Morgen. Der merkwürdige Vogel scheut jede lichte Stelle des Urwaldes und verirrt sich nie bis zum Saume desselben, obschon er nichts weniger als scheu ist. Er läßt jeden Eindringling bis in seine unmittelbare Nähe kommen, bevor er zu einem andern der unteren Baumzweige, seinem Lieb- lingssitze, fliegt. So wie er gebäumt hat, stößt er augenblicklich sein trauriges "Hutu Hutu" aus, hebt währenddem bei den ersten Silben seinen Schwanz empor und schlägt ihn bei der zweiten wieder nach unten, eine Bewegung, welche viel Aehnlichkeit mit der unserer Bachstelzen hat, nur daß diesen das Ernste, Gemessene der Sägeraken abgeht."
"Da sich mir schon während des ersten kurzen Zusammenlebens mit den Urbewohnern Guianas, den "Männern ohne Thräne", unumstößlich herausgestellt, daß ich mich, namentlich was die Lebensweise der Thiere anlangt, mit meinen Fragen an keine besser Unterrichteten wenden könne als an sie, so frug ich unsern freundlichen Häuptling Cabaralli, wie es käme, daß die Schwanz- federn des Motmot nicht wie die anderer Vögel beschaffen seien. ""Mann von jenseits des großen Wassers, morgen sollst Du es sehen"", war die Antwort. Am folgenden Morgen führte er mich in den Wald, und da gerade die Brutzeit der Vögel eingetreten, so hatte der kundige Cabaralli auch bald ein Nest mit einem brütenden Vogel gefunden und forderte mich auf, mich ruhig hinter einem nahe gelegenen Baume zu verhalten."
"Zum Bau des Nestes sucht sich der Motmot eine runde oder eiförmige Vertiefung an der Seite eines Hügels oder einer andern Erhöhung aus. Männchen und Weibchen wechseln regel- mäßig im Brüten ab; aber so gemessen und ernst auch der Vogel in allen seinen Bewegungen ist, so scheint ihm die Zeit auf dem Neste doch ziemlich lang zu werden. Denn kaum hat er drei bis vier Minuten ruhig auf den Eiern gesessen, so dreht er sich auch schon mehreremal im Kreis auf diesen herum, kommt dann wieder zeitweilig zur Ruhe und beginnt sein Herumdrehen von neuem. Durch dieses fortwährende Bewegen und Drehen kommen aber die Fasern der beiden langen Schwanzfedern in Unordnung oder werden an der Kante der Vertiefung abgerieben. Kaum ist der ablösende Gatte herbeigeflogen, so eilt der erlöste, die Glätte seines Gefieders über alles liebende Vogel auf den nächsten Ast, um die verwirrten Fasern wieder in Ordnung zu bringen. Dies aber gelingt ihm freilich meist nur durch gänzliche Vernichtung der Fasern selbst. Hierdurch entsteht jene Lücke, welche zu so vielen Vermuthungen Veranlassung gegeben hat, und welche jedesmal je nach ihrer Länge das mehr oder minder vorgeschrittene Alter des Vogels bekundet. Bei ganz alten Vögeln erstreckt sich diese kahle Stelle des Schaftes selbst bis zur Spitze, während der junge, jährige Vogel, welcher noch nicht gebrütet hat, durchgängig eine unbeschädigte und ununterbrochene Fahne zeigt." Jch muß gestehen, daß mich diese Erklärung nicht überzeugt hat. Andere langschwänzige Vögel brüten auch und putzen sich ihre Schwanzfedern ebenfalls, ohne sie zu beschädigen: -- warum soll Dies nun gerade bei den Sägeraken regelmäßig geschehen?
Ueber die Eier sagt Schomburgk Nichts, und auch bei den übrigen Forschern finde ich hier- über keine Angabe.
Das Gefangenleben der Sägerake hat Azara beobachtet, welcher drei Stück von ihnen besaß und sie frei im Hause umherlaufen ließ. Er sagt, daß sie sich scheu und mißtrauisch, jedoch neugierig zeigen. Die Gefangenen waren plump und steif in allen ihren Bewegungen, nickten aber mit dem Hals recht artig auf und nieder oder bewegten ihn seitlich hin und her. Sie hüpften rasch, gerade und schief mit ausgespreizten Beinen, wie die Pfefferfresser, umher. Von ihrem Sitzplatze kamen sie nur herab, wenn sie fressen wollten. Jhre Eßlust gaben sie durch ein oft wiederholtes "Hu" oder "Tu" zu erkennen. Sie verzehrten Brot und noch lieber rohes Fleisch, welches sie vor dem Ver- schlingen mehreremal auf den Boden stießen, als wenn sie die erfaßte Beute erst tödten müßten. Kleine Vögel waren sehr nach ihrem Geschmack; sie verfolgten solche lange und tödteten sie endlich, indem sie dieselben gegen den Boden schlugen. Ebenso jagten sie den Mäusen nach; größere Vögel aber rührten sie nicht an. Bisweilen fraßen sie auch Wassermelonen und Pomeranzen; aus Wälschkorn
Motmot.
Morgen. Der merkwürdige Vogel ſcheut jede lichte Stelle des Urwaldes und verirrt ſich nie bis zum Saume deſſelben, obſchon er nichts weniger als ſcheu iſt. Er läßt jeden Eindringling bis in ſeine unmittelbare Nähe kommen, bevor er zu einem andern der unteren Baumzweige, ſeinem Lieb- lingsſitze, fliegt. So wie er gebäumt hat, ſtößt er augenblicklich ſein trauriges „Hutu Hutu“ aus, hebt währenddem bei den erſten Silben ſeinen Schwanz empor und ſchlägt ihn bei der zweiten wieder nach unten, eine Bewegung, welche viel Aehnlichkeit mit der unſerer Bachſtelzen hat, nur daß dieſen das Ernſte, Gemeſſene der Sägeraken abgeht.“
„Da ſich mir ſchon während des erſten kurzen Zuſammenlebens mit den Urbewohnern Guianas, den „Männern ohne Thräne“, unumſtößlich herausgeſtellt, daß ich mich, namentlich was die Lebensweiſe der Thiere anlangt, mit meinen Fragen an keine beſſer Unterrichteten wenden könne als an ſie, ſo frug ich unſern freundlichen Häuptling Cabaralli, wie es käme, daß die Schwanz- federn des Motmot nicht wie die anderer Vögel beſchaffen ſeien. „„Mann von jenſeits des großen Waſſers, morgen ſollſt Du es ſehen““, war die Antwort. Am folgenden Morgen führte er mich in den Wald, und da gerade die Brutzeit der Vögel eingetreten, ſo hatte der kundige Cabaralli auch bald ein Neſt mit einem brütenden Vogel gefunden und forderte mich auf, mich ruhig hinter einem nahe gelegenen Baume zu verhalten.“
„Zum Bau des Neſtes ſucht ſich der Motmot eine runde oder eiförmige Vertiefung an der Seite eines Hügels oder einer andern Erhöhung aus. Männchen und Weibchen wechſeln regel- mäßig im Brüten ab; aber ſo gemeſſen und ernſt auch der Vogel in allen ſeinen Bewegungen iſt, ſo ſcheint ihm die Zeit auf dem Neſte doch ziemlich lang zu werden. Denn kaum hat er drei bis vier Minuten ruhig auf den Eiern geſeſſen, ſo dreht er ſich auch ſchon mehreremal im Kreis auf dieſen herum, kommt dann wieder zeitweilig zur Ruhe und beginnt ſein Herumdrehen von neuem. Durch dieſes fortwährende Bewegen und Drehen kommen aber die Faſern der beiden langen Schwanzfedern in Unordnung oder werden an der Kante der Vertiefung abgerieben. Kaum iſt der ablöſende Gatte herbeigeflogen, ſo eilt der erlöſte, die Glätte ſeines Gefieders über alles liebende Vogel auf den nächſten Aſt, um die verwirrten Faſern wieder in Ordnung zu bringen. Dies aber gelingt ihm freilich meiſt nur durch gänzliche Vernichtung der Faſern ſelbſt. Hierdurch entſteht jene Lücke, welche zu ſo vielen Vermuthungen Veranlaſſung gegeben hat, und welche jedesmal je nach ihrer Länge das mehr oder minder vorgeſchrittene Alter des Vogels bekundet. Bei ganz alten Vögeln erſtreckt ſich dieſe kahle Stelle des Schaftes ſelbſt bis zur Spitze, während der junge, jährige Vogel, welcher noch nicht gebrütet hat, durchgängig eine unbeſchädigte und ununterbrochene Fahne zeigt.“ Jch muß geſtehen, daß mich dieſe Erklärung nicht überzeugt hat. Andere langſchwänzige Vögel brüten auch und putzen ſich ihre Schwanzfedern ebenfalls, ohne ſie zu beſchädigen: — warum ſoll Dies nun gerade bei den Sägeraken regelmäßig geſchehen?
Ueber die Eier ſagt Schomburgk Nichts, und auch bei den übrigen Forſchern finde ich hier- über keine Angabe.
Das Gefangenleben der Sägerake hat Azara beobachtet, welcher drei Stück von ihnen beſaß und ſie frei im Hauſe umherlaufen ließ. Er ſagt, daß ſie ſich ſcheu und mißtrauiſch, jedoch neugierig zeigen. Die Gefangenen waren plump und ſteif in allen ihren Bewegungen, nickten aber mit dem Hals recht artig auf und nieder oder bewegten ihn ſeitlich hin und her. Sie hüpften raſch, gerade und ſchief mit ausgeſpreizten Beinen, wie die Pfefferfreſſer, umher. Von ihrem Sitzplatze kamen ſie nur herab, wenn ſie freſſen wollten. Jhre Eßluſt gaben ſie durch ein oft wiederholtes „Hu“ oder „Tu“ zu erkennen. Sie verzehrten Brot und noch lieber rohes Fleiſch, welches ſie vor dem Ver- ſchlingen mehreremal auf den Boden ſtießen, als wenn ſie die erfaßte Beute erſt tödten müßten. Kleine Vögel waren ſehr nach ihrem Geſchmack; ſie verfolgten ſolche lange und tödteten ſie endlich, indem ſie dieſelben gegen den Boden ſchlugen. Ebenſo jagten ſie den Mäuſen nach; größere Vögel aber rührten ſie nicht an. Bisweilen fraßen ſie auch Waſſermelonen und Pomeranzen; aus Wälſchkorn
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[153/0169]
Motmot.
Morgen. Der merkwürdige Vogel ſcheut jede lichte Stelle des Urwaldes und verirrt ſich nie bis
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ſeine unmittelbare Nähe kommen, bevor er zu einem andern der unteren Baumzweige, ſeinem Lieb-
lingsſitze, fliegt. So wie er gebäumt hat, ſtößt er augenblicklich ſein trauriges „Hutu Hutu“ aus,
hebt währenddem bei den erſten Silben ſeinen Schwanz empor und ſchlägt ihn bei der zweiten
wieder nach unten, eine Bewegung, welche viel Aehnlichkeit mit der unſerer Bachſtelzen hat, nur
daß dieſen das Ernſte, Gemeſſene der Sägeraken abgeht.“
„Da ſich mir ſchon während des erſten kurzen Zuſammenlebens mit den Urbewohnern
Guianas, den „Männern ohne Thräne“, unumſtößlich herausgeſtellt, daß ich mich, namentlich was
die Lebensweiſe der Thiere anlangt, mit meinen Fragen an keine beſſer Unterrichteten wenden könne
als an ſie, ſo frug ich unſern freundlichen Häuptling Cabaralli, wie es käme, daß die Schwanz-
federn des Motmot nicht wie die anderer Vögel beſchaffen ſeien. „„Mann von jenſeits des großen
Waſſers, morgen ſollſt Du es ſehen““, war die Antwort. Am folgenden Morgen führte er mich in
den Wald, und da gerade die Brutzeit der Vögel eingetreten, ſo hatte der kundige Cabaralli auch
bald ein Neſt mit einem brütenden Vogel gefunden und forderte mich auf, mich ruhig hinter einem
nahe gelegenen Baume zu verhalten.“
„Zum Bau des Neſtes ſucht ſich der Motmot eine runde oder eiförmige Vertiefung an der
Seite eines Hügels oder einer andern Erhöhung aus. Männchen und Weibchen wechſeln regel-
mäßig im Brüten ab; aber ſo gemeſſen und ernſt auch der Vogel in allen ſeinen Bewegungen iſt, ſo
ſcheint ihm die Zeit auf dem Neſte doch ziemlich lang zu werden. Denn kaum hat er drei bis vier
Minuten ruhig auf den Eiern geſeſſen, ſo dreht er ſich auch ſchon mehreremal im Kreis auf dieſen
herum, kommt dann wieder zeitweilig zur Ruhe und beginnt ſein Herumdrehen von neuem. Durch
dieſes fortwährende Bewegen und Drehen kommen aber die Faſern der beiden langen Schwanzfedern
in Unordnung oder werden an der Kante der Vertiefung abgerieben. Kaum iſt der ablöſende Gatte
herbeigeflogen, ſo eilt der erlöſte, die Glätte ſeines Gefieders über alles liebende Vogel auf den
nächſten Aſt, um die verwirrten Faſern wieder in Ordnung zu bringen. Dies aber gelingt ihm
freilich meiſt nur durch gänzliche Vernichtung der Faſern ſelbſt. Hierdurch entſteht jene Lücke,
welche zu ſo vielen Vermuthungen Veranlaſſung gegeben hat, und welche jedesmal je nach ihrer Länge
das mehr oder minder vorgeſchrittene Alter des Vogels bekundet. Bei ganz alten Vögeln erſtreckt
ſich dieſe kahle Stelle des Schaftes ſelbſt bis zur Spitze, während der junge, jährige Vogel, welcher
noch nicht gebrütet hat, durchgängig eine unbeſchädigte und ununterbrochene Fahne zeigt.“ Jch
muß geſtehen, daß mich dieſe Erklärung nicht überzeugt hat. Andere langſchwänzige Vögel brüten
auch und putzen ſich ihre Schwanzfedern ebenfalls, ohne ſie zu beſchädigen: — warum ſoll Dies nun
gerade bei den Sägeraken regelmäßig geſchehen?
Ueber die Eier ſagt Schomburgk Nichts, und auch bei den übrigen Forſchern finde ich hier-
über keine Angabe.
Das Gefangenleben der Sägerake hat Azara beobachtet, welcher drei Stück von ihnen beſaß und
ſie frei im Hauſe umherlaufen ließ. Er ſagt, daß ſie ſich ſcheu und mißtrauiſch, jedoch neugierig
zeigen. Die Gefangenen waren plump und ſteif in allen ihren Bewegungen, nickten aber mit dem
Hals recht artig auf und nieder oder bewegten ihn ſeitlich hin und her. Sie hüpften raſch, gerade
und ſchief mit ausgeſpreizten Beinen, wie die Pfefferfreſſer, umher. Von ihrem Sitzplatze kamen ſie
nur herab, wenn ſie freſſen wollten. Jhre Eßluſt gaben ſie durch ein oft wiederholtes „Hu“ oder
„Tu“ zu erkennen. Sie verzehrten Brot und noch lieber rohes Fleiſch, welches ſie vor dem Ver-
ſchlingen mehreremal auf den Boden ſtießen, als wenn ſie die erfaßte Beute erſt tödten müßten.
Kleine Vögel waren ſehr nach ihrem Geſchmack; ſie verfolgten ſolche lange und tödteten ſie endlich,
indem ſie dieſelben gegen den Boden ſchlugen. Ebenſo jagten ſie den Mäuſen nach; größere Vögel
aber rührten ſie nicht an. Bisweilen fraßen ſie auch Waſſermelonen und Pomeranzen; aus Wälſchkorn
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/169>, abgerufen am 18.12.2024.
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