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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Die Späher. Schwirrvögel.
Stimme erschallen. Nach wenigen Minuten kehrte der Verfolgte von neuem zurück, schrie heraus-
fordernd, und augenblicklich begann der Kampf von neuem. Jch war überzeugt, daß dieses
Zusammentreffen durchaus feindlich war; denn der eine schien sich entschieden vor dem andern zu
fürchten und floh, während dieser ihn verfolgte, obwohl er eine neue Herausforderung nicht unter-
lassen konnte. Wenn ein Kampf vorüber war, und der eine ausruhete, sah ich, daß er seinen
Schnabel geöffnet hatte, als ob er nach Luft schnappe. Zuweilen wurden die Feindseligkeiten unter-
brochen und einige Blüthen untersucht, aber eine gegenseitige Annäherung brachte sie dann wieder
an einander, und der Zank begann von neuem. Ein kleiner Pitpit (Certhiola flaveola),
welcher zwischen den Blüthen umherhüpfte und still seines Weges ging, schien ab und zu mit Ver-
wunderung auf die Streiter zu sehen; als aber einer von diesen seinen Gegner in die Flucht
geschlagen hatte, stürzte er sich plötzlich auf den harmlosen Blumenvogel, welcher nun schleunigst
sich zurückziehen mußte. Der Krieg, -- denn es war ein wirklicher Feldzug, eine regelmäßige Folge
von Kämpfen, -- dauerte eine volle Stunde." Bullock erzählt, daß einzelne Kolibris von einem
Baume Besitz nehmen und in dessen Nähe jeden anderen Vogel, und wäre derselbe zehnmal so groß,
als sie, wüthend anfallen und regelmäßig in die Flucht schlagen. Seiner Ansicht nach soll der
Schwirrvogel seinen nadelscharfen Schnabel beim Angriff gegen die Augen anderer Vögel richten
und diese zu eiligem Rückzuge nöthigen. Salvin versichert, daß einzelne durch ihre Kampfluft dem
Jäger oft die Jagd vereiteln, weil sie alle andern Kolibris, welche sich ihrem Aufenthaltsorte nähern,
in die Flucht treiben. "Es schien mir", meint jener Deutschamerikaner, "daß Kampf und Streit
ihr Hauptgeschäft sei. Kaum hatte einer von ihnen seinen langen Schnabel in eine Blume gesteckt,
so gefiel dieselbe Blume einem anderen besser und das Duell begann auf der Stelle. Zuweilen
flogen sie dabei, wie zwei um einander herumwirbelnde Funken einer Feueresse, so hoch in die Luft,
daß sie unseren Blicken entschwanden."

Dem Menschen gegenüber zeigen sich die Schwirrvögel im hohen Grade zutraulich. Sie sind
durchaus nicht scheu, lassen sich in größter Nähe betrachten, fliegen ohne Bedenken dicht vor dem
Auge des Beobachters hin und her und verweilen, so lange dieser sich ruhig verhält, ohne jegliche
Besorgniß. Gosse sagt, daß sie sehr neugierig sind und zu einem Gegenstand, welcher ihnen auf-
fällt, herbeikommen. Audubon und nach ihm Burmeister erwähnen, daß sie häufig in das
Jnnere der Zimmer fliegen, angelockt durch Blumensträuße, welche hier aufgestellt wurden;
Salvin berichtet, daß das Männchen eines Pärchens, welches eben ein Nest bauen wollte, ihm
Baumwolle, so zu sagen, unter den Händen wegnahm; der Prinz beobachtete, daß sie im
Jnnern eines Zimmers, zu welchem man sie ungestört gelangen ließ, ihr Nest erbauten.

Zur Zeit ist es noch nicht entschieden, ob die Paare während des ganzen Jahres zusammen-
halten oder ob sie sich nur gegen die Nistzeit hin vereinigen. Diese ist sehr verschieden, je nach der
Gegend. Bei denjenigen Arten, welche wandern, fällt sie mit dem Frühling zusammen, bei den
mittelamerikanischen Arten steht sie im Einklang mit der Blüthezeit. Einzelne Arten scheinen sich
übrigens gar nicht an eine bestimmte Zeit zu binden: Gosse versichert ausdrücklich, daß er in jedem
Monat des Jahres frische Nester des Kappenkolibris gefunden habe. "Soweit als meine Erfahrung
reicht", sagt er, "brüten die meisten im Juni, während Hill den Januar als die eigentliche Brut-
zeit annimmt." Wahrscheinlich nisten die meisten Arten zweimal im Jahre.

Die Liebe erregt auch die Schwirrvögel. Sie zeigen sich gegen die Paarzeit hin noch einmal
so lebendig und noch einmal so kampflustig als sonst. "Nichts", sagt Bullock, "kann die Wildheit
erreichen, welche sie bekunden, wenn ein anderes Männchen derselben Art sich während der
Brütezeit dem Standorte eines Paares nähert. Unter dem Einfluß der Eifersucht werden sie
geradezu wüthend, und sie kämpfen jetzt mit einander, bis einer der Gegner entseelt zu Boden fällt.
Jch habe einen derartigen Kampf mit angesehen und zwar während eines schweren Regens, dessen
Tropfen meiner Ansicht nach genügend sein mußten, die wüthenden Kämpfer zu Boden zu schlagen."
Eine anmuthige Schilderung gibt Audubon. "Jch wünschte", sagt er, "daß ich auch Andere des

Die Späher. Schwirrvögel.
Stimme erſchallen. Nach wenigen Minuten kehrte der Verfolgte von neuem zurück, ſchrie heraus-
fordernd, und augenblicklich begann der Kampf von neuem. Jch war überzeugt, daß dieſes
Zuſammentreffen durchaus feindlich war; denn der eine ſchien ſich entſchieden vor dem andern zu
fürchten und floh, während dieſer ihn verfolgte, obwohl er eine neue Herausforderung nicht unter-
laſſen konnte. Wenn ein Kampf vorüber war, und der eine ausruhete, ſah ich, daß er ſeinen
Schnabel geöffnet hatte, als ob er nach Luft ſchnappe. Zuweilen wurden die Feindſeligkeiten unter-
brochen und einige Blüthen unterſucht, aber eine gegenſeitige Annäherung brachte ſie dann wieder
an einander, und der Zank begann von neuem. Ein kleiner Pitpit (Certhiola flaveola),
welcher zwiſchen den Blüthen umherhüpfte und ſtill ſeines Weges ging, ſchien ab und zu mit Ver-
wunderung auf die Streiter zu ſehen; als aber einer von dieſen ſeinen Gegner in die Flucht
geſchlagen hatte, ſtürzte er ſich plötzlich auf den harmloſen Blumenvogel, welcher nun ſchleunigſt
ſich zurückziehen mußte. Der Krieg, — denn es war ein wirklicher Feldzug, eine regelmäßige Folge
von Kämpfen, — dauerte eine volle Stunde.“ Bullock erzählt, daß einzelne Kolibris von einem
Baume Beſitz nehmen und in deſſen Nähe jeden anderen Vogel, und wäre derſelbe zehnmal ſo groß,
als ſie, wüthend anfallen und regelmäßig in die Flucht ſchlagen. Seiner Anſicht nach ſoll der
Schwirrvogel ſeinen nadelſcharfen Schnabel beim Angriff gegen die Augen anderer Vögel richten
und dieſe zu eiligem Rückzuge nöthigen. Salvin verſichert, daß einzelne durch ihre Kampfluft dem
Jäger oft die Jagd vereiteln, weil ſie alle andern Kolibris, welche ſich ihrem Aufenthaltsorte nähern,
in die Flucht treiben. „Es ſchien mir“, meint jener Deutſchamerikaner, „daß Kampf und Streit
ihr Hauptgeſchäft ſei. Kaum hatte einer von ihnen ſeinen langen Schnabel in eine Blume geſteckt,
ſo gefiel dieſelbe Blume einem anderen beſſer und das Duell begann auf der Stelle. Zuweilen
flogen ſie dabei, wie zwei um einander herumwirbelnde Funken einer Feuereſſe, ſo hoch in die Luft,
daß ſie unſeren Blicken entſchwanden.“

Dem Menſchen gegenüber zeigen ſich die Schwirrvögel im hohen Grade zutraulich. Sie ſind
durchaus nicht ſcheu, laſſen ſich in größter Nähe betrachten, fliegen ohne Bedenken dicht vor dem
Auge des Beobachters hin und her und verweilen, ſo lange dieſer ſich ruhig verhält, ohne jegliche
Beſorgniß. Goſſe ſagt, daß ſie ſehr neugierig ſind und zu einem Gegenſtand, welcher ihnen auf-
fällt, herbeikommen. Audubon und nach ihm Burmeiſter erwähnen, daß ſie häufig in das
Jnnere der Zimmer fliegen, angelockt durch Blumenſträuße, welche hier aufgeſtellt wurden;
Salvin berichtet, daß das Männchen eines Pärchens, welches eben ein Neſt bauen wollte, ihm
Baumwolle, ſo zu ſagen, unter den Händen wegnahm; der Prinz beobachtete, daß ſie im
Jnnern eines Zimmers, zu welchem man ſie ungeſtört gelangen ließ, ihr Neſt erbauten.

Zur Zeit iſt es noch nicht entſchieden, ob die Paare während des ganzen Jahres zuſammen-
halten oder ob ſie ſich nur gegen die Niſtzeit hin vereinigen. Dieſe iſt ſehr verſchieden, je nach der
Gegend. Bei denjenigen Arten, welche wandern, fällt ſie mit dem Frühling zuſammen, bei den
mittelamerikaniſchen Arten ſteht ſie im Einklang mit der Blüthezeit. Einzelne Arten ſcheinen ſich
übrigens gar nicht an eine beſtimmte Zeit zu binden: Goſſe verſichert ausdrücklich, daß er in jedem
Monat des Jahres friſche Neſter des Kappenkolibris gefunden habe. „Soweit als meine Erfahrung
reicht“, ſagt er, „brüten die meiſten im Juni, während Hill den Januar als die eigentliche Brut-
zeit annimmt.“ Wahrſcheinlich niſten die meiſten Arten zweimal im Jahre.

Die Liebe erregt auch die Schwirrvögel. Sie zeigen ſich gegen die Paarzeit hin noch einmal
ſo lebendig und noch einmal ſo kampfluſtig als ſonſt. „Nichts“, ſagt Bullock, „kann die Wildheit
erreichen, welche ſie bekunden, wenn ein anderes Männchen derſelben Art ſich während der
Brütezeit dem Standorte eines Paares nähert. Unter dem Einfluß der Eiferſucht werden ſie
geradezu wüthend, und ſie kämpfen jetzt mit einander, bis einer der Gegner entſeelt zu Boden fällt.
Jch habe einen derartigen Kampf mit angeſehen und zwar während eines ſchweren Regens, deſſen
Tropfen meiner Anſicht nach genügend ſein mußten, die wüthenden Kämpfer zu Boden zu ſchlagen.“
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[124/0138] Die Späher. Schwirrvögel. Stimme erſchallen. Nach wenigen Minuten kehrte der Verfolgte von neuem zurück, ſchrie heraus- fordernd, und augenblicklich begann der Kampf von neuem. Jch war überzeugt, daß dieſes Zuſammentreffen durchaus feindlich war; denn der eine ſchien ſich entſchieden vor dem andern zu fürchten und floh, während dieſer ihn verfolgte, obwohl er eine neue Herausforderung nicht unter- laſſen konnte. Wenn ein Kampf vorüber war, und der eine ausruhete, ſah ich, daß er ſeinen Schnabel geöffnet hatte, als ob er nach Luft ſchnappe. Zuweilen wurden die Feindſeligkeiten unter- brochen und einige Blüthen unterſucht, aber eine gegenſeitige Annäherung brachte ſie dann wieder an einander, und der Zank begann von neuem. Ein kleiner Pitpit (Certhiola flaveola), welcher zwiſchen den Blüthen umherhüpfte und ſtill ſeines Weges ging, ſchien ab und zu mit Ver- wunderung auf die Streiter zu ſehen; als aber einer von dieſen ſeinen Gegner in die Flucht geſchlagen hatte, ſtürzte er ſich plötzlich auf den harmloſen Blumenvogel, welcher nun ſchleunigſt ſich zurückziehen mußte. Der Krieg, — denn es war ein wirklicher Feldzug, eine regelmäßige Folge von Kämpfen, — dauerte eine volle Stunde.“ Bullock erzählt, daß einzelne Kolibris von einem Baume Beſitz nehmen und in deſſen Nähe jeden anderen Vogel, und wäre derſelbe zehnmal ſo groß, als ſie, wüthend anfallen und regelmäßig in die Flucht ſchlagen. Seiner Anſicht nach ſoll der Schwirrvogel ſeinen nadelſcharfen Schnabel beim Angriff gegen die Augen anderer Vögel richten und dieſe zu eiligem Rückzuge nöthigen. Salvin verſichert, daß einzelne durch ihre Kampfluft dem Jäger oft die Jagd vereiteln, weil ſie alle andern Kolibris, welche ſich ihrem Aufenthaltsorte nähern, in die Flucht treiben. „Es ſchien mir“, meint jener Deutſchamerikaner, „daß Kampf und Streit ihr Hauptgeſchäft ſei. Kaum hatte einer von ihnen ſeinen langen Schnabel in eine Blume geſteckt, ſo gefiel dieſelbe Blume einem anderen beſſer und das Duell begann auf der Stelle. Zuweilen flogen ſie dabei, wie zwei um einander herumwirbelnde Funken einer Feuereſſe, ſo hoch in die Luft, daß ſie unſeren Blicken entſchwanden.“ Dem Menſchen gegenüber zeigen ſich die Schwirrvögel im hohen Grade zutraulich. Sie ſind durchaus nicht ſcheu, laſſen ſich in größter Nähe betrachten, fliegen ohne Bedenken dicht vor dem Auge des Beobachters hin und her und verweilen, ſo lange dieſer ſich ruhig verhält, ohne jegliche Beſorgniß. Goſſe ſagt, daß ſie ſehr neugierig ſind und zu einem Gegenſtand, welcher ihnen auf- fällt, herbeikommen. Audubon und nach ihm Burmeiſter erwähnen, daß ſie häufig in das Jnnere der Zimmer fliegen, angelockt durch Blumenſträuße, welche hier aufgeſtellt wurden; Salvin berichtet, daß das Männchen eines Pärchens, welches eben ein Neſt bauen wollte, ihm Baumwolle, ſo zu ſagen, unter den Händen wegnahm; der Prinz beobachtete, daß ſie im Jnnern eines Zimmers, zu welchem man ſie ungeſtört gelangen ließ, ihr Neſt erbauten. Zur Zeit iſt es noch nicht entſchieden, ob die Paare während des ganzen Jahres zuſammen- halten oder ob ſie ſich nur gegen die Niſtzeit hin vereinigen. Dieſe iſt ſehr verſchieden, je nach der Gegend. Bei denjenigen Arten, welche wandern, fällt ſie mit dem Frühling zuſammen, bei den mittelamerikaniſchen Arten ſteht ſie im Einklang mit der Blüthezeit. Einzelne Arten ſcheinen ſich übrigens gar nicht an eine beſtimmte Zeit zu binden: Goſſe verſichert ausdrücklich, daß er in jedem Monat des Jahres friſche Neſter des Kappenkolibris gefunden habe. „Soweit als meine Erfahrung reicht“, ſagt er, „brüten die meiſten im Juni, während Hill den Januar als die eigentliche Brut- zeit annimmt.“ Wahrſcheinlich niſten die meiſten Arten zweimal im Jahre. Die Liebe erregt auch die Schwirrvögel. Sie zeigen ſich gegen die Paarzeit hin noch einmal ſo lebendig und noch einmal ſo kampfluſtig als ſonſt. „Nichts“, ſagt Bullock, „kann die Wildheit erreichen, welche ſie bekunden, wenn ein anderes Männchen derſelben Art ſich während der Brütezeit dem Standorte eines Paares nähert. Unter dem Einfluß der Eiferſucht werden ſie geradezu wüthend, und ſie kämpfen jetzt mit einander, bis einer der Gegner entſeelt zu Boden fällt. Jch habe einen derartigen Kampf mit angeſehen und zwar während eines ſchweren Regens, deſſen Tropfen meiner Anſicht nach genügend ſein mußten, die wüthenden Kämpfer zu Boden zu ſchlagen.“ Eine anmuthige Schilderung gibt Audubon. „Jch wünſchte“, ſagt er, „daß ich auch Andere des

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/138>, abgerufen am 23.11.2024.