Man darf behaupten, daß der Vogel verhältnißmäßig mehr frißt als jedes andere Geschöpf. Nicht wenige fressen beinah ebensolange, als sie wach sind, die Kerfjäger soviel, daß die tägliche Nahrungsmenge an Gewicht ihre eigene Körperschwere zwei bis drei Mal übersteigt. Bei den Fleisch- fressern gestaltet sich das Verhältniß günstiger; denn sie bedürfen kaum ein Sechstheil ihres Körper- gewichts an Nahrung, und alle Pflanzenfresser brauchen kaum mehr als sie; trotzdem würden wir auch sie als Fresser bezeichnen müssen, wenn wir sie mit Säugethieren vergleichen wollten. Die Nahrung wird entweder unmittelbar in den Vormagen oder in den Kropf eingeführt und hier vor- verdaut, im Magen aber vollends zersetzt oder, wie wir gesehen haben, förmlich wie zwischen Mahl- steinen zerkleinert. Manche Vögel füllen sich beim Fressen die Speiseröhre bis zum Schlunde mit Nahrung an, andere den Kropf so, daß er kugelig am Halse hervortritt. Raubvögel verdauen noch alte Knochen, größere Körnerfresser verarbeiten sogar Eisenstücke derartig, daß ihre frühere Form wesentlich verändert wird. Unverdauliche Stoffe liegen bei ihnen wochenlang im Magen, bevor sie abgehen, während sie von den Raubvögeln in zusammengeballten Kugeln wieder ausgespieen werden. Trotz des regen Stoffwechsels sammelt sich bei reichlicher Nahrung unter der Haut und zwischen den Eingeweiden sehr viel Fett an; mehrere Hungertage nach einander verbrennen dasselbe aber auch vollständig wieder. Dennoch ertragen die Vögel Hunger länger als gewisse Säugethiere, beispiels- weise der Maulwurf, welcher, wie oben mitgetheilt wurde, schon nach wenigen Stunden dem Nahrungsmangel unterliegt.
Auch die willkürlichen Bewegungen der Vögel geschehen rascher und sind ausdauernder, ihre Muskeln in der That dichter und fester, reizbarer und ihre Zusammenziehungen kräftiger als bei den übrigen Thieren; ihre Kraft scheint unermüdlich zu sein.
Ueber den Flug, die ausgezeichnetste Bewegung, habe ich oben schon einige Worte gesagt und möchte an sie erinnern, weil das Nachfolgende damit in Verbindung steht. Alle übrigen Thiere, welche fähig sind, sich in der Luft zu bewegen, flattern oder schwirren: -- die Vögel fliegen. Dies danken sie der Bildung ihrer Fittige. Alle Federn derselben liegen dachziegelartig über einander und sind gebogen, wodurch der Flügel eine muldenartige Ausbuchtung nach oben erhält. Wenn die Schwingen empor gehoben werden, wird die Verbindung der einzelnen Schwungfedern gelockert und die Luft kann zwischen den Federn durchstreichen; beim Niederdrücken hingegen schließen sich die Fahnen innig an die der anderen an und setzen der Luft einen bedeutenden Widerstand entgegen: der Vogel muß sich also bei jedem Flügelschlage erheben; und da nun Dies von vorn nach hinten und oben nach unten geschieht, findet gleichzeitig Vorwärtsbewegung statt. Der Schwanz dient als Steuer, wird beim Emporsteigen etwas gehoben, beim Herabsteigen niedergebogen, bei Wendungen gedreht. Selbstverständlich ist, daß die Flügelschläge der vollendeten Flieger bald rascher, bald lang- samer erfolgen, bald gänzlich unterbrochen werden, daß der Flügel mehr oder weniger gewendet wird, und der vordere Rand demnach bald höher, bald niederer in den hinteren zu stehen kommt, je nachdem der Vogel schneller oder gemächlicher auf- und vorwärts fliegen, schweben oder kreisen will, und ebenso, daß sie eingezogen werden, wenn sich derselbe aus bedeutenden Höhen jäh zum Boden herabzustürzen beabsichtigt. Die Wölbung der Flügel bedingt auch, daß er zum Fluge Gegenwind bedarf; denn der von vorn kommende Luftzug füllt ihm die Schwingen und hebt ihn, während Rückwind ihm die Federn lockert und die Flügel herabdrückt, die Bewegung überhaupt beeinträchtigt. Die bezügliche Schnelligkeit und die Art und Weise des Fluges selbst steht mit der Gestaltung des Flügels und der Beschaffenheit des Gefieders im innigsten Einklange. Lange, schmale, scharf zugespitzte, hartfederige Flügel und ein kurzes Gefieder befähigen zu raschem Fluge, kurze, breite, stumpfe Flügel und lockeres Gefieder erlauben umgekehrt nur einen langsamen; ein verhältnißmäßig langer und breiter Schwanz macht jähe Wendungen möglich, große, abgerundete und breite Flügel erleichtern längeres Schweben etc. Hinsichtlich der bezüglichen Schnelligkeit des Fluges habe ich bereits gesagt, daß sie die jedes anderen Thieres übertrifft; bezüglich der Ausdauer mag bemerkt sein, daß der Vogel hierin hinter keinem Thiere zurück steht, daß er für uns Unbegreifliches leistet und im Verlaufe weniger Tage hunderte
Ein Blick auf das Leben der Geſammtheit.
Man darf behaupten, daß der Vogel verhältnißmäßig mehr frißt als jedes andere Geſchöpf. Nicht wenige freſſen beinah ebenſolange, als ſie wach ſind, die Kerfjäger ſoviel, daß die tägliche Nahrungsmenge an Gewicht ihre eigene Körperſchwere zwei bis drei Mal überſteigt. Bei den Fleiſch- freſſern geſtaltet ſich das Verhältniß günſtiger; denn ſie bedürfen kaum ein Sechstheil ihres Körper- gewichts an Nahrung, und alle Pflanzenfreſſer brauchen kaum mehr als ſie; trotzdem würden wir auch ſie als Freſſer bezeichnen müſſen, wenn wir ſie mit Säugethieren vergleichen wollten. Die Nahrung wird entweder unmittelbar in den Vormagen oder in den Kropf eingeführt und hier vor- verdaut, im Magen aber vollends zerſetzt oder, wie wir geſehen haben, förmlich wie zwiſchen Mahl- ſteinen zerkleinert. Manche Vögel füllen ſich beim Freſſen die Speiſeröhre bis zum Schlunde mit Nahrung an, andere den Kropf ſo, daß er kugelig am Halſe hervortritt. Raubvögel verdauen noch alte Knochen, größere Körnerfreſſer verarbeiten ſogar Eiſenſtücke derartig, daß ihre frühere Form weſentlich verändert wird. Unverdauliche Stoffe liegen bei ihnen wochenlang im Magen, bevor ſie abgehen, während ſie von den Raubvögeln in zuſammengeballten Kugeln wieder ausgeſpieen werden. Trotz des regen Stoffwechſels ſammelt ſich bei reichlicher Nahrung unter der Haut und zwiſchen den Eingeweiden ſehr viel Fett an; mehrere Hungertage nach einander verbrennen daſſelbe aber auch vollſtändig wieder. Dennoch ertragen die Vögel Hunger länger als gewiſſe Säugethiere, beiſpiels- weiſe der Maulwurf, welcher, wie oben mitgetheilt wurde, ſchon nach wenigen Stunden dem Nahrungsmangel unterliegt.
Auch die willkürlichen Bewegungen der Vögel geſchehen raſcher und ſind ausdauernder, ihre Muskeln in der That dichter und feſter, reizbarer und ihre Zuſammenziehungen kräftiger als bei den übrigen Thieren; ihre Kraft ſcheint unermüdlich zu ſein.
Ueber den Flug, die ausgezeichnetſte Bewegung, habe ich oben ſchon einige Worte geſagt und möchte an ſie erinnern, weil das Nachfolgende damit in Verbindung ſteht. Alle übrigen Thiere, welche fähig ſind, ſich in der Luft zu bewegen, flattern oder ſchwirren: — die Vögel fliegen. Dies danken ſie der Bildung ihrer Fittige. Alle Federn derſelben liegen dachziegelartig über einander und ſind gebogen, wodurch der Flügel eine muldenartige Ausbuchtung nach oben erhält. Wenn die Schwingen empor gehoben werden, wird die Verbindung der einzelnen Schwungfedern gelockert und die Luft kann zwiſchen den Federn durchſtreichen; beim Niederdrücken hingegen ſchließen ſich die Fahnen innig an die der anderen an und ſetzen der Luft einen bedeutenden Widerſtand entgegen: der Vogel muß ſich alſo bei jedem Flügelſchlage erheben; und da nun Dies von vorn nach hinten und oben nach unten geſchieht, findet gleichzeitig Vorwärtsbewegung ſtatt. Der Schwanz dient als Steuer, wird beim Emporſteigen etwas gehoben, beim Herabſteigen niedergebogen, bei Wendungen gedreht. Selbſtverſtändlich iſt, daß die Flügelſchläge der vollendeten Flieger bald raſcher, bald lang- ſamer erfolgen, bald gänzlich unterbrochen werden, daß der Flügel mehr oder weniger gewendet wird, und der vordere Rand demnach bald höher, bald niederer in den hinteren zu ſtehen kommt, je nachdem der Vogel ſchneller oder gemächlicher auf- und vorwärts fliegen, ſchweben oder kreiſen will, und ebenſo, daß ſie eingezogen werden, wenn ſich derſelbe aus bedeutenden Höhen jäh zum Boden herabzuſtürzen beabſichtigt. Die Wölbung der Flügel bedingt auch, daß er zum Fluge Gegenwind bedarf; denn der von vorn kommende Luftzug füllt ihm die Schwingen und hebt ihn, während Rückwind ihm die Federn lockert und die Flügel herabdrückt, die Bewegung überhaupt beeinträchtigt. Die bezügliche Schnelligkeit und die Art und Weiſe des Fluges ſelbſt ſteht mit der Geſtaltung des Flügels und der Beſchaffenheit des Gefieders im innigſten Einklange. Lange, ſchmale, ſcharf zugeſpitzte, hartfederige Flügel und ein kurzes Gefieder befähigen zu raſchem Fluge, kurze, breite, ſtumpfe Flügel und lockeres Gefieder erlauben umgekehrt nur einen langſamen; ein verhältnißmäßig langer und breiter Schwanz macht jähe Wendungen möglich, große, abgerundete und breite Flügel erleichtern längeres Schweben ꝛc. Hinſichtlich der bezüglichen Schnelligkeit des Fluges habe ich bereits geſagt, daß ſie die jedes anderen Thieres übertrifft; bezüglich der Ausdauer mag bemerkt ſein, daß der Vogel hierin hinter keinem Thiere zurück ſteht, daß er für uns Unbegreifliches leiſtet und im Verlaufe weniger Tage hunderte
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[978/1032]
Ein Blick auf das Leben der Geſammtheit.
Man darf behaupten, daß der Vogel verhältnißmäßig mehr frißt als jedes andere Geſchöpf.
Nicht wenige freſſen beinah ebenſolange, als ſie wach ſind, die Kerfjäger ſoviel, daß die tägliche
Nahrungsmenge an Gewicht ihre eigene Körperſchwere zwei bis drei Mal überſteigt. Bei den Fleiſch-
freſſern geſtaltet ſich das Verhältniß günſtiger; denn ſie bedürfen kaum ein Sechstheil ihres Körper-
gewichts an Nahrung, und alle Pflanzenfreſſer brauchen kaum mehr als ſie; trotzdem würden wir
auch ſie als Freſſer bezeichnen müſſen, wenn wir ſie mit Säugethieren vergleichen wollten. Die
Nahrung wird entweder unmittelbar in den Vormagen oder in den Kropf eingeführt und hier vor-
verdaut, im Magen aber vollends zerſetzt oder, wie wir geſehen haben, förmlich wie zwiſchen Mahl-
ſteinen zerkleinert. Manche Vögel füllen ſich beim Freſſen die Speiſeröhre bis zum Schlunde mit
Nahrung an, andere den Kropf ſo, daß er kugelig am Halſe hervortritt. Raubvögel verdauen noch
alte Knochen, größere Körnerfreſſer verarbeiten ſogar Eiſenſtücke derartig, daß ihre frühere Form
weſentlich verändert wird. Unverdauliche Stoffe liegen bei ihnen wochenlang im Magen, bevor ſie
abgehen, während ſie von den Raubvögeln in zuſammengeballten Kugeln wieder ausgeſpieen werden.
Trotz des regen Stoffwechſels ſammelt ſich bei reichlicher Nahrung unter der Haut und zwiſchen den
Eingeweiden ſehr viel Fett an; mehrere Hungertage nach einander verbrennen daſſelbe aber auch
vollſtändig wieder. Dennoch ertragen die Vögel Hunger länger als gewiſſe Säugethiere, beiſpiels-
weiſe der Maulwurf, welcher, wie oben mitgetheilt wurde, ſchon nach wenigen Stunden dem
Nahrungsmangel unterliegt.
Auch die willkürlichen Bewegungen der Vögel geſchehen raſcher und ſind ausdauernder, ihre
Muskeln in der That dichter und feſter, reizbarer und ihre Zuſammenziehungen kräftiger als bei
den übrigen Thieren; ihre Kraft ſcheint unermüdlich zu ſein.
Ueber den Flug, die ausgezeichnetſte Bewegung, habe ich oben ſchon einige Worte geſagt und
möchte an ſie erinnern, weil das Nachfolgende damit in Verbindung ſteht. Alle übrigen Thiere,
welche fähig ſind, ſich in der Luft zu bewegen, flattern oder ſchwirren: — die Vögel fliegen. Dies
danken ſie der Bildung ihrer Fittige. Alle Federn derſelben liegen dachziegelartig über einander und
ſind gebogen, wodurch der Flügel eine muldenartige Ausbuchtung nach oben erhält. Wenn die
Schwingen empor gehoben werden, wird die Verbindung der einzelnen Schwungfedern gelockert und
die Luft kann zwiſchen den Federn durchſtreichen; beim Niederdrücken hingegen ſchließen ſich die
Fahnen innig an die der anderen an und ſetzen der Luft einen bedeutenden Widerſtand entgegen:
der Vogel muß ſich alſo bei jedem Flügelſchlage erheben; und da nun Dies von vorn nach hinten und
oben nach unten geſchieht, findet gleichzeitig Vorwärtsbewegung ſtatt. Der Schwanz dient als
Steuer, wird beim Emporſteigen etwas gehoben, beim Herabſteigen niedergebogen, bei Wendungen
gedreht. Selbſtverſtändlich iſt, daß die Flügelſchläge der vollendeten Flieger bald raſcher, bald lang-
ſamer erfolgen, bald gänzlich unterbrochen werden, daß der Flügel mehr oder weniger gewendet wird,
und der vordere Rand demnach bald höher, bald niederer in den hinteren zu ſtehen kommt, je nachdem
der Vogel ſchneller oder gemächlicher auf- und vorwärts fliegen, ſchweben oder kreiſen will, und ebenſo,
daß ſie eingezogen werden, wenn ſich derſelbe aus bedeutenden Höhen jäh zum Boden herabzuſtürzen
beabſichtigt. Die Wölbung der Flügel bedingt auch, daß er zum Fluge Gegenwind bedarf; denn der von
vorn kommende Luftzug füllt ihm die Schwingen und hebt ihn, während Rückwind ihm die Federn
lockert und die Flügel herabdrückt, die Bewegung überhaupt beeinträchtigt. Die bezügliche Schnelligkeit
und die Art und Weiſe des Fluges ſelbſt ſteht mit der Geſtaltung des Flügels und der Beſchaffenheit
des Gefieders im innigſten Einklange. Lange, ſchmale, ſcharf zugeſpitzte, hartfederige Flügel und ein
kurzes Gefieder befähigen zu raſchem Fluge, kurze, breite, ſtumpfe Flügel und lockeres Gefieder
erlauben umgekehrt nur einen langſamen; ein verhältnißmäßig langer und breiter Schwanz macht
jähe Wendungen möglich, große, abgerundete und breite Flügel erleichtern längeres Schweben ꝛc.
Hinſichtlich der bezüglichen Schnelligkeit des Fluges habe ich bereits geſagt, daß ſie die jedes anderen
Thieres übertrifft; bezüglich der Ausdauer mag bemerkt ſein, daß der Vogel hierin hinter keinem
Thiere zurück ſteht, daß er für uns Unbegreifliches leiſtet und im Verlaufe weniger Tage hunderte
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 4. Hildburghausen, 1867, S. 978. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben04_1867/1032>, abgerufen am 22.11.2024.
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