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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867.

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Ein Blick auf das Leben der Gesammtheit.
keiten. Bei den Schwimmtauchern werden die Füße und der Schwanz gebraucht, bei den Stoßtauchern
hauptsächlich die Flügel, bei einzelnen der erstere, bei den Flossentauchern namentlich Fuß, Schwanz
und Flügel. Die Tiefe, bis zu welcher einzelne unter das Wasser tauchen, die Richtung und
Schnelligkeit, in welcher sie sich hier bewegen, die Zeit, welche sie unter der Oberfläche zubringen, sind
außerordentlich verschieden. Eiderenten sollen, wie schon früher bemerkt wurde, bis sieben Minuten
verweilen und, laut Holboell, bis in eine Tiefe von fünfundsechzig Faden hinabsteigen können; die
Mehrzahl besucht so bedeutende Tiefen sicherlich nicht, erscheint auch schon nach höchstens drei Minuten
an der Oberfläche, um Luft zu schöpfen. Einige Vögel, welche nicht zu den Schwimmern zählen,
sind nicht blos fähig, zu schwimmen und zu tauchen, sondern auch, auf dem Grunde des Wassers
umherzulaufen.

Noch eine Fertigkeit ist den Vögeln eigen: viele von ihnen klettern und zwar ganz vorzüglich.
Hierzu benutzen sie vorzugsweise die Füße, nebenbei aber auch den Schnabel und den Schwanz,
bedingungsweise sogar die Flügel. Die unvollkommenste Art zu klettern ist die, welche die Papageien
ausüben, wenn sie mit dem Schnabel einen höher stehenden Zweig ergreifen, sich an ihm festhalten
und den Körper nachziehen, die vollkommenste die, welche wir von den Spechten beobachten können,
bei denen nur noch die Füße und der Schwanz in Frage kommen. Einige flattern mehr in die Höhe,
als sie klettern, indem sie bei jeder Aufwärtsbewegung die Flügel lüften und wieder anziehen, somit
eigentlich emporfliegen und sich dann erst wieder festhängen: in dieser Weise verfährt der Mauer-
läufer, während die Spechte sich hüpfend vorwärts bewegen, ohne die Flügel zu lüften. Fast alle
Kletterer steigen nur von unten nach oben oder auf der oberen Seite der Aeste fort; einzelne aber sind
wirklich im Stande, kopfunterst am Stamme herabzulaufen und andere an der unteren Seite der
Aeste hinzugehen.

Eine ausgezeichnete Begabung der Vögel bekundet sich in ihrer lauten, vollen und reinen
Stimme. Zwar gibt es viele unter ihnen, welche wenig Töne oder blos unangenehm kreischende
und gellende vernehmen lassen; die Mehrzahl aber hat eine ungemein biegsame und klangreiche Stimme:
wirklich stumme Vögel kennt man nicht. Die Stimme ermöglicht eine reichhaltige Sprache und
den anmuthigen Gesang. Jede eingehendere Beobachtung lehrt, daß die Vögel für verschiedene
Empfindungen, Eindrücke und Begriffe besondere Laute ausstoßen, denen man ohne Uebertreibung
die Bedeutung von Worten zusprechen darf, da sich die Thiere nicht allein unter sich verständigen,
sondern selbst der aufmerksame Beobachter sie verstehen lernt. Sie locken oder rufen, geben ihre
Freude und Liebe kund, fordern sich gegenseitig zum Kampfe heraus oder zu Schutz und Trutz auf,
warnen vor Feinden und anderweitiger Gefahr und machen sich überhaupt die verschiedensten Mit-
theilungen. Und nicht blos die Arten unter sich wissen sich zu verständigen, sondern Bevorzugte auch
zu minder Begabten zu reden. Auf die Warnung größerer Sumpfvögel achtet das kleinere Gesindel,
auf eine Krähe Staaren und anderes Feldgeflügel, auf den Angstruf einer Amsel lauscht der ganze
Wald. Die besonders Vorsichtigen schwingen sich zu Wächtern der Gesammtheit auf, und ihre
Aeußerungen werden von anderen wohl beachtet. Während der Zeit der Liebe unterhalten sich die
Vögel, schwatzend und kosend, oft in allerliebster Weise, und ebenso spricht die Mutter zärtlich zu
ihren Kindern. Einzelne wirken gemeinschaftlich in regelrechter Weise am Hervorbringen bestimmter
Töne, indem sie sich gegenseitig antworten; andere geben ihren Gefühlen Worte, unbekümmert darum,
ob sie Verständniß finden oder nicht. Zu ihnen gehören die Singvögel, die Lieblinge der Schöpfung,
wie man sie wohl nennen darf, diejenigen Mitglieder der Klasse, welche dieser unsere volle Liebe
erworben haben. Solange es sich um reine Unterhaltung handelt, stehen sich beide Geschlechter in
ihrer Sprachfertigkeit ungefähr gleich; der Gesang aber ist eine Bevorzugung des männlichen
Geschlechtes; denn höchst selten nur lernt es ein Weibchen, einige Strophen abzusingen. Bei allen
eigentlichen Sängern sind die Muskeln am unteren Kehlkopfe im Wesentlichen gleichartig entwickelt;
ihre Sangesfertigkeit aber ist dennoch höchst verschieden. Jede einzelne Art hat ihre eigenthümlichen
Töne und einen gewissen Umfang der Stimme; jede verbindet die Töne in besonderer Weise zu

Ein Blick auf das Leben der Geſammtheit.
keiten. Bei den Schwimmtauchern werden die Füße und der Schwanz gebraucht, bei den Stoßtauchern
hauptſächlich die Flügel, bei einzelnen der erſtere, bei den Floſſentauchern namentlich Fuß, Schwanz
und Flügel. Die Tiefe, bis zu welcher einzelne unter das Waſſer tauchen, die Richtung und
Schnelligkeit, in welcher ſie ſich hier bewegen, die Zeit, welche ſie unter der Oberfläche zubringen, ſind
außerordentlich verſchieden. Eiderenten ſollen, wie ſchon früher bemerkt wurde, bis ſieben Minuten
verweilen und, laut Holboell, bis in eine Tiefe von fünfundſechzig Faden hinabſteigen können; die
Mehrzahl beſucht ſo bedeutende Tiefen ſicherlich nicht, erſcheint auch ſchon nach höchſtens drei Minuten
an der Oberfläche, um Luft zu ſchöpfen. Einige Vögel, welche nicht zu den Schwimmern zählen,
ſind nicht blos fähig, zu ſchwimmen und zu tauchen, ſondern auch, auf dem Grunde des Waſſers
umherzulaufen.

Noch eine Fertigkeit iſt den Vögeln eigen: viele von ihnen klettern und zwar ganz vorzüglich.
Hierzu benutzen ſie vorzugsweiſe die Füße, nebenbei aber auch den Schnabel und den Schwanz,
bedingungsweiſe ſogar die Flügel. Die unvollkommenſte Art zu klettern iſt die, welche die Papageien
ausüben, wenn ſie mit dem Schnabel einen höher ſtehenden Zweig ergreifen, ſich an ihm feſthalten
und den Körper nachziehen, die vollkommenſte die, welche wir von den Spechten beobachten können,
bei denen nur noch die Füße und der Schwanz in Frage kommen. Einige flattern mehr in die Höhe,
als ſie klettern, indem ſie bei jeder Aufwärtsbewegung die Flügel lüften und wieder anziehen, ſomit
eigentlich emporfliegen und ſich dann erſt wieder feſthängen: in dieſer Weiſe verfährt der Mauer-
läufer, während die Spechte ſich hüpfend vorwärts bewegen, ohne die Flügel zu lüften. Faſt alle
Kletterer ſteigen nur von unten nach oben oder auf der oberen Seite der Aeſte fort; einzelne aber ſind
wirklich im Stande, kopfunterſt am Stamme herabzulaufen und andere an der unteren Seite der
Aeſte hinzugehen.

Eine ausgezeichnete Begabung der Vögel bekundet ſich in ihrer lauten, vollen und reinen
Stimme. Zwar gibt es viele unter ihnen, welche wenig Töne oder blos unangenehm kreiſchende
und gellende vernehmen laſſen; die Mehrzahl aber hat eine ungemein biegſame und klangreiche Stimme:
wirklich ſtumme Vögel kennt man nicht. Die Stimme ermöglicht eine reichhaltige Sprache und
den anmuthigen Geſang. Jede eingehendere Beobachtung lehrt, daß die Vögel für verſchiedene
Empfindungen, Eindrücke und Begriffe beſondere Laute ausſtoßen, denen man ohne Uebertreibung
die Bedeutung von Worten zuſprechen darf, da ſich die Thiere nicht allein unter ſich verſtändigen,
ſondern ſelbſt der aufmerkſame Beobachter ſie verſtehen lernt. Sie locken oder rufen, geben ihre
Freude und Liebe kund, fordern ſich gegenſeitig zum Kampfe heraus oder zu Schutz und Trutz auf,
warnen vor Feinden und anderweitiger Gefahr und machen ſich überhaupt die verſchiedenſten Mit-
theilungen. Und nicht blos die Arten unter ſich wiſſen ſich zu verſtändigen, ſondern Bevorzugte auch
zu minder Begabten zu reden. Auf die Warnung größerer Sumpfvögel achtet das kleinere Geſindel,
auf eine Krähe Staaren und anderes Feldgeflügel, auf den Angſtruf einer Amſel lauſcht der ganze
Wald. Die beſonders Vorſichtigen ſchwingen ſich zu Wächtern der Geſammtheit auf, und ihre
Aeußerungen werden von anderen wohl beachtet. Während der Zeit der Liebe unterhalten ſich die
Vögel, ſchwatzend und koſend, oft in allerliebſter Weiſe, und ebenſo ſpricht die Mutter zärtlich zu
ihren Kindern. Einzelne wirken gemeinſchaftlich in regelrechter Weiſe am Hervorbringen beſtimmter
Töne, indem ſie ſich gegenſeitig antworten; andere geben ihren Gefühlen Worte, unbekümmert darum,
ob ſie Verſtändniß finden oder nicht. Zu ihnen gehören die Singvögel, die Lieblinge der Schöpfung,
wie man ſie wohl nennen darf, diejenigen Mitglieder der Klaſſe, welche dieſer unſere volle Liebe
erworben haben. Solange es ſich um reine Unterhaltung handelt, ſtehen ſich beide Geſchlechter in
ihrer Sprachfertigkeit ungefähr gleich; der Geſang aber iſt eine Bevorzugung des männlichen
Geſchlechtes; denn höchſt ſelten nur lernt es ein Weibchen, einige Strophen abzuſingen. Bei allen
eigentlichen Sängern ſind die Muskeln am unteren Kehlkopfe im Weſentlichen gleichartig entwickelt;
ihre Sangesfertigkeit aber iſt dennoch höchſt verſchieden. Jede einzelne Art hat ihre eigenthümlichen
Töne und einen gewiſſen Umfang der Stimme; jede verbindet die Töne in beſonderer Weiſe zu

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[980/1034] Ein Blick auf das Leben der Geſammtheit. keiten. Bei den Schwimmtauchern werden die Füße und der Schwanz gebraucht, bei den Stoßtauchern hauptſächlich die Flügel, bei einzelnen der erſtere, bei den Floſſentauchern namentlich Fuß, Schwanz und Flügel. Die Tiefe, bis zu welcher einzelne unter das Waſſer tauchen, die Richtung und Schnelligkeit, in welcher ſie ſich hier bewegen, die Zeit, welche ſie unter der Oberfläche zubringen, ſind außerordentlich verſchieden. Eiderenten ſollen, wie ſchon früher bemerkt wurde, bis ſieben Minuten verweilen und, laut Holboell, bis in eine Tiefe von fünfundſechzig Faden hinabſteigen können; die Mehrzahl beſucht ſo bedeutende Tiefen ſicherlich nicht, erſcheint auch ſchon nach höchſtens drei Minuten an der Oberfläche, um Luft zu ſchöpfen. Einige Vögel, welche nicht zu den Schwimmern zählen, ſind nicht blos fähig, zu ſchwimmen und zu tauchen, ſondern auch, auf dem Grunde des Waſſers umherzulaufen. Noch eine Fertigkeit iſt den Vögeln eigen: viele von ihnen klettern und zwar ganz vorzüglich. Hierzu benutzen ſie vorzugsweiſe die Füße, nebenbei aber auch den Schnabel und den Schwanz, bedingungsweiſe ſogar die Flügel. Die unvollkommenſte Art zu klettern iſt die, welche die Papageien ausüben, wenn ſie mit dem Schnabel einen höher ſtehenden Zweig ergreifen, ſich an ihm feſthalten und den Körper nachziehen, die vollkommenſte die, welche wir von den Spechten beobachten können, bei denen nur noch die Füße und der Schwanz in Frage kommen. Einige flattern mehr in die Höhe, als ſie klettern, indem ſie bei jeder Aufwärtsbewegung die Flügel lüften und wieder anziehen, ſomit eigentlich emporfliegen und ſich dann erſt wieder feſthängen: in dieſer Weiſe verfährt der Mauer- läufer, während die Spechte ſich hüpfend vorwärts bewegen, ohne die Flügel zu lüften. Faſt alle Kletterer ſteigen nur von unten nach oben oder auf der oberen Seite der Aeſte fort; einzelne aber ſind wirklich im Stande, kopfunterſt am Stamme herabzulaufen und andere an der unteren Seite der Aeſte hinzugehen. Eine ausgezeichnete Begabung der Vögel bekundet ſich in ihrer lauten, vollen und reinen Stimme. Zwar gibt es viele unter ihnen, welche wenig Töne oder blos unangenehm kreiſchende und gellende vernehmen laſſen; die Mehrzahl aber hat eine ungemein biegſame und klangreiche Stimme: wirklich ſtumme Vögel kennt man nicht. Die Stimme ermöglicht eine reichhaltige Sprache und den anmuthigen Geſang. Jede eingehendere Beobachtung lehrt, daß die Vögel für verſchiedene Empfindungen, Eindrücke und Begriffe beſondere Laute ausſtoßen, denen man ohne Uebertreibung die Bedeutung von Worten zuſprechen darf, da ſich die Thiere nicht allein unter ſich verſtändigen, ſondern ſelbſt der aufmerkſame Beobachter ſie verſtehen lernt. Sie locken oder rufen, geben ihre Freude und Liebe kund, fordern ſich gegenſeitig zum Kampfe heraus oder zu Schutz und Trutz auf, warnen vor Feinden und anderweitiger Gefahr und machen ſich überhaupt die verſchiedenſten Mit- theilungen. Und nicht blos die Arten unter ſich wiſſen ſich zu verſtändigen, ſondern Bevorzugte auch zu minder Begabten zu reden. Auf die Warnung größerer Sumpfvögel achtet das kleinere Geſindel, auf eine Krähe Staaren und anderes Feldgeflügel, auf den Angſtruf einer Amſel lauſcht der ganze Wald. Die beſonders Vorſichtigen ſchwingen ſich zu Wächtern der Geſammtheit auf, und ihre Aeußerungen werden von anderen wohl beachtet. Während der Zeit der Liebe unterhalten ſich die Vögel, ſchwatzend und koſend, oft in allerliebſter Weiſe, und ebenſo ſpricht die Mutter zärtlich zu ihren Kindern. Einzelne wirken gemeinſchaftlich in regelrechter Weiſe am Hervorbringen beſtimmter Töne, indem ſie ſich gegenſeitig antworten; andere geben ihren Gefühlen Worte, unbekümmert darum, ob ſie Verſtändniß finden oder nicht. Zu ihnen gehören die Singvögel, die Lieblinge der Schöpfung, wie man ſie wohl nennen darf, diejenigen Mitglieder der Klaſſe, welche dieſer unſere volle Liebe erworben haben. Solange es ſich um reine Unterhaltung handelt, ſtehen ſich beide Geſchlechter in ihrer Sprachfertigkeit ungefähr gleich; der Geſang aber iſt eine Bevorzugung des männlichen Geſchlechtes; denn höchſt ſelten nur lernt es ein Weibchen, einige Strophen abzuſingen. Bei allen eigentlichen Sängern ſind die Muskeln am unteren Kehlkopfe im Weſentlichen gleichartig entwickelt; ihre Sangesfertigkeit aber iſt dennoch höchſt verſchieden. Jede einzelne Art hat ihre eigenthümlichen Töne und einen gewiſſen Umfang der Stimme; jede verbindet die Töne in beſonderer Weiſe zu

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 980. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/1034>, abgerufen am 22.11.2024.