfach, flach, dem der gemeinen Taube ähnlich und ebenſo auf wag-
rechten Zweigen befeſtigt, oft in Mannshöhe. Die vier oder fünf Eier ſind länglich und von lebhaft
grüner Färbung. „Als ich mich im Jahre 1837“, ſagt Audubon, „im Anfang Junis zu Char-
leston befand, wurde ich von einem Herrn Rhett eingeladen, auf ſein Grundſtück zu kommen, um
dort das Neſt eines Vogels in Augenſchein zu nehmen. Daſſelbe, welches nahezu in der Mitte
eines Baumes von mäßiger Höhe ſtand, wurde von dem Sohne des genannten Herrn leicht erreicht.
Einer der alten Kukuke, welcher darauf ſaß, verließ ſeinen Platz erſt, nachdem ihm der Kletterer mit
der Hand bis auf wenige Zoll nahe gekommen war; dann flog er lautlos einem andern Baume zu.
Zwei junge Kukuke, welche faſt ſchon im Stande waren, zu fliegen, verließen eiligſt ihre Wiege und
krochen zwiſchen den Aeſten hinaus, wurden hier aber bald gefangen. Das Neſt wurde herunter
genommen und mir gereicht. Es enthielt noch drei Kukuke, jedoch alle von verſchiedener Größe.
Der kleinſte von ihnen war anſcheinend eben erſt ausgekrochen, der nächſtfolgende ſicherlich auch nur
ein paar Tage alt, während der größte von ihnen, welcher ſchon ziemlich befiedert war, im Verlauf
einer Woche hätte ausfliegen können. Neben dieſen Jungen lagen auch noch zwei Eier im Neſte,

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[212/0234] Die Späher. Leichtſchnäbler. Ferſenkukuke. einander zu laufen ſcheinen. Dieſe Töne kann er oft hören, ohne daß er den Vogel bemerkt, von welchem ſie herrühren; denn derſelbe iſt ſcheu und einſam, und ſucht ſich ſtets die dichteſten Gebüſche zu ſeinem Wohnſitze aus. Dies iſt der gelbſchnäblige oder Regenkukuk, ein Sommervogel der Vereinigten Staaten, welcher um die Mitte, oder weiter nach Norden hin, Ende Aprils, auch wohl erſt Anfangs Mai, einzutreffen pflegt und bis Mitte September im Lande verweilt, dann aber und zwar zu großen Scharen vereinigt, nach Mittelamerika zieht, um dort zu überwintern.“ Die Flüge, welche gelegentlich des Zuges gebildet werden, verbreiten ſich auf weithin, ohne einen eigentlichen Zuſammenhang zu haben, obgleich ein Vogel der Geſellſchaft dem andern folgt. Werden die Wander- ſcharen durch Stürme heimgeſucht, ſo geſchieht es wohl auch, daß ſie auf kleineren Jnſeln im Antillenmeere Zuflucht ſuchen und dann große Strecken buchſtäblich erfüllen. Einen ſolchen Schwarm ſah Hurdis im Oktober auf den Bermudainſeln. Der Schwarm, welcher Tauſende zählte, kam nach einem ſtarken Südweſtwinde mit Regen und ließ ſich zwiſchen den Wachholderbüſchen der Süd- küſte nieder, ſetzte aber ſchon am folgenden Tage ſeine Reiſe fort. Bald nach ſeiner Ankunft im Frühjahre vernimmt man den Regenkukuk überall in Amerika, und wenn man ſeine Gewohnheiten kennt, hält es auch nicht ſchwer, ihn zu beobachten, da er nirgends ſelten, an geeigneten Oertlichkeiten ſogar häufig iſt. Die meiſten Paare ſiedeln ſich allerdings im Walde an, ſehr viele aber nehmen auch in unmittelbarer Nähe der Wohnungen, z. B. in Baum- gärten, Herberge, und das Männchen verräth ſich hier bald durch ſein aus der Kehle kommendes „Kau kau“ oder „Kuk“, welches es, wie bemerkt, fortwährend hören läßt. An warmen Tagen ſchreit es, laut Nuttall, ſtundenlang ununterbrochen und ſelbſt noch während der Nacht. Der Regenkukuk iſt ein Schlüpfer, kein Läufer. Jm Gezweig der Bäume bewegt er ſich mit meiſenartiger Gewandtheit, zum Boden kommt er ſelten herab, und wenn er hier wirklich einmal umherhüpft, geſchieht es in einer ungemein täppiſchen Weiſe. Der Flug iſt ſchnell und geräuſchlos, wird jedoch ſelten weit ausgedehnt, ſondern beim erſten geeigneten Baume unterbrochen, da ſich der Vogel im Jnnern dichtwipfliger Baumkronen am ſicherſten zu fühlen ſcheint. Wenn er ſeinen Weg durch die Zweige nimmt, läßt er, laut Audubon, bald die Ober-, bald die Unterſeite ſehen. Die Nahrung beſteht aus Kerbthieren und Früchten, namentlich Schmetterlingen, Heuſchrecken, haarigen Schmetterlingsraupen und dergleichen und im Herbſt aus verſchiedenen Beeren. Wohl nicht mit Unrecht ſteht er auch in dem Verdacht, die Neſter kleinerer Vögel auszuplündern. Das Fortpflanzungsgeſchäft bietet inſofern etwas Merkwürdiges dar, als der Vogel ſeine Kukuksnatur doch nicht ganz verleugnet, ſondern wenigſtens zuweilen ſeine Eier in anderer Vögel Neſter legt. Nuttall fand eins in dem Neſte einer Spottdroſſel, ein anderes in dem einer Wander- droſſel. Noch merkwürdiger iſt, daß das Weibchen die Eier, welche es legt, ſofort bebrütet, und daß demzufolge die Jungen nicht gleichzeitig ausſchlüpfen. Das Neſt beſteht aus wenigen trockenen Zweigen und Gras, iſt ſehr einfach, flach, dem der gemeinen Taube ähnlich und ebenſo auf wag- rechten Zweigen befeſtigt, oft in Mannshöhe. Die vier oder fünf Eier ſind länglich und von lebhaft grüner Färbung. „Als ich mich im Jahre 1837“, ſagt Audubon, „im Anfang Junis zu Char- leston befand, wurde ich von einem Herrn Rhett eingeladen, auf ſein Grundſtück zu kommen, um dort das Neſt eines Vogels in Augenſchein zu nehmen. Daſſelbe, welches nahezu in der Mitte eines Baumes von mäßiger Höhe ſtand, wurde von dem Sohne des genannten Herrn leicht erreicht. Einer der alten Kukuke, welcher darauf ſaß, verließ ſeinen Platz erſt, nachdem ihm der Kletterer mit der Hand bis auf wenige Zoll nahe gekommen war; dann flog er lautlos einem andern Baume zu. Zwei junge Kukuke, welche faſt ſchon im Stande waren, zu fliegen, verließen eiligſt ihre Wiege und krochen zwiſchen den Aeſten hinaus, wurden hier aber bald gefangen. Das Neſt wurde herunter genommen und mir gereicht. Es enthielt noch drei Kukuke, jedoch alle von verſchiedener Größe. Der kleinſte von ihnen war anſcheinend eben erſt ausgekrochen, der nächſtfolgende ſicherlich auch nur ein paar Tage alt, während der größte von ihnen, welcher ſchon ziemlich befiedert war, im Verlauf einer Woche hätte ausfliegen können. Neben dieſen Jungen lagen auch noch zwei Eier im Neſte,

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/234>, abgerufen am 22.11.2024.