Viel seltener geschieht es, daß das eine oder andere Pärchen nördlich der Pyrenäen und Alpen zum Brüten schreitet; doch sind, wie bemerkt, auch derartige Fälle beobachtet worden. Als regelmäßig erscheinenden Brutvogel trifft man den Bienenfresser erst im südlichen Europa an. Jn Spanien, in Jtalien, Griechenland und auf allen Jnseln des Mittelmeers, in der Türkei, in Ungarn und Südrußland gehört er, stellenweise wenigstens, zu den gemeinsten Vögeln. Aber er bewohnt nicht blos Europa, sondern verbreitet sich noch weit über Asien. Jn Palästina und Kleinasien ist er ebenso häufig wie in Südeuropa; in Persien soll er regelmäßig vorkommen; in den Gebirgen Kaschmirs traf ihn Adams in großer Anzahl an; auch in China ist er seßhaft. Gelegentlich seines Zuges scheint er halb Asien und ganz Afrika zu durchstreifen. Jn Jndien wird er während des Winters an geeigneten Orten überall beobachtet; in Afrika sah ich ihn mit größter Regelmäßigkeit gelegentlich seiner Wanderungen: er erschien, von Europa kommend, Anfangs September und zog bis Mitte Oktobers über uns dahin; der Rückzug begann Anfangs des April und währte bis zur Hälfte des Mai. Jn keinen der von mir bereisten Theilen Afrikas nimmt der Bienenfresser Herberge für den Winter, und deshalb ist es mir sehr wahrscheinlich, daß die ziehenden bis nach Südafrika reisen; denn in der Nähe der Kapstadt traf sie Vaillant in solcher Menge an, daß er binnen zwei Tagen mehr als dreihundert erlegen konnte. Sie setzten sich dort zu Tausenden auf große Bäume und erfüllten weite Strecken mit ihrer Menge. Nun behauptet Vaillant freilich, daß die Vögel auch in Südafrika brüten; ich glaube aber annehmen zu dürfen, daß diese Angabe irrthümlich ist, weil es nach meinen Erfahrungen keinen einzigen Vogel gibt, welcher während der Dauer seines Winteraufenthalts in südlichen Ländern brütet, und wir wohl kaum annehmen dürfen, daß der Bienenfresser ebensowohl den nördlichen wie den südlichen gemäßigten Gürtel bewohnt. Ausdrücklich bemerken will ich noch, daß alle Bienenfresser, welche ich auf ihrem Zuge beobachtete, in Gesellschaft eines Verwandten, des sogenannten persischen Bienenfressers(Merops persicus) wanderten, desselben Vogels, welcher als Jrrling auch in Europa beobachtet worden ist.
Auf seinem Brutplatze erscheint der Bienenfresser flugweise Ausgangs April oder Anfangs Mai, nach Lindermayer's mir kaum glaublicher Angabe, bereits Ende März. Mitte Mai's haben sich die Flüge einigermaßen zertheilt; doch kommt es ebenso oft vor, daß mehrere sich vereinigen und gemeinschaftlich eine Siedelung bilden, welche funfzig, sechszig und mehr Paare zählen kann. Das Eine wie das Andere hängt von der Oertlichkeit ab. Findet sich eine höhere, senkrecht abfallende Erdwand, welche Raum zur Anlage für viele Nester bietet, so vereinigen sich die Bienenfresser; ist Dies nicht der Fall, so sucht sich jeder einzelne so gut zu behelfen, wie es eben geht.
Jn der Nähe der Siedelung zeigt sich nun das gewöhnliche Sommerleben unseres Vogels. Während alle kleineren Arten der Familie nur ausnahmsweise ihre Warten auf längere Zeit verlassen, sieht man bei gutem Wetter alle Mitglieder eines Verbandes dieser Art in hoher Luft stundenlang umherschwärmen. Der Flug hält zusammen, kann aber nicht als ein geschlossener bezeichnet werden; denn die einzelnen Vögel vertheilen sich über einen großen Raum, halten nur aufmerksam ein und die- selbe Richtung ein und rufen sich beständig zu. Jn dieser Weise durchmessen sie mehrere Geviert- meilen, immer gemeinschaftlich. Sie halten sich auch während der ganzen Jagd durch ihren beständig wiederholten Lockton, das hell klingende "Schürr schürr" oder "Guep guep" zusammen. Gegen Abend erscheinen alle in der Nähe der Siedelung, vertheilen sich hier in Paare und fangen nun bis zum Eintritt der Dämmerung noch Kerbthiere von den Aesten aus. Bei ihren Jagden bevorzugen sie Haidestrecken allen übrigen, aus dem ganz einfachen Grunde, weil diese die meisten Jmmen herbei- ziehen und sie dort die beste Jagd machen. Jn die Nähe der Ortschaften kommen sie, so lange die Witterung gut ist, selten oder nie. Verändert sich das Wetter, so verändern auch sie die Art und Weise ihrer Jagd. Sobald der Himmel umzogen ist oder wenn Regen fällt, erheben sie sich nicht in die höheren Luftschichten, wie Schwalben und noch mehr die Segler es zu thun pflegen, sondern jagen dann nur von den Aesten aus, erscheinen auch gern in unmittelbarer Nähe der Wohnungen und brandschatzen die Bienenkörbe in empfindlicher Weise. Man sieht sie unter solchen Umständen auf
Bienenfreſſer.
Viel ſeltener geſchieht es, daß das eine oder andere Pärchen nördlich der Pyrenäen und Alpen zum Brüten ſchreitet; doch ſind, wie bemerkt, auch derartige Fälle beobachtet worden. Als regelmäßig erſcheinenden Brutvogel trifft man den Bienenfreſſer erſt im ſüdlichen Europa an. Jn Spanien, in Jtalien, Griechenland und auf allen Jnſeln des Mittelmeers, in der Türkei, in Ungarn und Südrußland gehört er, ſtellenweiſe wenigſtens, zu den gemeinſten Vögeln. Aber er bewohnt nicht blos Europa, ſondern verbreitet ſich noch weit über Aſien. Jn Paläſtina und Kleinaſien iſt er ebenſo häufig wie in Südeuropa; in Perſien ſoll er regelmäßig vorkommen; in den Gebirgen Kaſchmirs traf ihn Adams in großer Anzahl an; auch in China iſt er ſeßhaft. Gelegentlich ſeines Zuges ſcheint er halb Aſien und ganz Afrika zu durchſtreifen. Jn Jndien wird er während des Winters an geeigneten Orten überall beobachtet; in Afrika ſah ich ihn mit größter Regelmäßigkeit gelegentlich ſeiner Wanderungen: er erſchien, von Europa kommend, Anfangs September und zog bis Mitte Oktobers über uns dahin; der Rückzug begann Anfangs des April und währte bis zur Hälfte des Mai. Jn keinen der von mir bereiſten Theilen Afrikas nimmt der Bienenfreſſer Herberge für den Winter, und deshalb iſt es mir ſehr wahrſcheinlich, daß die ziehenden bis nach Südafrika reiſen; denn in der Nähe der Kapſtadt traf ſie Vaillant in ſolcher Menge an, daß er binnen zwei Tagen mehr als dreihundert erlegen konnte. Sie ſetzten ſich dort zu Tauſenden auf große Bäume und erfüllten weite Strecken mit ihrer Menge. Nun behauptet Vaillant freilich, daß die Vögel auch in Südafrika brüten; ich glaube aber annehmen zu dürfen, daß dieſe Angabe irrthümlich iſt, weil es nach meinen Erfahrungen keinen einzigen Vogel gibt, welcher während der Dauer ſeines Winteraufenthalts in ſüdlichen Ländern brütet, und wir wohl kaum annehmen dürfen, daß der Bienenfreſſer ebenſowohl den nördlichen wie den ſüdlichen gemäßigten Gürtel bewohnt. Ausdrücklich bemerken will ich noch, daß alle Bienenfreſſer, welche ich auf ihrem Zuge beobachtete, in Geſellſchaft eines Verwandten, des ſogenannten perſiſchen Bienenfreſſers(Merops persicus) wanderten, deſſelben Vogels, welcher als Jrrling auch in Europa beobachtet worden iſt.
Auf ſeinem Brutplatze erſcheint der Bienenfreſſer flugweiſe Ausgangs April oder Anfangs Mai, nach Lindermayer’s mir kaum glaublicher Angabe, bereits Ende März. Mitte Mai’s haben ſich die Flüge einigermaßen zertheilt; doch kommt es ebenſo oft vor, daß mehrere ſich vereinigen und gemeinſchaftlich eine Siedelung bilden, welche funfzig, ſechszig und mehr Paare zählen kann. Das Eine wie das Andere hängt von der Oertlichkeit ab. Findet ſich eine höhere, ſenkrecht abfallende Erdwand, welche Raum zur Anlage für viele Neſter bietet, ſo vereinigen ſich die Bienenfreſſer; iſt Dies nicht der Fall, ſo ſucht ſich jeder einzelne ſo gut zu behelfen, wie es eben geht.
Jn der Nähe der Siedelung zeigt ſich nun das gewöhnliche Sommerleben unſeres Vogels. Während alle kleineren Arten der Familie nur ausnahmsweiſe ihre Warten auf längere Zeit verlaſſen, ſieht man bei gutem Wetter alle Mitglieder eines Verbandes dieſer Art in hoher Luft ſtundenlang umherſchwärmen. Der Flug hält zuſammen, kann aber nicht als ein geſchloſſener bezeichnet werden; denn die einzelnen Vögel vertheilen ſich über einen großen Raum, halten nur aufmerkſam ein und die- ſelbe Richtung ein und rufen ſich beſtändig zu. Jn dieſer Weiſe durchmeſſen ſie mehrere Geviert- meilen, immer gemeinſchaftlich. Sie halten ſich auch während der ganzen Jagd durch ihren beſtändig wiederholten Lockton, das hell klingende „Schürr ſchürr“ oder „Guep guep“ zuſammen. Gegen Abend erſcheinen alle in der Nähe der Siedelung, vertheilen ſich hier in Paare und fangen nun bis zum Eintritt der Dämmerung noch Kerbthiere von den Aeſten aus. Bei ihren Jagden bevorzugen ſie Haideſtrecken allen übrigen, aus dem ganz einfachen Grunde, weil dieſe die meiſten Jmmen herbei- ziehen und ſie dort die beſte Jagd machen. Jn die Nähe der Ortſchaften kommen ſie, ſo lange die Witterung gut iſt, ſelten oder nie. Verändert ſich das Wetter, ſo verändern auch ſie die Art und Weiſe ihrer Jagd. Sobald der Himmel umzogen iſt oder wenn Regen fällt, erheben ſie ſich nicht in die höheren Luftſchichten, wie Schwalben und noch mehr die Segler es zu thun pflegen, ſondern jagen dann nur von den Aeſten aus, erſcheinen auch gern in unmittelbarer Nähe der Wohnungen und brandſchatzen die Bienenkörbe in empfindlicher Weiſe. Man ſieht ſie unter ſolchen Umſtänden auf
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Bienenfreſſer.
Viel ſeltener geſchieht es, daß das eine oder andere Pärchen nördlich der Pyrenäen und
Alpen zum Brüten ſchreitet; doch ſind, wie bemerkt, auch derartige Fälle beobachtet worden. Als
regelmäßig erſcheinenden Brutvogel trifft man den Bienenfreſſer erſt im ſüdlichen Europa an. Jn
Spanien, in Jtalien, Griechenland und auf allen Jnſeln des Mittelmeers, in der Türkei, in Ungarn
und Südrußland gehört er, ſtellenweiſe wenigſtens, zu den gemeinſten Vögeln. Aber er bewohnt nicht
blos Europa, ſondern verbreitet ſich noch weit über Aſien. Jn Paläſtina und Kleinaſien iſt er ebenſo
häufig wie in Südeuropa; in Perſien ſoll er regelmäßig vorkommen; in den Gebirgen Kaſchmirs traf
ihn Adams in großer Anzahl an; auch in China iſt er ſeßhaft. Gelegentlich ſeines Zuges ſcheint er
halb Aſien und ganz Afrika zu durchſtreifen. Jn Jndien wird er während des Winters an geeigneten
Orten überall beobachtet; in Afrika ſah ich ihn mit größter Regelmäßigkeit gelegentlich ſeiner
Wanderungen: er erſchien, von Europa kommend, Anfangs September und zog bis Mitte Oktobers
über uns dahin; der Rückzug begann Anfangs des April und währte bis zur Hälfte des Mai.
Jn keinen der von mir bereiſten Theilen Afrikas nimmt der Bienenfreſſer Herberge für den Winter,
und deshalb iſt es mir ſehr wahrſcheinlich, daß die ziehenden bis nach Südafrika reiſen; denn in der
Nähe der Kapſtadt traf ſie Vaillant in ſolcher Menge an, daß er binnen zwei Tagen mehr als
dreihundert erlegen konnte. Sie ſetzten ſich dort zu Tauſenden auf große Bäume und erfüllten
weite Strecken mit ihrer Menge. Nun behauptet Vaillant freilich, daß die Vögel auch in Südafrika
brüten; ich glaube aber annehmen zu dürfen, daß dieſe Angabe irrthümlich iſt, weil es nach meinen
Erfahrungen keinen einzigen Vogel gibt, welcher während der Dauer ſeines Winteraufenthalts in
ſüdlichen Ländern brütet, und wir wohl kaum annehmen dürfen, daß der Bienenfreſſer ebenſowohl
den nördlichen wie den ſüdlichen gemäßigten Gürtel bewohnt. Ausdrücklich bemerken will ich noch,
daß alle Bienenfreſſer, welche ich auf ihrem Zuge beobachtete, in Geſellſchaft eines Verwandten, des
ſogenannten perſiſchen Bienenfreſſers (Merops persicus) wanderten, deſſelben Vogels, welcher
als Jrrling auch in Europa beobachtet worden iſt.
Auf ſeinem Brutplatze erſcheint der Bienenfreſſer flugweiſe Ausgangs April oder Anfangs Mai,
nach Lindermayer’s mir kaum glaublicher Angabe, bereits Ende März. Mitte Mai’s haben ſich
die Flüge einigermaßen zertheilt; doch kommt es ebenſo oft vor, daß mehrere ſich vereinigen und
gemeinſchaftlich eine Siedelung bilden, welche funfzig, ſechszig und mehr Paare zählen kann. Das
Eine wie das Andere hängt von der Oertlichkeit ab. Findet ſich eine höhere, ſenkrecht abfallende
Erdwand, welche Raum zur Anlage für viele Neſter bietet, ſo vereinigen ſich die Bienenfreſſer; iſt Dies
nicht der Fall, ſo ſucht ſich jeder einzelne ſo gut zu behelfen, wie es eben geht.
Jn der Nähe der Siedelung zeigt ſich nun das gewöhnliche Sommerleben unſeres Vogels.
Während alle kleineren Arten der Familie nur ausnahmsweiſe ihre Warten auf längere Zeit verlaſſen,
ſieht man bei gutem Wetter alle Mitglieder eines Verbandes dieſer Art in hoher Luft ſtundenlang
umherſchwärmen. Der Flug hält zuſammen, kann aber nicht als ein geſchloſſener bezeichnet werden;
denn die einzelnen Vögel vertheilen ſich über einen großen Raum, halten nur aufmerkſam ein und die-
ſelbe Richtung ein und rufen ſich beſtändig zu. Jn dieſer Weiſe durchmeſſen ſie mehrere Geviert-
meilen, immer gemeinſchaftlich. Sie halten ſich auch während der ganzen Jagd durch ihren beſtändig
wiederholten Lockton, das hell klingende „Schürr ſchürr“ oder „Guep guep“ zuſammen. Gegen Abend
erſcheinen alle in der Nähe der Siedelung, vertheilen ſich hier in Paare und fangen nun bis zum
Eintritt der Dämmerung noch Kerbthiere von den Aeſten aus. Bei ihren Jagden bevorzugen ſie
Haideſtrecken allen übrigen, aus dem ganz einfachen Grunde, weil dieſe die meiſten Jmmen herbei-
ziehen und ſie dort die beſte Jagd machen. Jn die Nähe der Ortſchaften kommen ſie, ſo lange die
Witterung gut iſt, ſelten oder nie. Verändert ſich das Wetter, ſo verändern auch ſie die Art und
Weiſe ihrer Jagd. Sobald der Himmel umzogen iſt oder wenn Regen fällt, erheben ſie ſich nicht in
die höheren Luftſchichten, wie Schwalben und noch mehr die Segler es zu thun pflegen, ſondern jagen
dann nur von den Aeſten aus, erſcheinen auch gern in unmittelbarer Nähe der Wohnungen und
brandſchatzen die Bienenkörbe in empfindlicher Weiſe. Man ſieht ſie unter ſolchen Umſtänden auf
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/153>, abgerufen am 22.11.2024.
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