Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

Bild:
<< vorherige Seite

Kukuk.
gemeinsten Vögeln des Landes: wenigstens erinnere ich mich nicht, irgendwo so viele Kukuke gesehen
zu haben, als in Norwegen und in Lappland. Auffallend genug ist, daß einzelne Kukuke auch auf
Jnseln gefunden werden, welche sehr arm an Bäumen sind, so z. B. auf Sylt.

Jedes Kukukspärchen, richtiger vielleicht, jedes Kukuksmännchen wählt oder erkämpft sich ein
Gebiet von ziemlichem Umfange und vertheidigt dasselbe hartnäckig gegen einen etwaigen Nebenbuhler.
Wird ein Kukuk verdrängt, so siedelt er sich dicht neben dem Eroberer an und sicht mit diesem dann
fast tagtäglich einen Strauß aus. Daß ein und derselbe Vogel zu demselben Orte zurückkehrt, hat
Naumann durch Beobachtungen festgestellt. Er kannte nämlich einen Kukuk, welcher sich durch
seine auffallende Stimme vor den übrigen kennzeichnete, und erfuhr, daß derselbe während zweiund-
dreißig Jahren in jedem Frühlinge in demselben Gebiete erschien. Seinen Standort durchschweift der

[Abbildung] Der Kukuk oder Gauch (Cuculus canorus). 1/2 der nat. Größe.
Kukuk ohne Unterlaß, und deshalb erscheint er mit einer gewissen Regelmäßigkeit auf bestimmten
Bäumen tagtäglich mehrere Male.

Unter den mir bekannten Verwandten ist der Kukuk der flüchtigste, unruhigste und lebhafteste.
Er ist in Bewegung vom Morgen bis zum Abend, in Skandinavien sogar während des größten Theils
der Nacht. Es machte einen eigenthümlichen Eindruck auf mich, bei meinen nächtlichen Jagden
den Kukuksruf noch nach elf Uhr Abends und schon vor ein Uhr Morgens zu vernehmen. Während
seiner Streifereien frißt er beständig; denn er ist ebenso gefräßig, als bewegungs- und schreilustig.
Mit leichtem, zierlichen, schnellen Fluge, welcher dem eines Falken ähnelt, kommt er angeflogen, läßt
sich auf einem dicken Aste nieder und sieht sich nach Nahrung um. Hat er eine Beute erspäht, so eilt
er mit ein paar geschickten Schwenkungen zu ihr hin, nimmt sie auf und kehrt auf denselben Ast zurück

13 *

Kukuk.
gemeinſten Vögeln des Landes: wenigſtens erinnere ich mich nicht, irgendwo ſo viele Kukuke geſehen
zu haben, als in Norwegen und in Lappland. Auffallend genug iſt, daß einzelne Kukuke auch auf
Jnſeln gefunden werden, welche ſehr arm an Bäumen ſind, ſo z. B. auf Sylt.

Jedes Kukukspärchen, richtiger vielleicht, jedes Kukuksmännchen wählt oder erkämpft ſich ein
Gebiet von ziemlichem Umfange und vertheidigt daſſelbe hartnäckig gegen einen etwaigen Nebenbuhler.
Wird ein Kukuk verdrängt, ſo ſiedelt er ſich dicht neben dem Eroberer an und ſicht mit dieſem dann
faſt tagtäglich einen Strauß aus. Daß ein und derſelbe Vogel zu demſelben Orte zurückkehrt, hat
Naumann durch Beobachtungen feſtgeſtellt. Er kannte nämlich einen Kukuk, welcher ſich durch
ſeine auffallende Stimme vor den übrigen kennzeichnete, und erfuhr, daß derſelbe während zweiund-
dreißig Jahren in jedem Frühlinge in demſelben Gebiete erſchien. Seinen Standort durchſchweift der

[Abbildung] Der Kukuk oder Gauch (Cuculus canorus). ½ der nat. Größe.
Kukuk ohne Unterlaß, und deshalb erſcheint er mit einer gewiſſen Regelmäßigkeit auf beſtimmten
Bäumen tagtäglich mehrere Male.

Unter den mir bekannten Verwandten iſt der Kukuk der flüchtigſte, unruhigſte und lebhafteſte.
Er iſt in Bewegung vom Morgen bis zum Abend, in Skandinavien ſogar während des größten Theils
der Nacht. Es machte einen eigenthümlichen Eindruck auf mich, bei meinen nächtlichen Jagden
den Kukuksruf noch nach elf Uhr Abends und ſchon vor ein Uhr Morgens zu vernehmen. Während
ſeiner Streifereien frißt er beſtändig; denn er iſt ebenſo gefräßig, als bewegungs- und ſchreiluſtig.
Mit leichtem, zierlichen, ſchnellen Fluge, welcher dem eines Falken ähnelt, kommt er angeflogen, läßt
ſich auf einem dicken Aſte nieder und ſieht ſich nach Nahrung um. Hat er eine Beute erſpäht, ſo eilt
er mit ein paar geſchickten Schwenkungen zu ihr hin, nimmt ſie auf und kehrt auf denſelben Aſt zurück

13 *
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0217" n="195"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Kukuk.</hi></fw><lb/>
gemein&#x017F;ten Vögeln des Landes: wenig&#x017F;tens erinnere ich mich nicht, irgendwo &#x017F;o viele Kukuke ge&#x017F;ehen<lb/>
zu haben, als in Norwegen und in Lappland. Auffallend genug i&#x017F;t, daß einzelne Kukuke auch auf<lb/>
Jn&#x017F;eln gefunden werden, welche &#x017F;ehr arm an Bäumen &#x017F;ind, &#x017F;o z. B. auf Sylt.</p><lb/>
          <p>Jedes Kukukspärchen, richtiger vielleicht, jedes Kukuksmännchen wählt oder erkämpft &#x017F;ich ein<lb/>
Gebiet von ziemlichem Umfange und vertheidigt da&#x017F;&#x017F;elbe hartnäckig gegen einen etwaigen Nebenbuhler.<lb/>
Wird ein Kukuk verdrängt, &#x017F;o &#x017F;iedelt er &#x017F;ich dicht neben dem Eroberer an und &#x017F;icht mit die&#x017F;em dann<lb/>
fa&#x017F;t tagtäglich einen Strauß aus. Daß ein und der&#x017F;elbe Vogel zu dem&#x017F;elben Orte zurückkehrt, hat<lb/><hi rendition="#g">Naumann</hi> durch Beobachtungen fe&#x017F;tge&#x017F;tellt. Er kannte nämlich einen Kukuk, welcher &#x017F;ich durch<lb/>
&#x017F;eine auffallende Stimme vor den übrigen kennzeichnete, und erfuhr, daß der&#x017F;elbe während zweiund-<lb/>
dreißig Jahren in jedem Frühlinge in dem&#x017F;elben Gebiete er&#x017F;chien. Seinen Standort durch&#x017F;chweift der<lb/><figure><head><hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Der Kukuk oder Gauch</hi><hi rendition="#aq">(Cuculus canorus).</hi> ½ der nat. Größe.</hi></head></figure><lb/>
Kukuk ohne Unterlaß, und deshalb er&#x017F;cheint er mit einer gewi&#x017F;&#x017F;en Regelmäßigkeit auf be&#x017F;timmten<lb/>
Bäumen tagtäglich mehrere Male.</p><lb/>
          <p>Unter den mir bekannten Verwandten i&#x017F;t der Kukuk der flüchtig&#x017F;te, unruhig&#x017F;te und lebhafte&#x017F;te.<lb/>
Er i&#x017F;t in Bewegung vom Morgen bis zum Abend, in Skandinavien &#x017F;ogar während des größten Theils<lb/>
der Nacht. Es machte einen eigenthümlichen Eindruck auf mich, bei meinen nächtlichen Jagden<lb/>
den Kukuksruf noch nach elf Uhr Abends und &#x017F;chon vor ein Uhr Morgens zu vernehmen. Während<lb/>
&#x017F;einer Streifereien frißt er be&#x017F;tändig; denn er i&#x017F;t eben&#x017F;o gefräßig, als bewegungs- und &#x017F;chreilu&#x017F;tig.<lb/>
Mit leichtem, zierlichen, &#x017F;chnellen Fluge, welcher dem eines Falken ähnelt, kommt er angeflogen, läßt<lb/>
&#x017F;ich auf einem dicken A&#x017F;te nieder und &#x017F;ieht &#x017F;ich nach Nahrung um. Hat er eine Beute er&#x017F;päht, &#x017F;o eilt<lb/>
er mit ein paar ge&#x017F;chickten Schwenkungen zu ihr hin, nimmt &#x017F;ie auf und kehrt auf den&#x017F;elben A&#x017F;t zurück<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">13 *</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[195/0217] Kukuk. gemeinſten Vögeln des Landes: wenigſtens erinnere ich mich nicht, irgendwo ſo viele Kukuke geſehen zu haben, als in Norwegen und in Lappland. Auffallend genug iſt, daß einzelne Kukuke auch auf Jnſeln gefunden werden, welche ſehr arm an Bäumen ſind, ſo z. B. auf Sylt. Jedes Kukukspärchen, richtiger vielleicht, jedes Kukuksmännchen wählt oder erkämpft ſich ein Gebiet von ziemlichem Umfange und vertheidigt daſſelbe hartnäckig gegen einen etwaigen Nebenbuhler. Wird ein Kukuk verdrängt, ſo ſiedelt er ſich dicht neben dem Eroberer an und ſicht mit dieſem dann faſt tagtäglich einen Strauß aus. Daß ein und derſelbe Vogel zu demſelben Orte zurückkehrt, hat Naumann durch Beobachtungen feſtgeſtellt. Er kannte nämlich einen Kukuk, welcher ſich durch ſeine auffallende Stimme vor den übrigen kennzeichnete, und erfuhr, daß derſelbe während zweiund- dreißig Jahren in jedem Frühlinge in demſelben Gebiete erſchien. Seinen Standort durchſchweift der [Abbildung Der Kukuk oder Gauch (Cuculus canorus). ½ der nat. Größe.] Kukuk ohne Unterlaß, und deshalb erſcheint er mit einer gewiſſen Regelmäßigkeit auf beſtimmten Bäumen tagtäglich mehrere Male. Unter den mir bekannten Verwandten iſt der Kukuk der flüchtigſte, unruhigſte und lebhafteſte. Er iſt in Bewegung vom Morgen bis zum Abend, in Skandinavien ſogar während des größten Theils der Nacht. Es machte einen eigenthümlichen Eindruck auf mich, bei meinen nächtlichen Jagden den Kukuksruf noch nach elf Uhr Abends und ſchon vor ein Uhr Morgens zu vernehmen. Während ſeiner Streifereien frißt er beſtändig; denn er iſt ebenſo gefräßig, als bewegungs- und ſchreiluſtig. Mit leichtem, zierlichen, ſchnellen Fluge, welcher dem eines Falken ähnelt, kommt er angeflogen, läßt ſich auf einem dicken Aſte nieder und ſieht ſich nach Nahrung um. Hat er eine Beute erſpäht, ſo eilt er mit ein paar geſchickten Schwenkungen zu ihr hin, nimmt ſie auf und kehrt auf denſelben Aſt zurück 13 *

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/217
Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/217>, abgerufen am 24.11.2024.