haben, wenigstens theilweise, so Vieles in Lebensart und Betragen mit einander gemein, daß ich jede Trennung, welche sie von einanderreißt, für ungerechtfertigt ansehen muß, obgleich ich mir voll- kommen bewußt bin, daß einzelne z. B. entwickelte Singmuskeln haben, während diese andern fehlen, oder daß einige keineswegs in dem Sinne klettern, wie es die Spechte, Spechtmeisen oder Baum- steiger thun. Verschiedenheit im Bau des Leibes und dementsprechend auch in der Lebensweise wird unter den Angehörigen dieser Ordnung selbstverständlich ebensogut bemerklich, wie bei den Gliedern anderer gleichwerthigen Abtheilungen.
Versucht man die Klettervögel im allgemeinen zu kennzeichnen, so läßt sich etwa Folgendes sagen. Der Leib ist gestreckt, aber doch kräftig gebaut, der Hals kurz, der Kopf groß. Der Schnabel ist mittellang oder sehr lang, keilförmig und stark oder gebogen und schwach. Die Füße sind kurz- läufig, aber langzeihig. Die Zehen sind entweder regelmäßig geordnet oder paarig gestellt, aus- nahmsweise auch von vier auf drei verringert, ohne daß man sagen könnte verkümmert; die Nägel, welche sie bewehren, zeichnen sich aus durch Größe, Wölbung und Schärfe. Der Flügel ist mittel- lang und gerundet, zuweilen sehr breit, niemals schmal und spitz. Der Schwanz kann sehr verschieden gebildet sein. Bezeichnend erscheint er bei den vollendetsten Gestalten der Ordnung; denn hier ist er zum Stemmschwanz geworden und hat damit eine Bedeutung erlangt, welche ohne Gleichen ist innerhalb der ganzen Klasse: er dient nicht allein als Steuerruder des fliegenden, sondern auch als Stütze des senkrechte Flächen erkletternden Vogels. Das Gefieder läßt sich im allgemeinen nicht beschreiben; denn wenn man auch behaupten darf, daß eine gewisse Ueberein- stimmung nachgewiesen werden kann, so bezieht sich Das doch immer nur auf einzelne Gruppen, nicht auf die Gesammtheit der Ordnung. Bei den einen liegen die Federn glatt, bei den andern locker an; bei diesen ist die Färbung düster, erd- oder baumrindefarbig, jene prangen in köstlichen Farben und wetteifern mit den schimmerndsten, glänzendsten Vögeln überhaupt; bei einzelnen ähneln sich die Geschlechter, bei vielen unterscheiden sie sich sehr wesentlich etc. Die Eigenthümlich- keiten des inneren Baues können hier nicht besprochen werden; das Wichtigste soll bei Beschreibung der einzelnen Familien eine Stelle finden.
Unter den Sinnen steht das Gesicht noch entschieden oben an; als demnächst entwickeltster Sinn aber dürfte das Gefühl, welches hier als Tastsinn aufgefaßt werden muß, zu bezeichnen sein. Die Zunge verliert bei den Klettervögeln theilweise ihre Bedeutung: sie ist weniger ein Werkzeug des Geschmacks, als ein solches des Tastsinns. Allerdings gibt es auch einzelne Dünnschnäbler, welche nur eine verkümmerte Zunge besitzen und füglich doch nicht dem Verbande der Klettervögel entrissen werden dürfen: sie aber sind Ausnahmen, welche die Regel kaum beeinträchtigen. Diese belehrt uns, daß die Zunge eine in hohem Grade beachtenswerthe, durchaus eigenthümliche Entwickelung zeigt. Bei den meisten Klettervögeln füllt sie nicht blos die Schnabelhöhlung vollständig aus, sondern kann auch noch weit über die Schnabelspitze vorgestreckt und ebensowohl zum Aufnehmen oder Anspießen bestimmter Gegenstände, wie zum Tasten gebraucht werden. Eine besondere Anlage des Zungenbeins und verschiedener Muskeln verleiht ihr Fähigkeiten, welche selten sind unter den gefiederten Rückgratthieren und in ähnlicher Weise überhaupt nur noch den Verwandten der Kletter- vögel, d. h. anderen Spähern zukommen. Diese Fähigkeiten können sehr verschiedene sein, wie die Zunge selbst verschieden ist: ihre Bedeutung aber bleibt im wesentlichen dieselbe. Das Gehör mag ungefähr auf derselben Höhe stehen, wie der Tastsinn. Ueber den Geschmack läßt sich schwer ein Urtheil fällen, weil man sich niemals klar wird, wie viel man bei hierauf bezüglichen Schluß- folgerungen auf Rechnung des Gefühls zu setzen hat. Der Geruch ist wahrscheinlich als der am wenigsten entwickelte Sinn zu bezeichnen, obwohl Manches für das Gegentheil zu sprechen scheint.
Das Gehirn ist verhältnißmäßig groß, für geistige Thätigkeit also die unumgänglich nöthige Grundlage vorhanden.
Entsprechend der Leibesbildung und den Begabungen der Klettervögel müssen Aufenthalt, Lebensweise, Wesen und Betragen sehr verschieden sein. Die Ordnung verbreitet sich über alle
1 *
Allgemeines.
haben, wenigſtens theilweiſe, ſo Vieles in Lebensart und Betragen mit einander gemein, daß ich jede Trennung, welche ſie von einanderreißt, für ungerechtfertigt anſehen muß, obgleich ich mir voll- kommen bewußt bin, daß einzelne z. B. entwickelte Singmuskeln haben, während dieſe andern fehlen, oder daß einige keineswegs in dem Sinne klettern, wie es die Spechte, Spechtmeiſen oder Baum- ſteiger thun. Verſchiedenheit im Bau des Leibes und dementſprechend auch in der Lebensweiſe wird unter den Angehörigen dieſer Ordnung ſelbſtverſtändlich ebenſogut bemerklich, wie bei den Gliedern anderer gleichwerthigen Abtheilungen.
Verſucht man die Klettervögel im allgemeinen zu kennzeichnen, ſo läßt ſich etwa Folgendes ſagen. Der Leib iſt geſtreckt, aber doch kräftig gebaut, der Hals kurz, der Kopf groß. Der Schnabel iſt mittellang oder ſehr lang, keilförmig und ſtark oder gebogen und ſchwach. Die Füße ſind kurz- läufig, aber langzeihig. Die Zehen ſind entweder regelmäßig geordnet oder paarig geſtellt, aus- nahmsweiſe auch von vier auf drei verringert, ohne daß man ſagen könnte verkümmert; die Nägel, welche ſie bewehren, zeichnen ſich aus durch Größe, Wölbung und Schärfe. Der Flügel iſt mittel- lang und gerundet, zuweilen ſehr breit, niemals ſchmal und ſpitz. Der Schwanz kann ſehr verſchieden gebildet ſein. Bezeichnend erſcheint er bei den vollendetſten Geſtalten der Ordnung; denn hier iſt er zum Stemmſchwanz geworden und hat damit eine Bedeutung erlangt, welche ohne Gleichen iſt innerhalb der ganzen Klaſſe: er dient nicht allein als Steuerruder des fliegenden, ſondern auch als Stütze des ſenkrechte Flächen erkletternden Vogels. Das Gefieder läßt ſich im allgemeinen nicht beſchreiben; denn wenn man auch behaupten darf, daß eine gewiſſe Ueberein- ſtimmung nachgewieſen werden kann, ſo bezieht ſich Das doch immer nur auf einzelne Gruppen, nicht auf die Geſammtheit der Ordnung. Bei den einen liegen die Federn glatt, bei den andern locker an; bei dieſen iſt die Färbung düſter, erd- oder baumrindefarbig, jene prangen in köſtlichen Farben und wetteifern mit den ſchimmerndſten, glänzendſten Vögeln überhaupt; bei einzelnen ähneln ſich die Geſchlechter, bei vielen unterſcheiden ſie ſich ſehr weſentlich ꝛc. Die Eigenthümlich- keiten des inneren Baues können hier nicht beſprochen werden; das Wichtigſte ſoll bei Beſchreibung der einzelnen Familien eine Stelle finden.
Unter den Sinnen ſteht das Geſicht noch entſchieden oben an; als demnächſt entwickeltſter Sinn aber dürfte das Gefühl, welches hier als Taſtſinn aufgefaßt werden muß, zu bezeichnen ſein. Die Zunge verliert bei den Klettervögeln theilweiſe ihre Bedeutung: ſie iſt weniger ein Werkzeug des Geſchmacks, als ein ſolches des Taſtſinns. Allerdings gibt es auch einzelne Dünnſchnäbler, welche nur eine verkümmerte Zunge beſitzen und füglich doch nicht dem Verbande der Klettervögel entriſſen werden dürfen: ſie aber ſind Ausnahmen, welche die Regel kaum beeinträchtigen. Dieſe belehrt uns, daß die Zunge eine in hohem Grade beachtenswerthe, durchaus eigenthümliche Entwickelung zeigt. Bei den meiſten Klettervögeln füllt ſie nicht blos die Schnabelhöhlung vollſtändig aus, ſondern kann auch noch weit über die Schnabelſpitze vorgeſtreckt und ebenſowohl zum Aufnehmen oder Anſpießen beſtimmter Gegenſtände, wie zum Taſten gebraucht werden. Eine beſondere Anlage des Zungenbeins und verſchiedener Muskeln verleiht ihr Fähigkeiten, welche ſelten ſind unter den gefiederten Rückgratthieren und in ähnlicher Weiſe überhaupt nur noch den Verwandten der Kletter- vögel, d. h. anderen Spähern zukommen. Dieſe Fähigkeiten können ſehr verſchiedene ſein, wie die Zunge ſelbſt verſchieden iſt: ihre Bedeutung aber bleibt im weſentlichen dieſelbe. Das Gehör mag ungefähr auf derſelben Höhe ſtehen, wie der Taſtſinn. Ueber den Geſchmack läßt ſich ſchwer ein Urtheil fällen, weil man ſich niemals klar wird, wie viel man bei hierauf bezüglichen Schluß- folgerungen auf Rechnung des Gefühls zu ſetzen hat. Der Geruch iſt wahrſcheinlich als der am wenigſten entwickelte Sinn zu bezeichnen, obwohl Manches für das Gegentheil zu ſprechen ſcheint.
Das Gehirn iſt verhältnißmäßig groß, für geiſtige Thätigkeit alſo die unumgänglich nöthige Grundlage vorhanden.
Entſprechend der Leibesbildung und den Begabungen der Klettervögel müſſen Aufenthalt, Lebensweiſe, Weſen und Betragen ſehr verſchieden ſein. Die Ordnung verbreitet ſich über alle
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Allgemeines.
haben, wenigſtens theilweiſe, ſo Vieles in Lebensart und Betragen mit einander gemein, daß ich
jede Trennung, welche ſie von einanderreißt, für ungerechtfertigt anſehen muß, obgleich ich mir voll-
kommen bewußt bin, daß einzelne z. B. entwickelte Singmuskeln haben, während dieſe andern fehlen,
oder daß einige keineswegs in dem Sinne klettern, wie es die Spechte, Spechtmeiſen oder Baum-
ſteiger thun. Verſchiedenheit im Bau des Leibes und dementſprechend auch in der Lebensweiſe wird
unter den Angehörigen dieſer Ordnung ſelbſtverſtändlich ebenſogut bemerklich, wie bei den Gliedern
anderer gleichwerthigen Abtheilungen.
Verſucht man die Klettervögel im allgemeinen zu kennzeichnen, ſo läßt ſich etwa Folgendes
ſagen. Der Leib iſt geſtreckt, aber doch kräftig gebaut, der Hals kurz, der Kopf groß. Der Schnabel
iſt mittellang oder ſehr lang, keilförmig und ſtark oder gebogen und ſchwach. Die Füße ſind kurz-
läufig, aber langzeihig. Die Zehen ſind entweder regelmäßig geordnet oder paarig geſtellt, aus-
nahmsweiſe auch von vier auf drei verringert, ohne daß man ſagen könnte verkümmert; die Nägel,
welche ſie bewehren, zeichnen ſich aus durch Größe, Wölbung und Schärfe. Der Flügel iſt mittel-
lang und gerundet, zuweilen ſehr breit, niemals ſchmal und ſpitz. Der Schwanz kann ſehr
verſchieden gebildet ſein. Bezeichnend erſcheint er bei den vollendetſten Geſtalten der Ordnung; denn
hier iſt er zum Stemmſchwanz geworden und hat damit eine Bedeutung erlangt, welche ohne
Gleichen iſt innerhalb der ganzen Klaſſe: er dient nicht allein als Steuerruder des fliegenden,
ſondern auch als Stütze des ſenkrechte Flächen erkletternden Vogels. Das Gefieder läßt ſich im
allgemeinen nicht beſchreiben; denn wenn man auch behaupten darf, daß eine gewiſſe Ueberein-
ſtimmung nachgewieſen werden kann, ſo bezieht ſich Das doch immer nur auf einzelne Gruppen,
nicht auf die Geſammtheit der Ordnung. Bei den einen liegen die Federn glatt, bei den andern
locker an; bei dieſen iſt die Färbung düſter, erd- oder baumrindefarbig, jene prangen in köſtlichen
Farben und wetteifern mit den ſchimmerndſten, glänzendſten Vögeln überhaupt; bei einzelnen
ähneln ſich die Geſchlechter, bei vielen unterſcheiden ſie ſich ſehr weſentlich ꝛc. Die Eigenthümlich-
keiten des inneren Baues können hier nicht beſprochen werden; das Wichtigſte ſoll bei Beſchreibung
der einzelnen Familien eine Stelle finden.
Unter den Sinnen ſteht das Geſicht noch entſchieden oben an; als demnächſt entwickeltſter Sinn
aber dürfte das Gefühl, welches hier als Taſtſinn aufgefaßt werden muß, zu bezeichnen ſein. Die
Zunge verliert bei den Klettervögeln theilweiſe ihre Bedeutung: ſie iſt weniger ein Werkzeug des
Geſchmacks, als ein ſolches des Taſtſinns. Allerdings gibt es auch einzelne Dünnſchnäbler, welche
nur eine verkümmerte Zunge beſitzen und füglich doch nicht dem Verbande der Klettervögel entriſſen
werden dürfen: ſie aber ſind Ausnahmen, welche die Regel kaum beeinträchtigen. Dieſe belehrt
uns, daß die Zunge eine in hohem Grade beachtenswerthe, durchaus eigenthümliche Entwickelung
zeigt. Bei den meiſten Klettervögeln füllt ſie nicht blos die Schnabelhöhlung vollſtändig aus,
ſondern kann auch noch weit über die Schnabelſpitze vorgeſtreckt und ebenſowohl zum Aufnehmen
oder Anſpießen beſtimmter Gegenſtände, wie zum Taſten gebraucht werden. Eine beſondere Anlage
des Zungenbeins und verſchiedener Muskeln verleiht ihr Fähigkeiten, welche ſelten ſind unter den
gefiederten Rückgratthieren und in ähnlicher Weiſe überhaupt nur noch den Verwandten der Kletter-
vögel, d. h. anderen Spähern zukommen. Dieſe Fähigkeiten können ſehr verſchiedene ſein, wie die
Zunge ſelbſt verſchieden iſt: ihre Bedeutung aber bleibt im weſentlichen dieſelbe. Das Gehör mag
ungefähr auf derſelben Höhe ſtehen, wie der Taſtſinn. Ueber den Geſchmack läßt ſich ſchwer ein
Urtheil fällen, weil man ſich niemals klar wird, wie viel man bei hierauf bezüglichen Schluß-
folgerungen auf Rechnung des Gefühls zu ſetzen hat. Der Geruch iſt wahrſcheinlich als der am
wenigſten entwickelte Sinn zu bezeichnen, obwohl Manches für das Gegentheil zu ſprechen ſcheint.
Das Gehirn iſt verhältnißmäßig groß, für geiſtige Thätigkeit alſo die unumgänglich nöthige
Grundlage vorhanden.
Entſprechend der Leibesbildung und den Begabungen der Klettervögel müſſen Aufenthalt,
Lebensweiſe, Weſen und Betragen ſehr verſchieden ſein. Die Ordnung verbreitet ſich über alle
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/15>, abgerufen am 24.11.2024.
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