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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Kukuk.
gesammten Verbreitungsgebiets dieses merkwürdigen Vogels noch wesentlich erweitern wird. Soweit
mir bekannt, hat man bis jetzt Kukukseier gefunden in den Nestern des Gimpels, Edel- und
Bergfinken, Hänflings, Leinzeisigs, Grünlings, Grau-, Gold-, Rohr- und
Weidenammers (Euspiza aureola), der Hauben-, Heide- und Feldlerche, des Hehers,
einer Elster, des Dorndrehers und Rothkopfs, der Nachtigall, des Blau- und Roth-
kehlchens,
des Haus- und Gartenrothschwanzes, Braunkehlchens, des schwarzkehligen
Steinschmätzers
und Steinröthels, der Singdrossel und Amsel, der Sperber-,
Garten-, Dorn-, Zaun-
und Mönchsgrasmücke, des röthlichen und Weidenlaub-
vogels, Gartensängers,
der Rohrdrossel, des Teich-, Sumpf-, Ufer-, Seggen-,
Fluß-
und Heuschreckenrohrsängers (Schwirl), Zaunkönigs, des dunklen Piepers
(Anthus obscurus), des Wiesen-, Baum- und Brachpiepers, der Bach-, Gebirgs- und
Schafstelze, des feuer- und safranköpfigen Goldhähnchens, der Finkmeise, Turtel-
und Ringeltaube. Unter diesen Vögeln werden die Schilfsänger, Stelzen, Grasmücken und
Pieper bevorzugt, vieler Nester aber nur im äußersten Nothfall, möglicherweise auch aus
Versehen benutzt.

Die Eier des Kukuks sind so verschiedenartig gefärbt und gezeichnet, wie bei keinem andern
Vogel, dessen Brutgeschäft man kennt. Jede, selbst die auffallendste Färbung der Eier ähnelt aber
mehr oder weniger der Eifärbung derjenigen Vögel, in deren Nester jene gelegt werden, und deshalb
ist je nach den verschiedenen Oertlichkeiten bald diese, bald jene Färbung vorherrschend. Jedes
Weibchen legt nur ein Ei in dasselbe Nest und zwar in der Regel blos dann, wenn sich bereits Eier
des Pflegers in ihm befinden. Wahrscheinlich legt es auch blos in die Nester ein und derselben Art
und höchstens im Nothfall in die anderer Vögel. Diese Thatfache hat zuerst Baldamus aufge-
stellt und begründet, und ich habe sie deshalb auch fast mit seinen eigenen Worten gegeben.

Das Betragen des Kukuks während seines Fortpflanzungsgeschäfts läßt sich in der Kürze
schildern, wie folgt. Sofort nach seiner Ankunft im Frühjahr denkt der Vogel an die Paarung und
schreit deshalb seinen Liebesruf durch den Wald, verfolgt auch jedes Weibchen, dessen er ansichtig
wird und hat von dessen Sprödigkeit durchaus nicht zu leiden. Er jagt es zwar von einem Baume
zum andern und durchmißt dabei große Strecken, schreit sich auch heiser, erreicht aber das Ziel seiner
Wünsche, ohne daß das Weibchen sonderliche Umstände macht, und wird nach vollbrachter Paarung
durch ein lautes Gekicher belohnt. Wenn das Ei legreif geworden ist, fliegt das Weibchen aus, um
Nester zu suchen. Bei diesem Geschäft wird es von dem Männchen nicht begleitet; denn dieses
scheint sich überhaupt um seine Nachkommenschaft nicht zu bekümmern. Das Nestersuchen geschieht
fliegend; das Weibchen muß aber ein ganz absonderliches Geschick haben, da es auch die verstecktesten
Nester auszuspähen weiß. Jm Gegensatz zu seiner sonstigen Scheu kommt es bei dieser Gelegenheit
sehr oft in unmittelbare Nähe der Wohnungen, ja selbst in das Jnnere der Gebäude, z. B. in Schup-
pen und Scheuer. Erlaubt es der Standort oder die Bauart des Nestes, so setzt sich das legende
Weibchen auf das Nest, ist Dies nicht der Fall, so legt es sein Ei auf die Erde, nimmt es in den
Schnabel und trägt es in diesem zu Neste. Es kommt vor, daß es in Höhlungen schlüpft, durch
deren Eingang es sich nur mit genauer Noth zwängen kann: einzelne sind bei dieser Gelegenheit
gesangen worden, weil sie sich nicht retten konnten. Gar nicht selten findet man zwei, auch zwei
verschieden gefärbte Kukukseier in ein und demselben Neste. Nachdem die Alte das Ei gelegt hat,
behält sie das Nest noch im Auge, kehrt wiederholt zu demselben zurück und wirst Eier und selbst
Junge, niemals aber seine eigenen aus dem Neste. Letztere Thatsache ist durch Päßler beobachtet
worden.

"Zu bewundern ist es", sagt Bechstein, "mit welchem großen Vergnügen die Vögel eine
Kukuksmutter sich ihrem Neste nahen sehen. Anstatt, daß sie dort ihre Eier verlassen, wenn ein
Mensch oder sonstiges Geschöpf ihrem Neste zu nahe kommt, oder vor Betrübniß wie todt zur Erde
niederfallen, so sind sie hier im Gegentheil ganz außer sich vor Freude. Das kleine Zaunkönigs-

Kukuk.
geſammten Verbreitungsgebiets dieſes merkwürdigen Vogels noch weſentlich erweitern wird. Soweit
mir bekannt, hat man bis jetzt Kukukseier gefunden in den Neſtern des Gimpels, Edel- und
Bergfinken, Hänflings, Leinzeiſigs, Grünlings, Grau-, Gold-, Rohr- und
Weidenammers (Euspiza aureola), der Hauben-, Heide- und Feldlerche, des Hehers,
einer Elſter, des Dorndrehers und Rothkopfs, der Nachtigall, des Blau- und Roth-
kehlchens,
des Haus- und Gartenrothſchwanzes, Braunkehlchens, des ſchwarzkehligen
Steinſchmätzers
und Steinröthels, der Singdroſſel und Amſel, der Sperber-,
Garten-, Dorn-, Zaun-
und Mönchsgrasmücke, des röthlichen und Weidenlaub-
vogels, Gartenſängers,
der Rohrdroſſel, des Teich-, Sumpf-, Ufer-, Seggen-,
Fluß-
und Heuſchreckenrohrſängers (Schwirl), Zaunkönigs, des dunklen Piepers
(Anthus obscurus), des Wieſen-, Baum- und Brachpiepers, der Bach-, Gebirgs- und
Schafſtelze, des feuer- und ſafranköpfigen Goldhähnchens, der Finkmeiſe, Turtel-
und Ringeltaube. Unter dieſen Vögeln werden die Schilfſänger, Stelzen, Grasmücken und
Pieper bevorzugt, vieler Neſter aber nur im äußerſten Nothfall, möglicherweiſe auch aus
Verſehen benutzt.

Die Eier des Kukuks ſind ſo verſchiedenartig gefärbt und gezeichnet, wie bei keinem andern
Vogel, deſſen Brutgeſchäft man kennt. Jede, ſelbſt die auffallendſte Färbung der Eier ähnelt aber
mehr oder weniger der Eifärbung derjenigen Vögel, in deren Neſter jene gelegt werden, und deshalb
iſt je nach den verſchiedenen Oertlichkeiten bald dieſe, bald jene Färbung vorherrſchend. Jedes
Weibchen legt nur ein Ei in daſſelbe Neſt und zwar in der Regel blos dann, wenn ſich bereits Eier
des Pflegers in ihm befinden. Wahrſcheinlich legt es auch blos in die Neſter ein und derſelben Art
und höchſtens im Nothfall in die anderer Vögel. Dieſe Thatfache hat zuerſt Baldamus aufge-
ſtellt und begründet, und ich habe ſie deshalb auch faſt mit ſeinen eigenen Worten gegeben.

Das Betragen des Kukuks während ſeines Fortpflanzungsgeſchäfts läßt ſich in der Kürze
ſchildern, wie folgt. Sofort nach ſeiner Ankunft im Frühjahr denkt der Vogel an die Paarung und
ſchreit deshalb ſeinen Liebesruf durch den Wald, verfolgt auch jedes Weibchen, deſſen er anſichtig
wird und hat von deſſen Sprödigkeit durchaus nicht zu leiden. Er jagt es zwar von einem Baume
zum andern und durchmißt dabei große Strecken, ſchreit ſich auch heiſer, erreicht aber das Ziel ſeiner
Wünſche, ohne daß das Weibchen ſonderliche Umſtände macht, und wird nach vollbrachter Paarung
durch ein lautes Gekicher belohnt. Wenn das Ei legreif geworden iſt, fliegt das Weibchen aus, um
Neſter zu ſuchen. Bei dieſem Geſchäft wird es von dem Männchen nicht begleitet; denn dieſes
ſcheint ſich überhaupt um ſeine Nachkommenſchaft nicht zu bekümmern. Das Neſterſuchen geſchieht
fliegend; das Weibchen muß aber ein ganz abſonderliches Geſchick haben, da es auch die verſteckteſten
Neſter auszuſpähen weiß. Jm Gegenſatz zu ſeiner ſonſtigen Scheu kommt es bei dieſer Gelegenheit
ſehr oft in unmittelbare Nähe der Wohnungen, ja ſelbſt in das Jnnere der Gebäude, z. B. in Schup-
pen und Scheuer. Erlaubt es der Standort oder die Bauart des Neſtes, ſo ſetzt ſich das legende
Weibchen auf das Neſt, iſt Dies nicht der Fall, ſo legt es ſein Ei auf die Erde, nimmt es in den
Schnabel und trägt es in dieſem zu Neſte. Es kommt vor, daß es in Höhlungen ſchlüpft, durch
deren Eingang es ſich nur mit genauer Noth zwängen kann: einzelne ſind bei dieſer Gelegenheit
geſangen worden, weil ſie ſich nicht retten konnten. Gar nicht ſelten findet man zwei, auch zwei
verſchieden gefärbte Kukukseier in ein und demſelben Neſte. Nachdem die Alte das Ei gelegt hat,
behält ſie das Neſt noch im Auge, kehrt wiederholt zu demſelben zurück und wirſt Eier und ſelbſt
Junge, niemals aber ſeine eigenen aus dem Neſte. Letztere Thatſache iſt durch Päßler beobachtet
worden.

„Zu bewundern iſt es“, ſagt Bechſtein, „mit welchem großen Vergnügen die Vögel eine
Kukuksmutter ſich ihrem Neſte nahen ſehen. Anſtatt, daß ſie dort ihre Eier verlaſſen, wenn ein
Menſch oder ſonſtiges Geſchöpf ihrem Neſte zu nahe kommt, oder vor Betrübniß wie todt zur Erde
niederfallen, ſo ſind ſie hier im Gegentheil ganz außer ſich vor Freude. Das kleine Zaunkönigs-

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[197/0219] Kukuk. geſammten Verbreitungsgebiets dieſes merkwürdigen Vogels noch weſentlich erweitern wird. Soweit mir bekannt, hat man bis jetzt Kukukseier gefunden in den Neſtern des Gimpels, Edel- und Bergfinken, Hänflings, Leinzeiſigs, Grünlings, Grau-, Gold-, Rohr- und Weidenammers (Euspiza aureola), der Hauben-, Heide- und Feldlerche, des Hehers, einer Elſter, des Dorndrehers und Rothkopfs, der Nachtigall, des Blau- und Roth- kehlchens, des Haus- und Gartenrothſchwanzes, Braunkehlchens, des ſchwarzkehligen Steinſchmätzers und Steinröthels, der Singdroſſel und Amſel, der Sperber-, Garten-, Dorn-, Zaun- und Mönchsgrasmücke, des röthlichen und Weidenlaub- vogels, Gartenſängers, der Rohrdroſſel, des Teich-, Sumpf-, Ufer-, Seggen-, Fluß- und Heuſchreckenrohrſängers (Schwirl), Zaunkönigs, des dunklen Piepers (Anthus obscurus), des Wieſen-, Baum- und Brachpiepers, der Bach-, Gebirgs- und Schafſtelze, des feuer- und ſafranköpfigen Goldhähnchens, der Finkmeiſe, Turtel- und Ringeltaube. Unter dieſen Vögeln werden die Schilfſänger, Stelzen, Grasmücken und Pieper bevorzugt, vieler Neſter aber nur im äußerſten Nothfall, möglicherweiſe auch aus Verſehen benutzt. Die Eier des Kukuks ſind ſo verſchiedenartig gefärbt und gezeichnet, wie bei keinem andern Vogel, deſſen Brutgeſchäft man kennt. Jede, ſelbſt die auffallendſte Färbung der Eier ähnelt aber mehr oder weniger der Eifärbung derjenigen Vögel, in deren Neſter jene gelegt werden, und deshalb iſt je nach den verſchiedenen Oertlichkeiten bald dieſe, bald jene Färbung vorherrſchend. Jedes Weibchen legt nur ein Ei in daſſelbe Neſt und zwar in der Regel blos dann, wenn ſich bereits Eier des Pflegers in ihm befinden. Wahrſcheinlich legt es auch blos in die Neſter ein und derſelben Art und höchſtens im Nothfall in die anderer Vögel. Dieſe Thatfache hat zuerſt Baldamus aufge- ſtellt und begründet, und ich habe ſie deshalb auch faſt mit ſeinen eigenen Worten gegeben. Das Betragen des Kukuks während ſeines Fortpflanzungsgeſchäfts läßt ſich in der Kürze ſchildern, wie folgt. Sofort nach ſeiner Ankunft im Frühjahr denkt der Vogel an die Paarung und ſchreit deshalb ſeinen Liebesruf durch den Wald, verfolgt auch jedes Weibchen, deſſen er anſichtig wird und hat von deſſen Sprödigkeit durchaus nicht zu leiden. Er jagt es zwar von einem Baume zum andern und durchmißt dabei große Strecken, ſchreit ſich auch heiſer, erreicht aber das Ziel ſeiner Wünſche, ohne daß das Weibchen ſonderliche Umſtände macht, und wird nach vollbrachter Paarung durch ein lautes Gekicher belohnt. Wenn das Ei legreif geworden iſt, fliegt das Weibchen aus, um Neſter zu ſuchen. Bei dieſem Geſchäft wird es von dem Männchen nicht begleitet; denn dieſes ſcheint ſich überhaupt um ſeine Nachkommenſchaft nicht zu bekümmern. Das Neſterſuchen geſchieht fliegend; das Weibchen muß aber ein ganz abſonderliches Geſchick haben, da es auch die verſteckteſten Neſter auszuſpähen weiß. Jm Gegenſatz zu ſeiner ſonſtigen Scheu kommt es bei dieſer Gelegenheit ſehr oft in unmittelbare Nähe der Wohnungen, ja ſelbſt in das Jnnere der Gebäude, z. B. in Schup- pen und Scheuer. Erlaubt es der Standort oder die Bauart des Neſtes, ſo ſetzt ſich das legende Weibchen auf das Neſt, iſt Dies nicht der Fall, ſo legt es ſein Ei auf die Erde, nimmt es in den Schnabel und trägt es in dieſem zu Neſte. Es kommt vor, daß es in Höhlungen ſchlüpft, durch deren Eingang es ſich nur mit genauer Noth zwängen kann: einzelne ſind bei dieſer Gelegenheit geſangen worden, weil ſie ſich nicht retten konnten. Gar nicht ſelten findet man zwei, auch zwei verſchieden gefärbte Kukukseier in ein und demſelben Neſte. Nachdem die Alte das Ei gelegt hat, behält ſie das Neſt noch im Auge, kehrt wiederholt zu demſelben zurück und wirſt Eier und ſelbſt Junge, niemals aber ſeine eigenen aus dem Neſte. Letztere Thatſache iſt durch Päßler beobachtet worden. „Zu bewundern iſt es“, ſagt Bechſtein, „mit welchem großen Vergnügen die Vögel eine Kukuksmutter ſich ihrem Neſte nahen ſehen. Anſtatt, daß ſie dort ihre Eier verlaſſen, wenn ein Menſch oder ſonſtiges Geſchöpf ihrem Neſte zu nahe kommt, oder vor Betrübniß wie todt zur Erde niederfallen, ſo ſind ſie hier im Gegentheil ganz außer ſich vor Freude. Das kleine Zaunkönigs-

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/219>, abgerufen am 24.11.2024.