"Nebst dem Bau der Kolibrinester selbst ist zugleich ihre Lage und Stellung verschiedenartig. Manche Arten binden sich hierin an bestimmte Punkte. So steht z. B. das Nest des weißhälsigen Kolibris, welches man schon bei Rio de Janeiro in den Gärten der Vorstädte findet, immer nur auf einem wagerechten Gabelaste. Es ist hier gleichsam in die Gabel von oben her eingeklemmt, sodaß die Gabeläste neben ihm wagerecht fortlaufen oder seltener schief aufsteigen. Jch habe selbst mehrere solcher Nester gefunden und glaube bemerkt zu haben, daß die Wahl des Baumes mit Bedacht geschieht, indem der Vogel womöglich auf diesem oder jenem, aber auf keinem andern Baume zu bauen sucht. Eine andere Art befestigt ihr Nest immer nur zwischen den mächtigen, in großen Bogen überhängenden Wedeln von mannshohen Farrenkräutern, welche auf schlechtem Boden an den Bergen wuchern und weite Strecken verlassenen Ackerbaugrundes zu überziehen pflegen. Unter diesen Wedeln, nah der Spitze, pflegt der kleine Vogel durch festes Verbinden der sich berührenden Blatttheile sein Nestchen zu gründen. Es steht hier wie in einer grünenden Tasche. Die meisten Arten hingegen klemmen das ihrige zwischen senkrecht stehende Halme oder feine Zweige ein. Jch besitze mehrere, welche zwischen die steifen Rohrstengel der wilden Gräser eingelassen sind und nun die verschiedenen Stengel durch Umbauen derselben als Stützen oder Träger des Baues vereinigen. Einige dagegen sind auch sehr locker und ohne große Auswahl der Stelle angebracht, sodaß es mir viele Mühe gekostet hat, sie unversehrt in eine dem natürlichen Stande entsprechende Lage zu bringen. Das Nest einer andern Art besteht größtentheils aus feinen Wurzelfasern und ist lichter als das andere gewebt."
Von dem Neste des Topaskolibri berichtet Schomburgk, daß es gewöhnlich in einem kleinen Gabelzweige von Stämmchen, die sich über den Fluß beugen oder in die von diesen herabhängenden Schlingpflanzen eingebaut wird. "Außen hat das Nest die Färbung von gegerbtem Leder, und in Bezug auf die Masse ähnelt es dem Feuerschwamm. Damit nun aber, wenn der Wind die dünnen Zweige schüttelt, weder die Eier noch die Jungen herausfallen, so haben die vorsichtigen Eltern das Nest mit einem breiten Rande versehen, welcher nach ihnen umgebogen ist." Aus Salvin's Angabe geht hervor, daß wenigstens bei einigen Arten das Männchen sich am Bau des Nestes betheiligt; denn jener Kobibri, welcher ihm die Baumwolle vor seinen Augen wegnahm, war, wie er sagt, ein Männchen. Jm allgemeinen aber scheint das Weibchen doch den größten Theil der Arbeit verrichten zu müssen. Auch hierüber belehrt uns Gosse nach eigener Erfahrung. Er erzählt, daß er beim Nester- und Eiersuchen plötzlich das Geschwirr eines Kolibri vernahm und auf- schauend ein Weibchen gewahrte, welches eine Menge von Pflanzenwolle im Schnabel trug. "Erschreckt durch meinen Anblick, zog es sich nach einem wenig Schritte von mir entfernten Zweige zurück. Jch ließ mich augenblicklich zwischen den Felsblöcken nieder und blieb voll- kommen still. Nach wenigen Augenblicken kam es wieder, und nachdem es eine kurze Weile hinter einem von den Blöcken verschwunden war, erhob es sich von neuem und flog auf. Jch untersuchte den Ort und fand zu meiner Freude ein neues, noch unvollendetes Nest, welches ich von meinem Platze aus sehen konnte. Nun wartete ich bewegungslos auf die Rückkehr des Vogels. Jch hatte nicht lange zu harren. Ein lautes "Wirr", und das Weibchen war da und hing in der Luft vor seinem Neste. Es erspähete mich, kam augenblicklich herbei und schwebte meinem Gesicht gegenüber in einer Entfernung von kaum einem Fuß. Jch verhielt mich still. Es setzte sich auf den Zweig, ordnete sein Gefieder, reinigte den Schnabel von den Baumwollfasern, erhob sich endlich und flog gegen einen Felsen an, welcher dick mit zartem, trockenen Mos überkleidet war. Hier erhielt es sich schwebend, wie vor einer Blume, und begann nun Mos zu rupfen, bis es ein ziemliches Bündel davon im Schnabel hatte. Damit flog es zum Neste zurück und, nachdem es sich in dasselbe gesetzt, bemühete es sich, den neuen Stoff unterzubringen, indem es das Ganze mit dem Schnabel preßte, ordnete und verwob, während es gleichzeitig die Mulde durch Drücken mit der Brust und Herumdrehen rundete. Meine Gegenwart schien kein Hinderniß mehr zu sein, obgleich ich nur wenige Fuß entfernt war. Schließlich erhob sich das Vögelchen, und ich verließ den Platz ebenfalls.
Die Späher. Schwirrvögel.
„Nebſt dem Bau der Kolibrineſter ſelbſt iſt zugleich ihre Lage und Stellung verſchiedenartig. Manche Arten binden ſich hierin an beſtimmte Punkte. So ſteht z. B. das Neſt des weißhälſigen Kolibris, welches man ſchon bei Rio de Janeiro in den Gärten der Vorſtädte findet, immer nur auf einem wagerechten Gabelaſte. Es iſt hier gleichſam in die Gabel von oben her eingeklemmt, ſodaß die Gabeläſte neben ihm wagerecht fortlaufen oder ſeltener ſchief aufſteigen. Jch habe ſelbſt mehrere ſolcher Neſter gefunden und glaube bemerkt zu haben, daß die Wahl des Baumes mit Bedacht geſchieht, indem der Vogel womöglich auf dieſem oder jenem, aber auf keinem andern Baume zu bauen ſucht. Eine andere Art befeſtigt ihr Neſt immer nur zwiſchen den mächtigen, in großen Bogen überhängenden Wedeln von mannshohen Farrenkräutern, welche auf ſchlechtem Boden an den Bergen wuchern und weite Strecken verlaſſenen Ackerbaugrundes zu überziehen pflegen. Unter dieſen Wedeln, nah der Spitze, pflegt der kleine Vogel durch feſtes Verbinden der ſich berührenden Blatttheile ſein Neſtchen zu gründen. Es ſteht hier wie in einer grünenden Taſche. Die meiſten Arten hingegen klemmen das ihrige zwiſchen ſenkrecht ſtehende Halme oder feine Zweige ein. Jch beſitze mehrere, welche zwiſchen die ſteifen Rohrſtengel der wilden Gräſer eingelaſſen ſind und nun die verſchiedenen Stengel durch Umbauen derſelben als Stützen oder Träger des Baues vereinigen. Einige dagegen ſind auch ſehr locker und ohne große Auswahl der Stelle angebracht, ſodaß es mir viele Mühe gekoſtet hat, ſie unverſehrt in eine dem natürlichen Stande entſprechende Lage zu bringen. Das Neſt einer andern Art beſteht größtentheils aus feinen Wurzelfaſern und iſt lichter als das andere gewebt.“
Von dem Neſte des Topaskolibri berichtet Schomburgk, daß es gewöhnlich in einem kleinen Gabelzweige von Stämmchen, die ſich über den Fluß beugen oder in die von dieſen herabhängenden Schlingpflanzen eingebaut wird. „Außen hat das Neſt die Färbung von gegerbtem Leder, und in Bezug auf die Maſſe ähnelt es dem Feuerſchwamm. Damit nun aber, wenn der Wind die dünnen Zweige ſchüttelt, weder die Eier noch die Jungen herausfallen, ſo haben die vorſichtigen Eltern das Neſt mit einem breiten Rande verſehen, welcher nach ihnen umgebogen iſt.“ Aus Salvin’s Angabe geht hervor, daß wenigſtens bei einigen Arten das Männchen ſich am Bau des Neſtes betheiligt; denn jener Kobibri, welcher ihm die Baumwolle vor ſeinen Augen wegnahm, war, wie er ſagt, ein Männchen. Jm allgemeinen aber ſcheint das Weibchen doch den größten Theil der Arbeit verrichten zu müſſen. Auch hierüber belehrt uns Goſſe nach eigener Erfahrung. Er erzählt, daß er beim Neſter- und Eierſuchen plötzlich das Geſchwirr eines Kolibri vernahm und auf- ſchauend ein Weibchen gewahrte, welches eine Menge von Pflanzenwolle im Schnabel trug. „Erſchreckt durch meinen Anblick, zog es ſich nach einem wenig Schritte von mir entfernten Zweige zurück. Jch ließ mich augenblicklich zwiſchen den Felsblöcken nieder und blieb voll- kommen ſtill. Nach wenigen Augenblicken kam es wieder, und nachdem es eine kurze Weile hinter einem von den Blöcken verſchwunden war, erhob es ſich von neuem und flog auf. Jch unterſuchte den Ort und fand zu meiner Freude ein neues, noch unvollendetes Neſt, welches ich von meinem Platze aus ſehen konnte. Nun wartete ich bewegungslos auf die Rückkehr des Vogels. Jch hatte nicht lange zu harren. Ein lautes „Wirr“, und das Weibchen war da und hing in der Luft vor ſeinem Neſte. Es erſpähete mich, kam augenblicklich herbei und ſchwebte meinem Geſicht gegenüber in einer Entfernung von kaum einem Fuß. Jch verhielt mich ſtill. Es ſetzte ſich auf den Zweig, ordnete ſein Gefieder, reinigte den Schnabel von den Baumwollfaſern, erhob ſich endlich und flog gegen einen Felſen an, welcher dick mit zartem, trockenen Mos überkleidet war. Hier erhielt es ſich ſchwebend, wie vor einer Blume, und begann nun Mos zu rupfen, bis es ein ziemliches Bündel davon im Schnabel hatte. Damit flog es zum Neſte zurück und, nachdem es ſich in daſſelbe geſetzt, bemühete es ſich, den neuen Stoff unterzubringen, indem es das Ganze mit dem Schnabel preßte, ordnete und verwob, während es gleichzeitig die Mulde durch Drücken mit der Bruſt und Herumdrehen rundete. Meine Gegenwart ſchien kein Hinderniß mehr zu ſein, obgleich ich nur wenige Fuß entfernt war. Schließlich erhob ſich das Vögelchen, und ich verließ den Platz ebenfalls.
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Die Späher. Schwirrvögel.
„Nebſt dem Bau der Kolibrineſter ſelbſt iſt zugleich ihre Lage und Stellung verſchiedenartig.
Manche Arten binden ſich hierin an beſtimmte Punkte. So ſteht z. B. das Neſt des weißhälſigen
Kolibris, welches man ſchon bei Rio de Janeiro in den Gärten der Vorſtädte findet, immer nur auf
einem wagerechten Gabelaſte. Es iſt hier gleichſam in die Gabel von oben her eingeklemmt, ſodaß
die Gabeläſte neben ihm wagerecht fortlaufen oder ſeltener ſchief aufſteigen. Jch habe ſelbſt mehrere
ſolcher Neſter gefunden und glaube bemerkt zu haben, daß die Wahl des Baumes mit Bedacht
geſchieht, indem der Vogel womöglich auf dieſem oder jenem, aber auf keinem andern Baume zu
bauen ſucht. Eine andere Art befeſtigt ihr Neſt immer nur zwiſchen den mächtigen, in großen
Bogen überhängenden Wedeln von mannshohen Farrenkräutern, welche auf ſchlechtem Boden an
den Bergen wuchern und weite Strecken verlaſſenen Ackerbaugrundes zu überziehen pflegen. Unter
dieſen Wedeln, nah der Spitze, pflegt der kleine Vogel durch feſtes Verbinden der ſich berührenden
Blatttheile ſein Neſtchen zu gründen. Es ſteht hier wie in einer grünenden Taſche. Die meiſten
Arten hingegen klemmen das ihrige zwiſchen ſenkrecht ſtehende Halme oder feine Zweige ein. Jch
beſitze mehrere, welche zwiſchen die ſteifen Rohrſtengel der wilden Gräſer eingelaſſen ſind und nun
die verſchiedenen Stengel durch Umbauen derſelben als Stützen oder Träger des Baues vereinigen.
Einige dagegen ſind auch ſehr locker und ohne große Auswahl der Stelle angebracht, ſodaß es mir
viele Mühe gekoſtet hat, ſie unverſehrt in eine dem natürlichen Stande entſprechende Lage zu
bringen. Das Neſt einer andern Art beſteht größtentheils aus feinen Wurzelfaſern und iſt lichter
als das andere gewebt.“
Von dem Neſte des Topaskolibri berichtet Schomburgk, daß es gewöhnlich in einem kleinen
Gabelzweige von Stämmchen, die ſich über den Fluß beugen oder in die von dieſen herabhängenden
Schlingpflanzen eingebaut wird. „Außen hat das Neſt die Färbung von gegerbtem Leder, und in
Bezug auf die Maſſe ähnelt es dem Feuerſchwamm. Damit nun aber, wenn der Wind die dünnen
Zweige ſchüttelt, weder die Eier noch die Jungen herausfallen, ſo haben die vorſichtigen Eltern das
Neſt mit einem breiten Rande verſehen, welcher nach ihnen umgebogen iſt.“ Aus Salvin’s
Angabe geht hervor, daß wenigſtens bei einigen Arten das Männchen ſich am Bau des Neſtes
betheiligt; denn jener Kobibri, welcher ihm die Baumwolle vor ſeinen Augen wegnahm, war, wie er
ſagt, ein Männchen. Jm allgemeinen aber ſcheint das Weibchen doch den größten Theil der
Arbeit verrichten zu müſſen. Auch hierüber belehrt uns Goſſe nach eigener Erfahrung. Er
erzählt, daß er beim Neſter- und Eierſuchen plötzlich das Geſchwirr eines Kolibri vernahm und auf-
ſchauend ein Weibchen gewahrte, welches eine Menge von Pflanzenwolle im Schnabel trug.
„Erſchreckt durch meinen Anblick, zog es ſich nach einem wenig Schritte von mir entfernten
Zweige zurück. Jch ließ mich augenblicklich zwiſchen den Felsblöcken nieder und blieb voll-
kommen ſtill. Nach wenigen Augenblicken kam es wieder, und nachdem es eine kurze Weile hinter
einem von den Blöcken verſchwunden war, erhob es ſich von neuem und flog auf. Jch unterſuchte
den Ort und fand zu meiner Freude ein neues, noch unvollendetes Neſt, welches ich von meinem
Platze aus ſehen konnte. Nun wartete ich bewegungslos auf die Rückkehr des Vogels. Jch hatte
nicht lange zu harren. Ein lautes „Wirr“, und das Weibchen war da und hing in der Luft vor
ſeinem Neſte. Es erſpähete mich, kam augenblicklich herbei und ſchwebte meinem Geſicht gegenüber
in einer Entfernung von kaum einem Fuß. Jch verhielt mich ſtill. Es ſetzte ſich auf den Zweig,
ordnete ſein Gefieder, reinigte den Schnabel von den Baumwollfaſern, erhob ſich endlich und flog
gegen einen Felſen an, welcher dick mit zartem, trockenen Mos überkleidet war. Hier erhielt es ſich
ſchwebend, wie vor einer Blume, und begann nun Mos zu rupfen, bis es ein ziemliches Bündel
davon im Schnabel hatte. Damit flog es zum Neſte zurück und, nachdem es ſich in daſſelbe
geſetzt, bemühete es ſich, den neuen Stoff unterzubringen, indem es das Ganze mit dem Schnabel
preßte, ordnete und verwob, während es gleichzeitig die Mulde durch Drücken mit der Bruſt und
Herumdrehen rundete. Meine Gegenwart ſchien kein Hinderniß mehr zu ſein, obgleich ich nur
wenige Fuß entfernt war. Schließlich erhob ſich das Vögelchen, und ich verließ den Platz ebenfalls.
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/140>, abgerufen am 23.11.2024.
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