oder fliegt auf einen andern Baum und wiederholt hier dasselbe. Jn Skandinavien sitzt er besonders gern auf den Geländern, welche die Wege von den Feldern abgrenzen, treibt sich überhaupt viel mehr in der Nähe der Ortschaften umher, als bei uns. Uebrigens ist der Kukuk nur im Fliegen geschickt, in allem übrigen täppisch. Zu gehen ist er kaum im Stande und klettern kann er gar nicht. Jm Frühling versäumt er nie, nach dem Aufbäumen einigemale seinen lauten Ruf erschallen zu lassen, und wenn die Liebe sich in ihm regt, treibt er so argen Mißbrauch mit seiner Stimme, daß er zuletzt buchstäblich heiser wird. Außer dem bekannten "Kukuk" ruft der Vogel auch noch leise "Quawawa" oder "Haghaghaghag", während das Weibchen ein eigenthümliches Gelächter oder Gekicher vernehmen läßt, welches durch die Silben "Kwikwikwik" ungefähr wiedergegeben werden kann.
Der Kukuk ist als ein höchst unfriedfertiger Vogel verschrieen; ich kann dieser Ausicht jedoch nicht beistimmen. Jn Kampf und Streit liegt er nur mit andern seiner Art: die ganze übrige Vogelwelt läßt ihn gleichgiltig, sobald es sich nicht darum handelt, einem Mitglied desselben ein Ei aufzubürden. Aber gerade die kleinen Vögel, denen die Ehre zu Theil wird, die jungen Kukuke großzuziehen, kennen den alten Kukuk, und er sieht sich verfolgt, sobald er sich sehen läßt. Gefangene, welche man unter Kleingeflügel hält, vertragen sich mit allen Genessen vortrefflich und denken gar nicht daran, mit ihnen zu streiten oder zu hadern. Aber freilich ein männlicher Kukuk ist dem andern ein Dorn im Auge. So brutfaul der Vogel ist, so verliebt scheint er zu sein. Er folgt seinem Weibchen, wohin dieses sich auch wendet; aber es ist noch keineswegs ausgemacht, ob blos seinem Weibchen oder, wie sorgfältige Beobachter argwöhnen, jedem beliebigen, welches sich sehen läßt. Obgleich er Entgegenkommen findet, scheint ihn die Liebe doch geradezu von Sinnen zu bringen. Er ist buchstäblich toll, so lange die Paarungszeit währt, schreit unablässig so, daß die Stimme überschnappt, durchjagt unaufhörlich sein Gebiet und sieht in jedem andern einen Neben- buhler, den hassenswerthesten aller Gegner. Deshalb läßt sich der sonst so scheue und vorsichtige Vogel von Dem, welcher seinen Ruf nachzuahmen versteht, auch unter allen Umständen herbeilocken.
Daß der Kukuk seine Eier in fremde Nester legt, war schon den Alten bekannt. "Das Bebrüten des Kukukseies und das Aufziehen des aus ihm hervorkommenden Jungen", sagt Aristo- teles, "wird von demjenigen Vogel besorgt, in dessen Nest das Ei gelegt wurde. Der Pflegevater wirft sogar, wie man sagt, seine eigenen Jungen aus dem Neste und läßt sie verhungern, während der junge Kukuk heranwächst. Andere erzählen, daß er seine Jungen tödte, um den Kukuk damit zu füttern; denn dieser sei in der Jugend so schön, daß seine Stiefmutter ihre eigenen Jungen deshalb verachte. Das Meiste von dem hier Erwähnten wollen Augenzeugen gesehen haben; nur in der Angabe, wie die Jungen des brütenden Vogels umkommen, stimmen nicht Alle überein: denn die Einen sagen, der alte Kukuk kehre zurück und fresse die Jungen des gastfreundlichen Vogels, die Andern behaupten, weil der junge Kukuk seine Stiefgeschwister an Größe übertreffe, so schnappe er ihnen Alles weg, und sie müßten deshalb Hungers sterben; Andere wieder meinen, er, als der Stärkere, fresse sie auf. Der Kukuk thut gewiß gut daran, daß er seine Kinder so unterbringt; denn er ist sich bewußt, wie feige er ist, und daß er sie doch nicht vertheidigen kann. So feig ist er, daß alle kleinen Vögel sich ein Vergnügen daraus machen, ihn zu zwicken und zu jagen." Wir werden sehen, daß an dieser Schilderung sehr viel Wahres ist; ich will aber auch sogleich eingestehen, daß wir noch heutigen Tags keineswegs vollkommen unterrichtet sind. Daß ich auf viele Annahmen, Muthmaßungen, Zweckmäßigkeitslehren und dergleichen, mit denen jede Naturgeschichte des Kukuks oder jede vogelkundliche Zeitschrift überhaupt überfüllt ist, nicht eingehe, werden meine Leser begreiflich finden. Soviel ist sicher, daß wir das Warum des Nichtbrütens noch nicht erkannt haben.
Das Thatsächliche, d. h. durch Beobachtung Festgestellte hinsichtlich des Fortpflanzungsgeschäfts unseres Vogels ist folgendes: Der Kukuk übergibt seine Eier einer großen Anzahl verschiedenartiger Singvögel zum Ausbrüten. Schon gegenwärtig kennen wir über funfzig verschiedene Pflegeeltern; es unterliegt aber gar keinem Zweifel, daß sich diese Kunde bei genauerer Durchforschung des
Die Späher. Leichtſchnäbler. Kukuke.
oder fliegt auf einen andern Baum und wiederholt hier daſſelbe. Jn Skandinavien ſitzt er beſonders gern auf den Geländern, welche die Wege von den Feldern abgrenzen, treibt ſich überhaupt viel mehr in der Nähe der Ortſchaften umher, als bei uns. Uebrigens iſt der Kukuk nur im Fliegen geſchickt, in allem übrigen täppiſch. Zu gehen iſt er kaum im Stande und klettern kann er gar nicht. Jm Frühling verſäumt er nie, nach dem Aufbäumen einigemale ſeinen lauten Ruf erſchallen zu laſſen, und wenn die Liebe ſich in ihm regt, treibt er ſo argen Mißbrauch mit ſeiner Stimme, daß er zuletzt buchſtäblich heiſer wird. Außer dem bekannten „Kukuk“ ruft der Vogel auch noch leiſe „Quawawa“ oder „Haghaghaghag“, während das Weibchen ein eigenthümliches Gelächter oder Gekicher vernehmen läßt, welches durch die Silben „Kwikwikwik“ ungefähr wiedergegeben werden kann.
Der Kukuk iſt als ein höchſt unfriedfertiger Vogel verſchrieen; ich kann dieſer Auſicht jedoch nicht beiſtimmen. Jn Kampf und Streit liegt er nur mit andern ſeiner Art: die ganze übrige Vogelwelt läßt ihn gleichgiltig, ſobald es ſich nicht darum handelt, einem Mitglied deſſelben ein Ei aufzubürden. Aber gerade die kleinen Vögel, denen die Ehre zu Theil wird, die jungen Kukuke großzuziehen, kennen den alten Kukuk, und er ſieht ſich verfolgt, ſobald er ſich ſehen läßt. Gefangene, welche man unter Kleingeflügel hält, vertragen ſich mit allen Geneſſen vortrefflich und denken gar nicht daran, mit ihnen zu ſtreiten oder zu hadern. Aber freilich ein männlicher Kukuk iſt dem andern ein Dorn im Auge. So brutfaul der Vogel iſt, ſo verliebt ſcheint er zu ſein. Er folgt ſeinem Weibchen, wohin dieſes ſich auch wendet; aber es iſt noch keineswegs ausgemacht, ob blos ſeinem Weibchen oder, wie ſorgfältige Beobachter argwöhnen, jedem beliebigen, welches ſich ſehen läßt. Obgleich er Entgegenkommen findet, ſcheint ihn die Liebe doch geradezu von Sinnen zu bringen. Er iſt buchſtäblich toll, ſo lange die Paarungszeit währt, ſchreit unabläſſig ſo, daß die Stimme überſchnappt, durchjagt unaufhörlich ſein Gebiet und ſieht in jedem andern einen Neben- buhler, den haſſenswertheſten aller Gegner. Deshalb läßt ſich der ſonſt ſo ſcheue und vorſichtige Vogel von Dem, welcher ſeinen Ruf nachzuahmen verſteht, auch unter allen Umſtänden herbeilocken.
Daß der Kukuk ſeine Eier in fremde Neſter legt, war ſchon den Alten bekannt. „Das Bebrüten des Kukukseies und das Aufziehen des aus ihm hervorkommenden Jungen“, ſagt Ariſto- teles, „wird von demjenigen Vogel beſorgt, in deſſen Neſt das Ei gelegt wurde. Der Pflegevater wirft ſogar, wie man ſagt, ſeine eigenen Jungen aus dem Neſte und läßt ſie verhungern, während der junge Kukuk heranwächſt. Andere erzählen, daß er ſeine Jungen tödte, um den Kukuk damit zu füttern; denn dieſer ſei in der Jugend ſo ſchön, daß ſeine Stiefmutter ihre eigenen Jungen deshalb verachte. Das Meiſte von dem hier Erwähnten wollen Augenzeugen geſehen haben; nur in der Angabe, wie die Jungen des brütenden Vogels umkommen, ſtimmen nicht Alle überein: denn die Einen ſagen, der alte Kukuk kehre zurück und freſſe die Jungen des gaſtfreundlichen Vogels, die Andern behaupten, weil der junge Kukuk ſeine Stiefgeſchwiſter an Größe übertreffe, ſo ſchnappe er ihnen Alles weg, und ſie müßten deshalb Hungers ſterben; Andere wieder meinen, er, als der Stärkere, freſſe ſie auf. Der Kukuk thut gewiß gut daran, daß er ſeine Kinder ſo unterbringt; denn er iſt ſich bewußt, wie feige er iſt, und daß er ſie doch nicht vertheidigen kann. So feig iſt er, daß alle kleinen Vögel ſich ein Vergnügen daraus machen, ihn zu zwicken und zu jagen.“ Wir werden ſehen, daß an dieſer Schilderung ſehr viel Wahres iſt; ich will aber auch ſogleich eingeſtehen, daß wir noch heutigen Tags keineswegs vollkommen unterrichtet ſind. Daß ich auf viele Annahmen, Muthmaßungen, Zweckmäßigkeitslehren und dergleichen, mit denen jede Naturgeſchichte des Kukuks oder jede vogelkundliche Zeitſchrift überhaupt überfüllt iſt, nicht eingehe, werden meine Leſer begreiflich finden. Soviel iſt ſicher, daß wir das Warum des Nichtbrütens noch nicht erkannt haben.
Das Thatſächliche, d. h. durch Beobachtung Feſtgeſtellte hinſichtlich des Fortpflanzungsgeſchäfts unſeres Vogels iſt folgendes: Der Kukuk übergibt ſeine Eier einer großen Anzahl verſchiedenartiger Singvögel zum Ausbrüten. Schon gegenwärtig kennen wir über funfzig verſchiedene Pflegeeltern; es unterliegt aber gar keinem Zweifel, daß ſich dieſe Kunde bei genauerer Durchforſchung des
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0218"n="196"/><fwplace="top"type="header">Die Späher. Leichtſchnäbler. Kukuke.</fw><lb/>
oder fliegt auf einen andern Baum und wiederholt hier daſſelbe. Jn Skandinavien ſitzt er beſonders<lb/>
gern auf den Geländern, welche die Wege von den Feldern abgrenzen, treibt ſich überhaupt<lb/>
viel mehr in der Nähe der Ortſchaften umher, als bei uns. Uebrigens iſt der Kukuk nur im Fliegen<lb/>
geſchickt, in allem übrigen täppiſch. Zu gehen iſt er kaum im Stande und klettern kann er gar nicht.<lb/>
Jm Frühling verſäumt er nie, nach dem Aufbäumen einigemale ſeinen lauten Ruf erſchallen zu<lb/>
laſſen, und wenn die Liebe ſich in ihm regt, treibt er ſo argen Mißbrauch mit ſeiner Stimme, daß er<lb/>
zuletzt buchſtäblich heiſer wird. Außer dem bekannten „Kukuk“ ruft der Vogel auch noch leiſe<lb/>„Quawawa“ oder „Haghaghaghag“, während das Weibchen ein eigenthümliches Gelächter oder<lb/>
Gekicher vernehmen läßt, welches durch die Silben „Kwikwikwik“ ungefähr wiedergegeben<lb/>
werden kann.</p><lb/><p>Der Kukuk iſt als ein höchſt unfriedfertiger Vogel verſchrieen; ich kann dieſer Auſicht jedoch<lb/>
nicht beiſtimmen. Jn Kampf und Streit liegt er nur mit andern ſeiner Art: die ganze übrige<lb/>
Vogelwelt läßt ihn gleichgiltig, ſobald es ſich nicht darum handelt, einem Mitglied deſſelben ein<lb/>
Ei aufzubürden. Aber gerade die kleinen Vögel, denen die Ehre zu Theil wird, die jungen Kukuke<lb/>
großzuziehen, kennen den alten Kukuk, und er ſieht ſich verfolgt, ſobald er ſich ſehen läßt.<lb/>
Gefangene, welche man unter Kleingeflügel hält, vertragen ſich mit allen Geneſſen vortrefflich<lb/>
und denken gar nicht daran, mit ihnen zu ſtreiten oder zu hadern. Aber freilich ein männlicher<lb/>
Kukuk iſt dem andern ein Dorn im Auge. So brutfaul der Vogel iſt, ſo verliebt ſcheint er zu ſein.<lb/>
Er folgt ſeinem Weibchen, wohin dieſes ſich auch wendet; aber es iſt noch keineswegs ausgemacht,<lb/>
ob blos ſeinem Weibchen oder, wie ſorgfältige Beobachter argwöhnen, jedem beliebigen, welches ſich<lb/>ſehen läßt. Obgleich er Entgegenkommen findet, ſcheint ihn die Liebe doch geradezu von Sinnen zu<lb/>
bringen. Er iſt buchſtäblich toll, ſo lange die Paarungszeit währt, ſchreit unabläſſig ſo, daß die<lb/>
Stimme überſchnappt, durchjagt unaufhörlich ſein Gebiet und ſieht in jedem andern einen Neben-<lb/>
buhler, den haſſenswertheſten aller Gegner. Deshalb läßt ſich der ſonſt ſo ſcheue und vorſichtige<lb/>
Vogel von Dem, welcher ſeinen Ruf nachzuahmen verſteht, auch unter allen Umſtänden herbeilocken.</p><lb/><p>Daß der Kukuk ſeine Eier in fremde Neſter legt, war ſchon den Alten bekannt. „Das<lb/>
Bebrüten des Kukukseies und das Aufziehen des aus ihm hervorkommenden Jungen“, ſagt <hirendition="#g">Ariſto-<lb/>
teles,</hi>„wird von demjenigen Vogel beſorgt, in deſſen Neſt das Ei gelegt wurde. Der Pflegevater<lb/>
wirft ſogar, wie man ſagt, ſeine eigenen Jungen aus dem Neſte und läßt ſie verhungern, während<lb/>
der junge Kukuk heranwächſt. Andere erzählen, daß er ſeine Jungen tödte, um den Kukuk damit<lb/>
zu füttern; denn dieſer ſei in der Jugend ſo ſchön, daß ſeine Stiefmutter ihre eigenen Jungen<lb/>
deshalb verachte. Das Meiſte von dem hier Erwähnten wollen Augenzeugen geſehen haben; nur<lb/>
in der Angabe, wie die Jungen des brütenden Vogels umkommen, ſtimmen nicht Alle überein: denn<lb/>
die Einen ſagen, der alte Kukuk kehre zurück und freſſe die Jungen des gaſtfreundlichen Vogels, die<lb/>
Andern behaupten, weil der junge Kukuk ſeine Stiefgeſchwiſter an Größe übertreffe, ſo ſchnappe er<lb/>
ihnen Alles weg, und ſie müßten deshalb Hungers ſterben; Andere wieder meinen, er, als der<lb/>
Stärkere, freſſe ſie auf. Der Kukuk thut gewiß gut daran, daß er ſeine Kinder ſo unterbringt;<lb/>
denn er iſt ſich bewußt, wie feige er iſt, und daß er ſie doch nicht vertheidigen kann. So feig iſt er,<lb/>
daß alle kleinen Vögel ſich ein Vergnügen daraus machen, ihn zu zwicken und zu jagen.“ Wir<lb/>
werden ſehen, daß an dieſer Schilderung ſehr viel Wahres iſt; ich will aber auch ſogleich eingeſtehen,<lb/>
daß wir noch heutigen Tags keineswegs vollkommen unterrichtet ſind. Daß ich auf viele Annahmen,<lb/>
Muthmaßungen, Zweckmäßigkeitslehren und dergleichen, mit denen jede Naturgeſchichte des Kukuks<lb/>
oder jede vogelkundliche Zeitſchrift überhaupt überfüllt iſt, nicht eingehe, werden meine Leſer<lb/>
begreiflich finden. Soviel iſt ſicher, daß wir das Warum des Nichtbrütens noch nicht erkannt haben.</p><lb/><p>Das Thatſächliche, d. h. durch Beobachtung Feſtgeſtellte hinſichtlich des Fortpflanzungsgeſchäfts<lb/>
unſeres Vogels iſt folgendes: Der Kukuk übergibt ſeine Eier einer großen Anzahl verſchiedenartiger<lb/>
Singvögel zum Ausbrüten. Schon gegenwärtig kennen wir über funfzig verſchiedene Pflegeeltern;<lb/>
es unterliegt aber gar keinem Zweifel, daß ſich dieſe Kunde bei genauerer Durchforſchung des<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[196/0218]
Die Späher. Leichtſchnäbler. Kukuke.
oder fliegt auf einen andern Baum und wiederholt hier daſſelbe. Jn Skandinavien ſitzt er beſonders
gern auf den Geländern, welche die Wege von den Feldern abgrenzen, treibt ſich überhaupt
viel mehr in der Nähe der Ortſchaften umher, als bei uns. Uebrigens iſt der Kukuk nur im Fliegen
geſchickt, in allem übrigen täppiſch. Zu gehen iſt er kaum im Stande und klettern kann er gar nicht.
Jm Frühling verſäumt er nie, nach dem Aufbäumen einigemale ſeinen lauten Ruf erſchallen zu
laſſen, und wenn die Liebe ſich in ihm regt, treibt er ſo argen Mißbrauch mit ſeiner Stimme, daß er
zuletzt buchſtäblich heiſer wird. Außer dem bekannten „Kukuk“ ruft der Vogel auch noch leiſe
„Quawawa“ oder „Haghaghaghag“, während das Weibchen ein eigenthümliches Gelächter oder
Gekicher vernehmen läßt, welches durch die Silben „Kwikwikwik“ ungefähr wiedergegeben
werden kann.
Der Kukuk iſt als ein höchſt unfriedfertiger Vogel verſchrieen; ich kann dieſer Auſicht jedoch
nicht beiſtimmen. Jn Kampf und Streit liegt er nur mit andern ſeiner Art: die ganze übrige
Vogelwelt läßt ihn gleichgiltig, ſobald es ſich nicht darum handelt, einem Mitglied deſſelben ein
Ei aufzubürden. Aber gerade die kleinen Vögel, denen die Ehre zu Theil wird, die jungen Kukuke
großzuziehen, kennen den alten Kukuk, und er ſieht ſich verfolgt, ſobald er ſich ſehen läßt.
Gefangene, welche man unter Kleingeflügel hält, vertragen ſich mit allen Geneſſen vortrefflich
und denken gar nicht daran, mit ihnen zu ſtreiten oder zu hadern. Aber freilich ein männlicher
Kukuk iſt dem andern ein Dorn im Auge. So brutfaul der Vogel iſt, ſo verliebt ſcheint er zu ſein.
Er folgt ſeinem Weibchen, wohin dieſes ſich auch wendet; aber es iſt noch keineswegs ausgemacht,
ob blos ſeinem Weibchen oder, wie ſorgfältige Beobachter argwöhnen, jedem beliebigen, welches ſich
ſehen läßt. Obgleich er Entgegenkommen findet, ſcheint ihn die Liebe doch geradezu von Sinnen zu
bringen. Er iſt buchſtäblich toll, ſo lange die Paarungszeit währt, ſchreit unabläſſig ſo, daß die
Stimme überſchnappt, durchjagt unaufhörlich ſein Gebiet und ſieht in jedem andern einen Neben-
buhler, den haſſenswertheſten aller Gegner. Deshalb läßt ſich der ſonſt ſo ſcheue und vorſichtige
Vogel von Dem, welcher ſeinen Ruf nachzuahmen verſteht, auch unter allen Umſtänden herbeilocken.
Daß der Kukuk ſeine Eier in fremde Neſter legt, war ſchon den Alten bekannt. „Das
Bebrüten des Kukukseies und das Aufziehen des aus ihm hervorkommenden Jungen“, ſagt Ariſto-
teles, „wird von demjenigen Vogel beſorgt, in deſſen Neſt das Ei gelegt wurde. Der Pflegevater
wirft ſogar, wie man ſagt, ſeine eigenen Jungen aus dem Neſte und läßt ſie verhungern, während
der junge Kukuk heranwächſt. Andere erzählen, daß er ſeine Jungen tödte, um den Kukuk damit
zu füttern; denn dieſer ſei in der Jugend ſo ſchön, daß ſeine Stiefmutter ihre eigenen Jungen
deshalb verachte. Das Meiſte von dem hier Erwähnten wollen Augenzeugen geſehen haben; nur
in der Angabe, wie die Jungen des brütenden Vogels umkommen, ſtimmen nicht Alle überein: denn
die Einen ſagen, der alte Kukuk kehre zurück und freſſe die Jungen des gaſtfreundlichen Vogels, die
Andern behaupten, weil der junge Kukuk ſeine Stiefgeſchwiſter an Größe übertreffe, ſo ſchnappe er
ihnen Alles weg, und ſie müßten deshalb Hungers ſterben; Andere wieder meinen, er, als der
Stärkere, freſſe ſie auf. Der Kukuk thut gewiß gut daran, daß er ſeine Kinder ſo unterbringt;
denn er iſt ſich bewußt, wie feige er iſt, und daß er ſie doch nicht vertheidigen kann. So feig iſt er,
daß alle kleinen Vögel ſich ein Vergnügen daraus machen, ihn zu zwicken und zu jagen.“ Wir
werden ſehen, daß an dieſer Schilderung ſehr viel Wahres iſt; ich will aber auch ſogleich eingeſtehen,
daß wir noch heutigen Tags keineswegs vollkommen unterrichtet ſind. Daß ich auf viele Annahmen,
Muthmaßungen, Zweckmäßigkeitslehren und dergleichen, mit denen jede Naturgeſchichte des Kukuks
oder jede vogelkundliche Zeitſchrift überhaupt überfüllt iſt, nicht eingehe, werden meine Leſer
begreiflich finden. Soviel iſt ſicher, daß wir das Warum des Nichtbrütens noch nicht erkannt haben.
Das Thatſächliche, d. h. durch Beobachtung Feſtgeſtellte hinſichtlich des Fortpflanzungsgeſchäfts
unſeres Vogels iſt folgendes: Der Kukuk übergibt ſeine Eier einer großen Anzahl verſchiedenartiger
Singvögel zum Ausbrüten. Schon gegenwärtig kennen wir über funfzig verſchiedene Pflegeeltern;
es unterliegt aber gar keinem Zweifel, daß ſich dieſe Kunde bei genauerer Durchforſchung des
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/218>, abgerufen am 28.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.