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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Raya. Todi.
anliegenden Federn; am Schnabelgrunde stehen Borsten. Die Zunge ist an der Wurzel fleischig,
im übrigen einem hornigen Blättchen ähnlich und durchschimmernd, "ganz, wie ein Stück
Federspule".

Der Todi oder grüne Plattschnabel (Todus viridis), eines der wenigen Mitglieder der
einzigen Sippe dieser Familie, ist auf der Oberseite blaugrün, auf der Unterseite graulichweiß, an der
Kehle und am Vorderhalse hochrosenroth, am Bauche blaßgelb; die Schwingen sind graugrünlich, die
mittleren Steuerfedern oben grün, wie die Oberseite, die beiden äußersten grau. Das Auge ist
blaßgrau, der Schnabel oben röthlichhornfarben, unten blaßscharlachroth, der Fuß braunroth oder
fleischfarben. Die Länge beträgt 41/4, die Breite 61/2, die Fittiglänge 1 4/5 , die Schwanzlänge
11/2 Zoll. Beide Geschlechter sind vollkommen gleich gefärbt.

Ueber die Lebensweise dieser überaus zierlichen und merkwürdigen Vögel war bis in die neuere
Zeit wenig bekannt, und erst durch Gosse und Gundlach sind wir hierüber unterrichtet worden.
"Jn allen Theilen von Jamaika, welche ich bereist habe", sagt Gosse, "ist der Plattschnabel ein
sehr gemeiner Vogel. Auf dem Gipfel der Bluefieldberge, in einer Höhe von ungefähr 3000 Fuß
über dem Meere und vorzugsweise da, wo ein fast undurchdringliches Dickicht den Boden deckt,
findet er sich überall. Sein glänzendes, grasgrünes Gewand und die rothsammtene Kehle lenken
sehr bald die Aufmerksamkeit ihm zu, und er gestattet Jedermann, sich ihm zu nähern; denn er ist
ein außerordentlich kirrer Vogel, wie es scheint, mehr aus Gleichgiltigkeit, als in Folge großer Ver-
trauensseligkeit. Wenn er aufgescheucht wird, fliegt er höchstens nach dem nächsten Zweige. Sehr
häufig haben wir ihn mit unserm Kerbthiernetz gefangen oder mit einer Gerte zu Boden geschlagen;
ja gar nicht selten ergreifen ihn die Buben mit der Hand. Wegen dieser Zutraulichkeit ist er allge-
mein beliebt und hat eine Menge Schmeichelnamen erhalten."

"Niemals habe ich den Plattschnabel auf dem Boden gesehen. Er hüpft zwischen den Zweigen
und Blättern, sucht hier nach kleinen Kerbthieren und stößt gelegentlich seinen klagenden oder
zischenden Lockruf aus. Häufiger noch sieht man ihn ruhig auf einem Zweige sitzen, den Kopf ein-
gezogen, den Schnabel nach oben gerichtet und das Gefieder gesträubt, sodaß er viel größer erscheint,
als er wirklich ist. Dann sieht er herzlich dumm aus; aber es scheint mehr so, als es wirklich ist:
denn wenn man ihn genauer beobachtet, bemerkt man bald, daß die hellglänzenden Augen bald hier,
bald dorthin sich richten, und daß sich der Vogel dann und wann zu einem kurzen Fluge erhebt,
Etwas aus der Luft wegschnappt und wieder auf seinen Zweig zurückkehrt, um das Gefangene dort
zu verschlingen. Er hat nicht die Kraft, Kerbthieren zu folgen; aber er wartet, bis dieselben inner-
halb eines bestimmten Umkreises sich zeigen, und fängt sie dann mit Sicherheit weg. Niemals habe
ich gesehen, daß ein Plattschnabel Pflanzennahrung zu sich genommen hätte, obwohl ich zuweilen
kleine Sämereien unter Käfern und Hautflüglern in seinem Magen gefunden habe. Einer, welchen
ich im Käfig hielt, schnappte mit unkluger Gier Würmer weg, schlug dieselben heftig gegen seine
Sitzstangen, um sie zu zertheilen, und verschlang sie dann; ein anderer, welchen ich im Netz
gefangen und in dem Raum freigelassen hatte, begann sofort auf Fliegen und andere kleine Kerb-
thiere Jagd zu machen und betrieb diese, mit ebensoviel Ausdauer als Erfolg, vom frühen Morgen
an, bis zum Dunkelwerden. Von der Ecke des Tisches, von den quer gespannten Leinen oder den
Gesimsen aus flog er dann und wann in die Luft und kehrte, nachdem das Schnappen seines
Schnabels einen Fang angezeigt hatte, wieder auf denselben Standort zurück. Er guckte in alle
Ecken und Winkel, selbst unter die Tische, in der Absicht, hier die kleinen Spinnen aus ihren Netzen
herauszufangen. Dieselbe Beute suchte er auch von der Decke und von den Wänden ab und fand
immer Etwas. Meiner Schätzung nach machte er in jeder Minute einen Fang; man kann sich also
einen Begriff machen von der außerordentlichen Zahl an Kerbthieren, welche er vertilgt. Jn dem
Raume, welchen er bewohnte, stand Wasser in einem Becken; aber ich habe ihn, obschon er sich
zuweilen auf den Rand seines Gefäßes setzte, nie trinken sehen: dies that er selbst dann nicht,
wenn er seinen Schnabel in das Wasser steckte. So eifrig er sich seinen eigenen Geschäften hingab,

Raya. Todi.
anliegenden Federn; am Schnabelgrunde ſtehen Borſten. Die Zunge iſt an der Wurzel fleiſchig,
im übrigen einem hornigen Blättchen ähnlich und durchſchimmernd, „ganz, wie ein Stück
Federſpule“.

Der Todi oder grüne Plattſchnabel (Todus viridis), eines der wenigen Mitglieder der
einzigen Sippe dieſer Familie, iſt auf der Oberſeite blaugrün, auf der Unterſeite graulichweiß, an der
Kehle und am Vorderhalſe hochroſenroth, am Bauche blaßgelb; die Schwingen ſind graugrünlich, die
mittleren Steuerfedern oben grün, wie die Oberſeite, die beiden äußerſten grau. Das Auge iſt
blaßgrau, der Schnabel oben röthlichhornfarben, unten blaßſcharlachroth, der Fuß braunroth oder
fleiſchfarben. Die Länge beträgt 4¼, die Breite 6½, die Fittiglänge 1⅘, die Schwanzlänge
1½ Zoll. Beide Geſchlechter ſind vollkommen gleich gefärbt.

Ueber die Lebensweiſe dieſer überaus zierlichen und merkwürdigen Vögel war bis in die neuere
Zeit wenig bekannt, und erſt durch Goſſe und Gundlach ſind wir hierüber unterrichtet worden.
„Jn allen Theilen von Jamaika, welche ich bereiſt habe“, ſagt Goſſe, „iſt der Plattſchnabel ein
ſehr gemeiner Vogel. Auf dem Gipfel der Bluefieldberge, in einer Höhe von ungefähr 3000 Fuß
über dem Meere und vorzugsweiſe da, wo ein faſt undurchdringliches Dickicht den Boden deckt,
findet er ſich überall. Sein glänzendes, grasgrünes Gewand und die rothſammtene Kehle lenken
ſehr bald die Aufmerkſamkeit ihm zu, und er geſtattet Jedermann, ſich ihm zu nähern; denn er iſt
ein außerordentlich kirrer Vogel, wie es ſcheint, mehr aus Gleichgiltigkeit, als in Folge großer Ver-
trauensſeligkeit. Wenn er aufgeſcheucht wird, fliegt er höchſtens nach dem nächſten Zweige. Sehr
häufig haben wir ihn mit unſerm Kerbthiernetz gefangen oder mit einer Gerte zu Boden geſchlagen;
ja gar nicht ſelten ergreifen ihn die Buben mit der Hand. Wegen dieſer Zutraulichkeit iſt er allge-
mein beliebt und hat eine Menge Schmeichelnamen erhalten.“

„Niemals habe ich den Plattſchnabel auf dem Boden geſehen. Er hüpft zwiſchen den Zweigen
und Blättern, ſucht hier nach kleinen Kerbthieren und ſtößt gelegentlich ſeinen klagenden oder
ziſchenden Lockruf aus. Häufiger noch ſieht man ihn ruhig auf einem Zweige ſitzen, den Kopf ein-
gezogen, den Schnabel nach oben gerichtet und das Gefieder geſträubt, ſodaß er viel größer erſcheint,
als er wirklich iſt. Dann ſieht er herzlich dumm aus; aber es ſcheint mehr ſo, als es wirklich iſt:
denn wenn man ihn genauer beobachtet, bemerkt man bald, daß die hellglänzenden Augen bald hier,
bald dorthin ſich richten, und daß ſich der Vogel dann und wann zu einem kurzen Fluge erhebt,
Etwas aus der Luft wegſchnappt und wieder auf ſeinen Zweig zurückkehrt, um das Gefangene dort
zu verſchlingen. Er hat nicht die Kraft, Kerbthieren zu folgen; aber er wartet, bis dieſelben inner-
halb eines beſtimmten Umkreiſes ſich zeigen, und fängt ſie dann mit Sicherheit weg. Niemals habe
ich geſehen, daß ein Plattſchnabel Pflanzennahrung zu ſich genommen hätte, obwohl ich zuweilen
kleine Sämereien unter Käfern und Hautflüglern in ſeinem Magen gefunden habe. Einer, welchen
ich im Käfig hielt, ſchnappte mit unkluger Gier Würmer weg, ſchlug dieſelben heftig gegen ſeine
Sitzſtangen, um ſie zu zertheilen, und verſchlang ſie dann; ein anderer, welchen ich im Netz
gefangen und in dem Raum freigelaſſen hatte, begann ſofort auf Fliegen und andere kleine Kerb-
thiere Jagd zu machen und betrieb dieſe, mit ebenſoviel Ausdauer als Erfolg, vom frühen Morgen
an, bis zum Dunkelwerden. Von der Ecke des Tiſches, von den quer geſpannten Leinen oder den
Geſimſen aus flog er dann und wann in die Luft und kehrte, nachdem das Schnappen ſeines
Schnabels einen Fang angezeigt hatte, wieder auf denſelben Standort zurück. Er guckte in alle
Ecken und Winkel, ſelbſt unter die Tiſche, in der Abſicht, hier die kleinen Spinnen aus ihren Netzen
herauszufangen. Dieſelbe Beute ſuchte er auch von der Decke und von den Wänden ab und fand
immer Etwas. Meiner Schätzung nach machte er in jeder Minute einen Fang; man kann ſich alſo
einen Begriff machen von der außerordentlichen Zahl an Kerbthieren, welche er vertilgt. Jn dem
Raume, welchen er bewohnte, ſtand Waſſer in einem Becken; aber ich habe ihn, obſchon er ſich
zuweilen auf den Rand ſeines Gefäßes ſetzte, nie trinken ſehen: dies that er ſelbſt dann nicht,
wenn er ſeinen Schnabel in das Waſſer ſteckte. So eifrig er ſich ſeinen eigenen Geſchäften hingab,

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[157/0173] Raya. Todi. anliegenden Federn; am Schnabelgrunde ſtehen Borſten. Die Zunge iſt an der Wurzel fleiſchig, im übrigen einem hornigen Blättchen ähnlich und durchſchimmernd, „ganz, wie ein Stück Federſpule“. Der Todi oder grüne Plattſchnabel (Todus viridis), eines der wenigen Mitglieder der einzigen Sippe dieſer Familie, iſt auf der Oberſeite blaugrün, auf der Unterſeite graulichweiß, an der Kehle und am Vorderhalſe hochroſenroth, am Bauche blaßgelb; die Schwingen ſind graugrünlich, die mittleren Steuerfedern oben grün, wie die Oberſeite, die beiden äußerſten grau. Das Auge iſt blaßgrau, der Schnabel oben röthlichhornfarben, unten blaßſcharlachroth, der Fuß braunroth oder fleiſchfarben. Die Länge beträgt 4¼, die Breite 6½, die Fittiglänge 1⅘, die Schwanzlänge 1½ Zoll. Beide Geſchlechter ſind vollkommen gleich gefärbt. Ueber die Lebensweiſe dieſer überaus zierlichen und merkwürdigen Vögel war bis in die neuere Zeit wenig bekannt, und erſt durch Goſſe und Gundlach ſind wir hierüber unterrichtet worden. „Jn allen Theilen von Jamaika, welche ich bereiſt habe“, ſagt Goſſe, „iſt der Plattſchnabel ein ſehr gemeiner Vogel. Auf dem Gipfel der Bluefieldberge, in einer Höhe von ungefähr 3000 Fuß über dem Meere und vorzugsweiſe da, wo ein faſt undurchdringliches Dickicht den Boden deckt, findet er ſich überall. Sein glänzendes, grasgrünes Gewand und die rothſammtene Kehle lenken ſehr bald die Aufmerkſamkeit ihm zu, und er geſtattet Jedermann, ſich ihm zu nähern; denn er iſt ein außerordentlich kirrer Vogel, wie es ſcheint, mehr aus Gleichgiltigkeit, als in Folge großer Ver- trauensſeligkeit. Wenn er aufgeſcheucht wird, fliegt er höchſtens nach dem nächſten Zweige. Sehr häufig haben wir ihn mit unſerm Kerbthiernetz gefangen oder mit einer Gerte zu Boden geſchlagen; ja gar nicht ſelten ergreifen ihn die Buben mit der Hand. Wegen dieſer Zutraulichkeit iſt er allge- mein beliebt und hat eine Menge Schmeichelnamen erhalten.“ „Niemals habe ich den Plattſchnabel auf dem Boden geſehen. Er hüpft zwiſchen den Zweigen und Blättern, ſucht hier nach kleinen Kerbthieren und ſtößt gelegentlich ſeinen klagenden oder ziſchenden Lockruf aus. Häufiger noch ſieht man ihn ruhig auf einem Zweige ſitzen, den Kopf ein- gezogen, den Schnabel nach oben gerichtet und das Gefieder geſträubt, ſodaß er viel größer erſcheint, als er wirklich iſt. Dann ſieht er herzlich dumm aus; aber es ſcheint mehr ſo, als es wirklich iſt: denn wenn man ihn genauer beobachtet, bemerkt man bald, daß die hellglänzenden Augen bald hier, bald dorthin ſich richten, und daß ſich der Vogel dann und wann zu einem kurzen Fluge erhebt, Etwas aus der Luft wegſchnappt und wieder auf ſeinen Zweig zurückkehrt, um das Gefangene dort zu verſchlingen. Er hat nicht die Kraft, Kerbthieren zu folgen; aber er wartet, bis dieſelben inner- halb eines beſtimmten Umkreiſes ſich zeigen, und fängt ſie dann mit Sicherheit weg. Niemals habe ich geſehen, daß ein Plattſchnabel Pflanzennahrung zu ſich genommen hätte, obwohl ich zuweilen kleine Sämereien unter Käfern und Hautflüglern in ſeinem Magen gefunden habe. Einer, welchen ich im Käfig hielt, ſchnappte mit unkluger Gier Würmer weg, ſchlug dieſelben heftig gegen ſeine Sitzſtangen, um ſie zu zertheilen, und verſchlang ſie dann; ein anderer, welchen ich im Netz gefangen und in dem Raum freigelaſſen hatte, begann ſofort auf Fliegen und andere kleine Kerb- thiere Jagd zu machen und betrieb dieſe, mit ebenſoviel Ausdauer als Erfolg, vom frühen Morgen an, bis zum Dunkelwerden. Von der Ecke des Tiſches, von den quer geſpannten Leinen oder den Geſimſen aus flog er dann und wann in die Luft und kehrte, nachdem das Schnappen ſeines Schnabels einen Fang angezeigt hatte, wieder auf denſelben Standort zurück. Er guckte in alle Ecken und Winkel, ſelbſt unter die Tiſche, in der Abſicht, hier die kleinen Spinnen aus ihren Netzen herauszufangen. Dieſelbe Beute ſuchte er auch von der Decke und von den Wänden ab und fand immer Etwas. Meiner Schätzung nach machte er in jeder Minute einen Fang; man kann ſich alſo einen Begriff machen von der außerordentlichen Zahl an Kerbthieren, welche er vertilgt. Jn dem Raume, welchen er bewohnte, ſtand Waſſer in einem Becken; aber ich habe ihn, obſchon er ſich zuweilen auf den Rand ſeines Gefäßes ſetzte, nie trinken ſehen: dies that er ſelbſt dann nicht, wenn er ſeinen Schnabel in das Waſſer ſteckte. So eifrig er ſich ſeinen eigenen Geſchäften hingab,

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/173>, abgerufen am 28.11.2024.