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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Die Späher. Leichtschnäbler. Eisvögel. Lieste.
Flug ist von dem des Eisvogels gänzlich verschieden. Die Flügel werden zwar auch noch rasch, aber
doch nicht "schnurrend" bewegt, und man kann die einzelnen Schläge noch sehr wohl unterscheiden.
Demgemäß ist der Flug zwar nicht so reißend, wie beim Königsfischer, aber viel gewandter, d. h.
größerer Abwechslung fähig. Der Eisvogel schießt dahin wie ein abgeschossener Bolzen, der
Graufischer fliegt fast wie ein Falk, schwenkt und wendet sich nach Belieben, hält sich rüttelnd
minutenlang fest, zieht eine Strecke weiter, wenn er während seines Stillstehens keine Beute bemerkte,
und beginnt dort von neuem zu rütteln. Beim Angriff auf die Beute legt er die Flügel knapp an
den Leib und stürzt nun in etwas schiefer Richtung pfeilschnell ins Wasser, verschwindet unter den
Wellen und arbeitet sich nach einiger Zeit mit kräftigen Flügelschlägen wieder empor. Pearson
sagt von dem indischen, daß er so lange unter dem Wasser bliebe, bis die unter seinem Sturz erregten
Wasserringe sich geglättet hätten; Jerdon bezweifelt diese Angabe, und ich muß Jerdon vollständig
Recht geben: denn ich glaube nicht, daß der Stoßfischer jemals länger als funfzehn bis zwanzig
Sekunden unter dem Wasser verweilt. Gar nicht selten schießt dieser übrigens auch während seines
Fluges, also unter einem sehr geringen Winkel ins Wasser und erhebt sich dann so schnell wieder, daß
es aussieht, als ob er von dem Spiegel abgeprallt wäre. Jerdon behauptet, daß er niemals
einen gesehen habe, welcher ohne Beute aus dem Wasser gekommen sei; ich meinestheils darf versichern,
daß Dies doch sehr oft geschieht. Es ist wahrscheinlich und auch sehr erklärlich, daß der Graufischer
geschickter ist, als unser Eisvogel; demungeachtet fehlt er oft: denn auch er täuscht sich über die Tiefe,
in welcher ein von ihm gesehener Fisch dahinschwimmt. War er im Fange glücklich, so fliegt er sofort
seinem gewöhnlichen Sitzorte zu und verschlingt hier die gemachte Beute, oft erst, nachdem er sie
wiederholt gegen den Ast geschlagen, wie Dies andere seiner Verwandtschaft zu thun pflegen. Wenn
er nicht zum Jagen ausfliegt, streicht er mit gleichmäßigem Flügelschlag ziemlich niedrig über dem
Wasser weg, möglichst in gerader Linie einem zweiten Sitzorte zu, in dessen Nähe er sich plötzlich auf-
schwingt. Ueber Tags ist er gewöhnlich still, gegen Abend wird er lebendiger, zeigt sogar eine gewisse
Spiellust, und dann vernimmt man auch oft seine Stimme, einen lauten, schrillenden, oft wiederholten
Schrei, den ich mit Buchstaben nicht ausdrücken kann.

Bei hohem Nilstande sieht sich der Stoßfischer genöthigt, seinen geliebten Strom zu verlassen;
denn das Wasser desselben pflegt dann so trübe zu sein, daß er keinen Fisch mehr wahrnehmen kann.
Die vielen Kanäle Egyptens gewähren ihm übrigens unter solchen Umständen genügenden Ersatz.
Jn ihnen ist das Wasser schon einigermaßen geklärt und der Fischzug demgemäß so ergiebig, wie sonst
irgendwo. Hieraus erkläre ich mir auch, daß der Vogel in dem kanalreichen Delta viel häufiger ist als in
Oberegypten oder in Nubien, wo er sich mehr oder weniger auf den Strom beschränken muß. Durch
die neuesten Mittheilungen Tristram's erfahren wir, daß der Graufischer auch an den Seeküsten
gesehen wird und zwar zu Dutzenden "etwa ein hundert Ellen vom Lande über dem Wasser rüttelnd".
Jn den Monaten November und Dezember sah ihn genannter Forscher in "unschätzbarer Anzahl"
längs der Küste Palästinas, bald fischend, bald auf den Felsen sitzend.

Die Brutzeit beginnt in Egypten, wenn der Nil annähernd seinen tiefsten Stand erreicht hat,
also im März oder im April. Adams hat Nester im Dezember gefunden, wahrscheinlich an einer
Oertlichkeit, auf welche der Nilstand wenig Einfluß geübt hat. Jch habe nur einmal ein Ei erhalten,
welches mir als das unseres Vogels bezeichnet wurde, bezweifle jetzt aber, nachdem ich Tristram's Mit-
theilungen gelesen habe, die Echtheit desselben. Letztgenannter Forscher beobachtete, daß der Grau-
fischer in Palästina förmliche Brutansiedelungen bildet. Eine dieser Siedelungen befand sich in einer
steilen Erdwand an der Mündung des Mudawarah-Baches in den See Genezareth. Die Eingänge
zu den Höhlen waren nur etwa vier Zoll über dem Wasserspiegel eingegraben und konnten blos
schwimmend erreicht werden. Jede Röhre führte etwa 31/4 Fuß in die Tiefe und erweiterte sich seitlich
zu einer einfachen Höhlung. Jn keiner einzigen fanden sich Fischgräten zwischen den Eiern, wohl
aber bemerkte man, wenn das Nest Junge enthielt, einen verwesenden Haufen von Fischknochen und
Unrath in ihm. Ein aus Gras und Unkraut bestehender Haufen diente als Nestunterlage. Bart-

Die Späher. Leichtſchnäbler. Eisvögel. Lieſte.
Flug iſt von dem des Eisvogels gänzlich verſchieden. Die Flügel werden zwar auch noch raſch, aber
doch nicht „ſchnurrend“ bewegt, und man kann die einzelnen Schläge noch ſehr wohl unterſcheiden.
Demgemäß iſt der Flug zwar nicht ſo reißend, wie beim Königsfiſcher, aber viel gewandter, d. h.
größerer Abwechslung fähig. Der Eisvogel ſchießt dahin wie ein abgeſchoſſener Bolzen, der
Graufiſcher fliegt faſt wie ein Falk, ſchwenkt und wendet ſich nach Belieben, hält ſich rüttelnd
minutenlang feſt, zieht eine Strecke weiter, wenn er während ſeines Stillſtehens keine Beute bemerkte,
und beginnt dort von neuem zu rütteln. Beim Angriff auf die Beute legt er die Flügel knapp an
den Leib und ſtürzt nun in etwas ſchiefer Richtung pfeilſchnell ins Waſſer, verſchwindet unter den
Wellen und arbeitet ſich nach einiger Zeit mit kräftigen Flügelſchlägen wieder empor. Pearſon
ſagt von dem indiſchen, daß er ſo lange unter dem Waſſer bliebe, bis die unter ſeinem Sturz erregten
Waſſerringe ſich geglättet hätten; Jerdon bezweifelt dieſe Angabe, und ich muß Jerdon vollſtändig
Recht geben: denn ich glaube nicht, daß der Stoßfiſcher jemals länger als funfzehn bis zwanzig
Sekunden unter dem Waſſer verweilt. Gar nicht ſelten ſchießt dieſer übrigens auch während ſeines
Fluges, alſo unter einem ſehr geringen Winkel ins Waſſer und erhebt ſich dann ſo ſchnell wieder, daß
es ausſieht, als ob er von dem Spiegel abgeprallt wäre. Jerdon behauptet, daß er niemals
einen geſehen habe, welcher ohne Beute aus dem Waſſer gekommen ſei; ich meinestheils darf verſichern,
daß Dies doch ſehr oft geſchieht. Es iſt wahrſcheinlich und auch ſehr erklärlich, daß der Graufiſcher
geſchickter iſt, als unſer Eisvogel; demungeachtet fehlt er oft: denn auch er täuſcht ſich über die Tiefe,
in welcher ein von ihm geſehener Fiſch dahinſchwimmt. War er im Fange glücklich, ſo fliegt er ſofort
ſeinem gewöhnlichen Sitzorte zu und verſchlingt hier die gemachte Beute, oft erſt, nachdem er ſie
wiederholt gegen den Aſt geſchlagen, wie Dies andere ſeiner Verwandtſchaft zu thun pflegen. Wenn
er nicht zum Jagen ausfliegt, ſtreicht er mit gleichmäßigem Flügelſchlag ziemlich niedrig über dem
Waſſer weg, möglichſt in gerader Linie einem zweiten Sitzorte zu, in deſſen Nähe er ſich plötzlich auf-
ſchwingt. Ueber Tags iſt er gewöhnlich ſtill, gegen Abend wird er lebendiger, zeigt ſogar eine gewiſſe
Spielluſt, und dann vernimmt man auch oft ſeine Stimme, einen lauten, ſchrillenden, oft wiederholten
Schrei, den ich mit Buchſtaben nicht ausdrücken kann.

Bei hohem Nilſtande ſieht ſich der Stoßfiſcher genöthigt, ſeinen geliebten Strom zu verlaſſen;
denn das Waſſer deſſelben pflegt dann ſo trübe zu ſein, daß er keinen Fiſch mehr wahrnehmen kann.
Die vielen Kanäle Egyptens gewähren ihm übrigens unter ſolchen Umſtänden genügenden Erſatz.
Jn ihnen iſt das Waſſer ſchon einigermaßen geklärt und der Fiſchzug demgemäß ſo ergiebig, wie ſonſt
irgendwo. Hieraus erkläre ich mir auch, daß der Vogel in dem kanalreichen Delta viel häufiger iſt als in
Oberegypten oder in Nubien, wo er ſich mehr oder weniger auf den Strom beſchränken muß. Durch
die neueſten Mittheilungen Triſtram’s erfahren wir, daß der Graufiſcher auch an den Seeküſten
geſehen wird und zwar zu Dutzenden „etwa ein hundert Ellen vom Lande über dem Waſſer rüttelnd“.
Jn den Monaten November und Dezember ſah ihn genannter Forſcher in „unſchätzbarer Anzahl“
längs der Küſte Paläſtinas, bald fiſchend, bald auf den Felſen ſitzend.

Die Brutzeit beginnt in Egypten, wenn der Nil annähernd ſeinen tiefſten Stand erreicht hat,
alſo im März oder im April. Adams hat Neſter im Dezember gefunden, wahrſcheinlich an einer
Oertlichkeit, auf welche der Nilſtand wenig Einfluß geübt hat. Jch habe nur einmal ein Ei erhalten,
welches mir als das unſeres Vogels bezeichnet wurde, bezweifle jetzt aber, nachdem ich Triſtram’s Mit-
theilungen geleſen habe, die Echtheit deſſelben. Letztgenannter Forſcher beobachtete, daß der Grau-
fiſcher in Paläſtina förmliche Brutanſiedelungen bildet. Eine dieſer Siedelungen befand ſich in einer
ſteilen Erdwand an der Mündung des Mudawarah-Baches in den See Genezareth. Die Eingänge
zu den Höhlen waren nur etwa vier Zoll über dem Waſſerſpiegel eingegraben und konnten blos
ſchwimmend erreicht werden. Jede Röhre führte etwa 3¼ Fuß in die Tiefe und erweiterte ſich ſeitlich
zu einer einfachen Höhlung. Jn keiner einzigen fanden ſich Fiſchgräten zwiſchen den Eiern, wohl
aber bemerkte man, wenn das Neſt Junge enthielt, einen verweſenden Haufen von Fiſchknochen und
Unrath in ihm. Ein aus Gras und Unkraut beſtehender Haufen diente als Neſtunterlage. Bart-

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[168/0186] Die Späher. Leichtſchnäbler. Eisvögel. Lieſte. Flug iſt von dem des Eisvogels gänzlich verſchieden. Die Flügel werden zwar auch noch raſch, aber doch nicht „ſchnurrend“ bewegt, und man kann die einzelnen Schläge noch ſehr wohl unterſcheiden. Demgemäß iſt der Flug zwar nicht ſo reißend, wie beim Königsfiſcher, aber viel gewandter, d. h. größerer Abwechslung fähig. Der Eisvogel ſchießt dahin wie ein abgeſchoſſener Bolzen, der Graufiſcher fliegt faſt wie ein Falk, ſchwenkt und wendet ſich nach Belieben, hält ſich rüttelnd minutenlang feſt, zieht eine Strecke weiter, wenn er während ſeines Stillſtehens keine Beute bemerkte, und beginnt dort von neuem zu rütteln. Beim Angriff auf die Beute legt er die Flügel knapp an den Leib und ſtürzt nun in etwas ſchiefer Richtung pfeilſchnell ins Waſſer, verſchwindet unter den Wellen und arbeitet ſich nach einiger Zeit mit kräftigen Flügelſchlägen wieder empor. Pearſon ſagt von dem indiſchen, daß er ſo lange unter dem Waſſer bliebe, bis die unter ſeinem Sturz erregten Waſſerringe ſich geglättet hätten; Jerdon bezweifelt dieſe Angabe, und ich muß Jerdon vollſtändig Recht geben: denn ich glaube nicht, daß der Stoßfiſcher jemals länger als funfzehn bis zwanzig Sekunden unter dem Waſſer verweilt. Gar nicht ſelten ſchießt dieſer übrigens auch während ſeines Fluges, alſo unter einem ſehr geringen Winkel ins Waſſer und erhebt ſich dann ſo ſchnell wieder, daß es ausſieht, als ob er von dem Spiegel abgeprallt wäre. Jerdon behauptet, daß er niemals einen geſehen habe, welcher ohne Beute aus dem Waſſer gekommen ſei; ich meinestheils darf verſichern, daß Dies doch ſehr oft geſchieht. Es iſt wahrſcheinlich und auch ſehr erklärlich, daß der Graufiſcher geſchickter iſt, als unſer Eisvogel; demungeachtet fehlt er oft: denn auch er täuſcht ſich über die Tiefe, in welcher ein von ihm geſehener Fiſch dahinſchwimmt. War er im Fange glücklich, ſo fliegt er ſofort ſeinem gewöhnlichen Sitzorte zu und verſchlingt hier die gemachte Beute, oft erſt, nachdem er ſie wiederholt gegen den Aſt geſchlagen, wie Dies andere ſeiner Verwandtſchaft zu thun pflegen. Wenn er nicht zum Jagen ausfliegt, ſtreicht er mit gleichmäßigem Flügelſchlag ziemlich niedrig über dem Waſſer weg, möglichſt in gerader Linie einem zweiten Sitzorte zu, in deſſen Nähe er ſich plötzlich auf- ſchwingt. Ueber Tags iſt er gewöhnlich ſtill, gegen Abend wird er lebendiger, zeigt ſogar eine gewiſſe Spielluſt, und dann vernimmt man auch oft ſeine Stimme, einen lauten, ſchrillenden, oft wiederholten Schrei, den ich mit Buchſtaben nicht ausdrücken kann. Bei hohem Nilſtande ſieht ſich der Stoßfiſcher genöthigt, ſeinen geliebten Strom zu verlaſſen; denn das Waſſer deſſelben pflegt dann ſo trübe zu ſein, daß er keinen Fiſch mehr wahrnehmen kann. Die vielen Kanäle Egyptens gewähren ihm übrigens unter ſolchen Umſtänden genügenden Erſatz. Jn ihnen iſt das Waſſer ſchon einigermaßen geklärt und der Fiſchzug demgemäß ſo ergiebig, wie ſonſt irgendwo. Hieraus erkläre ich mir auch, daß der Vogel in dem kanalreichen Delta viel häufiger iſt als in Oberegypten oder in Nubien, wo er ſich mehr oder weniger auf den Strom beſchränken muß. Durch die neueſten Mittheilungen Triſtram’s erfahren wir, daß der Graufiſcher auch an den Seeküſten geſehen wird und zwar zu Dutzenden „etwa ein hundert Ellen vom Lande über dem Waſſer rüttelnd“. Jn den Monaten November und Dezember ſah ihn genannter Forſcher in „unſchätzbarer Anzahl“ längs der Küſte Paläſtinas, bald fiſchend, bald auf den Felſen ſitzend. Die Brutzeit beginnt in Egypten, wenn der Nil annähernd ſeinen tiefſten Stand erreicht hat, alſo im März oder im April. Adams hat Neſter im Dezember gefunden, wahrſcheinlich an einer Oertlichkeit, auf welche der Nilſtand wenig Einfluß geübt hat. Jch habe nur einmal ein Ei erhalten, welches mir als das unſeres Vogels bezeichnet wurde, bezweifle jetzt aber, nachdem ich Triſtram’s Mit- theilungen geleſen habe, die Echtheit deſſelben. Letztgenannter Forſcher beobachtete, daß der Grau- fiſcher in Paläſtina förmliche Brutanſiedelungen bildet. Eine dieſer Siedelungen befand ſich in einer ſteilen Erdwand an der Mündung des Mudawarah-Baches in den See Genezareth. Die Eingänge zu den Höhlen waren nur etwa vier Zoll über dem Waſſerſpiegel eingegraben und konnten blos ſchwimmend erreicht werden. Jede Röhre führte etwa 3¼ Fuß in die Tiefe und erweiterte ſich ſeitlich zu einer einfachen Höhlung. Jn keiner einzigen fanden ſich Fiſchgräten zwiſchen den Eiern, wohl aber bemerkte man, wenn das Neſt Junge enthielt, einen verweſenden Haufen von Fiſchknochen und Unrath in ihm. Ein aus Gras und Unkraut beſtehender Haufen diente als Neſtunterlage. Bart-

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/186>, abgerufen am 24.11.2024.