Mimose gefunden hat, braucht man sich nur unter ihr aufzustellen, und man wird selten längere Zeit auf ihn warten müssen.
Mit raschem, schwirrenden Flug kommt er an, setzt sich zwischen die Dornen in das Gezweige hinein, schaut sich sehr sehnsüchtig nach seinem Weibchen um, ruft ihm zärtlich sein "Tschai, Tschähi, Tschä, Tschi", den Lockton seiner Art, entgegen und beginnt nun rasch die Blüthen zu untersuchen. Dabei richtet er sich hoch auf und legt das Gefieder glatt an den Leib, sodaß er sehr schlank erscheint, fliegt von einer Blüthe zur anderen und steckt in jede derselben drei- oder viermal sehr rasch nach einander das Schnäbelchen ein, um die verschiedenen Kerfe, welche sich im Junern aufgesammelt haben, herauszuholen. Aber nicht blos die kleinen Kerbthiere bilden seine Nahrung; er hascht auch neben- bei geschwind eine Fliege weg und folgt einer solchen oder einem anderen summenden Kerbthier auch ein Stückchen in der Luft nach. So oft er eine Blüthe ausgesucht hat, schreit er gleichsam fröhlich auf
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Der Abu Risch(Hedydipna metalliea).
und fliegt dann ein wenig weiter, einer zweiten Blüthe zu, und das Weibchen folgt ihm überall hin getreulich nach.
Beide Gatten eines Paares sind außerordentlich zärtlich gegen einander, und namentlich das Männchen überhäuft sein Weibchen förmlich mit Artigkeiten aller Art. Außer dem Lockton, welcher höchst zart hervorgestoßen wird, singt es ihm ein ganz hübsches Liedchen vor. Der Gesang pflegt mit der Strophe "Ta, tai, taiti" zu beginnen und geht dann nach Art mancher Schilfsänger weiter, ziemlich verworren, mit spinnenden und schnarrenden Tönen vermischt. Der Sänger sträubt dabei die Kopffedern, läßt die Flügel hängen und breitet sie ein wenig, stelzt den Schwanz, sodaß er fast senkrecht steht, dreht und wendet sich nach allen Seiten hin und spiegelt sein Gefieder im Strahl der Sonne. Wie der Pfau weiß er die Pracht der Farben wohl zu würdigen und bemüht sich deshalb auch, jeden Theil seines schönen Gewandes im besten Lichte zu zeigen. Das Weibchen äfft ihm in komischer Weise jede Bewegung nach, so weit ihm Dies möglich ist. Ebenso groß, wie die Zärt-
Abu-Riſch.
Mimoſe gefunden hat, braucht man ſich nur unter ihr aufzuſtellen, und man wird ſelten längere Zeit auf ihn warten müſſen.
Mit raſchem, ſchwirrenden Flug kommt er an, ſetzt ſich zwiſchen die Dornen in das Gezweige hinein, ſchaut ſich ſehr ſehnſüchtig nach ſeinem Weibchen um, ruft ihm zärtlich ſein „Tſchai, Tſchähi, Tſchä, Tſchi“, den Lockton ſeiner Art, entgegen und beginnt nun raſch die Blüthen zu unterſuchen. Dabei richtet er ſich hoch auf und legt das Gefieder glatt an den Leib, ſodaß er ſehr ſchlank erſcheint, fliegt von einer Blüthe zur anderen und ſteckt in jede derſelben drei- oder viermal ſehr raſch nach einander das Schnäbelchen ein, um die verſchiedenen Kerfe, welche ſich im Junern aufgeſammelt haben, herauszuholen. Aber nicht blos die kleinen Kerbthiere bilden ſeine Nahrung; er haſcht auch neben- bei geſchwind eine Fliege weg und folgt einer ſolchen oder einem anderen ſummenden Kerbthier auch ein Stückchen in der Luft nach. So oft er eine Blüthe ausgeſucht hat, ſchreit er gleichſam fröhlich auf
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Der Abu Riſch(Hedydipna metalliea).
und fliegt dann ein wenig weiter, einer zweiten Blüthe zu, und das Weibchen folgt ihm überall hin getreulich nach.
Beide Gatten eines Paares ſind außerordentlich zärtlich gegen einander, und namentlich das Männchen überhäuft ſein Weibchen förmlich mit Artigkeiten aller Art. Außer dem Lockton, welcher höchſt zart hervorgeſtoßen wird, ſingt es ihm ein ganz hübſches Liedchen vor. Der Geſang pflegt mit der Strophe „Ta, tai, taiti“ zu beginnen und geht dann nach Art mancher Schilfſänger weiter, ziemlich verworren, mit ſpinnenden und ſchnarrenden Tönen vermiſcht. Der Sänger ſträubt dabei die Kopffedern, läßt die Flügel hängen und breitet ſie ein wenig, ſtelzt den Schwanz, ſodaß er faſt ſenkrecht ſteht, dreht und wendet ſich nach allen Seiten hin und ſpiegelt ſein Gefieder im Strahl der Sonne. Wie der Pfau weiß er die Pracht der Farben wohl zu würdigen und bemüht ſich deshalb auch, jeden Theil ſeines ſchönen Gewandes im beſten Lichte zu zeigen. Das Weibchen äfft ihm in komiſcher Weiſe jede Bewegung nach, ſo weit ihm Dies möglich iſt. Ebenſo groß, wie die Zärt-
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Abu-Riſch.
Mimoſe gefunden hat, braucht man ſich nur unter ihr aufzuſtellen, und man wird ſelten längere Zeit
auf ihn warten müſſen.
Mit raſchem, ſchwirrenden Flug kommt er an, ſetzt ſich zwiſchen die Dornen in das Gezweige
hinein, ſchaut ſich ſehr ſehnſüchtig nach ſeinem Weibchen um, ruft ihm zärtlich ſein „Tſchai, Tſchähi,
Tſchä, Tſchi“, den Lockton ſeiner Art, entgegen und beginnt nun raſch die Blüthen zu unterſuchen.
Dabei richtet er ſich hoch auf und legt das Gefieder glatt an den Leib, ſodaß er ſehr ſchlank erſcheint,
fliegt von einer Blüthe zur anderen und ſteckt in jede derſelben drei- oder viermal ſehr raſch nach
einander das Schnäbelchen ein, um die verſchiedenen Kerfe, welche ſich im Junern aufgeſammelt haben,
herauszuholen. Aber nicht blos die kleinen Kerbthiere bilden ſeine Nahrung; er haſcht auch neben-
bei geſchwind eine Fliege weg und folgt einer ſolchen oder einem anderen ſummenden Kerbthier auch
ein Stückchen in der Luft nach. So oft er eine Blüthe ausgeſucht hat, ſchreit er gleichſam fröhlich auf
[Abbildung Der Abu Riſch (Hedydipna metalliea).]
und fliegt dann ein wenig weiter, einer zweiten Blüthe zu, und das Weibchen folgt ihm überall hin
getreulich nach.
Beide Gatten eines Paares ſind außerordentlich zärtlich gegen einander, und namentlich das
Männchen überhäuft ſein Weibchen förmlich mit Artigkeiten aller Art. Außer dem Lockton, welcher
höchſt zart hervorgeſtoßen wird, ſingt es ihm ein ganz hübſches Liedchen vor. Der Geſang pflegt
mit der Strophe „Ta, tai, taiti“ zu beginnen und geht dann nach Art mancher Schilfſänger weiter,
ziemlich verworren, mit ſpinnenden und ſchnarrenden Tönen vermiſcht. Der Sänger ſträubt dabei
die Kopffedern, läßt die Flügel hängen und breitet ſie ein wenig, ſtelzt den Schwanz, ſodaß er faſt
ſenkrecht ſteht, dreht und wendet ſich nach allen Seiten hin und ſpiegelt ſein Gefieder im Strahl der
Sonne. Wie der Pfau weiß er die Pracht der Farben wohl zu würdigen und bemüht ſich deshalb
auch, jeden Theil ſeines ſchönen Gewandes im beſten Lichte zu zeigen. Das Weibchen äfft ihm
in komiſcher Weiſe jede Bewegung nach, ſo weit ihm Dies möglich iſt. Ebenſo groß, wie die Zärt-
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/23>, abgerufen am 23.11.2024.
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