und deren Höhlen oder Spalten ihnen passende Nistplätze bieten. Hier pflegen sie zu sitzen und ihr Gebiet sorgfältig zu durchspähen. Ein etwa vorbeifliegendes größeres Kerbthier wird genau in der- selben Weise aufgenommen, wie Dies von den Fliegenfängern und Bienenfressern geschieht, ein am Boden unvorsichtig dahinlaufendes Mäuschen, eine Eidechse oder ein anderer kleiner Lurch aber auch nicht verschmäht und ein Vogelnest unter Umständen ausgeplündert. Zu gewissen Zeiten fressen die Raken auch Früchte, obgleich thierische Nahrung immer die bevorzugte bleiben mag.
Alle Raken sind unruhige, unstete und unliebenswürdige Vögel. "Eine außerordentliche Schen und die wachsamste Vorsicht", sagt Gloger, "unermüdliche, wilde Lebhaftigkeit und stete, srohe Munter- keit sammt einem besondern Hang zum Streiten und Lärmen und bei Alten eine trotzdem nicht zu bezähmende Unbändigkeit in der Gefangenschaft: diese Eigenschaften stechen als Hauptzüge ihres Charakters hervor. Sie sitzen, da sie sich blos aus Besorgniß, nicht aus Neigung überhaupt ver- bergen, fast nie lange still, am häufigsten frei und gern auf Baumwipfeln oder auf dürren Astspitzen." Jm Gezweig der Bäume hüpfen sie ebenso wenig umher, als auf dem Boden: sie gebrauchen zu jeder Ortsveränderung ihre Schwingen. Der Flug ist gewandt, schnell und außerordentlich leicht, auch durch Gauklerkünste der sonderbarsten Art, ein merkwürdiges Ueberschlagen z. B., sehr ausgezeichnet. Die Stimme ist ein unangenehm harscher Laut, welcher dem deutschen Namen, einem Klangbilde des- selben, ziemlich genau entspricht.
Nur so lange die Sorge um die Brut ein Rakenpaar bindet, verweilt es an einem bestimmten Orte; vor und nach der Brutzeit schweift es im Lande umher. Unsere nordische Art zieht regelmäßig, bleibt aber in der Winterherberge nicht in einem bestimmten Gebiet, sondern durchmißt hier, scheinbar unnütz, weite Strecken, wie die in den Gleicherländern lebenden Arten es thun.
Das Nest wird an sehr verschiedenen Orten, immer aber auf dieselbe Weise angelegt. Bei uns zu Lande nistet die Blaurake in hohlen Bäumen, und deshalb hat man geglaubt, daß nicht blos sie, sondern alle übrigen Arten hiervon nicht abwichen, während wir jetzt wissen, daß Mauerlöcher, Felsspalten oder selbst Höhlungen in steilen Erdwänden ebenso oft, vielleicht noch öfter, zur Aufnahme des Nestes dienen müssen. Dieses selbst ist ein sehr liederlicher Bau, welcher aus Halmen, Gewürzel, Haaren und Federn besteht. Das Gelege enthält vier bis fünf glänzend weiße Eier. Sie werden von beiden Eltern wechselsweise bebrütet und auch die Jungen gemeinschaftlich groß gezogen. Beide Eltern zeigen einen großen Eifer, soweit es sich um die Bebrütung und Ernährung handelt, vernach- lässigen im übrigen aber die Brut sehr, bekümmern sich namentlich nicht im geringsten um die Rein- heit des Nestes und gestatten, daß dieses zuletzt zu einem wahrhaften Kothhaufen wird. Die Jungen machen sich bald nach dem Ausfliegen selbständig und gehen nun ihre eigenen Wege, ohne sich viel um ihre Eltern oder andere ihrer Art zu kümmern; denn Geselligkeit ist eine Tugend, von welcher die Raken nun einmal Nichts wissen wollen.
Leider hält es schwer, diese in so schönen Farben prangenden Vögel an die Gefangenschaft zu gewöhnen. Die Alten lassen sich, wie bemerkt, gar nicht gefangen halten, und auch die Jungen ertragen nur bei der besten Pflege längere Zeit den Verlust der Freiheit. Unterhaltend sind diese Gefangenen übrigens nicht. Sie sitzen meist still und ruhig auf ein und derselben Stelle, beschmuzen sich das Gefieder, verstehen überhaupt nicht, sich die Freundschaft ihres Pflegers zu erwerben.
Nicht blos die Schönheit des Gefieders, sondern auch das schmackhafte Fleisch zieht den Raken viel Verfolgung zu. Bei uns zu Lande hält sich jeder Bauer für berechtigt, den auffallenden Vogel herabzuschießen; in Südeuropa jagt man ihm regelrecht nach. Außerdem haben die Alten von den Falken aller Art und die Jungen von kletternden Raubsäugethieren zu leiden. Der vernünftige Mensch thut wohl, sie zu schützen; denn wenn sie auch wirklich einmal ein Vogelnest ausnehmen, so kommt dieser Schaden doch nicht in Betracht gegen den großen Nutzen, welchen sie stiften.
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Nachtſpint.
und deren Höhlen oder Spalten ihnen paſſende Niſtplätze bieten. Hier pflegen ſie zu ſitzen und ihr Gebiet ſorgfältig zu durchſpähen. Ein etwa vorbeifliegendes größeres Kerbthier wird genau in der- ſelben Weiſe aufgenommen, wie Dies von den Fliegenfängern und Bienenfreſſern geſchieht, ein am Boden unvorſichtig dahinlaufendes Mäuschen, eine Eidechſe oder ein anderer kleiner Lurch aber auch nicht verſchmäht und ein Vogelneſt unter Umſtänden ausgeplündert. Zu gewiſſen Zeiten freſſen die Raken auch Früchte, obgleich thieriſche Nahrung immer die bevorzugte bleiben mag.
Alle Raken ſind unruhige, unſtete und unliebenswürdige Vögel. „Eine außerordentliche Schen und die wachſamſte Vorſicht“, ſagt Gloger, „unermüdliche, wilde Lebhaftigkeit und ſtete, ſrohe Munter- keit ſammt einem beſondern Hang zum Streiten und Lärmen und bei Alten eine trotzdem nicht zu bezähmende Unbändigkeit in der Gefangenſchaft: dieſe Eigenſchaften ſtechen als Hauptzüge ihres Charakters hervor. Sie ſitzen, da ſie ſich blos aus Beſorgniß, nicht aus Neigung überhaupt ver- bergen, faſt nie lange ſtill, am häufigſten frei und gern auf Baumwipfeln oder auf dürren Aſtſpitzen.“ Jm Gezweig der Bäume hüpfen ſie ebenſo wenig umher, als auf dem Boden: ſie gebrauchen zu jeder Ortsveränderung ihre Schwingen. Der Flug iſt gewandt, ſchnell und außerordentlich leicht, auch durch Gauklerkünſte der ſonderbarſten Art, ein merkwürdiges Ueberſchlagen z. B., ſehr ausgezeichnet. Die Stimme iſt ein unangenehm harſcher Laut, welcher dem deutſchen Namen, einem Klangbilde des- ſelben, ziemlich genau entſpricht.
Nur ſo lange die Sorge um die Brut ein Rakenpaar bindet, verweilt es an einem beſtimmten Orte; vor und nach der Brutzeit ſchweift es im Lande umher. Unſere nordiſche Art zieht regelmäßig, bleibt aber in der Winterherberge nicht in einem beſtimmten Gebiet, ſondern durchmißt hier, ſcheinbar unnütz, weite Strecken, wie die in den Gleicherländern lebenden Arten es thun.
Das Neſt wird an ſehr verſchiedenen Orten, immer aber auf dieſelbe Weiſe angelegt. Bei uns zu Lande niſtet die Blaurake in hohlen Bäumen, und deshalb hat man geglaubt, daß nicht blos ſie, ſondern alle übrigen Arten hiervon nicht abwichen, während wir jetzt wiſſen, daß Mauerlöcher, Felsſpalten oder ſelbſt Höhlungen in ſteilen Erdwänden ebenſo oft, vielleicht noch öfter, zur Aufnahme des Neſtes dienen müſſen. Dieſes ſelbſt iſt ein ſehr liederlicher Bau, welcher aus Halmen, Gewürzel, Haaren und Federn beſteht. Das Gelege enthält vier bis fünf glänzend weiße Eier. Sie werden von beiden Eltern wechſelsweiſe bebrütet und auch die Jungen gemeinſchaftlich groß gezogen. Beide Eltern zeigen einen großen Eifer, ſoweit es ſich um die Bebrütung und Ernährung handelt, vernach- läſſigen im übrigen aber die Brut ſehr, bekümmern ſich namentlich nicht im geringſten um die Rein- heit des Neſtes und geſtatten, daß dieſes zuletzt zu einem wahrhaften Kothhaufen wird. Die Jungen machen ſich bald nach dem Ausfliegen ſelbſtändig und gehen nun ihre eigenen Wege, ohne ſich viel um ihre Eltern oder andere ihrer Art zu kümmern; denn Geſelligkeit iſt eine Tugend, von welcher die Raken nun einmal Nichts wiſſen wollen.
Leider hält es ſchwer, dieſe in ſo ſchönen Farben prangenden Vögel an die Gefangenſchaft zu gewöhnen. Die Alten laſſen ſich, wie bemerkt, gar nicht gefangen halten, und auch die Jungen ertragen nur bei der beſten Pflege längere Zeit den Verluſt der Freiheit. Unterhaltend ſind dieſe Gefangenen übrigens nicht. Sie ſitzen meiſt ſtill und ruhig auf ein und derſelben Stelle, beſchmuzen ſich das Gefieder, verſtehen überhaupt nicht, ſich die Freundſchaft ihres Pflegers zu erwerben.
Nicht blos die Schönheit des Gefieders, ſondern auch das ſchmackhafte Fleiſch zieht den Raken viel Verfolgung zu. Bei uns zu Lande hält ſich jeder Bauer für berechtigt, den auffallenden Vogel herabzuſchießen; in Südeuropa jagt man ihm regelrecht nach. Außerdem haben die Alten von den Falken aller Art und die Jungen von kletternden Raubſäugethieren zu leiden. Der vernünftige Menſch thut wohl, ſie zu ſchützen; denn wenn ſie auch wirklich einmal ein Vogelneſt ausnehmen, ſo kommt dieſer Schaden doch nicht in Betracht gegen den großen Nutzen, welchen ſie ſtiften.
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Nachtſpint.
und deren Höhlen oder Spalten ihnen paſſende Niſtplätze bieten. Hier pflegen ſie zu ſitzen und ihr
Gebiet ſorgfältig zu durchſpähen. Ein etwa vorbeifliegendes größeres Kerbthier wird genau in der-
ſelben Weiſe aufgenommen, wie Dies von den Fliegenfängern und Bienenfreſſern geſchieht, ein am
Boden unvorſichtig dahinlaufendes Mäuschen, eine Eidechſe oder ein anderer kleiner Lurch aber auch
nicht verſchmäht und ein Vogelneſt unter Umſtänden ausgeplündert. Zu gewiſſen Zeiten freſſen die
Raken auch Früchte, obgleich thieriſche Nahrung immer die bevorzugte bleiben mag.
Alle Raken ſind unruhige, unſtete und unliebenswürdige Vögel. „Eine außerordentliche Schen
und die wachſamſte Vorſicht“, ſagt Gloger, „unermüdliche, wilde Lebhaftigkeit und ſtete, ſrohe Munter-
keit ſammt einem beſondern Hang zum Streiten und Lärmen und bei Alten eine trotzdem nicht zu
bezähmende Unbändigkeit in der Gefangenſchaft: dieſe Eigenſchaften ſtechen als Hauptzüge ihres
Charakters hervor. Sie ſitzen, da ſie ſich blos aus Beſorgniß, nicht aus Neigung überhaupt ver-
bergen, faſt nie lange ſtill, am häufigſten frei und gern auf Baumwipfeln oder auf dürren Aſtſpitzen.“
Jm Gezweig der Bäume hüpfen ſie ebenſo wenig umher, als auf dem Boden: ſie gebrauchen zu jeder
Ortsveränderung ihre Schwingen. Der Flug iſt gewandt, ſchnell und außerordentlich leicht, auch
durch Gauklerkünſte der ſonderbarſten Art, ein merkwürdiges Ueberſchlagen z. B., ſehr ausgezeichnet.
Die Stimme iſt ein unangenehm harſcher Laut, welcher dem deutſchen Namen, einem Klangbilde des-
ſelben, ziemlich genau entſpricht.
Nur ſo lange die Sorge um die Brut ein Rakenpaar bindet, verweilt es an einem beſtimmten
Orte; vor und nach der Brutzeit ſchweift es im Lande umher. Unſere nordiſche Art zieht regelmäßig,
bleibt aber in der Winterherberge nicht in einem beſtimmten Gebiet, ſondern durchmißt hier, ſcheinbar
unnütz, weite Strecken, wie die in den Gleicherländern lebenden Arten es thun.
Das Neſt wird an ſehr verſchiedenen Orten, immer aber auf dieſelbe Weiſe angelegt. Bei uns zu
Lande niſtet die Blaurake in hohlen Bäumen, und deshalb hat man geglaubt, daß nicht blos ſie, ſondern
alle übrigen Arten hiervon nicht abwichen, während wir jetzt wiſſen, daß Mauerlöcher, Felsſpalten
oder ſelbſt Höhlungen in ſteilen Erdwänden ebenſo oft, vielleicht noch öfter, zur Aufnahme des
Neſtes dienen müſſen. Dieſes ſelbſt iſt ein ſehr liederlicher Bau, welcher aus Halmen, Gewürzel,
Haaren und Federn beſteht. Das Gelege enthält vier bis fünf glänzend weiße Eier. Sie werden
von beiden Eltern wechſelsweiſe bebrütet und auch die Jungen gemeinſchaftlich groß gezogen. Beide
Eltern zeigen einen großen Eifer, ſoweit es ſich um die Bebrütung und Ernährung handelt, vernach-
läſſigen im übrigen aber die Brut ſehr, bekümmern ſich namentlich nicht im geringſten um die Rein-
heit des Neſtes und geſtatten, daß dieſes zuletzt zu einem wahrhaften Kothhaufen wird. Die Jungen
machen ſich bald nach dem Ausfliegen ſelbſtändig und gehen nun ihre eigenen Wege, ohne ſich viel um
ihre Eltern oder andere ihrer Art zu kümmern; denn Geſelligkeit iſt eine Tugend, von welcher die
Raken nun einmal Nichts wiſſen wollen.
Leider hält es ſchwer, dieſe in ſo ſchönen Farben prangenden Vögel an die Gefangenſchaft zu
gewöhnen. Die Alten laſſen ſich, wie bemerkt, gar nicht gefangen halten, und auch die Jungen
ertragen nur bei der beſten Pflege längere Zeit den Verluſt der Freiheit. Unterhaltend ſind dieſe
Gefangenen übrigens nicht. Sie ſitzen meiſt ſtill und ruhig auf ein und derſelben Stelle, beſchmuzen
ſich das Gefieder, verſtehen überhaupt nicht, ſich die Freundſchaft ihres Pflegers zu erwerben.
Nicht blos die Schönheit des Gefieders, ſondern auch das ſchmackhafte Fleiſch zieht den Raken
viel Verfolgung zu. Bei uns zu Lande hält ſich jeder Bauer für berechtigt, den auffallenden Vogel
herabzuſchießen; in Südeuropa jagt man ihm regelrecht nach. Außerdem haben die Alten von den
Falken aller Art und die Jungen von kletternden Raubſäugethieren zu leiden. Der vernünftige
Menſch thut wohl, ſie zu ſchützen; denn wenn ſie auch wirklich einmal ein Vogelneſt ausnehmen, ſo
kommt dieſer Schaden doch nicht in Betracht gegen den großen Nutzen, welchen ſie ſtiften.
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/161>, abgerufen am 22.11.2024.
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