spitzig, oben und unten sanft gebogen, scharfrückig und scharfschneidig, mit kaum eingezogenen Rändern und etwas längerem, aber nicht übergekrümmten Oberschnabel, ohne Kerbe vor der Spitze. Die Füße sind sehr klein und kurz; von den drei Vorderzehen ist die äußerste mit der mittleren bis zum zweiten Gelenk und diese mit der inneren bis zum ersten Gelenk verwachsen, die Sohle deshalb breit; die Krallen sind ziemlich lang, gekrümmt, scharfspitzig und auf der innern Seite mit einer etwas hervor- tretenden schneidenartigen Kante versehen. Die Flügel sind lang und spitzig; unter den Schwingen ist die zweite die längste. Der Schwanz ist lang, entweder gerade abgeschnitten oder mehr oder weniger gegabelt oder auch sanft abgerundet; die beiden Mittelfedern verlängern sich bei vielen Arten bis auf das Doppelte der Länge aller übrigen Steuerfedern. Das Gefieder ist kurz und etwas derb, seine Färbung fast ausnahmslos eine sehr prachtvolle und bunte, obgleich die einzelnen Farben gewöhnlich über große Felder vertheilt sind. Beide Geschlechter unterscheiden sich kaum in der Färbung, und das einfachere Gewand der Jungen geht schon im zweiten Lebensjahre in das Kleid der Eltern über.
Die warmen Länder der alten Welt sind die eigentliche Heimat der Bienenfresser; nur eine einzige Art kommt in Neuholland vor. Sie bewohnen sehr verschiedene Oertlichkeiten, niemals aber solche, in welchen Bäume gänzlich mangeln. Von der Küste des Meeres an trifft man sie bis zu einem Höhengürtel von sechs- bis achttausend Fuß über dem Meere, und es scheint nicht, als ob einzelne Arten die Tiefe, andere die Höhe bevorzugen. Die im Norden lebenden Bienenfresser ziehen regel- mäßig, die südlichen sind Stand- oder Strichvögel. Schon in Egypten lebt eine Art, welche jahraus jahrein an derselben Stelle verweilt und jährlich zweimal Verwandte über sich wegziehen sieht, ohne vom Wanderdrange ergriffen zu werden; die im Jnnern Afrikas wohnenden Arten aber streichen, den Jahreszeiten entsprechend: sie erscheinen an ihren Brutplätzen mit Beginn der Regenzeit und verlassen die Heimat wieder, wenn die winterliche Dürre eintritt. Alle Arten ohne Ausnahme sind höchst gesellige und ungemein friedliche Vögel. Einzelne scharen sich nicht blos mit Jhresgleichen, sondern auch mit verwandten Arten, namentlich während ihrer Reisen. Sie bilden dann gemeinschaftlich Flüge und vermengen sich so vollkommen unter einander, daß man die verschiedenen Arten nicht unterscheiden kann. Auch besondere Gelegenheiten vereinigen oft verschiedenartige Bienenfresser auf längere Zeit.
Jn ihrer Lebensweise ähneln diese Prachtvögel am meisten den Schwalben, in mancher Hinsicht aber auch den Fliegenfängern. Bei schönem Wetter sieht man sie oder doch wenigstens die größeren Arten der Familie in hoher Luft, Beute suchend, umherstreichen; bei trüber Witterung oder auch während ihrer Brutzeit pflegen sie auf hervorragenden Baumzweigen zu sitzen und vonhieraus ihre Jagd zu betreiben. Zum Boden herab kommen sie nur selten, höchstens dann, wenn sie ein erspähetes Kerbthier aufzunehmen gedenken; dagegen streichen sie oft dicht über dem Wasserspiegel dahin, wie es Sperrvögel thun. Die Nachtruhe verbringen sie auf den Zweigen dichtwipfliger Bäume oder während der Brutzeit in ihren Nistlöchern.
Es ist unmöglich, Bienenfresser zu übersehen. Sie verstehen es, eine Gegend zu beleben. Es kann kaum etwas Schöneres geben, als diese, bald nach Art eines Falken, bald nach Art der Schwalben dahinstreichenden Vögel. Jm Nu stürzt sich einer von ihnen aus bedeutender Höhe senk- recht zum Boden herab, um ein vorüberfliegendes Kerbthier, welches sein ungemein scharfes Auge wahrgenommen, zu fangen; binnen weniger Augenblicke hat er seine frühere Höhe wieder erreicht und fliegt mit den übrigen unter lautem, oft wiederholten "Guep guep", dem allen Arten gemeinsamen Lockrufe, weiter. Der Flug ist im ganzen sehr ruhig. Auf einige Flügelschläge folgt ein Dahingleiten mit halb ausgebreiteten, halb angezogenen Schwingen, welches aber mit so großer Schnelligkeit geschieht, daß der Vogel wie ein Pfeil erscheint. Nicht minder anziehend sind diese liebenswürdigen Geschöpfe da, wo sie bleibend sich angesiedelt haben und in größter Nähe betrachten lassen. Pärchen- weise sieht man sie auf den hervorragenden niedern Aesten sitzen. Der eine Gatte ruft dem andern von Zeit zu Zeit zärtlich zu; dann erhebt sich dieser zu einem kurzen raschen Fluge und nimmt ein vorüberfliegendes Kerbthier auf. Während er dem Raube nachfliegt, bleibt jener
Allgemeines.
ſpitzig, oben und unten ſanft gebogen, ſcharfrückig und ſcharfſchneidig, mit kaum eingezogenen Rändern und etwas längerem, aber nicht übergekrümmten Oberſchnabel, ohne Kerbe vor der Spitze. Die Füße ſind ſehr klein und kurz; von den drei Vorderzehen iſt die äußerſte mit der mittleren bis zum zweiten Gelenk und dieſe mit der inneren bis zum erſten Gelenk verwachſen, die Sohle deshalb breit; die Krallen ſind ziemlich lang, gekrümmt, ſcharfſpitzig und auf der innern Seite mit einer etwas hervor- tretenden ſchneidenartigen Kante verſehen. Die Flügel ſind lang und ſpitzig; unter den Schwingen iſt die zweite die längſte. Der Schwanz iſt lang, entweder gerade abgeſchnitten oder mehr oder weniger gegabelt oder auch ſanft abgerundet; die beiden Mittelfedern verlängern ſich bei vielen Arten bis auf das Doppelte der Länge aller übrigen Steuerfedern. Das Gefieder iſt kurz und etwas derb, ſeine Färbung faſt ausnahmslos eine ſehr prachtvolle und bunte, obgleich die einzelnen Farben gewöhnlich über große Felder vertheilt ſind. Beide Geſchlechter unterſcheiden ſich kaum in der Färbung, und das einfachere Gewand der Jungen geht ſchon im zweiten Lebensjahre in das Kleid der Eltern über.
Die warmen Länder der alten Welt ſind die eigentliche Heimat der Bienenfreſſer; nur eine einzige Art kommt in Neuholland vor. Sie bewohnen ſehr verſchiedene Oertlichkeiten, niemals aber ſolche, in welchen Bäume gänzlich mangeln. Von der Küſte des Meeres an trifft man ſie bis zu einem Höhengürtel von ſechs- bis achttauſend Fuß über dem Meere, und es ſcheint nicht, als ob einzelne Arten die Tiefe, andere die Höhe bevorzugen. Die im Norden lebenden Bienenfreſſer ziehen regel- mäßig, die ſüdlichen ſind Stand- oder Strichvögel. Schon in Egypten lebt eine Art, welche jahraus jahrein an derſelben Stelle verweilt und jährlich zweimal Verwandte über ſich wegziehen ſieht, ohne vom Wanderdrange ergriffen zu werden; die im Jnnern Afrikas wohnenden Arten aber ſtreichen, den Jahreszeiten entſprechend: ſie erſcheinen an ihren Brutplätzen mit Beginn der Regenzeit und verlaſſen die Heimat wieder, wenn die winterliche Dürre eintritt. Alle Arten ohne Ausnahme ſind höchſt geſellige und ungemein friedliche Vögel. Einzelne ſcharen ſich nicht blos mit Jhresgleichen, ſondern auch mit verwandten Arten, namentlich während ihrer Reiſen. Sie bilden dann gemeinſchaftlich Flüge und vermengen ſich ſo vollkommen unter einander, daß man die verſchiedenen Arten nicht unterſcheiden kann. Auch beſondere Gelegenheiten vereinigen oft verſchiedenartige Bienenfreſſer auf längere Zeit.
Jn ihrer Lebensweiſe ähneln dieſe Prachtvögel am meiſten den Schwalben, in mancher Hinſicht aber auch den Fliegenfängern. Bei ſchönem Wetter ſieht man ſie oder doch wenigſtens die größeren Arten der Familie in hoher Luft, Beute ſuchend, umherſtreichen; bei trüber Witterung oder auch während ihrer Brutzeit pflegen ſie auf hervorragenden Baumzweigen zu ſitzen und vonhieraus ihre Jagd zu betreiben. Zum Boden herab kommen ſie nur ſelten, höchſtens dann, wenn ſie ein erſpähetes Kerbthier aufzunehmen gedenken; dagegen ſtreichen ſie oft dicht über dem Waſſerſpiegel dahin, wie es Sperrvögel thun. Die Nachtruhe verbringen ſie auf den Zweigen dichtwipfliger Bäume oder während der Brutzeit in ihren Niſtlöchern.
Es iſt unmöglich, Bienenfreſſer zu überſehen. Sie verſtehen es, eine Gegend zu beleben. Es kann kaum etwas Schöneres geben, als dieſe, bald nach Art eines Falken, bald nach Art der Schwalben dahinſtreichenden Vögel. Jm Nu ſtürzt ſich einer von ihnen aus bedeutender Höhe ſenk- recht zum Boden herab, um ein vorüberfliegendes Kerbthier, welches ſein ungemein ſcharfes Auge wahrgenommen, zu fangen; binnen weniger Augenblicke hat er ſeine frühere Höhe wieder erreicht und fliegt mit den übrigen unter lautem, oft wiederholten „Guep guep“, dem allen Arten gemeinſamen Lockrufe, weiter. Der Flug iſt im ganzen ſehr ruhig. Auf einige Flügelſchläge folgt ein Dahingleiten mit halb ausgebreiteten, halb angezogenen Schwingen, welches aber mit ſo großer Schnelligkeit geſchieht, daß der Vogel wie ein Pfeil erſcheint. Nicht minder anziehend ſind dieſe liebenswürdigen Geſchöpfe da, wo ſie bleibend ſich angeſiedelt haben und in größter Nähe betrachten laſſen. Pärchen- weiſe ſieht man ſie auf den hervorragenden niedern Aeſten ſitzen. Der eine Gatte ruft dem andern von Zeit zu Zeit zärtlich zu; dann erhebt ſich dieſer zu einem kurzen raſchen Fluge und nimmt ein vorüberfliegendes Kerbthier auf. Während er dem Raube nachfliegt, bleibt jener
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0151"n="137"/><fwplace="top"type="header">Allgemeines.</fw><lb/>ſpitzig, oben und unten ſanft gebogen, ſcharfrückig und ſcharfſchneidig, mit kaum eingezogenen Rändern<lb/>
und etwas längerem, aber nicht übergekrümmten Oberſchnabel, ohne Kerbe vor der Spitze. Die Füße<lb/>ſind ſehr klein und kurz; von den drei Vorderzehen iſt die äußerſte mit der mittleren bis zum zweiten<lb/>
Gelenk und dieſe mit der inneren bis zum erſten Gelenk verwachſen, die Sohle deshalb breit; die<lb/>
Krallen ſind ziemlich lang, gekrümmt, ſcharfſpitzig und auf der innern Seite mit einer etwas hervor-<lb/>
tretenden ſchneidenartigen Kante verſehen. Die Flügel ſind lang und ſpitzig; unter den Schwingen iſt<lb/>
die zweite die längſte. Der Schwanz iſt lang, entweder gerade abgeſchnitten oder mehr oder weniger<lb/>
gegabelt oder auch ſanft abgerundet; die beiden Mittelfedern verlängern ſich bei vielen Arten bis auf<lb/>
das Doppelte der Länge aller übrigen Steuerfedern. Das Gefieder iſt kurz und etwas derb, ſeine<lb/>
Färbung faſt ausnahmslos eine ſehr prachtvolle und bunte, obgleich die einzelnen Farben gewöhnlich<lb/>
über große Felder vertheilt ſind. Beide Geſchlechter unterſcheiden ſich kaum in der Färbung, und das<lb/>
einfachere Gewand der Jungen geht ſchon im zweiten Lebensjahre in das Kleid der Eltern über.</p><lb/><p>Die warmen Länder der alten Welt ſind die eigentliche Heimat der Bienenfreſſer; nur eine<lb/>
einzige Art kommt in Neuholland vor. Sie bewohnen ſehr verſchiedene Oertlichkeiten, niemals aber<lb/>ſolche, in welchen Bäume gänzlich mangeln. Von der Küſte des Meeres an trifft man ſie bis zu einem<lb/>
Höhengürtel von ſechs- bis achttauſend Fuß über dem Meere, und es ſcheint nicht, als ob einzelne<lb/>
Arten die Tiefe, andere die Höhe bevorzugen. Die im Norden lebenden Bienenfreſſer ziehen regel-<lb/>
mäßig, die ſüdlichen ſind Stand- oder Strichvögel. Schon in Egypten lebt eine Art, welche jahraus<lb/>
jahrein an derſelben Stelle verweilt und jährlich zweimal Verwandte über ſich wegziehen ſieht, ohne<lb/>
vom Wanderdrange ergriffen zu werden; die im Jnnern Afrikas wohnenden Arten aber ſtreichen, den<lb/>
Jahreszeiten entſprechend: ſie erſcheinen an ihren Brutplätzen mit Beginn der Regenzeit und verlaſſen<lb/>
die Heimat wieder, wenn die winterliche Dürre eintritt. Alle Arten ohne Ausnahme ſind höchſt<lb/>
geſellige und ungemein friedliche Vögel. Einzelne ſcharen ſich nicht blos mit Jhresgleichen, ſondern<lb/>
auch mit verwandten Arten, namentlich während ihrer Reiſen. Sie bilden dann gemeinſchaftlich<lb/>
Flüge und vermengen ſich ſo vollkommen unter einander, daß man die verſchiedenen Arten nicht<lb/>
unterſcheiden kann. Auch beſondere Gelegenheiten vereinigen oft verſchiedenartige Bienenfreſſer auf<lb/>
längere Zeit.</p><lb/><p>Jn ihrer Lebensweiſe ähneln dieſe Prachtvögel am meiſten den Schwalben, in mancher Hinſicht<lb/>
aber auch den Fliegenfängern. Bei ſchönem Wetter ſieht man ſie oder doch wenigſtens die größeren<lb/>
Arten der Familie in hoher Luft, Beute ſuchend, umherſtreichen; bei trüber Witterung oder auch<lb/>
während ihrer Brutzeit pflegen ſie auf hervorragenden Baumzweigen zu ſitzen und vonhieraus ihre<lb/>
Jagd zu betreiben. Zum Boden herab kommen ſie nur ſelten, höchſtens dann, wenn ſie ein erſpähetes<lb/>
Kerbthier aufzunehmen gedenken; dagegen ſtreichen ſie oft dicht über dem Waſſerſpiegel dahin, wie es<lb/>
Sperrvögel thun. Die Nachtruhe verbringen ſie auf den Zweigen dichtwipfliger Bäume oder während<lb/>
der Brutzeit in ihren Niſtlöchern.</p><lb/><p>Es iſt unmöglich, Bienenfreſſer zu überſehen. Sie verſtehen es, eine Gegend zu beleben.<lb/>
Es kann kaum etwas Schöneres geben, als dieſe, bald nach Art eines Falken, bald nach Art der<lb/>
Schwalben dahinſtreichenden Vögel. Jm Nu ſtürzt ſich einer von ihnen aus bedeutender Höhe ſenk-<lb/>
recht zum Boden herab, um ein vorüberfliegendes Kerbthier, welches ſein ungemein ſcharfes Auge<lb/>
wahrgenommen, zu fangen; binnen weniger Augenblicke hat er ſeine frühere Höhe wieder erreicht und<lb/>
fliegt mit den übrigen unter lautem, oft wiederholten „Guep guep“, dem allen Arten gemeinſamen<lb/>
Lockrufe, weiter. Der Flug iſt im ganzen ſehr ruhig. Auf einige Flügelſchläge folgt ein Dahingleiten<lb/>
mit halb ausgebreiteten, halb angezogenen Schwingen, welches aber mit ſo großer Schnelligkeit<lb/>
geſchieht, daß der Vogel wie ein Pfeil erſcheint. Nicht minder anziehend ſind dieſe liebenswürdigen<lb/>
Geſchöpfe da, wo ſie bleibend ſich angeſiedelt haben und in größter Nähe betrachten laſſen. Pärchen-<lb/>
weiſe ſieht man ſie auf den hervorragenden niedern Aeſten ſitzen. Der eine Gatte ruft dem<lb/>
andern von Zeit zu Zeit zärtlich zu; dann erhebt ſich dieſer zu einem kurzen raſchen Fluge und<lb/>
nimmt ein vorüberfliegendes Kerbthier auf. Während er dem Raube nachfliegt, bleibt jener<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[137/0151]
Allgemeines.
ſpitzig, oben und unten ſanft gebogen, ſcharfrückig und ſcharfſchneidig, mit kaum eingezogenen Rändern
und etwas längerem, aber nicht übergekrümmten Oberſchnabel, ohne Kerbe vor der Spitze. Die Füße
ſind ſehr klein und kurz; von den drei Vorderzehen iſt die äußerſte mit der mittleren bis zum zweiten
Gelenk und dieſe mit der inneren bis zum erſten Gelenk verwachſen, die Sohle deshalb breit; die
Krallen ſind ziemlich lang, gekrümmt, ſcharfſpitzig und auf der innern Seite mit einer etwas hervor-
tretenden ſchneidenartigen Kante verſehen. Die Flügel ſind lang und ſpitzig; unter den Schwingen iſt
die zweite die längſte. Der Schwanz iſt lang, entweder gerade abgeſchnitten oder mehr oder weniger
gegabelt oder auch ſanft abgerundet; die beiden Mittelfedern verlängern ſich bei vielen Arten bis auf
das Doppelte der Länge aller übrigen Steuerfedern. Das Gefieder iſt kurz und etwas derb, ſeine
Färbung faſt ausnahmslos eine ſehr prachtvolle und bunte, obgleich die einzelnen Farben gewöhnlich
über große Felder vertheilt ſind. Beide Geſchlechter unterſcheiden ſich kaum in der Färbung, und das
einfachere Gewand der Jungen geht ſchon im zweiten Lebensjahre in das Kleid der Eltern über.
Die warmen Länder der alten Welt ſind die eigentliche Heimat der Bienenfreſſer; nur eine
einzige Art kommt in Neuholland vor. Sie bewohnen ſehr verſchiedene Oertlichkeiten, niemals aber
ſolche, in welchen Bäume gänzlich mangeln. Von der Küſte des Meeres an trifft man ſie bis zu einem
Höhengürtel von ſechs- bis achttauſend Fuß über dem Meere, und es ſcheint nicht, als ob einzelne
Arten die Tiefe, andere die Höhe bevorzugen. Die im Norden lebenden Bienenfreſſer ziehen regel-
mäßig, die ſüdlichen ſind Stand- oder Strichvögel. Schon in Egypten lebt eine Art, welche jahraus
jahrein an derſelben Stelle verweilt und jährlich zweimal Verwandte über ſich wegziehen ſieht, ohne
vom Wanderdrange ergriffen zu werden; die im Jnnern Afrikas wohnenden Arten aber ſtreichen, den
Jahreszeiten entſprechend: ſie erſcheinen an ihren Brutplätzen mit Beginn der Regenzeit und verlaſſen
die Heimat wieder, wenn die winterliche Dürre eintritt. Alle Arten ohne Ausnahme ſind höchſt
geſellige und ungemein friedliche Vögel. Einzelne ſcharen ſich nicht blos mit Jhresgleichen, ſondern
auch mit verwandten Arten, namentlich während ihrer Reiſen. Sie bilden dann gemeinſchaftlich
Flüge und vermengen ſich ſo vollkommen unter einander, daß man die verſchiedenen Arten nicht
unterſcheiden kann. Auch beſondere Gelegenheiten vereinigen oft verſchiedenartige Bienenfreſſer auf
längere Zeit.
Jn ihrer Lebensweiſe ähneln dieſe Prachtvögel am meiſten den Schwalben, in mancher Hinſicht
aber auch den Fliegenfängern. Bei ſchönem Wetter ſieht man ſie oder doch wenigſtens die größeren
Arten der Familie in hoher Luft, Beute ſuchend, umherſtreichen; bei trüber Witterung oder auch
während ihrer Brutzeit pflegen ſie auf hervorragenden Baumzweigen zu ſitzen und vonhieraus ihre
Jagd zu betreiben. Zum Boden herab kommen ſie nur ſelten, höchſtens dann, wenn ſie ein erſpähetes
Kerbthier aufzunehmen gedenken; dagegen ſtreichen ſie oft dicht über dem Waſſerſpiegel dahin, wie es
Sperrvögel thun. Die Nachtruhe verbringen ſie auf den Zweigen dichtwipfliger Bäume oder während
der Brutzeit in ihren Niſtlöchern.
Es iſt unmöglich, Bienenfreſſer zu überſehen. Sie verſtehen es, eine Gegend zu beleben.
Es kann kaum etwas Schöneres geben, als dieſe, bald nach Art eines Falken, bald nach Art der
Schwalben dahinſtreichenden Vögel. Jm Nu ſtürzt ſich einer von ihnen aus bedeutender Höhe ſenk-
recht zum Boden herab, um ein vorüberfliegendes Kerbthier, welches ſein ungemein ſcharfes Auge
wahrgenommen, zu fangen; binnen weniger Augenblicke hat er ſeine frühere Höhe wieder erreicht und
fliegt mit den übrigen unter lautem, oft wiederholten „Guep guep“, dem allen Arten gemeinſamen
Lockrufe, weiter. Der Flug iſt im ganzen ſehr ruhig. Auf einige Flügelſchläge folgt ein Dahingleiten
mit halb ausgebreiteten, halb angezogenen Schwingen, welches aber mit ſo großer Schnelligkeit
geſchieht, daß der Vogel wie ein Pfeil erſcheint. Nicht minder anziehend ſind dieſe liebenswürdigen
Geſchöpfe da, wo ſie bleibend ſich angeſiedelt haben und in größter Nähe betrachten laſſen. Pärchen-
weiſe ſieht man ſie auf den hervorragenden niedern Aeſten ſitzen. Der eine Gatte ruft dem
andern von Zeit zu Zeit zärtlich zu; dann erhebt ſich dieſer zu einem kurzen raſchen Fluge und
nimmt ein vorüberfliegendes Kerbthier auf. Während er dem Raube nachfliegt, bleibt jener
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/151>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.