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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Die Späher. Schwirrvögel. Kolibris.
schöner gefärbte, zierlicher gebaute und zahlreichere Vogelfamilie auf der Erde", sagt Burmeister,
"als diese in jeder Hinsicht merkwürdigste und eigenthümlichste unter den amerikanischen Vogelgestalten.
Man muß die wundervollen Geschöpfe lebend in ihrem Vaterlande gesehen haben, um den ganzen
Liebreiz ihrer Natur vollständig bewundern zu können."

Jn der Bewunderung der Kolibris stimmen alle Forscher überein, bezüglich ihrer Würdigung in
systematischer Hinsicht herrschen verschiedene Ansichten. Bilden die Schwirrvögel wirklich nur eine
Familie? Können sie mit Fug und Recht einer andern Ordnung der Vögel eingereiht werden?
Diese Fragen sind schon vielfach erwägt worden; die Forscher haben sich aber noch heutigen Tages nicht
geeinigt.

Das Eine ist nicht zu leugnen, daß die Kolibris in dieser oder in jener Hinsicht an andere Vögel
erinnern: aber sie erinnern auch nur an sie -- vergleichen, zusammenstellen lassen sie sich nicht mit
andern. Erwägt man jede Eigenthümlichkeit, berücksichtigt man die Summe ihrer Merkmale, so wird
man sie schwerlich andern Vögeln ähnlich finden können. Jhr Gesammtgepräge ist ein durchaus
selbständiges, und ihre Lebensweise, eine bessere Erläuterung der Gestalt, als wir sie mit Worten zu
geben vermögen, hat mit der keines andern Vogels Aehnlichkeit. Die Schwirrvögel, wie ich sie
nennen will, sind, falls man so sagen darf, die Vertreter der Kerbthiere in ihrer Klasse: die Art und
Weise ihrer Bewegung, ihres Nahrungserwerbs, ihr Wesen hat mit gewissen Kerbthieren, zumal mit
Schmetterlingen, eine unverkennbare Aehnlichkeit. Vögel sind die Kolibris, wenn sie sitzen, Kerbthiere
in Vogelgestalt, wenn sie sich bewegen. Man hat sie mit den Seglern zusammengestellt: -- sie
haben mit diesen nur im Flügelbau Aehnlichkeit; man hat sie zu den Dünnschnäblern und insbesondere
zu den Honigsaugern gebracht: -- sie unterscheiden sich in jeder Hinsicht von diesen. Ebensogut
könnte man sie als nahe Verwandte der Spechte betrachten; denn der Bau ihrer Zunge stimmt im
wesentlichen mit dem der Spechtzunge überein. Aber sie selbst sind ebensowenig Spechte als Segler
oder Dünnschnäbler. Wo sie auch untergebracht werden mögen, sie stehen überall vereinzelt da, und
deshalb glaube ich keinen Fehler zu begehen, wenn ich für sie eine eigene Ordnung bilde. Daß auch
andere Naturforscher ähnliche Ansichten gehegt und befolgt haben, geht aus dem von Cabanis auf-
gestellten System zur Genüge hervor: die von ihm gebildete Ordnung der Schrillvögel (Strissores)
umfaßt außer den Kolibris nur noch die Segler, die Nachtschwalben und -- die Mäusevögel, Pisang-
fresser und Schopfhühner. Zwischen den letztgenannten und den Kolibris irgend welche Aehnlichkeit
herauszufinden, ist mir unmöglich; ich kann nicht einmal zwischen Seglern und Nachtschwalben einer-
seits und den Schwirrvögeln andererseits eine Verwandtschaft erkennen.

Die Größe der Schwirrvögel schwankt in weiten Grenzen; denn einige kommen kleinen Bienen-
fressern an Leibesumfang gleich, andere sind kaum größer, als eine Hummel. Der Leib ist in den
meisten Fällen gestreckt oder scheint es wenigstens zu sein, weil der Schwanz gewöhnlich ziemlich lang
ist; bei denjenigen Arten aber, welche nur einen stummelhaften Schwanz besitzen, fällt es sofort in die
Augen, daß ihr Leibesbau ein sehr gedrungener, kräftiger ist. Mehr als bei anderen Vögeln müssen
wir hier die einzelnen Glieder betrachten; denn sie sind es, welche die Kolibris kennzeichnen. Der
Schnabel ist pfriemenförmig gebaut, dünn, schlank, fein zugespitzt, gerade oder sanft gebogen, bald viel
länger, bald nur ebenso lang, wie der Kopf, mitunter fast von der Länge des Rumpfes, selten noch
länger. Sein Ueberzug ist eine feine, lederartige Hornscheide; die Spitze ist meist gerade, der Rand
einfach; mitunter ist jene etwas hakig und dieser am vorderen Ende fein sägenartig gekerbt. Nach
innen sind die Schnabelhälften tief ausgehöhlt, bis zur Spitze, der Oberschnabel umfaßt den unteren
und bildet mit ihm ein Rohr, worin die Zunge liegt. Nach hinten hebt sich die Firste als stumpfe
Kante aus der Schnabelfläche hervor und zeigt neben sich eine seichte Furche, welche zwar als Nasen-
grube anzusehen ist, aber die Nasenlöcher nicht enthält; denn diese liegen nicht in ihr, sondern viel
weiter nach außen, unmittelbar neben dem Schnabelrand. Sie sind feine, langgezogene Längsspalten.
Der enge, schmale, von nackter Haut ausgefüllte Kinnwinkel reicht mehr oder weniger in den Unter-
schnabel hinab, bei kurzen Schnäbeln ziemlich bis zur Mitte.

Die Späher. Schwirrvögel. Kolibris.
ſchöner gefärbte, zierlicher gebaute und zahlreichere Vogelfamilie auf der Erde“, ſagt Burmeiſter,
„als dieſe in jeder Hinſicht merkwürdigſte und eigenthümlichſte unter den amerikaniſchen Vogelgeſtalten.
Man muß die wundervollen Geſchöpfe lebend in ihrem Vaterlande geſehen haben, um den ganzen
Liebreiz ihrer Natur vollſtändig bewundern zu können.“

Jn der Bewunderung der Kolibris ſtimmen alle Forſcher überein, bezüglich ihrer Würdigung in
ſyſtematiſcher Hinſicht herrſchen verſchiedene Anſichten. Bilden die Schwirrvögel wirklich nur eine
Familie? Können ſie mit Fug und Recht einer andern Ordnung der Vögel eingereiht werden?
Dieſe Fragen ſind ſchon vielfach erwägt worden; die Forſcher haben ſich aber noch heutigen Tages nicht
geeinigt.

Das Eine iſt nicht zu leugnen, daß die Kolibris in dieſer oder in jener Hinſicht an andere Vögel
erinnern: aber ſie erinnern auch nur an ſie — vergleichen, zuſammenſtellen laſſen ſie ſich nicht mit
andern. Erwägt man jede Eigenthümlichkeit, berückſichtigt man die Summe ihrer Merkmale, ſo wird
man ſie ſchwerlich andern Vögeln ähnlich finden können. Jhr Geſammtgepräge iſt ein durchaus
ſelbſtändiges, und ihre Lebensweiſe, eine beſſere Erläuterung der Geſtalt, als wir ſie mit Worten zu
geben vermögen, hat mit der keines andern Vogels Aehnlichkeit. Die Schwirrvögel, wie ich ſie
nennen will, ſind, falls man ſo ſagen darf, die Vertreter der Kerbthiere in ihrer Klaſſe: die Art und
Weiſe ihrer Bewegung, ihres Nahrungserwerbs, ihr Weſen hat mit gewiſſen Kerbthieren, zumal mit
Schmetterlingen, eine unverkennbare Aehnlichkeit. Vögel ſind die Kolibris, wenn ſie ſitzen, Kerbthiere
in Vogelgeſtalt, wenn ſie ſich bewegen. Man hat ſie mit den Seglern zuſammengeſtellt: — ſie
haben mit dieſen nur im Flügelbau Aehnlichkeit; man hat ſie zu den Dünnſchnäblern und insbeſondere
zu den Honigſaugern gebracht: — ſie unterſcheiden ſich in jeder Hinſicht von dieſen. Ebenſogut
könnte man ſie als nahe Verwandte der Spechte betrachten; denn der Bau ihrer Zunge ſtimmt im
weſentlichen mit dem der Spechtzunge überein. Aber ſie ſelbſt ſind ebenſowenig Spechte als Segler
oder Dünnſchnäbler. Wo ſie auch untergebracht werden mögen, ſie ſtehen überall vereinzelt da, und
deshalb glaube ich keinen Fehler zu begehen, wenn ich für ſie eine eigene Ordnung bilde. Daß auch
andere Naturforſcher ähnliche Anſichten gehegt und befolgt haben, geht aus dem von Cabanis auf-
geſtellten Syſtem zur Genüge hervor: die von ihm gebildete Ordnung der Schrillvögel (Strissores)
umfaßt außer den Kolibris nur noch die Segler, die Nachtſchwalben und — die Mäuſevögel, Piſang-
freſſer und Schopfhühner. Zwiſchen den letztgenannten und den Kolibris irgend welche Aehnlichkeit
herauszufinden, iſt mir unmöglich; ich kann nicht einmal zwiſchen Seglern und Nachtſchwalben einer-
ſeits und den Schwirrvögeln andererſeits eine Verwandtſchaft erkennen.

Die Größe der Schwirrvögel ſchwankt in weiten Grenzen; denn einige kommen kleinen Bienen-
freſſern an Leibesumfang gleich, andere ſind kaum größer, als eine Hummel. Der Leib iſt in den
meiſten Fällen geſtreckt oder ſcheint es wenigſtens zu ſein, weil der Schwanz gewöhnlich ziemlich lang
iſt; bei denjenigen Arten aber, welche nur einen ſtummelhaften Schwanz beſitzen, fällt es ſofort in die
Augen, daß ihr Leibesbau ein ſehr gedrungener, kräftiger iſt. Mehr als bei anderen Vögeln müſſen
wir hier die einzelnen Glieder betrachten; denn ſie ſind es, welche die Kolibris kennzeichnen. Der
Schnabel iſt pfriemenförmig gebaut, dünn, ſchlank, fein zugeſpitzt, gerade oder ſanft gebogen, bald viel
länger, bald nur ebenſo lang, wie der Kopf, mitunter faſt von der Länge des Rumpfes, ſelten noch
länger. Sein Ueberzug iſt eine feine, lederartige Hornſcheide; die Spitze iſt meiſt gerade, der Rand
einfach; mitunter iſt jene etwas hakig und dieſer am vorderen Ende fein ſägenartig gekerbt. Nach
innen ſind die Schnabelhälften tief ausgehöhlt, bis zur Spitze, der Oberſchnabel umfaßt den unteren
und bildet mit ihm ein Rohr, worin die Zunge liegt. Nach hinten hebt ſich die Firſte als ſtumpfe
Kante aus der Schnabelfläche hervor und zeigt neben ſich eine ſeichte Furche, welche zwar als Naſen-
grube anzuſehen iſt, aber die Naſenlöcher nicht enthält; denn dieſe liegen nicht in ihr, ſondern viel
weiter nach außen, unmittelbar neben dem Schnabelrand. Sie ſind feine, langgezogene Längsſpalten.
Der enge, ſchmale, von nackter Haut ausgefüllte Kinnwinkel reicht mehr oder weniger in den Unter-
ſchnabel hinab, bei kurzen Schnäbeln ziemlich bis zur Mitte.

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[94/0108] Die Späher. Schwirrvögel. Kolibris. ſchöner gefärbte, zierlicher gebaute und zahlreichere Vogelfamilie auf der Erde“, ſagt Burmeiſter, „als dieſe in jeder Hinſicht merkwürdigſte und eigenthümlichſte unter den amerikaniſchen Vogelgeſtalten. Man muß die wundervollen Geſchöpfe lebend in ihrem Vaterlande geſehen haben, um den ganzen Liebreiz ihrer Natur vollſtändig bewundern zu können.“ Jn der Bewunderung der Kolibris ſtimmen alle Forſcher überein, bezüglich ihrer Würdigung in ſyſtematiſcher Hinſicht herrſchen verſchiedene Anſichten. Bilden die Schwirrvögel wirklich nur eine Familie? Können ſie mit Fug und Recht einer andern Ordnung der Vögel eingereiht werden? Dieſe Fragen ſind ſchon vielfach erwägt worden; die Forſcher haben ſich aber noch heutigen Tages nicht geeinigt. Das Eine iſt nicht zu leugnen, daß die Kolibris in dieſer oder in jener Hinſicht an andere Vögel erinnern: aber ſie erinnern auch nur an ſie — vergleichen, zuſammenſtellen laſſen ſie ſich nicht mit andern. Erwägt man jede Eigenthümlichkeit, berückſichtigt man die Summe ihrer Merkmale, ſo wird man ſie ſchwerlich andern Vögeln ähnlich finden können. Jhr Geſammtgepräge iſt ein durchaus ſelbſtändiges, und ihre Lebensweiſe, eine beſſere Erläuterung der Geſtalt, als wir ſie mit Worten zu geben vermögen, hat mit der keines andern Vogels Aehnlichkeit. Die Schwirrvögel, wie ich ſie nennen will, ſind, falls man ſo ſagen darf, die Vertreter der Kerbthiere in ihrer Klaſſe: die Art und Weiſe ihrer Bewegung, ihres Nahrungserwerbs, ihr Weſen hat mit gewiſſen Kerbthieren, zumal mit Schmetterlingen, eine unverkennbare Aehnlichkeit. Vögel ſind die Kolibris, wenn ſie ſitzen, Kerbthiere in Vogelgeſtalt, wenn ſie ſich bewegen. Man hat ſie mit den Seglern zuſammengeſtellt: — ſie haben mit dieſen nur im Flügelbau Aehnlichkeit; man hat ſie zu den Dünnſchnäblern und insbeſondere zu den Honigſaugern gebracht: — ſie unterſcheiden ſich in jeder Hinſicht von dieſen. Ebenſogut könnte man ſie als nahe Verwandte der Spechte betrachten; denn der Bau ihrer Zunge ſtimmt im weſentlichen mit dem der Spechtzunge überein. Aber ſie ſelbſt ſind ebenſowenig Spechte als Segler oder Dünnſchnäbler. Wo ſie auch untergebracht werden mögen, ſie ſtehen überall vereinzelt da, und deshalb glaube ich keinen Fehler zu begehen, wenn ich für ſie eine eigene Ordnung bilde. Daß auch andere Naturforſcher ähnliche Anſichten gehegt und befolgt haben, geht aus dem von Cabanis auf- geſtellten Syſtem zur Genüge hervor: die von ihm gebildete Ordnung der Schrillvögel (Strissores) umfaßt außer den Kolibris nur noch die Segler, die Nachtſchwalben und — die Mäuſevögel, Piſang- freſſer und Schopfhühner. Zwiſchen den letztgenannten und den Kolibris irgend welche Aehnlichkeit herauszufinden, iſt mir unmöglich; ich kann nicht einmal zwiſchen Seglern und Nachtſchwalben einer- ſeits und den Schwirrvögeln andererſeits eine Verwandtſchaft erkennen. Die Größe der Schwirrvögel ſchwankt in weiten Grenzen; denn einige kommen kleinen Bienen- freſſern an Leibesumfang gleich, andere ſind kaum größer, als eine Hummel. Der Leib iſt in den meiſten Fällen geſtreckt oder ſcheint es wenigſtens zu ſein, weil der Schwanz gewöhnlich ziemlich lang iſt; bei denjenigen Arten aber, welche nur einen ſtummelhaften Schwanz beſitzen, fällt es ſofort in die Augen, daß ihr Leibesbau ein ſehr gedrungener, kräftiger iſt. Mehr als bei anderen Vögeln müſſen wir hier die einzelnen Glieder betrachten; denn ſie ſind es, welche die Kolibris kennzeichnen. Der Schnabel iſt pfriemenförmig gebaut, dünn, ſchlank, fein zugeſpitzt, gerade oder ſanft gebogen, bald viel länger, bald nur ebenſo lang, wie der Kopf, mitunter faſt von der Länge des Rumpfes, ſelten noch länger. Sein Ueberzug iſt eine feine, lederartige Hornſcheide; die Spitze iſt meiſt gerade, der Rand einfach; mitunter iſt jene etwas hakig und dieſer am vorderen Ende fein ſägenartig gekerbt. Nach innen ſind die Schnabelhälften tief ausgehöhlt, bis zur Spitze, der Oberſchnabel umfaßt den unteren und bildet mit ihm ein Rohr, worin die Zunge liegt. Nach hinten hebt ſich die Firſte als ſtumpfe Kante aus der Schnabelfläche hervor und zeigt neben ſich eine ſeichte Furche, welche zwar als Naſen- grube anzuſehen iſt, aber die Naſenlöcher nicht enthält; denn dieſe liegen nicht in ihr, ſondern viel weiter nach außen, unmittelbar neben dem Schnabelrand. Sie ſind feine, langgezogene Längsſpalten. Der enge, ſchmale, von nackter Haut ausgefüllte Kinnwinkel reicht mehr oder weniger in den Unter- ſchnabel hinab, bei kurzen Schnäbeln ziemlich bis zur Mitte.

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/108>, abgerufen am 27.11.2024.