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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Graufischer.
lett nahm am 28. April vier und bezüglich sechs Eier aus zwei Nestern; Tristram fand, als er am
22. Mai dieselbe Siedelung besuchte, eine große Menge ausgeflogener Jungen, viele noch nicht aus-
gewachsene in den Höhlen, aber auch noch fünf Nester mit frischen Eiern, darunter eins in einer Höhle,
aus welcher Bartlett schon ein Gelege entnommen hatte. Die Form der Eier ist verschieden: die
meisten sind eirund, viele aber sehr länglich. Ueber die Farbe sagt Tristram Nichts, und ich muß
deshalb wohl annehmen, daß sie ein reines Weiß ist, obgleich ich mich erinnere, daß das eine, welches
mir als Graufischerei bezeichnet wurde, auf lichtem Grunde dunkler gewölkt war.

Aus einer Höhle, welche Tristram untersuchte, kam eine Ratte mit sechs Jungen hervorgestürzt.

Die Alten saßen während des ihnen unerwünschten Besuches auf den Oleanderbüschen am Ufer
oder flogen ängstlich auf und nieder und schrien kläglich.

Welche Feinde der Graufischer außer dem reisenden und wo möglich jedes Thier vernichtenden
Engländer hat, vermag ich nicht zu sagen. Jch habe nie gesehen, daß ein Raubvogel einen Angriff
auf ihn gemacht hätte und kenne kein anderes Raubthier, welches ihm gefährlich werden könnte.



An die Eisvögel schließen sich die Lieste (Halcyones) an und zwar so innig, daß die meisten
Naturforscher in ihnen nur eine Unterfamilie oder Horde von jenen sehen. Die Lieste zeigen jedoch
bei forgfältiger Prüfung so viel Eigenthümliches, daß man ihnen eine selbständige Stellung wohl
zugestehen darf. Von den Eisvögeln unterscheiden sie sich auf den ersten Blick durch die mehr ent-
wickelten, bei einzelnen sogar sehr ausgebildeten Flugwerkzeuge. Auch ist der Schnabel, welcher dem
der Eisvögel im ganzen sehr ähnelt, regelmäßig viel breiter als bei jenem, und die Füße pflegen stärker
und hochläufiger zu sein. Das Gefieder ist lockerer und besitzt nicht die fette Glätte, wie das der
Eisvögel, prangt übrigens ebenfalls in lebhaften Farben: einzelne Arten gehören zu den prächtigsten
aller Vögel. Wenn man will, darf man die Lieste als Verbindungsglieder betrachten zwischen den
Eis- und Bartvögeln: sie haben von den einen fast ebensoviel wie von den andern.

Afrika, Südasien und Australien nebst den zwischen diesen beiden Erdtheilen gelegenen Eilanden
sind die Heimat der zahl- und gestaltenreichen Gruppe. Jn Amerika und Europa fehlen sie gänzlich.
Sie sind mehr oder weniger Waldvögel, und nur die wenigsten bekunden eine Vorliebe für das Wasser.
Einzelne sollen zwar mehr oder weniger nach Art der Eisvögel fischen; die Mehrzahl aber kommt hin-
sichtlich der Lebensweise eher mit den Bartvögeln überein. Viele Arten haben sich vom Wasser
gänzlich unabhängig gemacht und beleben die trockensten Gegenden, vorausgesetzt, daß sie nicht baum-
los sind; denn Bäume scheinen zu ihrem Wohlbefinden unumgänglich nothwendig zu sein.

Entsprechend den wohl entwickelten Flugwerkzeugen sind die Lieste viel bewegungsfähigere
Geschöpfe, als die Eisvögel; sie übertreffen selbst die flugbegabtesten unter diesen durch die Leichtigkeit,
Zierlichkeit und Gewandtheit ihres Fluges, welcher an den der Bienenfresser erinnert. Von einem
erhabenen Sitzpunkte aus überschauen sie die Umgebung mit aufmerksamen Blicken, fliegen, sobald sie
eine Beute erspähen, auf diese zu oder ihr nach und kehren wieder zu dem alten Sitzorte zurück. Auf
dem Boden sind sie fremd; sie können ebenso wenig gehen, wie ihre Verwandten. Jn der Fertigkeit,
das Wasser auszubeuten, stehen sie diesen weit nach: mir ist es sogar wahrscheinlich, daß blos einzelne
und auch diese nur ausnahmsweise Fische oder andere Wasserthiere aus dem Wasser selbst heraus holen.
Die Stimme ist laut und eigenthümlich, das Wie läßt sich schwer mit Worten ausdrücken. Ueber die
geistigen Fähigkeiten wage ich ein allgemeines Urtheil nicht zu fällen. Diejenigen Arten, welche ich
im Leben beobachten konnte, schienen mir in dieser Hinsicht wenig begabt zu sein: sie zeigten eine Ver-
trauensseligkeit und eine Schwerfälligkeit, welche nicht auf große Verstandeskräfte schließen ließen; ich
muß Dem jedoch hinzufügen, daß ich auch Ausnahmen kennen gelernt habe.

Die Nahrung der Gesammtheit besteht aus Kerbthieren aller Art, vorzugsweise aus Heuschrecken
und großen Käfern; die stärkeren Arten der Familie vergreifen sich aber auch an Krabben und kleinen

Graufiſcher.
lett nahm am 28. April vier und bezüglich ſechs Eier aus zwei Neſtern; Triſtram fand, als er am
22. Mai dieſelbe Siedelung beſuchte, eine große Menge ausgeflogener Jungen, viele noch nicht aus-
gewachſene in den Höhlen, aber auch noch fünf Neſter mit friſchen Eiern, darunter eins in einer Höhle,
aus welcher Bartlett ſchon ein Gelege entnommen hatte. Die Form der Eier iſt verſchieden: die
meiſten ſind eirund, viele aber ſehr länglich. Ueber die Farbe ſagt Triſtram Nichts, und ich muß
deshalb wohl annehmen, daß ſie ein reines Weiß iſt, obgleich ich mich erinnere, daß das eine, welches
mir als Graufiſcherei bezeichnet wurde, auf lichtem Grunde dunkler gewölkt war.

Aus einer Höhle, welche Triſtram unterſuchte, kam eine Ratte mit ſechs Jungen hervorgeſtürzt.

Die Alten ſaßen während des ihnen unerwünſchten Beſuches auf den Oleanderbüſchen am Ufer
oder flogen ängſtlich auf und nieder und ſchrien kläglich.

Welche Feinde der Graufiſcher außer dem reiſenden und wo möglich jedes Thier vernichtenden
Engländer hat, vermag ich nicht zu ſagen. Jch habe nie geſehen, daß ein Raubvogel einen Angriff
auf ihn gemacht hätte und kenne kein anderes Raubthier, welches ihm gefährlich werden könnte.



An die Eisvögel ſchließen ſich die Lieſte (Halcyones) an und zwar ſo innig, daß die meiſten
Naturforſcher in ihnen nur eine Unterfamilie oder Horde von jenen ſehen. Die Lieſte zeigen jedoch
bei forgfältiger Prüfung ſo viel Eigenthümliches, daß man ihnen eine ſelbſtändige Stellung wohl
zugeſtehen darf. Von den Eisvögeln unterſcheiden ſie ſich auf den erſten Blick durch die mehr ent-
wickelten, bei einzelnen ſogar ſehr ausgebildeten Flugwerkzeuge. Auch iſt der Schnabel, welcher dem
der Eisvögel im ganzen ſehr ähnelt, regelmäßig viel breiter als bei jenem, und die Füße pflegen ſtärker
und hochläufiger zu ſein. Das Gefieder iſt lockerer und beſitzt nicht die fette Glätte, wie das der
Eisvögel, prangt übrigens ebenfalls in lebhaften Farben: einzelne Arten gehören zu den prächtigſten
aller Vögel. Wenn man will, darf man die Lieſte als Verbindungsglieder betrachten zwiſchen den
Eis- und Bartvögeln: ſie haben von den einen faſt ebenſoviel wie von den andern.

Afrika, Südaſien und Auſtralien nebſt den zwiſchen dieſen beiden Erdtheilen gelegenen Eilanden
ſind die Heimat der zahl- und geſtaltenreichen Gruppe. Jn Amerika und Europa fehlen ſie gänzlich.
Sie ſind mehr oder weniger Waldvögel, und nur die wenigſten bekunden eine Vorliebe für das Waſſer.
Einzelne ſollen zwar mehr oder weniger nach Art der Eisvögel fiſchen; die Mehrzahl aber kommt hin-
ſichtlich der Lebensweiſe eher mit den Bartvögeln überein. Viele Arten haben ſich vom Waſſer
gänzlich unabhängig gemacht und beleben die trockenſten Gegenden, vorausgeſetzt, daß ſie nicht baum-
los ſind; denn Bäume ſcheinen zu ihrem Wohlbefinden unumgänglich nothwendig zu ſein.

Entſprechend den wohl entwickelten Flugwerkzeugen ſind die Lieſte viel bewegungsfähigere
Geſchöpfe, als die Eisvögel; ſie übertreffen ſelbſt die flugbegabteſten unter dieſen durch die Leichtigkeit,
Zierlichkeit und Gewandtheit ihres Fluges, welcher an den der Bienenfreſſer erinnert. Von einem
erhabenen Sitzpunkte aus überſchauen ſie die Umgebung mit aufmerkſamen Blicken, fliegen, ſobald ſie
eine Beute erſpähen, auf dieſe zu oder ihr nach und kehren wieder zu dem alten Sitzorte zurück. Auf
dem Boden ſind ſie fremd; ſie können ebenſo wenig gehen, wie ihre Verwandten. Jn der Fertigkeit,
das Waſſer auszubeuten, ſtehen ſie dieſen weit nach: mir iſt es ſogar wahrſcheinlich, daß blos einzelne
und auch dieſe nur ausnahmsweiſe Fiſche oder andere Waſſerthiere aus dem Waſſer ſelbſt heraus holen.
Die Stimme iſt laut und eigenthümlich, das Wie läßt ſich ſchwer mit Worten ausdrücken. Ueber die
geiſtigen Fähigkeiten wage ich ein allgemeines Urtheil nicht zu fällen. Diejenigen Arten, welche ich
im Leben beobachten konnte, ſchienen mir in dieſer Hinſicht wenig begabt zu ſein: ſie zeigten eine Ver-
trauensſeligkeit und eine Schwerfälligkeit, welche nicht auf große Verſtandeskräfte ſchließen ließen; ich
muß Dem jedoch hinzufügen, daß ich auch Ausnahmen kennen gelernt habe.

Die Nahrung der Geſammtheit beſteht aus Kerbthieren aller Art, vorzugsweiſe aus Heuſchrecken
und großen Käfern; die ſtärkeren Arten der Familie vergreifen ſich aber auch an Krabben und kleinen

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[169/0187] Graufiſcher. lett nahm am 28. April vier und bezüglich ſechs Eier aus zwei Neſtern; Triſtram fand, als er am 22. Mai dieſelbe Siedelung beſuchte, eine große Menge ausgeflogener Jungen, viele noch nicht aus- gewachſene in den Höhlen, aber auch noch fünf Neſter mit friſchen Eiern, darunter eins in einer Höhle, aus welcher Bartlett ſchon ein Gelege entnommen hatte. Die Form der Eier iſt verſchieden: die meiſten ſind eirund, viele aber ſehr länglich. Ueber die Farbe ſagt Triſtram Nichts, und ich muß deshalb wohl annehmen, daß ſie ein reines Weiß iſt, obgleich ich mich erinnere, daß das eine, welches mir als Graufiſcherei bezeichnet wurde, auf lichtem Grunde dunkler gewölkt war. Aus einer Höhle, welche Triſtram unterſuchte, kam eine Ratte mit ſechs Jungen hervorgeſtürzt. Die Alten ſaßen während des ihnen unerwünſchten Beſuches auf den Oleanderbüſchen am Ufer oder flogen ängſtlich auf und nieder und ſchrien kläglich. Welche Feinde der Graufiſcher außer dem reiſenden und wo möglich jedes Thier vernichtenden Engländer hat, vermag ich nicht zu ſagen. Jch habe nie geſehen, daß ein Raubvogel einen Angriff auf ihn gemacht hätte und kenne kein anderes Raubthier, welches ihm gefährlich werden könnte. An die Eisvögel ſchließen ſich die Lieſte (Halcyones) an und zwar ſo innig, daß die meiſten Naturforſcher in ihnen nur eine Unterfamilie oder Horde von jenen ſehen. Die Lieſte zeigen jedoch bei forgfältiger Prüfung ſo viel Eigenthümliches, daß man ihnen eine ſelbſtändige Stellung wohl zugeſtehen darf. Von den Eisvögeln unterſcheiden ſie ſich auf den erſten Blick durch die mehr ent- wickelten, bei einzelnen ſogar ſehr ausgebildeten Flugwerkzeuge. Auch iſt der Schnabel, welcher dem der Eisvögel im ganzen ſehr ähnelt, regelmäßig viel breiter als bei jenem, und die Füße pflegen ſtärker und hochläufiger zu ſein. Das Gefieder iſt lockerer und beſitzt nicht die fette Glätte, wie das der Eisvögel, prangt übrigens ebenfalls in lebhaften Farben: einzelne Arten gehören zu den prächtigſten aller Vögel. Wenn man will, darf man die Lieſte als Verbindungsglieder betrachten zwiſchen den Eis- und Bartvögeln: ſie haben von den einen faſt ebenſoviel wie von den andern. Afrika, Südaſien und Auſtralien nebſt den zwiſchen dieſen beiden Erdtheilen gelegenen Eilanden ſind die Heimat der zahl- und geſtaltenreichen Gruppe. Jn Amerika und Europa fehlen ſie gänzlich. Sie ſind mehr oder weniger Waldvögel, und nur die wenigſten bekunden eine Vorliebe für das Waſſer. Einzelne ſollen zwar mehr oder weniger nach Art der Eisvögel fiſchen; die Mehrzahl aber kommt hin- ſichtlich der Lebensweiſe eher mit den Bartvögeln überein. Viele Arten haben ſich vom Waſſer gänzlich unabhängig gemacht und beleben die trockenſten Gegenden, vorausgeſetzt, daß ſie nicht baum- los ſind; denn Bäume ſcheinen zu ihrem Wohlbefinden unumgänglich nothwendig zu ſein. Entſprechend den wohl entwickelten Flugwerkzeugen ſind die Lieſte viel bewegungsfähigere Geſchöpfe, als die Eisvögel; ſie übertreffen ſelbſt die flugbegabteſten unter dieſen durch die Leichtigkeit, Zierlichkeit und Gewandtheit ihres Fluges, welcher an den der Bienenfreſſer erinnert. Von einem erhabenen Sitzpunkte aus überſchauen ſie die Umgebung mit aufmerkſamen Blicken, fliegen, ſobald ſie eine Beute erſpähen, auf dieſe zu oder ihr nach und kehren wieder zu dem alten Sitzorte zurück. Auf dem Boden ſind ſie fremd; ſie können ebenſo wenig gehen, wie ihre Verwandten. Jn der Fertigkeit, das Waſſer auszubeuten, ſtehen ſie dieſen weit nach: mir iſt es ſogar wahrſcheinlich, daß blos einzelne und auch dieſe nur ausnahmsweiſe Fiſche oder andere Waſſerthiere aus dem Waſſer ſelbſt heraus holen. Die Stimme iſt laut und eigenthümlich, das Wie läßt ſich ſchwer mit Worten ausdrücken. Ueber die geiſtigen Fähigkeiten wage ich ein allgemeines Urtheil nicht zu fällen. Diejenigen Arten, welche ich im Leben beobachten konnte, ſchienen mir in dieſer Hinſicht wenig begabt zu ſein: ſie zeigten eine Ver- trauensſeligkeit und eine Schwerfälligkeit, welche nicht auf große Verſtandeskräfte ſchließen ließen; ich muß Dem jedoch hinzufügen, daß ich auch Ausnahmen kennen gelernt habe. Die Nahrung der Geſammtheit beſteht aus Kerbthieren aller Art, vorzugsweiſe aus Heuſchrecken und großen Käfern; die ſtärkeren Arten der Familie vergreifen ſich aber auch an Krabben und kleinen

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/187>, abgerufen am 24.11.2024.