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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Lebensweise der Schwirrvögel.
ob sie ihren Jagdgrund kennen lernen wollten. Dann begannen sie ihren Angriff, indem sie mit
Vorsicht unter das Netz der hinterlistigen Spinne flogen und nun plötzlich auf die kleinen, eingewickelten
Fliegen losschossen. Jede Bewegung erforderte die größte Sorgfalt; denn oft hatten sie kaum so viel
Raum, um ihre Flügel zu bewegen, und das geringste Versehen würde auch sie in die Spinnennetze
verwickelt und gefährdet haben. Uebrigens durften sie nur die Netze der kleinen Spinnen angreifen,
da die größeren zur Vertheidigung ihrer Festung herbeigestürzt kamen, sobald sie sich naheten. Geschah
Dies, so sah man den Belagerer wie einen Lichtstrahl aufschießen. Gewöhnlich brauchte der Kolibri
ungefähr zehn Minuten zu seinem Raubzuge." Uns Deutsche belehrte der Prinz von Wied zuerst
über die Nahrung der Kolibris. "Ohne die eben genannten Nachrichten", fährt er fort, "über die
Kerbthiernahrung unserer kleinen Vögel damals noch zu kennen, sprach ich mich über diesen Gegenstand
in der Beschreibung meiner brasilianischen Reise (1821) und bald darauf in der Jsis (1822) aus.
Jch bin ganz vollkommen hiervon überzeugt; denn selbst die Magen der kleinsten dieser Vögel fanden
wir mit Kerbthierresten vollgestopft, dagegen nie mit Pflanzenhonig angefüllt. Die Nahrung besteht,
meiner Ueberzeugung zufolge, in kleinen Käferchen, Spinnen, anderen Kerbthieren und dergleichen,
und die Zunge ist keine durchbrochene, zum Saugen geeignete Röhre .... Jhre beiden häutigen
Spitzen sind vollkommen geeignet, wenn sie in den Grund der Blumenröhre gebracht werden, die
daselbst besindlichen höchst kleinen Kerbthiere zu fühlen, zu ergreifen und bis in den Schnabel zurück-
zuziehen. Bei Eröffnung der Magen dieser kleinen Vögel überzeugt man sich bald von der Wahrheit
dieses Satzes; denn ich habe in denselben gewöhnlich die Ueberreste kleiner Käferchen gefunden, welche
sie oft gänzlich anfüllen. Daß man, wie bei Lesson zu lesen, die Schwirrvögel in gezähmtem Zustand
mit Honig oder Pflanzensäften erhalten haben will, ist kein Beweis, daß sie auch in der Freiheit eine
solche Nahrung zu sich nehmen. Jener gelehrte Reisende scheint übrigens auch gänzlich meiner Ansicht
über die Nahrung der Kolibris beizutreten. Der Engländer Rennie sprach sich noch neuerdings
meinen Beobachtungen durchaus entsprechend über diesen Gegenstand aus, und was er hierüber sagt,
ist sehr richtig." Ungefähr gleichzeitig mit dieser Angabe des Prinzen (1831) erschien Audubon's
ausgezeichnetes Werk. Jn ihm heißt es: "Die Nahrung besteht vorzugsweise aus Kerbthieren, haupt-
sächlich aus Käfern. Diese zusammen mit kleinen Fliegen werden gewöhnlich in ihrem Magen gefunden;
die ersteren werden von den Blumen gelesen, die letzteren im Fluge gefangen. Der Schwirrvogel
könnte deshalb als ausgezeichneter Fliegenfänger angesehen werden. Nektar oder Honig, welcher von
den verschiedenen Pflanzen aufgesogen wird, ist gewiß ungenügend, ihn zu erhalten; er dient vielleicht
mehr, um den Durst zu stillen. Von vielen dieser Vögel, welche in der Gefangenschaft gehalten und
mit Honig oder Zucker ernährt wurden, habe ich erfahren, daß sie selten mehrere Monate am Leben
blieben, und wenn sie dann untersucht wurden, fand man sie im höchsten Grade abgemagert; andere
hingegen, denen zweimal täglich frische Blumen aus den Wäldern oder aus den Gärten gebracht und
deren Gefängniß nur mit Gazenetzen, durch welche kleine Kerbthiere eindringen konnten, verschlossen
waren, lebten zwölf Monate und wurden dann noch frei gelassen." Unter den neuern Beobachtern
haben Gosse und Burmeister denselben Gegenstand ausführlicher beleuchtet. "Die Nahrung der
Kolibris", sagt der erstere (1847), "besteht, wie ich überzeugt bin, fast ausschließlich aus Kerbthieren.
Daß sie Blumennektar mit aufnehmen, will ich zugeben, und ebenso weiß ich, daß sie mit aufgelöstem
Zucker oder Honig in der Gefangenschaft eine Zeit lang hingehalten werden können; daß sie aber bei
dieser Nahrung leben bleiben, ja nur ihre Kraft behalten sollten, bezweifle ich entschieden. Jch habe
viele von allen hier (auf Jamaika) vorkommenden Arten zergliedert und unabänderlich den kleinen
Magen mit einer schwarzen Masse angefüllt gefunden, der, welche man in dem Magen der Sänger trifft,
täuschend ähnlich, mit einer Masse, welche, genauer untersucht, sich als die Ueberreste kleiner Kerb-
thiere erwies. Die Beobachtung Wilson's, daß der amerikanische Kolibri im Fluge fange, habe ich
bei unsern Arten sehr oft gemacht. Jch habe gesehen, daß der Mange vor Einbruch der Nacht die
Wipfel der Bäume, welche nicht in Blüthe standen, umflog und aus der Art seines Fluges schließen
können, daß er kleine Kerbthiere fing ... Der Grund der schnellen Drehungen des Kappenkolibris

Lebensweiſe der Schwirrvögel.
ob ſie ihren Jagdgrund kennen lernen wollten. Dann begannen ſie ihren Angriff, indem ſie mit
Vorſicht unter das Netz der hinterliſtigen Spinne flogen und nun plötzlich auf die kleinen, eingewickelten
Fliegen losſchoſſen. Jede Bewegung erforderte die größte Sorgfalt; denn oft hatten ſie kaum ſo viel
Raum, um ihre Flügel zu bewegen, und das geringſte Verſehen würde auch ſie in die Spinnennetze
verwickelt und gefährdet haben. Uebrigens durften ſie nur die Netze der kleinen Spinnen angreifen,
da die größeren zur Vertheidigung ihrer Feſtung herbeigeſtürzt kamen, ſobald ſie ſich naheten. Geſchah
Dies, ſo ſah man den Belagerer wie einen Lichtſtrahl aufſchießen. Gewöhnlich brauchte der Kolibri
ungefähr zehn Minuten zu ſeinem Raubzuge.“ Uns Deutſche belehrte der Prinz von Wied zuerſt
über die Nahrung der Kolibris. „Ohne die eben genannten Nachrichten“, fährt er fort, „über die
Kerbthiernahrung unſerer kleinen Vögel damals noch zu kennen, ſprach ich mich über dieſen Gegenſtand
in der Beſchreibung meiner braſilianiſchen Reiſe (1821) und bald darauf in der Jſis (1822) aus.
Jch bin ganz vollkommen hiervon überzeugt; denn ſelbſt die Magen der kleinſten dieſer Vögel fanden
wir mit Kerbthierreſten vollgeſtopft, dagegen nie mit Pflanzenhonig angefüllt. Die Nahrung beſteht,
meiner Ueberzeugung zufolge, in kleinen Käferchen, Spinnen, anderen Kerbthieren und dergleichen,
und die Zunge iſt keine durchbrochene, zum Saugen geeignete Röhre .... Jhre beiden häutigen
Spitzen ſind vollkommen geeignet, wenn ſie in den Grund der Blumenröhre gebracht werden, die
daſelbſt beſindlichen höchſt kleinen Kerbthiere zu fühlen, zu ergreifen und bis in den Schnabel zurück-
zuziehen. Bei Eröffnung der Magen dieſer kleinen Vögel überzeugt man ſich bald von der Wahrheit
dieſes Satzes; denn ich habe in denſelben gewöhnlich die Ueberreſte kleiner Käferchen gefunden, welche
ſie oft gänzlich anfüllen. Daß man, wie bei Leſſon zu leſen, die Schwirrvögel in gezähmtem Zuſtand
mit Honig oder Pflanzenſäften erhalten haben will, iſt kein Beweis, daß ſie auch in der Freiheit eine
ſolche Nahrung zu ſich nehmen. Jener gelehrte Reiſende ſcheint übrigens auch gänzlich meiner Anſicht
über die Nahrung der Kolibris beizutreten. Der Engländer Rennie ſprach ſich noch neuerdings
meinen Beobachtungen durchaus entſprechend über dieſen Gegenſtand aus, und was er hierüber ſagt,
iſt ſehr richtig.“ Ungefähr gleichzeitig mit dieſer Angabe des Prinzen (1831) erſchien Audubon’s
ausgezeichnetes Werk. Jn ihm heißt es: „Die Nahrung beſteht vorzugsweiſe aus Kerbthieren, haupt-
ſächlich aus Käfern. Dieſe zuſammen mit kleinen Fliegen werden gewöhnlich in ihrem Magen gefunden;
die erſteren werden von den Blumen geleſen, die letzteren im Fluge gefangen. Der Schwirrvogel
könnte deshalb als ausgezeichneter Fliegenfänger angeſehen werden. Nektar oder Honig, welcher von
den verſchiedenen Pflanzen aufgeſogen wird, iſt gewiß ungenügend, ihn zu erhalten; er dient vielleicht
mehr, um den Durſt zu ſtillen. Von vielen dieſer Vögel, welche in der Gefangenſchaft gehalten und
mit Honig oder Zucker ernährt wurden, habe ich erfahren, daß ſie ſelten mehrere Monate am Leben
blieben, und wenn ſie dann unterſucht wurden, fand man ſie im höchſten Grade abgemagert; andere
hingegen, denen zweimal täglich friſche Blumen aus den Wäldern oder aus den Gärten gebracht und
deren Gefängniß nur mit Gazenetzen, durch welche kleine Kerbthiere eindringen konnten, verſchloſſen
waren, lebten zwölf Monate und wurden dann noch frei gelaſſen.“ Unter den neuern Beobachtern
haben Goſſe und Burmeiſter denſelben Gegenſtand ausführlicher beleuchtet. „Die Nahrung der
Kolibris“, ſagt der erſtere (1847), „beſteht, wie ich überzeugt bin, faſt ausſchließlich aus Kerbthieren.
Daß ſie Blumennektar mit aufnehmen, will ich zugeben, und ebenſo weiß ich, daß ſie mit aufgelöſtem
Zucker oder Honig in der Gefangenſchaft eine Zeit lang hingehalten werden können; daß ſie aber bei
dieſer Nahrung leben bleiben, ja nur ihre Kraft behalten ſollten, bezweifle ich entſchieden. Jch habe
viele von allen hier (auf Jamaika) vorkommenden Arten zergliedert und unabänderlich den kleinen
Magen mit einer ſchwarzen Maſſe angefüllt gefunden, der, welche man in dem Magen der Sänger trifft,
täuſchend ähnlich, mit einer Maſſe, welche, genauer unterſucht, ſich als die Ueberreſte kleiner Kerb-
thiere erwies. Die Beobachtung Wilſon’s, daß der amerikaniſche Kolibri im Fluge fange, habe ich
bei unſern Arten ſehr oft gemacht. Jch habe geſehen, daß der Mange vor Einbruch der Nacht die
Wipfel der Bäume, welche nicht in Blüthe ſtanden, umflog und aus der Art ſeines Fluges ſchließen
können, daß er kleine Kerbthiere fing ... Der Grund der ſchnellen Drehungen des Kappenkolibris

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[121/0135] Lebensweiſe der Schwirrvögel. ob ſie ihren Jagdgrund kennen lernen wollten. Dann begannen ſie ihren Angriff, indem ſie mit Vorſicht unter das Netz der hinterliſtigen Spinne flogen und nun plötzlich auf die kleinen, eingewickelten Fliegen losſchoſſen. Jede Bewegung erforderte die größte Sorgfalt; denn oft hatten ſie kaum ſo viel Raum, um ihre Flügel zu bewegen, und das geringſte Verſehen würde auch ſie in die Spinnennetze verwickelt und gefährdet haben. Uebrigens durften ſie nur die Netze der kleinen Spinnen angreifen, da die größeren zur Vertheidigung ihrer Feſtung herbeigeſtürzt kamen, ſobald ſie ſich naheten. Geſchah Dies, ſo ſah man den Belagerer wie einen Lichtſtrahl aufſchießen. Gewöhnlich brauchte der Kolibri ungefähr zehn Minuten zu ſeinem Raubzuge.“ Uns Deutſche belehrte der Prinz von Wied zuerſt über die Nahrung der Kolibris. „Ohne die eben genannten Nachrichten“, fährt er fort, „über die Kerbthiernahrung unſerer kleinen Vögel damals noch zu kennen, ſprach ich mich über dieſen Gegenſtand in der Beſchreibung meiner braſilianiſchen Reiſe (1821) und bald darauf in der Jſis (1822) aus. Jch bin ganz vollkommen hiervon überzeugt; denn ſelbſt die Magen der kleinſten dieſer Vögel fanden wir mit Kerbthierreſten vollgeſtopft, dagegen nie mit Pflanzenhonig angefüllt. Die Nahrung beſteht, meiner Ueberzeugung zufolge, in kleinen Käferchen, Spinnen, anderen Kerbthieren und dergleichen, und die Zunge iſt keine durchbrochene, zum Saugen geeignete Röhre .... Jhre beiden häutigen Spitzen ſind vollkommen geeignet, wenn ſie in den Grund der Blumenröhre gebracht werden, die daſelbſt beſindlichen höchſt kleinen Kerbthiere zu fühlen, zu ergreifen und bis in den Schnabel zurück- zuziehen. Bei Eröffnung der Magen dieſer kleinen Vögel überzeugt man ſich bald von der Wahrheit dieſes Satzes; denn ich habe in denſelben gewöhnlich die Ueberreſte kleiner Käferchen gefunden, welche ſie oft gänzlich anfüllen. Daß man, wie bei Leſſon zu leſen, die Schwirrvögel in gezähmtem Zuſtand mit Honig oder Pflanzenſäften erhalten haben will, iſt kein Beweis, daß ſie auch in der Freiheit eine ſolche Nahrung zu ſich nehmen. Jener gelehrte Reiſende ſcheint übrigens auch gänzlich meiner Anſicht über die Nahrung der Kolibris beizutreten. Der Engländer Rennie ſprach ſich noch neuerdings meinen Beobachtungen durchaus entſprechend über dieſen Gegenſtand aus, und was er hierüber ſagt, iſt ſehr richtig.“ Ungefähr gleichzeitig mit dieſer Angabe des Prinzen (1831) erſchien Audubon’s ausgezeichnetes Werk. Jn ihm heißt es: „Die Nahrung beſteht vorzugsweiſe aus Kerbthieren, haupt- ſächlich aus Käfern. Dieſe zuſammen mit kleinen Fliegen werden gewöhnlich in ihrem Magen gefunden; die erſteren werden von den Blumen geleſen, die letzteren im Fluge gefangen. Der Schwirrvogel könnte deshalb als ausgezeichneter Fliegenfänger angeſehen werden. Nektar oder Honig, welcher von den verſchiedenen Pflanzen aufgeſogen wird, iſt gewiß ungenügend, ihn zu erhalten; er dient vielleicht mehr, um den Durſt zu ſtillen. Von vielen dieſer Vögel, welche in der Gefangenſchaft gehalten und mit Honig oder Zucker ernährt wurden, habe ich erfahren, daß ſie ſelten mehrere Monate am Leben blieben, und wenn ſie dann unterſucht wurden, fand man ſie im höchſten Grade abgemagert; andere hingegen, denen zweimal täglich friſche Blumen aus den Wäldern oder aus den Gärten gebracht und deren Gefängniß nur mit Gazenetzen, durch welche kleine Kerbthiere eindringen konnten, verſchloſſen waren, lebten zwölf Monate und wurden dann noch frei gelaſſen.“ Unter den neuern Beobachtern haben Goſſe und Burmeiſter denſelben Gegenſtand ausführlicher beleuchtet. „Die Nahrung der Kolibris“, ſagt der erſtere (1847), „beſteht, wie ich überzeugt bin, faſt ausſchließlich aus Kerbthieren. Daß ſie Blumennektar mit aufnehmen, will ich zugeben, und ebenſo weiß ich, daß ſie mit aufgelöſtem Zucker oder Honig in der Gefangenſchaft eine Zeit lang hingehalten werden können; daß ſie aber bei dieſer Nahrung leben bleiben, ja nur ihre Kraft behalten ſollten, bezweifle ich entſchieden. Jch habe viele von allen hier (auf Jamaika) vorkommenden Arten zergliedert und unabänderlich den kleinen Magen mit einer ſchwarzen Maſſe angefüllt gefunden, der, welche man in dem Magen der Sänger trifft, täuſchend ähnlich, mit einer Maſſe, welche, genauer unterſucht, ſich als die Ueberreſte kleiner Kerb- thiere erwies. Die Beobachtung Wilſon’s, daß der amerikaniſche Kolibri im Fluge fange, habe ich bei unſern Arten ſehr oft gemacht. Jch habe geſehen, daß der Mange vor Einbruch der Nacht die Wipfel der Bäume, welche nicht in Blüthe ſtanden, umflog und aus der Art ſeines Fluges ſchließen können, daß er kleine Kerbthiere fing ... Der Grund der ſchnellen Drehungen des Kappenkolibris

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/135>, abgerufen am 23.11.2024.