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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Scharlachspint. Prachtspint.
oder Angst, dann aber flüchtet er sich mit den Flüchtenden. Alle Höhlenthiere bergen sich im sichern
Bau und lassen das Flammenmeer über sich wegfluten. Auch sie werden nicht von ihm erreicht;
die Vernichtung gilt nur dem kriechenden und fliegenden Gewürm. Die Schlangen vermögen es
nicht, sich dem eilenden Feuer zu entwinden, die Skorpione, Taranteln und Tausendfüßler werden
sicher von ihm eingeholt. Aber nicht blos die Flammen sind es, welche ihnen verderblich werden; denn
gerade das Feuer lockt neue Feinde herbei. Jch habe schon oben erwähnt, daß die Raubvögel scharen-
weise herbeiströmen und laufend oder fliegend vor der Feuerlinie ihrer Jagd obliegen und muß nun
noch hinzufügen, daß neben ihnen auch Segler und insbesondere die Purpurspinte ihr Wesen treiben.
Sie alle wissen es, daß ihnen die Glut des Brandes Beute auftreibt, und sie alle benutzen das günstige
Ereigniß auf das Beste. Man erstaunt über die Kühnheit dieser Thiere und namentlich über den
Muth der kleineren, gerade unserer Bienenfresser. Sie stürzen sich aus hoher Luft herab ohne
Bedenken durch den dichtesten Rauch, streichen hart über den Spitzen der Flammenlinie dahin, erheben
sich wieder, verzehren die erfaßte Beute und verschwinden von neuem in den Rauchwolken. Heuglin
sagt, daß einer oder der andere gar nicht selten sich die Schwingen oder Steuerfedern versenge. Jch
habe Das nie gesehen, kann aber, ihm in gewissem Sinne beistimmend, versichern, daß die Vögel in
äußerster Nähe über den Flammen selbst auf- und niederstreichen, und daß man sich jedesmal wundert,
wenn man sie nach einem ihrer kühnen Schwenkungen wieder heil und unversehrt emporkommen sieht.

Ob auch andere Bienenfresser in derselben Weise Jagd machen, weiß ich nicht, und deshalb gerade
habe ich den Scharlachspint hier mit aufgenommen.



Jn den Waldungen des blauen Flusses habe ich eine andere Art der Familie, den Prachtspint
(Coccolarynx frenatus) beobachtet. Er zeichnet sich mit einigen andern Arten seiner Familie durch
einen sehr dünnen, zierlichen Schnabel, einen mittellangen, gerade abgeschnittenen Schwanz und ein
prachtvolles Gefieder aus und vertritt deshalb nach den neueren Anschauungen eine besondere Sippe,
welche wir, um ihr einen deutschen Namen zu geben, Buntspinte nennen können. Das Gefieder
der Oberseite ist grün, das der Unterseite zimmtbraun; die Stirn ist grün und blau gemischt, die Kehle
scharlachroth; der Hinterbauch, die Unterschwanzdecken und der Bürzel sind enzianblau; ein Zügel-
streifen, welcher durch das Auge verläuft, ist schwarz, unten türkisblau gesäumt; die Armschwingen
zeigen am Ende eine schwarze Binde und sind vorn ebenfalls türkisblau gesäumt. Das Auge ist
hochroth, der Schnabel und die Füße sind schwarz. Die Länge beträgt 8, die Fittiglänge 3 2/3 , die
Schwanzlänge 31/2 Zoll.

Der Prachtspint ist eine der lieblichsten Erscheinungen des innern Afrika. Man begegnet ihm
an allen Orten, welche geeignete Nistplätze enthalten, höchst selten einzeln, gewöhnlich in sehr zahl-
reicher Gesellschaft. Hier lebt er, wie alle kleineren Spinte, mehr nach Art der Fliegenfänger als nach
Art der Schwalben; denn ausnahmsweise nur erhebt er sich über die Kronen der Waldbäume und
streicht hier, schwalbenartig jagend, auf und nieder. Mir schien es, als ob die Gesellschaften die Nähe
ihrer Siedelungen kaum verlassen; denn ich beobachtete sie während verschiedener Monate immer an den-
selben Orten, obgleich sie nicht durch die Brut gebunden waren. Am Weihnachtstage des Jahres
1850 legte ich mein Schiff in der Nähe der zahlreichsten Siedelungen an, welche ich kennen lernte.
Mindestens sechszig Pärchen hatten sich eine glatte, feste Thonwand am Ufer des blauen Flusses zur
Niststelle erwählt und hier ihre Höhlen eingegraben. Die Ansiedelung nahm höchstens einen Raum
von 25 bis 36 Geviertfuß ein; auf dieser Fläche aber befand sich eine Nisthöhle an der anderen, so
dicht neben einander, daß der Abstand höchstens vier bis sechs Zoll betrug. Diese Eingänge hielten
11/2 Zoll im Durchmesser und führten 3 bis 41/2 Fuß in wagrechter Richtung nach innen; dann
erweiterten sie sich zu der Nestkammer, einem Raume von 6 bis 8 Zoll Länge, 4 bis 6 Zoll Breite

Scharlachſpint. Prachtſpint.
oder Angſt, dann aber flüchtet er ſich mit den Flüchtenden. Alle Höhlenthiere bergen ſich im ſichern
Bau und laſſen das Flammenmeer über ſich wegfluten. Auch ſie werden nicht von ihm erreicht;
die Vernichtung gilt nur dem kriechenden und fliegenden Gewürm. Die Schlangen vermögen es
nicht, ſich dem eilenden Feuer zu entwinden, die Skorpione, Taranteln und Tauſendfüßler werden
ſicher von ihm eingeholt. Aber nicht blos die Flammen ſind es, welche ihnen verderblich werden; denn
gerade das Feuer lockt neue Feinde herbei. Jch habe ſchon oben erwähnt, daß die Raubvögel ſcharen-
weiſe herbeiſtrömen und laufend oder fliegend vor der Feuerlinie ihrer Jagd obliegen und muß nun
noch hinzufügen, daß neben ihnen auch Segler und insbeſondere die Purpurſpinte ihr Weſen treiben.
Sie alle wiſſen es, daß ihnen die Glut des Brandes Beute auftreibt, und ſie alle benutzen das günſtige
Ereigniß auf das Beſte. Man erſtaunt über die Kühnheit dieſer Thiere und namentlich über den
Muth der kleineren, gerade unſerer Bienenfreſſer. Sie ſtürzen ſich aus hoher Luft herab ohne
Bedenken durch den dichteſten Rauch, ſtreichen hart über den Spitzen der Flammenlinie dahin, erheben
ſich wieder, verzehren die erfaßte Beute und verſchwinden von neuem in den Rauchwolken. Heuglin
ſagt, daß einer oder der andere gar nicht ſelten ſich die Schwingen oder Steuerfedern verſenge. Jch
habe Das nie geſehen, kann aber, ihm in gewiſſem Sinne beiſtimmend, verſichern, daß die Vögel in
äußerſter Nähe über den Flammen ſelbſt auf- und niederſtreichen, und daß man ſich jedesmal wundert,
wenn man ſie nach einem ihrer kühnen Schwenkungen wieder heil und unverſehrt emporkommen ſieht.

Ob auch andere Bienenfreſſer in derſelben Weiſe Jagd machen, weiß ich nicht, und deshalb gerade
habe ich den Scharlachſpint hier mit aufgenommen.



Jn den Waldungen des blauen Fluſſes habe ich eine andere Art der Familie, den Prachtſpint
(Coccolarynx frenatus) beobachtet. Er zeichnet ſich mit einigen andern Arten ſeiner Familie durch
einen ſehr dünnen, zierlichen Schnabel, einen mittellangen, gerade abgeſchnittenen Schwanz und ein
prachtvolles Gefieder aus und vertritt deshalb nach den neueren Anſchauungen eine beſondere Sippe,
welche wir, um ihr einen deutſchen Namen zu geben, Buntſpinte nennen können. Das Gefieder
der Oberſeite iſt grün, das der Unterſeite zimmtbraun; die Stirn iſt grün und blau gemiſcht, die Kehle
ſcharlachroth; der Hinterbauch, die Unterſchwanzdecken und der Bürzel ſind enzianblau; ein Zügel-
ſtreifen, welcher durch das Auge verläuft, iſt ſchwarz, unten türkisblau geſäumt; die Armſchwingen
zeigen am Ende eine ſchwarze Binde und ſind vorn ebenfalls türkisblau geſäumt. Das Auge iſt
hochroth, der Schnabel und die Füße ſind ſchwarz. Die Länge beträgt 8, die Fittiglänge 3⅔, die
Schwanzlänge 3½ Zoll.

Der Prachtſpint iſt eine der lieblichſten Erſcheinungen des innern Afrika. Man begegnet ihm
an allen Orten, welche geeignete Niſtplätze enthalten, höchſt ſelten einzeln, gewöhnlich in ſehr zahl-
reicher Geſellſchaft. Hier lebt er, wie alle kleineren Spinte, mehr nach Art der Fliegenfänger als nach
Art der Schwalben; denn ausnahmsweiſe nur erhebt er ſich über die Kronen der Waldbäume und
ſtreicht hier, ſchwalbenartig jagend, auf und nieder. Mir ſchien es, als ob die Geſellſchaften die Nähe
ihrer Siedelungen kaum verlaſſen; denn ich beobachtete ſie während verſchiedener Monate immer an den-
ſelben Orten, obgleich ſie nicht durch die Brut gebunden waren. Am Weihnachtstage des Jahres
1850 legte ich mein Schiff in der Nähe der zahlreichſten Siedelungen an, welche ich kennen lernte.
Mindeſtens ſechszig Pärchen hatten ſich eine glatte, feſte Thonwand am Ufer des blauen Fluſſes zur
Niſtſtelle erwählt und hier ihre Höhlen eingegraben. Die Anſiedelung nahm höchſtens einen Raum
von 25 bis 36 Geviertfuß ein; auf dieſer Fläche aber befand ſich eine Niſthöhle an der anderen, ſo
dicht neben einander, daß der Abſtand höchſtens vier bis ſechs Zoll betrug. Dieſe Eingänge hielten
1½ Zoll im Durchmeſſer und führten 3 bis 4½ Fuß in wagrechter Richtung nach innen; dann
erweiterten ſie ſich zu der Neſtkammer, einem Raume von 6 bis 8 Zoll Länge, 4 bis 6 Zoll Breite

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[143/0157] Scharlachſpint. Prachtſpint. oder Angſt, dann aber flüchtet er ſich mit den Flüchtenden. Alle Höhlenthiere bergen ſich im ſichern Bau und laſſen das Flammenmeer über ſich wegfluten. Auch ſie werden nicht von ihm erreicht; die Vernichtung gilt nur dem kriechenden und fliegenden Gewürm. Die Schlangen vermögen es nicht, ſich dem eilenden Feuer zu entwinden, die Skorpione, Taranteln und Tauſendfüßler werden ſicher von ihm eingeholt. Aber nicht blos die Flammen ſind es, welche ihnen verderblich werden; denn gerade das Feuer lockt neue Feinde herbei. Jch habe ſchon oben erwähnt, daß die Raubvögel ſcharen- weiſe herbeiſtrömen und laufend oder fliegend vor der Feuerlinie ihrer Jagd obliegen und muß nun noch hinzufügen, daß neben ihnen auch Segler und insbeſondere die Purpurſpinte ihr Weſen treiben. Sie alle wiſſen es, daß ihnen die Glut des Brandes Beute auftreibt, und ſie alle benutzen das günſtige Ereigniß auf das Beſte. Man erſtaunt über die Kühnheit dieſer Thiere und namentlich über den Muth der kleineren, gerade unſerer Bienenfreſſer. Sie ſtürzen ſich aus hoher Luft herab ohne Bedenken durch den dichteſten Rauch, ſtreichen hart über den Spitzen der Flammenlinie dahin, erheben ſich wieder, verzehren die erfaßte Beute und verſchwinden von neuem in den Rauchwolken. Heuglin ſagt, daß einer oder der andere gar nicht ſelten ſich die Schwingen oder Steuerfedern verſenge. Jch habe Das nie geſehen, kann aber, ihm in gewiſſem Sinne beiſtimmend, verſichern, daß die Vögel in äußerſter Nähe über den Flammen ſelbſt auf- und niederſtreichen, und daß man ſich jedesmal wundert, wenn man ſie nach einem ihrer kühnen Schwenkungen wieder heil und unverſehrt emporkommen ſieht. Ob auch andere Bienenfreſſer in derſelben Weiſe Jagd machen, weiß ich nicht, und deshalb gerade habe ich den Scharlachſpint hier mit aufgenommen. Jn den Waldungen des blauen Fluſſes habe ich eine andere Art der Familie, den Prachtſpint (Coccolarynx frenatus) beobachtet. Er zeichnet ſich mit einigen andern Arten ſeiner Familie durch einen ſehr dünnen, zierlichen Schnabel, einen mittellangen, gerade abgeſchnittenen Schwanz und ein prachtvolles Gefieder aus und vertritt deshalb nach den neueren Anſchauungen eine beſondere Sippe, welche wir, um ihr einen deutſchen Namen zu geben, Buntſpinte nennen können. Das Gefieder der Oberſeite iſt grün, das der Unterſeite zimmtbraun; die Stirn iſt grün und blau gemiſcht, die Kehle ſcharlachroth; der Hinterbauch, die Unterſchwanzdecken und der Bürzel ſind enzianblau; ein Zügel- ſtreifen, welcher durch das Auge verläuft, iſt ſchwarz, unten türkisblau geſäumt; die Armſchwingen zeigen am Ende eine ſchwarze Binde und ſind vorn ebenfalls türkisblau geſäumt. Das Auge iſt hochroth, der Schnabel und die Füße ſind ſchwarz. Die Länge beträgt 8, die Fittiglänge 3⅔, die Schwanzlänge 3½ Zoll. Der Prachtſpint iſt eine der lieblichſten Erſcheinungen des innern Afrika. Man begegnet ihm an allen Orten, welche geeignete Niſtplätze enthalten, höchſt ſelten einzeln, gewöhnlich in ſehr zahl- reicher Geſellſchaft. Hier lebt er, wie alle kleineren Spinte, mehr nach Art der Fliegenfänger als nach Art der Schwalben; denn ausnahmsweiſe nur erhebt er ſich über die Kronen der Waldbäume und ſtreicht hier, ſchwalbenartig jagend, auf und nieder. Mir ſchien es, als ob die Geſellſchaften die Nähe ihrer Siedelungen kaum verlaſſen; denn ich beobachtete ſie während verſchiedener Monate immer an den- ſelben Orten, obgleich ſie nicht durch die Brut gebunden waren. Am Weihnachtstage des Jahres 1850 legte ich mein Schiff in der Nähe der zahlreichſten Siedelungen an, welche ich kennen lernte. Mindeſtens ſechszig Pärchen hatten ſich eine glatte, feſte Thonwand am Ufer des blauen Fluſſes zur Niſtſtelle erwählt und hier ihre Höhlen eingegraben. Die Anſiedelung nahm höchſtens einen Raum von 25 bis 36 Geviertfuß ein; auf dieſer Fläche aber befand ſich eine Niſthöhle an der anderen, ſo dicht neben einander, daß der Abſtand höchſtens vier bis ſechs Zoll betrug. Dieſe Eingänge hielten 1½ Zoll im Durchmeſſer und führten 3 bis 4½ Fuß in wagrechter Richtung nach innen; dann erweiterten ſie ſich zu der Neſtkammer, einem Raume von 6 bis 8 Zoll Länge, 4 bis 6 Zoll Breite

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/157>, abgerufen am 24.11.2024.